Archtop Konstruktion: Verbindung Decke und Boden???

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LaFaro
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Re: Archtop Konstruktion: Verbindung Decke und Boden???

Beitrag von LaFaro »

Niels Cremer hat geschrieben:Interessant wär ja die Frage* warum das bei Akustikgitarren idR nicht der Fall ist und - nehm ich deshalb mal an - nicht unbedingt den positiven Effekt hat wie das bei Streichinstrumenten der Fall ist?

*Edit: noch interessanter wäre natürlich die Antwort auf diese Frage! :mrgreen:

LG, Niels
Wie sagte "mein" Kontrabassbauer schon vor Jahren... "Zupfinstrumente und Streichinstrumente sind vergleichbar mit Walen und Fischen"... :wink:
will sagen, die sehen sich zwar teilweise ähnlich, stammen aber aus ganz unterschiedlichen "Familien" und Entwicklungslinien..
Flattops haben ja nicht nur keinen Stimmstock, sondern denen fehlt z.B. auch der bei Streichinstrumenten obligatorische Bassbalken und die Wölbung der Decke, um die Spannung aufzunehmen.. (Ja mir ist bekannt, dass es mittlerweile akustische Gitarren gibt, die einem ähnlichen Prinzip folgen..:))
Der Stimmstock oder auch "Seele" dient vor allem der akustischen Kopplung von Decke und Boden und damit wird das Instrument um einiges lauter...
vgl. auch Wikipedia...
diese "Kopplung" ist bei Flattops eigentlich nur "akustisch" vorhanden und wenn ich mir so die Beleistung der Böden anschaue, anscheinend auch zumindest teilweise unerwünscht..:) vielleicht könnten die Meister des Gitarrenbaus da genaueres zu sagen..!?!? :)
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Gitarrenmacher
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Re: Archtop Konstruktion: Verbindung Decke und Boden???

Beitrag von Gitarrenmacher »

Niels Cremer hat geschrieben:Interessant wär ja die Frage* warum das bei Akustikgitarren idR nicht der Fall ist und - nehm ich deshalb mal an - nicht unbedingt den positiven Effekt hat wie das bei Streichinstrumenten der Fall ist?

*Edit: noch interessanter wäre natürlich die Antwort auf diese Frage! :mrgreen:

LG, Niels
Ein Streichinstrument und ein Zupfinstrument sind schwingungstechnisch recht weit auseinander.
Der Stimmstock in einem Streichinstrument überträgt zum einen die Schwingung der Decke auf den Boden, was durch den Zargen nur mäßig oder gar nicht passiert, uns stützt zum Anderen die Decke ab. Form und Sitz des Stimmstockes sind entscheidend für den Klang und die Lautstärke, und das Setzen sollte jemand machen, der weiß was er tut. (Ich kanns nicht)
Das Schwingungsprinzip einer Geige z.B. ist aber ein anderes als bei einer Archtopgitarre. Die Geigensaite wird durch den Bogen solange angeregt, wie er gestrichen wird. Hält der Bogen an, klingt auch der Ton recht schnell ab. Hört man beim Pizzicato. Der Geigenboden schwingt anders als der einer Gitarre. Kann man sich allein schon aus der Spielhaltung ableiten.
Der Stimmstock ist elementar wichtig.

Bei gezupften Archtopinstrumenten -Gitarre, Mandoline- ist so ein Stimmstock eher selten -vielleicht auch sehr selten-
Und wenn, wie z.B. bei Gretch´s "Trestle Bracing" ist das immer als Gesamtkonstruktion aus Decke und Abstützung zu sehen.
Bier ist der Beweis, dass Gott uns liebt und will, dass wir glücklich sind.
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Gitarrenmacher
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Re: Archtop Konstruktion: Verbindung Decke und Boden???

Beitrag von Gitarrenmacher »

LaFaro hat geschrieben: diese "Kopplung" ist bei Flattops eigentlich nur "akustisch" vorhanden und wenn ich mir so die Beleistung der Böden anschaue, anscheinend auch zumindest teilweise unerwünscht..:) vielleicht könnten die Meister des Gitarrenbaus da genaueres zu sagen..!?!? :)
Ich bin zwar kein Meister, aber kann was dazu sagen.
Eine Flattop ist wie eine Luftpumpe zu betrachten. Bei Anregung des Steges, wird durch die Schwingungen der Decke Luft aus dem Schalloch gedrückt. Die Decke dient als Pumpenmembran, die Saiten als Antriebsmotor, Boden und Zargen als Pumpengehäuse und Reflektionsfläche. Je besser Gehäuse und Membran auf einander abgestimmt sind, je weniger Motorleistung braucht man, um eine gute Pumpleistung zu erzielen. So ganz grob.
Wenn man nun die Membran mit dem Gehäuseboden verbindet, wird die Pumpleistung abfallen. Wenn die Reflektionsfläche nicht mit der Membran harmoniert, wird die Pumpleistung abfallen. Wenn das Gehäusevolumen nicht mit der Membran harmoniert, wird die Pumpleistung abfallen.
Was sich letztlich in der Lautstärke bemerkbar macht.
Das ist auch der Grund, warum eine kleine Parlorgitarre nicht zwangsläufig leiser ist als eine große Gitarre.
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Niels Cremer
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Re: Archtop Konstruktion: Verbindung Decke und Boden???

Beitrag von Niels Cremer »

Danke Christian für die Erläuterungen! Schon sehr interessant, diese Unterschiede im Schwingungsverhalten! Ich versteh das so dass eine direkte Verbindung zw Decke und Boden bei Violinen beim aktiven Spielen quasi zwei Schwingflächen schafft und das gesamte Instrument schneller und direkter zum schwingen bringt, während wenn die Saiten nicht gespielt werden, die Verbindung die, ich sag jetzt mal "Eigenschwingung" der beiden Flächen hemmt, und das scheint ja so gewollt zu sein ... ?

@JazzDude: ganz schön mutig, der Herr in deinem zitierten Beispiel!! :shock: :D

LG,
Niels
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bastian a.
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Re: Archtop Konstruktion: Verbindung Decke und Boden???

Beitrag von bastian a. »

Niels Cremer hat geschrieben: @JazzDude: ganz schön mutig, der Herr in deinem zitierten Beispiel!! :shock: :D

LG,
Niels
Allerdings! :shock:
Ich werde mich wohl nicht trauen das Ding mal zum Ausprobieren herauszusägen ...
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LaFaro
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Re: Archtop Konstruktion: Verbindung Decke und Boden???

Beitrag von LaFaro »

Gitarrenmacher hat geschrieben:
LaFaro hat geschrieben: diese "Kopplung" ist bei Flattops eigentlich nur "akustisch" vorhanden und wenn ich mir so die Beleistung der Böden anschaue, anscheinend auch zumindest teilweise unerwünscht..:) vielleicht könnten die Meister des Gitarrenbaus da genaueres zu sagen..!?!? :)
....
Eine Flattop ist wie eine Luftpumpe zu betrachten. Bei Anregung des Steges, wird durch die Schwingungen der Decke Luft aus dem Schalloch gedrückt. Die Decke dient als Pumpenmembran, die Saiten als Antriebsmotor, Boden und Zargen als Pumpengehäuse und Reflektionsfläche. Je besser Gehäuse und Membran auf einander abgestimmt sind, je weniger Motorleistung braucht man, um eine gute Pumpleistung zu erzielen. So ganz grob.
Wenn man nun die Membran mit dem Gehäuseboden verbindet, wird die Pumpleistung abfallen. Wenn die Reflektionsfläche nicht mit der Membran harmoniert, wird die Pumpleistung abfallen. Wenn das Gehäusevolumen nicht mit der Membran harmoniert, wird die Pumpleistung abfallen.
Was sich letztlich in der Lautstärke bemerkbar macht.
Das ist auch der Grund, warum eine kleine Parlorgitarre nicht zwangsläufig leiser ist als eine große Gitarre.
das meinte ich mit "akustischer Kopplung"... aber der Luftpumpenvergleich macht es vermutlich deutlicher..:)
mille grazie für diese Erläuterung :)
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stephan
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Re: Archtop Konstruktion: Verbindung Decke und Boden???

Beitrag von stephan »

Gitarrenmacher hat geschrieben:Das ist auch der Grund, warum eine kleine Parlorgitarre nicht zwangsläufig leiser ist als eine große Gitarre.
Von mir auch ein herzliches Dankeschön für den wunderbaren, Einsicht erzeugenden Vergleich!
Gruß
Stephan
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docsteve
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Re: Archtop Konstruktion: Verbindung Decke und Boden???

Beitrag von docsteve »

Grob gesagt: Bei einer Archtop wird der Ton erzeugt, indem die Saiten auf die Decke drücken, bei einer Flattop ziehen sie an der Decke. Auch deshalb macht ein Stimmstock bei einer Flattop (noch) weniger Sinn als bei einer Archtop.

Viele Grüße, Stephan
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bookwood
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Re: Archtop Konstruktion: Verbindung Decke und Boden???

Beitrag von bookwood »

Auf jeden Fall erinnert mich die teils erkennbar grobschlächtige Verarbeitung an meine eigenen Negativerfahrungen mit der Qualität von Peerless. :roll:
Gruß
von
Ralf
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bastian a.
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Re: Archtop Konstruktion: Verbindung Decke und Boden???

Beitrag von bastian a. »

bookwood hat geschrieben:Auf jeden Fall erinnert mich die teils erkennbar grobschlächtige Verarbeitung an meine eigenen Negativerfahrungen mit der Qualität von Peerless. :roll:
Die Qualität der Verarbeitung im Inneren hat mich auch schockiert ... Ähnliches hab ich aber auch schon bei Gibson gesehen :shock:
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bookwood
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Re: Archtop Konstruktion: Verbindung Decke und Boden???

Beitrag von bookwood »

Beim Zusammenbau meiner äußerst billigen Hoyer Chicago haben die Chinesen zwar auch viel Leim genommen,
aber das Holz wurde doch wenigstens bissi besser verarbeitet:

Bild

Und auch die Eastmänner haben bei der mittelpreisigen AR371deutlich besser gewerkelt:

Bild

Die Peerless, die ich meinte, war immerhin eine Martin Taylor Maestro, die selbst vor der drastischen Preiserhöhung
gute zweieinhalb kosten sollte. Ganze 4 Instrumente von 2 verschiedenen Händlern hatte ich hier, die ich allesamt
wegen der miserablen Verarbeitung nicht haben wollte.
:pein: ...für den sich selbst oft lobenden Hersteller und schade für den guten Martin Taylor, den ich als Jazzer sehr
mag und der so ein Signature-Modell nicht verdient hat.
Gruß
von
Ralf
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bastian a.
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Re: Archtop Konstruktion: Verbindung Decke und Boden???

Beitrag von bastian a. »

Die Verarbeitung der Peerless Jouneyman auf der Außenseite läßt auch ein paar Wünsche übrig, aber längst nicht so viele wie im Inneren des Korpus - genauer ins Innere geschaut und fotografiert habe ich aber erst jetzt, als mit der Stimmstock aufgefallen ist.

Besser, aber auch nicht gerade perfekt, sieht es in meiner ES-175 (Bj. '81) aus:
IMG_0946.jpg
IMG_0946.jpg (130.47 KiB) 5680 mal betrachtet
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LaFaro
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Re: Archtop Konstruktion: Verbindung Decke und Boden???

Beitrag von LaFaro »

ist "rustikal" nicht gerade wieder mal "in"? 8) :wink:
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bookwood
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Re: Archtop Konstruktion: Verbindung Decke und Boden???

Beitrag von bookwood »

Ja, aber erlaubt eigentlich nur bei Waterloos und bei der J-45V. :mrgreen:
Gruß
von
Ralf
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