"Plastikmartin"... o. Kunstwerkstoff HPL

Alles über akustische Gitarren für Stahlsaiten

Moderator: RB

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SouthernJumb°
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"Plastikmartin"... o. Kunstwerkstoff HPL

Beitrag von SouthernJumb° »

Gudn Taaach,
nö... ich will mit dem Titel nicht prowutzieren :lol:

Vielmehr geht es um ein Eingeständnis meinerseits, da ich am vergangenenen Montag in einem netten Musikladen* "so zufällig" mal eine Ukulele angespielt habe... und weil da auch so viele Martins hingen, der Mann so nett war... das Gespräch so nett war... ich darum bat, einmal diverse Martins auszuprobieren können.

Eigentlich ging es mir um die X-Modelle, die ich aus Berührungsängsten seither noch nie angetestet hatte.

...und war wirklich echt überrascht und muss gestehen, dass ich so manch Vorurteil gegen diese "Plastikmartins" hatte...

Nicht ganz einfach, weil ich dann doch noch so zögerliche Bedenken hätte, eben keine vollmassive Gitarre, so ganz aus "echtem" Holz zu besitzen und vll. auch keine echte Martin? :roll:

Mir gehts auch nicht ums Image... muss aber ehrlich sagen, dass meine 300€ Rec. King zwar vollmassiv ist, besser duftet und auch besser ausschaut - aber nicht besser klingt.
Und das ist jetzt fast schon untertrieben... Hatte vor Jahren selbst mal eine doch deutlich höherpreisigere Martin, dieses HPL-Dinger, wie ich sie jetzt immer noch abfällig nenne (aus purem Selbstschutz 8) ) klangen wirklich toll und spielten sich echt genial.
Vll. etwas schwer, wenn man sie zum ersten mal in die Hand nimmt, aber tonal hingegen frisch, leichtfüßig und wirklich voll.... von wegen Plastik! :shock:

Angespielt habe ich zuerst die dreadnought, danach das OM-Model - die mir beide gut gefallen haben, klanglich so, wie man sich diese Gattungen mit ihren klanglichen Eigenschaften vorstellt.

Ich muss ehrlich sagen, dass ich das:
1. ...nicht erwartet hätte
2. ...wirklich sehr beeindruckt war über deren Klang
3. ...die in Wirklichkeit auch nicht so hässlich aussehen. :twisted:

OK... der Blick ins Schalloch ist jetzt nicht so super, aber die bindinglose Decke, das Griffbrett und vor allem der Hals hat was...

Ganz pragmatisch gesehen erhaält man hier wahrscheinlich eine ziemlich unempfindliche Gitarre mit gutem Martin-Klang, der wirklich typisch rüberkommt - viel mehr, als beispielsweise bei meiner verflossenen, Vollmassiven.

Vielleicht nicht die Gitarre, die man über alles "liebt", aber am KLang kanns net liegen...

Es gibt ja viele gute, aber auch "uninteressante" Gitarren, viele Schlechte, auch viele Topgitarren... - ohne jetzt diese beiden HPL-Martins klassifizieren zu wollen, empfand ich sie als diese Art Gitarre, die "Einen persönlich aufhorchen lassen" und man denkt "Hoppla...!" :shock:

Ob das nun gut war.... ich glaube eher nicht, denn die "Dinger" mich durstig nach dem Martinklang. Angefixt bezeichnet es treffender, klingt aber zu negativ :lol:


...bin echt beeindruckt :oops:


*in Ravensburg, gut sortiert in Sachen Martin, ca. 20 Gitarren antestbereit, viele interessante darunter.
Zuletzt geändert von SouthernJumb° am Do Mär 20, 2014 2:52 pm, insgesamt 1-mal geändert.
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docsteve
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Beitrag von docsteve »

Wieso eigentlich Plastik? Ich würde High Pressure Laminate (HPL) mit Sperrholz übersetzen...

Um 2000 gabs schonmal so Modelle. Die wurden mir damals als die Gitarre mit dem besten Preis-Leistungsverhältnis empfohlen. Ich habe mir eine OM gekauft und bis heute nicht bereut. Die Decke ist massiv, alles ist matt lackiert (und inzwischen glänzend gespielt), an Bindings usw. wurde gespart, der Hals sieht allerdings schöner aus als die aktuellen Streifenhörnchen - aber der Sound stimmt, und der Rest ist mir egal. Wir werden zusammen alt.

Viele Grüße, Stephan
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SouthernJumb°
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Beitrag von SouthernJumb° »

Kunstwerkstoff mag der passendere Ausdruck sein, als Plastik, trotz "" :wink: - da geb ich dir recht Stephan. Plastik ist vll. weit hergeholt.

Mir hat der Streifenhals gut gefallen, schaut modern aus, gabs aber schon bei Framus :D
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Pappenheim
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Beitrag von Pappenheim »

Ich hatte schon zwei Martin DX-1, beide wieder verschenkt. Aber nicht, weil sie schlecht waren, ganz im Gegenteil, sondern weil ich eine der Verbindung geschenkt hab und eine meiner Ex.

Die Martin DX-1 ist die idealste Lagerfeuergitarre, die es gibt. Sie ist unglaublich LAUT, so soll das auch sein, wenn man im Rudel singt. Beide klangen wirklich sehr gut, an die Schlichtheit gewöhnt man sich, wenn nicht eh gerade dieser Aspekt ohnehin gefällt.

Ich würde mir jederzeit wieder eine zulegen. Vielleicht mach ich das auch demnächst...
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OV1667
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Beitrag von OV1667 »

docsteve hat geschrieben:Wieso eigentlich Plastik? Ich würde High Pressure Laminate (HPL) mit Sperrholz übersetzen...
...
Eher (vermutlich Phenol-)Harz mit einer Füllung aus Holzfaser und Papier. Das ganze unter Druck und Temperatur in Form gepresst. Die sichtbare Seite hat (wie ein Fußbodenlaminat auch) eine "Dekorschicht".

Mir gefällt die Unempfindlichkeit meiner LXM. Mit dem Hals aus einem Material, aus dem andere Firmen Griffschalen und Kolben für Pistolen und Gewehre herstellen, eine stabile Reise- und Lagerfeuergitarre.
Eine DX1 konnte ich auch schon über längere Zeit spielen. Im Vergleich zu anderen Gitarren dieser Größe hab ich sie eher als etwas leiser und "träger" empfunden. Den "kleinen Bruder" drückt sie aber problemlos beiseite. Insgesamt ein voller, sanfter Klang. Vor allem liegt sie angenehm durch die abgerundeten Kanten.
Die Erinnerung ist das einzige Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann.
(Jean Paul)
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RB
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Beitrag von RB »

Ich habe zwei davon und kann sagen: Die halten viel aus. Vor allem kann man den Rand wegfräsen, bis man zwischen Zarge und Decke in den Korpus hineinschauen kann und sie verstimmt sich kaum:

Bild

Ich muß zugeben, wir haben vor lauter Diskussionen mit Martin Wieland (Deerbridge) und dem guten Hersbrucker Pils vergessen, die Saiten zu entspannen oder abzunehmen. Hat der Kiste anscheinend nichts ausgemacht.
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Manati
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Beitrag von Manati »

Ich habe auch eine DX1. Die hält ordentlich was aus, klingt prima, ist gut bespielbar und auftrittstauglich. Darf überallhin mit.

Sie hat meine früher vorhandenen Vorurteile gegenüber Martins "neuen" Werkstoffen mehr oder weniger weggefegt.

Das fehlende Binding bringt allerdings mit sich, dass sie an der Zargen-/Deckenkante halt schon mehrere kleine Ditscher hat; Fichte ist nun mal recht weich, und Bindings haben einen nützlichen Schutzeffekt.

Da darf man nicht allzu mimosenhaft sein. Oder nachrüsten, wie RB das gemacht hat.
"Real stupidity beats artificial intelligence every time."
Terry Pratchett, 1948 - 2015
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kwb
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Beitrag von kwb »

docsteve hat geschrieben:Wieso eigentlich Plastik? Ich würde High Pressure Laminate (HPL) mit Sperrholz übersetzen...
Eigentlich ist es dünner Laminatfußboden.

Und den haben die meisten ja auch Zuhause in Gebrauch, oder ?
Wer jetzt meckert muss sein Laminat gegen Parkett tauschen oder für immer schweigen. :wink:

Ich finde die X1 Serie (massive Decke) auch super. Ich habe ne LX1 (oft kopiert, nie erreicht) und mein Kumpel die D12X1AE. Es gibt für diesen Preis keine neue 12-string die besser klingt, leichter zu spielen ist und außerdem noch ein gutes Tonabnehmer System hat (IMHO).

Klaus
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SouthernJumb°
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Beitrag von SouthernJumb° »

RB hat geschrieben:
Ich muß zugeben, wir haben vor lauter Diskussionen mit Martin Wieland (Deerbridge) und dem guten Hersbrucker Pils vergessen, die Saiten zu entspannen oder abzunehmen. Hat der Kiste anscheinend nichts ausgemacht.
Das macht der Bierkiste bestimmt nix aus :lol: ...der ist es doch egal von wem sie leergetrunken wird.
:roll:
Mischkin
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Beitrag von Mischkin »

Was habt ihr nur gegen Resopal?
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rwe
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Beitrag von rwe »

Nichts. Wenn's klingt? Gerne.

Geringe Serienstreuung, günstig, ...
kelly

Parkett vs. Laminat

Beitrag von kelly »

Bei der ganzen, begründeten Begeisterung für den Preis dieser Gitarren, sollte man die Unterschiede nicht verschweigen:
https://www.berlin.de/special/immobilie ... ersch.html

Meine Meinung: wenn ich ein Haus oder eine Wohnung als Eigentum mit der Absicht "für immer" kaufen soll, würde ich in ein Parkett investieren. Wenn ich für einige Jahre des Studiums oder eines begrenzten Arbeitsvertrages meine Bleibe gemütlicher machen möchte, würde ich an einem WE einen Laminatboden im 5€ / qm Angebot (bei mindestens 16000 Umdrehungen) verlegen - schriftliches Einverständnis des Vermieters unbedingt VORHER nicht vergessen!

Die Laminat Lösung setzt etwa einen ganz vorsichtigen Umgang mit Flüssigkeiten und eine gewisse Resistenz gegen Stromschläge voraus. Aber der optische Eindruck bleibt manchmal sogar überraschend lange erhalten, vor allem wenn man nicht näher rangeht.

Ob man mit der Übertragung dieser Richtlinie in die Gitarrenwelt richtig liegen kann?
rwe
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Beitrag von rwe »

Aus meiner Sicht nicht. Auf unseren Fußboden wird mit Sicherheit kein Laminat kommen. Bei der Gitarre hat auch dieser Werkstoff (wie jeder andere) einen bestimmten Einfluss auf den Klang. Wenn mir dieser Klang zusagt, würde ich mir eine solche Gitarre kaufen (wenn sie nicht gerade zentnerweise Gifte ausdünstet). Mir sagt auch der Ovation-Klang zu, ist kein Laminar, aber auch ein Kunststoff.

Wenn ich den Klang nicht ok finde, würde ich mir ein solches Instrument nicht kaufen. Dafür wäre es dann immer noch viel zu teuer.
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SouthernJumb°
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Beitrag von SouthernJumb° »

Für mich ginge die HPL-Martin mitlerweile OK, Laminat daheim möchte ich dennoch nicht haben, oder... wir haben uns für Echtholzparkett entschieden.

Aber ich denke, das sind "2 Paar Stiefel"! Die Zustimmung für eine der beiden Sachen bedingt sich imho absolut nicht gegenseitig, auch, wenn hier schon gewisse Materialähnlichkeiten gegeben sind.
Für mich... dennoch nicht vergleichbar, bez. Masse, Eigenschaft, Gesundheitsaspekten, Haptik... etc.
Da werden 2 Themen miteinander "verquirlt", die eigentlich nicht im direkten Zusammenhang stehen, da von der Thematik mMn meilenweit auseinander und ich deswegen für mich auch keine positiven oder negativen Rückschlüsse in Punkto Gitarre ziehen kann, sofern man sich beispielsweise für, oder eben gegen einen Laminatfußboden entschieden hat. :roll:
Irgendwo driftet mir das zu früh auseinander, so dass ich dann keinen sinnvollen Zusammenhang in Bezug auf Vergleichbarkeit und Argumentation sehe :idea:

Ich jedenfalls fand es überraschend und erstaunlich zugleich - hätte diese positive Erfahrung nicht erwartet und erkenne dadurch eben, wie man selbst wegen gewissen Bedenken, Vorurteilen, Berührungsängsten... Dingen skeptisch, bis ablehnend gegenübersteht.
Ob man sowas dann wirklich haben will, ist dann nochmal eine gesonderte Angelegenheit...
Der Aufpreis zu einer vollmassiven "Echtholzmartin" ist ja überschaubar, wenn auch wieder nicht direkt vergleichbar...
Gar nicht einfach.
Mein pers. Fazit... die Dinger sind viel viel besser als ich es erwartet hätte und die Voreingenommenheit war ungerechtfertigt....
Zuletzt geändert von SouthernJumb° am Fr Mär 21, 2014 12:27 pm, insgesamt 1-mal geändert.
rwe
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Beitrag von rwe »

Schöner Beitrag!

Deshalb nehme ich zum Testspielen auch immer gerne Leute mit, die die Materialschlachtdiskussion gar nicht kennen, aber ganz brauchbare Ohren haben. Erst wird gespielt, dann auf das Preisschild gesehen.
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