Punktschweißer für lau

Hier zeigen die Laien, was sie trotz linker Hände drauf haben!
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RB
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Punktschweißer für lau

Beitrag von RB »

Das hat jetzt mit Gitarrenmusik nicht viel zu tun, aber immerhin ist es eine Bastelei.

Nachdem ich im Web gesehen habe, wie man einen Punktschweißer bauen kann, wollte ich das auch probieren. Letzten Endes geht es mir darum, irgendwann so viel Know-How zu haben, daß ich Akkupacks unserer Pedelecs selbst aufzufrischen. Die Kontakte der einzelnen Zellen müssen dabei mit einem Punktschweißgerät und breiten Leiter-Streifen verschweißt werden.

Der ganze hier geschilderte Aufbau ist "quick and dirty", das heißt, daß es keinen Plan gibt, außer dem im Kopf und es bedeutet, daß in der Werkstatt das aufgesammelt und verbaut wird, was vorhanden ist. Teils habe ich Teile angehalten, gebohrt und sofort geschraubt, ohne das Teil wieder abzunehmen, der erste Sitz war also sogleich der endgültige Sitz. Ich halte mir zugute, daß ich das ganze Projekt an einem Abend fertigbekommen habe und dabei ohne die üblichen konstruktiven Sackgassen ausgekommen bin.

Eine Anmerkung voweg: Wer zwei linke Hände hat und unter Strom den Rhein und Spannung einen Krimi assoziiert, sollte das nicht versuchen. Das ist im Grunde ein "don't try this at home"-Projekt, das ein gewisses Grundverständnis von Elektrizität und dem Umgang mit elektrischen Bauteilen sowie dem voraussetzt, was aus der Steckdose kommt.

Was man braucht:

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Netztrafo eines Mikrowellengeräts. Den gab es beim Elektro-Geräteverwerter für 2,- in die Kaffekasse.

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Das steht dort nicht ohne Grund: Die Dinger sind kreuzgefährlich. Die 240 V der Primärseite kennt man ja. Aber sekundär kommen dort über 1.000 Volt mit nennenswerter Stromstärke heraus, ein Schlag kann einen ins Jenseits befördern.

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Aber die Sekundärwicklung und dieses rote Zwischendings, das wahrscheinlich um die 12 V bringt, interessieren nicht. Benötigt wird neben dem Eisenkern nur die Primärwicklung, hier unten zu sehen. Der erste Schritt muß also darin bestehen, die Sekundärwicklungen herauszubekommen, ohne die Primärwicklung zu beschädigen.

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Das bedeutet Arbeit, nämlich langwieriges schmutzerzeugendes Sägen.

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rechts und links erkennt man den durchgesägten Querschnitt. Ich habe den Eindruck, als bestehe die Sekundärwicklung aus verkupfertem Aluminium.

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Hier habe ich begonnen, die durchsägte Wicklung mit einem passenden Treibstück und Hammer herauszuschlagen. Das ganze ist vergossen, am Ende mußte ich mit dem 10er Bohrer hineingehen, um den Block so zu schwächen, daß er hinausging.

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So wollte ich das haben: Mikrowellen-Trafo nur mit Primärwicklung.

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Nun fange ich an, die neue Sekundärwicklung einzubauen. Das ist zugegebenermaßen recht rustikal. Ich nehme 16 Quadrat und lege drei Schlaufen hinein. Das Ziel ist, eine geringe Spannung, dafür aber einen hohen Strom zu bekommen. Jeder, der einmal eine Autobatterie kurzgeschlossen hat, weiß, wovon die Rede ist.

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Damit ist das Herzstück des Punktschweißers im Grunde fertig. Jetzt geht es daran, das Gerät aufzubauen.

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Als erstes muß das ganze auf ein Brett als Grundplatte. Haben wir doch herumliegen.

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Ein Netzanschlusskabel wird benötigt. Haben wir doch herumliegen.

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Beginn der primärseitigen Verkabelung. Erster Schritt (jeder Elektriker würde mich ob meines Sicherheitsbewußtseins loben ist das Anklemmen des Schutzleiters an das Trafoeisen.

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Dann werden die Phase und Null verlötet und eine Klemme angeschraubt. Das rote Kabel stammt von dem, was meine Frau beim Heckenschneiden regelmäßig produziert: Kabelstücke. Unsere Kabeltrommel mißt zur Zeit 26,34245344 m und wird jedes Jahr kürzer. Ich klemme den Stecker um und behalte die Reste, mein waiß ja nie wofür es einmal gut ist.

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Nächster Gedanke: Die Kontakte sekundärseitig. Ich müßte Kupfer Stabmaterial haben, habe ich aber nicht. Aber die Hauselektrik hält Brauchbares vor.

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Muß durchgesägt werden, denn es werden zwei Kontakte benötigt.

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Eine Hälfte schraube ich an ein Kantholz, das hier herumliegt und das schraube ich auf die Platte.

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Dann wird der eine Sekundärleiter passend abgesägt, abisoliert und verklemmt. In eines der verschraubbaren Klemmstellen kommt die untere Elektrode. Mangels anderen Materials muß dafür erste einmal ein kupferner Bootsnagel herhalten.

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Jetzt kommt der obere Arm. Ein gleichartiges Stück - die Kanthölzer stammen aus einer selbstgebauten Spindelpresse, die aber wieder zerlegt wurde - wird mittels Winkelblechen entsprechend auf der Grundplatte verschraubt. Das war: Anlegen, bohren, schrauben, fertig.

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Mit Anschlussklemme und Elktrode sieht das so aus.

Nun soll das ganze so sein, daß es immer offen ist und nur gegen Federdruck geschlossen. Andernfalls gäbe es beim Einschalten sogleich einen Kurzschluss. Da hilft eine alte Klemme.

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Die Klemme befindet sich hier zwischen den Armen des Geräts und hält diese auseinander, bis der obere Arm heruntergedrückt wird. Der obere Arm der Klemme gleitet dabei in einer Führung, die an der Unterseite des Elektroden-Arms angebracht ist. Die Führung besteht aus zwei Stücken einer abgeschossenen Silvesterrakete, gefunden im Gebüsch.

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Schaltbar sollte das ganze sein. Dieser Schalter lag etwa 15 Jahre in meiner Elektro-Kramkiste und ist ansonsten neu.

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Der Schalter sollte so sitzen, daß die drückende Hand ihn bedienen kann.

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Fertig ist das Punktschweißgerät. Nur funktioneren sollte es jetzt noch.
Zuletzt geändert von RB am Mi Mai 09, 2018 2:15 pm, insgesamt 3-mal geändert.
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RB
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Re: Punktschweißer für lau

Beitrag von RB »

ssq5PNfgDEU
Hier eine Schweiß-Demonstration. Das war der zweite Schweißvorgang.

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Den ersten Schweißvorgang habe ich natürlich erst einmal unserer abendländischen Kultur und vor allem der CSU gewidmet. Das kommt in meine Amtsstube.

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Noch schöner mit Heiligenschein.
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H-bone
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Re: Punktschweißer für lau

Beitrag von H-bone »

Geil!! :-)
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wolfwal
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Re: Punktschweißer für lau

Beitrag von wolfwal »

Ohne Heiligenschein, dafür im Holzklotz steckend, sieht´s aus wie "Excalibur" ("das Schwert aus dem Stein" aus der "König Artur Saga"! Ich bin beeindruckt!! :D
Der Nachteil am Nichtstun ist, dass man nie weiß, wann man fertig ist!

Gruß, Wolfi!
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Niels Cremer
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Re: Punktschweißer für lau

Beitrag von Niels Cremer »

Du könntest deine Schweißer-Dienste Herrn Seehofer andienen, Kreuze mit Heiligenschein braucht er grad einige!

Hat was steam-punkiges, ich mag solche up-cycling Projekte!

Das mit den E-Bike Akkus musst du (mir) nochmal erklären ...

LG,
Niels
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RB
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Re: Punktschweißer für lau

Beitrag von RB »

Die heutigen Akku-Packs bestehen aus einzelnen LiIon-Zellen, üblicherweise im Format 18650. Das muß man sich wie ungefähr eine AA-Zelle vorstellen. Die werden in Reihen und einige Reihen parallel verschaltet, um letztlich auf 36 V zu kommen. Stelle 5 Zellen nebeneinander und lege ein Flachband über die nach oben zeigenden Kontakte. Löten, würde man vermutlich denken. Die Dinger sind aber mit den Akkus punkt-verschweißt, üblicherweise 4 bis 6 Punkte pro Kontakt.


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Ich weiß inzwischen aber nicht, ob die Sache überhaupt lohnt, denn es gibt günstige fertig konfektionierte Akku-Pakete, das auf dem Bild ist mit € 249,- eines der teuren. Wenn man den Akku samt integrierter Elektronik von Bosch kaufen würde, würde man glatt € 500,- mehr bezahlen. Bei konfektionierten weiß man allerdings nicht unbedingt, was drin ist, es sei denn, der Hersteller gäbe das an. Würde ich 40 Panasonic-Zellen nehmen, würden alleine die Zellen € 4,95 x 40 = € 198,- kosten. Eine Rolle Kontakt-Metallband dazu und die Bastelzeit natürlich.

Während die Elektroden für brachiale Schweißerei zu dünn sind - man kann ja im Video sehen, wie die obere Elektrode im unteren Drittel gelb-orange-glühend wird - wären sie für Akku-Schweißen wohl gerae gut, müßten dann nur nebeneinander in einigen Millimetern Abstand nach unten gehen. Das ist bei meinem Gerät leicht umzurüsten, es handelt sich - ohne es zu wissen - um ein Kombigerät. Eine Steuerung, die bestimmte Zeiten einhält, wäre wahrscheinlich günstig, ansonsten muß man das wohl mit Sichtkontrolle machen.

PS @Wolfwal: Excalibur, jetzt, wo du es sagst......
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bookwood
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Re: Punktschweißer für lau

Beitrag von bookwood »

Was für ein Projekt. :shock: Könntichnich!

Meine Lieblingsstelle im Bericht: "Das rote Kabel stammt von dem, was meine Frau beim Heckenschneiden regelmäßig produziert: Kabelstücke. Unsere Kabeltrommel mißt zur Zeit 26,34245344 m und wird jedes Jahr kürzer. Ich klemme den Stecker um und behalte die Reste, mein waiß ja nie wofür es einmal gut ist." :rotfl:
Gruß
von
Ralf
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Niels Cremer
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Re: Punktschweißer für lau

Beitrag von Niels Cremer »

Danke RB, das klingt für mich auf’s erste Lesen nicht unbedingt wie die riesen-Ersparnis, sagst du ja auch, vor allem frag ich mich wie viel ihr pedelect wenn du dir schon Gedanken über Akku-Nachschub machst? Mein bike-Akku hat zB - angegebene - “ca 1000” Ladezyklen, bis ich die hab ist das Rad evtl. schon hinüber bzw. ich will wieder ein Neues ... :wink:

LG,
Niels
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Gitarrenspieler
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Re: Punktschweißer für lau

Beitrag von Gitarrenspieler »

Sehr gut! So ein Teil werde ich mir auch bauen, außer Netztrafo alle Bauteile im Haus!
Wie oft hab ich schon so ein Teil vermiest! Danke für den Baubericht!
Gruß Wolfgang Hemd aus der Hose macht noch keinen Varoufakis
https://www.taaken.net
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RB
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Re: Punktschweißer für lau

Beitrag von RB »

Ich bin aber mit der Leistung noch nicht recht zufrieden. Die Verbindungen sind zum Teil nicht sehr haltbar, dünnes Blech habe ich allerdings noch gar nicht probiert. Das Nagelkreuz ist immerhin bombenfest geworden. Es gibt einige Optionen: Bessere (dickere) Elektroden, Kabel kürzen, mehr oder weniger Sekundär-Wicklungen und gar 2 anstatt einem Trafo parallel. Wir haben eine defekte Mikrowelle, die man ausschlachten kann.

(Stecker raus und Hochspannungskondensator entladen, sonst Lebensgefahr).
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berndwe
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Re: Punktschweißer für lau

Beitrag von berndwe »

Dieser Bericht ist sehr lesenswert, finde ich, und auch unterhaltsam. Danke!

Ich weiß nicht warum, aber diese Schöpfung (der Gedanke kam beim Anblick unwillkürlich bei mir auf) erscheint mir wie ein Vorprojekt zu Entwurf und Bau eines elektrischen Stuhls.
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RB
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Re: Punktschweißer für lau

Beitrag von RB »

Die dicken Kabelverschraubungen vielleicht. Aber im Grunde ist es genau das Gegenteil. Du kannst die Elektroden anfassen, die machen dir nichts. Um den Körperwiderstand zu überwinden, benötigst du bei Wechselstrom eine Spannung von mehr als 50 V. Die Elektroden werden zwischen 2 un 3 V führen. Der unveränderte Transformator dagegen ist mit seiner Ausgangsspannung sehr gut geeignet, als Elektrisiermaschine zu wirken. Der erste Schritt bei der Herstellung dieses Punktschweißers ist die Entschärfung des Trafo.
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berndwe
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Re: Punktschweißer für lau

Beitrag von berndwe »

Bemerkenswert- und auch bewundernswert ist in jedem Fall Deine Geschicklichkeit aus Teilen funktionsunfähiger, zerstörter Maschinen eine neu Maschine zu bauen, die ihren Zweck verrichtet.

Du hättest in „Der Flug des Phoenix“ mitmachen können.
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Fidelio
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Re: Punktschweißer für lau

Beitrag von Fidelio »

wenn man die Induktion so gut kapiert hat, kann Mann vielleicht auch außer dem Punktschweißen auch geile Jazz PU's wickeln...? wie wärs? :roll:
so viele Gitarren :bide: .. so wenig Talent :roll:
Muellermann
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Re: Punktschweißer für lau

Beitrag von Muellermann »

Geile Geschichte :)

Allerdings liest sich das auch wie eine frühzeitige Bewerbung für den Darwin Award ;)
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