Was eine Lowden von gewöhnlichen Gitarren unterscheidet...

Alles über akustische Gitarren für Stahlsaiten

Moderator: RB

maxpo
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Beitrag von maxpo »

TM hat geschrieben: , dann sehe ich produktionsoptimierte Massenware mit teilweise deutlichen Verarbeitungsspuren.
Deutliche Verarbeitungsspuren sind optische Auffälligkeiten ,die aber nicht automatisch schlechte akustische Eigenschaften nach sich ziehen.

Ich habe schon viele Gitarren spielen können, die wirklich gut klangen, aber Verarbeitungsunschönheiten ( die nicht gleichlautend mit technischen Mängel sein müssen) ab Herstellung aufzuweisen hatten.

Hochpreisgitarren werden aus Vorführungen, nach Messepräsentationen oder Roadshows wieder überarbeitet, optisch perfektioniert und Macken entfernt. Hier lohnt es sich ein paar Stunden zu investieren, um dann wieder den vollen Kaufpreis zu erzielen.

Alles unter ca 1000 € Liste aufgrund hoher Stundenlöhne wird nicht mehr wie vorgenannt aufgefrischt, sondern geht als B Ware in die Vermarktung. Keine schlechten Käufe, wenn deutlich billiger als der beste tagesaktuelle Straßenpreis.

Vorteil für die Kunden: nicht nur Geld gespart , sondern entkrampfter Umgang , weil die "erste Macke" schon drin ist.
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RB
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Beitrag von RB »

Ich würde es für einen Fehler halten, eine grundsätzliche, ja ideologische Frage aus alledem zu machen. Ich stimme Doc zu. Die technischen Aspekte der Produktionsweise sind mir gleich, ich finde das Ergebnis entscheidend.
Westerly Rhode Island
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Beitrag von Westerly Rhode Island »

Nun ja, aber die technischen Aspekte der Produktionsweise wirken sich eben auf das Ergebnis aus, da wohl kein Gitarrenbauer zum Spaß mehr Zeit als notwendig für eine Gitarre veranschlagen möchte. Dann wäre es ein Hobby und kein Beruf.

Nehmen wir mal eine 18er oder 28er Martin (Std.), einfach weil die jeder kennt. Da ist der Produktionsablauf wohl ziemlich rationalisiert und ich finde nicht, dass das außergewöhnliche Gitarren sind.
Wer mal z.B. eine frühe Santa Cruz oder eine 18/28-Kopie von einem fähigen Gitarrenbauer gespielt hat (oder von mir aus eine höherpreisige Martin Custom Shop) , wird zustimmen, daß diese einfach besser sind als die aus der Massenproduktion.
rwe
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Beitrag von rwe »

Hmm, richtig, aber:
Ausgehen können wir natürlich davon, dass bei einer hochpreisigen / "handgebauten" Gitarre in der Regel mehr Wert auf das Aussuchen und Abstimmen der Hölzer gelegt wird, und dass sich da keine "Ausreißer" finden lassen.

Aber: Für Kunsthandwerk muss man einfach mehr bezahlen, als für Industrieware. Dennoch ist der Gebrauchswert nicht unbedingt besser. Ich denke nicht, dass eine Herringbone-Verzierung oder ein Span aus einem anderen Holz als Kopfplatteneinlage den Klang im Vergleich zu einfacheren oder fehlenden Bindings hörbar positiv beeinflusst;-) Viele Käufer möchten es aber (und es sieht ja auch klasse aus). - Diese Dinge sind arbeitsaufwändig und auch so kann man eine Preisdifferenz zwischen "einfach guten Gitarren" und "Schmuckstücken" hochhalten, indem man eine gute Holzauswahl und gute Verarbeitung mit Bling kombiniert. "Nur gut klingende" Instrumente ohne Bling müssten nicht um das Maß teurer sein.

Interessant, dass bspw. Gurian als einer der ersten "Boutique-Bauer" in den 1970er vergleichsweise günstige Preise hatte. Die Instrumente waren - mit Ausnahme der Herringbone-Einlagen - sehr schmucklos gehalten (das Kopfplattenlabel war ein einfaches Abziehbild, keine Griffbretteinlagen, der Hals war gedübelt), die Verarbeitung war für damalige Zeiten sehr ordentlich (heute ist man hingegen Perfekteres gewohnt, z.B. minimale Leimspuren etc.). Er hat eigentlich alles weg gelassen, was "nicht Klang" war. Er hat aber auch intensiv mit Technik gearbeitet.

Ach so, zurück zum Thread: Die ersten Lowdens, an die ich mich erinnern kann (m Katalog Ende der 1970er, live Anfang der 1980er), waren auch noch relativ schmucklos. Und auch gar nicht so sehr teuer
chevere

Beitrag von chevere »

Kanntst ja gerne mal meine D-18 anspielen. :lol:
TM

Beitrag von TM »

Newbie hat geschrieben:Ich kann mir nicht vorstellen, daß bei Lowden die Rohlinge für die Hälse nicht auch maschinell gefertigt werden. Die Frage ist doch, wie sieht der komplette Prozess ...aus...
Natürlich wird da alles per Hand gefertigt. Bitteschön: Am Anfang werden erstmal die fünf Schichten verleimt:

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Dann wird gebohrt und die Kopfplatte zurechtgesägt:

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Dann kommt David Pierce zum Einsatz, der den Halsfuß zurechtschnitzt:

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Per Hand selbstverständlich, bis in´s letzte Detail:

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Auch die Kopfplatte wird per Hand bearbeitet:

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Wo geschnitzt wird, fallen Späne:

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Anschließend nochmal fix über die Schleifmaschine gezogen:

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Sieht doch schon ganz ordentlich aus:

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Passt!

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Hinter der typischen Abrundung der Kopfplatte verbirgt sich eine kleine Geschichte: Eines Tages rutschte eine fertige, bestellte Gitarre von der Werkbank und schlug an dieser Stelle auf. Also improvisierte man und schliff kurzerhand die Kante mit der Schmarre ab. Das Resultat gefiel George so gut, dass er es in die laufende Produktion übernommen hat:

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Tatsächlich gibt es an den Hälsen das einzige Teil einer Lowden, das aus einer CNC-Maschine stammt. Das Kopfplattenfurnier mit dem Lowden-Schriftzug wird nämlich extern eingekauft und ist mit Lasermaschinen ausgeschnitten. Wohlgemerkt nur der Schriftzug, denn angepasst wird das Furnier - wie alles andere bei Lowden - per Hand:

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Newbie hat geschrieben:Die Frage ist doch, wie sieht ... die Qualitätssicherung aus...
So sieht sie aus. Daniel Lowden, George´s Ältester, Chefkontrollator des Produktionsprozesses, Macher des finalen Setups und Aufleimer der Brücke:

Bild

Newbie hat geschrieben:Leider hab ich noch keine Lowden gespielt.
Na dann wird´s aber Zeit.
Gruß, TM
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jay-cy
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Beitrag von jay-cy »

Macht der auch die Griffbretter selber und manuell! Spätestens da lassen ja mittlerweile fast alle per CNC fräsen. Was ich auch ganz sinnvoll finde, schließlich ist's ja "nur" schnöde mathematische Mikrometerarbeit...
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kulte
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Beitrag von kulte »

... alles schön und gut...

Diskussion "handmade" oder nicht....

Am Ende ist das absolut egal... Spass muss man haben.
absolut egal, ob neue Gitarre oder neuer Song... macht keinen Unterschied.
Um den Spass geht's ....

Ja... und darüber diskutieren macht auch Spass.

aber: TIME ON THE INSTRUMENT... that is what it's all about.

LG
Kulte
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"Many people would sooner die than think; In fact, they do so." - Bertrand Russell
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Newbie
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Beitrag von Newbie »

Hm, also ich bin absoluter Laie was Gitarrenbau angeht. Meine Einschätzung ist, daß ein maschinell oder handgefertigter Hals nicht die klanglichen Besonderheiten einer Lowden ausmachen. Ich seh das ähnlich wie jay-cy, und Kulte muss ich auch recht geben, wirklich zählt der Spass beim Musizieren, nicht das Instrument.

Aber so ne Lowden werd ich sicher mal im Laden oder sonstwo ausprobieren, wenn sich die Gelegenheit ergibt.
"Ich habe keine Zeit, mich zu beeilen" I. Strawinsky
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Gitarrenspieler
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Beitrag von Gitarrenspieler »

TM hat geschrieben:
maxpo hat geschrieben:Sagen alle ... sonst würden viele nachdenklich auf die Suche nach besterhaltenen Stücken von früher gehen und keiner mehr die aus aktueller Produktion zu 2013er Preisen kaufen
Wenn ich mir aktuelle Produkte von Martin, Gibson, Taylor und einigen anderen ansehe (im Video sehr diplomatisch als "american guitar" umschrieben), dann sehe ich produktionsoptimierte Massenware mit teilweise deutlichen Verarbeitungsspuren. Möglichst billig produzieren und möglichst teuer verkaufen. Das ist so ziemlich das Gegenteil von "die besten Gitarren bauen wir heute".

Hier ist die Maschine, die bei Taylor die Hälse zurechtfräst (CNC):

Bild

Und hier die Maschine, die das bei Lowden macht (David Pierce, vorne):

Bild
… keine guten Argumente die Bilder finde ich. Da ich selbst schon mal CNC-Programme schreiben durfte (für Metallverarbeitung allerdings) und bei der Fertigung auch dabei sein durfte… Die Ergebnisse sind sehr gut und die Teile sind alle exakt gleich. Ich glaube nicht an Seele nur weil der Hals einer Gitarre von Hand geschliffen wurde. Was haben so viele Leute gegen gute konstante Fertigung. So eine CNC-Fräse ist jedem Tischler mit Schleifklotz und Sandpapier haushoch überlegen wenn es um Passgenauigkeit geht. Wenn es jemanden wichtig ist das seine Gitarre teuer wird, dann ist die Handarbeit ein muss, klar. „Hier guck mal alles Handarbeit…, oha!“ Aber macht euch mal nix vor, auch u. gerade in kleinen Manufakturen stehen heute moderne Maschinen.
Zuletzt geändert von Gitarrenspieler am Mi Aug 28, 2013 10:28 am, insgesamt 1-mal geändert.
Gruß Wolfgang Hemd aus der Hose macht noch keinen Varoufakis
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RB
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Beitrag von RB »

Wenn ich mir die Bilder so anschaue, dann sehe ich eine Bandschleifmaschine und am Hals-Rohling Formen, die von einer Oberfräse herstammen. Das ist keine Handarbeit. Wenn der Hals von Hand in Form gebracht würde, müßte dies mit dem Zugmesser, Stechbeiteln und Ziehklinge geschehen.

Dafür braucht man aber Leute, die diese Werkzeuge handhaben und vor allem scharf halten können, so, wie das beim alten Christian Friedrich noch der Fall war, denn der hatte keine motorengetriebenen Arbeitshilfen. Damit wäre aber eine Produktion nur mit ganz geringen Stückzahlen aufrecht zu halten. Also bedient man sich mit großer Selbstverständlichkeit der elektrischen Bohrmaschine, der elektrisch betriebenen Kreissäge, Stichsäge, Fräse und Bandschleifer. Das ist auch ganz in Ordnung, nur "Handarbeit" ist das nicht.

Wie gesagt: Ich halte nichts davon, eine Ideologie aus dieser Frage zu machen. Das Ergebnis zählt.
rwe
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Beitrag von rwe »

Mal sehr pauschal: Das Wichtige ist nicht, dass mit der Hand gesägt und geschliffen wird, sondern dass das Holz gut und passend ausgesucht wird.

Schlechte Handwerker werden mit Handarbeit keine besseren Instrumente bauen, als gute Handwerker mit mäßigen Maschinen.

Die Wiederholgenauigkeit ist mit einer CNC deutlich höher - die Programmierung lohnt sich aber in der Regel nur bei höheren Stückzahlen, jedenfalls wenn wir es mit komplxen 3D-Formen zu tun haben, ein Hals gehört dazu. Individuelle Anpassungen an Handformen etc. werden sicherlich Handfertigung bleiben. Aus dieser Individualität resultiert dann auch die Mehrarbeit.

Wem Stangenware passt - und das gilt für vielleicht 95% der Gitarristen - kann auch damit glücklich werden. Nicht jeder von uns braucht einen Maßanzug. Übrigens werden Griffbretter "mit der Hand" in der Regel nicht "freihand", sondern mit einer Schablone gesägt.

Und, zur Unterstützung von Gitarrenspieler: Ich kenne auch 1-Personen-Instrumentenbaubetriebe, die mit einer CNC arbeiten. Gibt's neu für den Preis eines Dacias, Tendenz fallend.

Der nächste Schritt werden evtl. 3D-Printer werden, wobei ich mir dies auf Grund der Werkstoffeigenschaften in der nächsten Zeit noch nicht so konkret vorstellen kann.

PS: Hat sich mit RBs Beitrag überschnitten
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HR
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Beitrag von HR »

Ich denke, dass der Einsatz von Maschinen, ganz gleich welcher Art, eine Funktion der Stückzahlen ist. Selbst Lowden wird ab einer gewissen Anzahl von zu produzierenden Gitarren sehr schnell über die Investition einer CNC-Fräse nachdenken.

Ich habe selbst in den Letzten Jahren für mich mehrere Gitarren gebaut und kann Euch versichern, dass das Raspel, Feilen und anschließendes Schleifen eines Gitarrenhalses saumäßig viel Arbeit ist.
Im Übrigen bleibt beim Bau einer Gitarre noch genügend Handarbeit die nicht so einfach von Maschinen erledigt werden kann.
lg
HR

www.hr-guitarmusic.at
soundcloud - facebook
CD "Fingastail" auf soundcloud
Mein YT-Kanal HR guitar music
notenwart
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Beitrag von notenwart »

um das "Rätsel" also das Thread-Thema mal allumfassend aufzulösen: Gewöhnliche Gitarren haben Nylonsaiten, eine Lowden hat Stahlsaiten.
(Was dann aber auch wieder nicht immer stimmt, hab auch schon Lowden mit Nylon gesehen)

Mit anderen Worten - ich kann zum Thema nichts beitragen
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Iris
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Beitrag von Iris »

Hm, was ist eine "gewöhnliche Gitarre"?
Wenn meine Stanford eine gewöhnliche Gitarre ist, dann habe ich zumindest eine vage Vergleichsmöglichkeit.
Allerdings unterscheiden sich beide Gitarren grundlegend, in den Hözern beispielsweise und nicht zuletzt im Preis.

Das sind meine beiden:

Bild

Rein vom Bauchgefühl her unterscheiden sich die beiden in etwa so wie mein gewachster, massiver Tannenschrank und mein IKEA Billy Schrank.
Meinen Krempel kann ich in beiden unterbringen, aber der Tannenschrank fühlt sich einfach besser an... :D

Ihr seht - selbst als Lowden- Spielerin kann ich auch nichts Sachdienliches zum Thema beitragen, außer vielleicht, dass ich finde, dass George Lowden tolle Gitarren baut. Aber das weiß man ja.

Ich dachte immer, dass die Lowden speziell für Fingerstyle geeignet seien, bis ich einmal Singer/Songwriter Brian Caffrey mit seiner Lowden sah:
Feed the Flame
Er kann natürlich auch ohne Plek:
Too strong, too soon

Gruß Iris
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