Wie alt ist diese Gitarre schätzungsweise ?

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Weltempfänger
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Wie alt ist diese Gitarre schätzungsweise ?

Beitrag von Weltempfänger »

Guten Abend Zusammen,

Mal eine Frage an die Gitarristen unter uns, die sich mit alten/antiken Gitarren auskennen. Wie alt würdet ihr diese Klampfe schätzen ?
ich habe leider keinerlei Angaben über diese Gitarre. Weder existiert ein Name/Werkstatt noch sonst irgendwelche informationen. Außer, dass die Mandoline neben ihr von GutKlang ist. Wenn man google glauben schenkt, scheint die Mandoline aus den 20er - 30er Jahren zu sein...
Anhand welcher Kriterien kann man alte Gitarren datieren ? Mechaniken ? Form des Korpus ? Verzierungen ?

Habt ihr da tipps bzgl. Literatur oder Links ?

Ich bin nämlich auf der Suche nach einer alten Gitarre, um sie wieder Fit zu machen... Was haltet ihr von diesem Exemplar ?

Danke und lieben Gruß...
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bookwood
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Re: Wie alt ist diese Gitarre schätzungsweise ?

Beitrag von bookwood »

Eine alte Parlorgitarre, vielleicht aus dem deutschen Osten. Ich weiss aber auch nicht wirklich etwas darüber. Die Kopfplatte sieht ähnlich aus wie bei dieser:

Bild

Der Steg eher wir bei dieser:

Bild

Gefunden auf der Seite des STUDIA INSTRUMENTORUM MUSICAE.

Noch ein Link: Im Musiker-Board hat mal jemand über ein Restaurierungsprojekt berichtet. Auf den Fotos sieht man die alte Gitarre nicht ganz, aber auch hier gab es einen ähnlichen Steg:

Bild

Bei Ebay ist vor ein paar Monaten z.B. diese alte Parlor (vermutlich aus den 1920er/1930er Jahren) verkauft worden:

Bild
Gruß
von
Ralf
rwe
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Re: Wie alt ist diese Gitarre schätzungsweise ?

Beitrag von rwe »

Im Musiker-Board gibt es auch einen speziellen Thread für die Identifizierung alter Instrumente, https://www.musiker-board.de/threads/a- ... ead.133745" onclick="window.open(this.href);return false;

1900er-1930er scheint mir auch wahrscheinlich, die Gitarre interessanterweise mal ohne Nullbund. Eher billig, wenig verziert. Tatsächlich ist eine Identifizierung schon recht schwierig, wenn keine Herstellerzeichen da sind. (Das gilt aber auch für neuere Instrumente, es würde ohne Klebezettel auch schwerfallen, eine einfache Höfner oder Alhambra der 1980er von einer aktuellen zu unterscheiden, sofern die auch in Hochglanz lackiert wären.)

Ist "Gut Klang" ein Herstellername oder ein Eingentumsnachweis? Mit ist kein Hersteller Gut Klang bekannt (was aber nichts heißen muss), es gab aber viele Vereine mit diesem Namen. Könnte das evtl. auch ein Vereinsinstrument gewesen sein?
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RB
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Re: Wie alt ist diese Gitarre schätzungsweise ?

Beitrag von RB »

Von den äußeren Merkmalen würde ich auf die Zeit um 1900 herum tippen, möglicherweise auch etwas vorher oder nachher.
Bernd C. Hoffmann
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Re: Wie alt ist diese Gitarre schätzungsweise ?

Beitrag von Bernd C. Hoffmann »

Richtig. Ich bin vor einigen Jahren an so eine stark restaurationsbedürftige Gitarre gekommen und legte sie beim nächsten Besuch Mirko Sicca von Siccas Guitars vor. Er datierte sie auf ca. 1880 bis 1920. Meine hat auf dcer Decke am Endklotz eine Intarsie mit anderen Hölzern, was zu der Zeit in Markneukirchen sehr verbreitet war.
Liebe Grüße
Bernd
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Es335
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Re: Wie alt ist diese Gitarre schätzungsweise ?

Beitrag von Es335 »

Eine Datierung solcher Gitarren ist sehr schwer, weil diese Instrumente im Voigtland in sehr großer Zahl für den Weltmarkt gefertigt wurden. Nur zur Verdeutlichung betrug deren weltweiter Marktanteil bei Streichinstrumenten im 19. Jahrhunderts ca. 80%!

Die abgebildeten Gitarren sind Kopien von Biedermeier- oder auch Romantischen-Gitarren aus dem 19. Jahrhundert und wurden mit Darmsaiten bespannt. Trotz der äußerlichen Ähnlichkeit sind das i.d.R. keine Parlorgitarren und sollten auch nicht mit Stahlsaiten bespannt und nur mit Vorbehalt auf 440Hz gestimmt werden. Üblich waren damals eher Stimmungen um die 430 Hz!

Die Archetypen für diese Bauform kamen von Lacote, Stauffer und Panormo. Der Steg mit den geraden Enden ist z.B. typisch Panormo, der Mustache Steg wäre z.B. typisch Lacote.

Ohne Etikett oder sonstiger Kennzeichnung muss man von solcher "Massenware" ausgehen, was nicht diskreditierend gemeint ist, da auch diese von Heimarbeitern in Handarbeit hergestellt wurden. In solchen Fällen ist eigentlich mehr der Allgemeinzustand entscheidend als die Datierung, die i.d.R. zwischen Ende 19. oder Anfang 20. Jahrh. liegt.

Gruß CG-Fan
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Niels Cremer
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Re: Wie alt ist diese Gitarre schätzungsweise ?

Beitrag von Niels Cremer »

Es335 hat geschrieben:Gruß CG-Fan
Identitätskrise ... ? :wink:
Es335
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Re: Wie alt ist diese Gitarre schätzungsweise ?

Beitrag von Es335 »

Niels Cremer hat geschrieben:
Es335 hat geschrieben:Gruß CG-Fan
Identitätskrise ... ? :wink:
:oops: ... oder Alzheimer im Frühstadium!? :? :lol:
Weltempfänger
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Re: Wie alt ist diese Gitarre schätzungsweise ?

Beitrag von Weltempfänger »

Guten Abend,

ich war letztlich auf der Suche nach einer alten Gitarre, möglichst irgendwas um 1910-1930. Etwas aus der Geburtsstunde des Delta-Blues, da ich eigentlich nur noch Delta Blues, Folk usw. spiele... Einfach mal son altes Schätzchen, dass seine eigene Geschichte hat, in den Händen haben und spielen... (klingt ganz schön kitischig :lol: )

Bin dann auf die Anzeige bei Ebay gestoßen und wollte sicher gehen, dass es ungefähr dieses Baujahr ist... Hab Sie dann auch gekauft... Für 35 € konnte ich wirklich nicht nein Sagen... :wink:

Als ich die Klampfe mit nachhaus nahm, hatte ich erst das gefühl den größten Scheiß gekauft zu haben. :lol: Gewicht einer Kindergitarre, stank bestialisch nach alten Aschenbecher. Mal abgesehen von den Griffen der Mechanik von der ich zuerst dachte dass es plastik sei, hatte sie zwei Risse in der Decke. Die Bünde waren auf der unteren Seite scharfkantig und der Saitenabstand am 12 Bund war geschätzt 10-12mm.
Das Ehepaar, welches mir Klampfe verkaufte, konnte mir auch keine weiteren Informationen geben, die Gitarre gehörte wohl ihrem Sohn, aber wo er die her hatte konnten sie mir auch nicht sagen. :roll: Trotzdem dachte ich, dass ich bei 35 € nix falsch machen kann...

Naja, zuhause angekommen zerbröselten die Bridge-Pins beim entfernen der Saiten. :D Aber nach genauem hinsehen schien alles garnicht so wild zu sein.
Hab sie erstmal auseinander genommen Gitarre & Mechaniken gereinigt (da kam echt viel Nikotin runter :shock: ). Mechaniken scheinen wohl doch nicht aus Plastik, sondern komplett aus Metall und die Griffe sind defintiv kein Plastik, wohl eher Knochen oder so ?! Scharfe Kanten der Bünde abgeschliffen und gereinigt. Die Saitenlage oben am Sattel war völlig okay, die Saitenlage am 12. Bund konnte ich also durch entfernen des "Bundstäbchens" & runterschleifen der Bridge, in den Griff bekommen (die war dick genug und werde da auch noch ein wenig runter holen).

Wieder zusammen gesetzt, ein paar Saiten drauf und ersten Test gemacht...

Sie klingt überraschend gut und spielt sich noch dazu sau gut. Ich war wirklich extrem überrascht, weil ich dachte das dieses Teil wie ne Kindergitarre ausm Lidl-Supermarkt klingen wird. Sie hat einen sehr eigenen Klang, den ich bisher so nicht gehört habe (auch nicht bei den ganzen Parlor Gitarren die man im Moment kaufen kann von Gretsch, Fender o,ä.). Im ersten Moment klingt sie relativ dünn, wenig bassig. Aber sehr brilliant und die Saiten haben einen besonders kraftvollen Anschlag/attack. Ich hab das Gefühl, dass das durch das extrem dünne Holz kommt, das schon fast wie ein Fell von einem Banjo mitschwingt. Und ein sehr sehr gutes Sustain beim Sliden. Ich für meinen Teil bin sehr beeindruckt von dieser Klampfe und werden sie wohl auch nicht mehr hergeben :)
:guitar2:

Ich werden aber wohl noch ein bisschen was machen müssen: Erstens den Nikotin gestank entfernen :bl: und die Bridge muss noch minimal runter, dann passt alles :)

Von der Klangcharakteristik kommt sie dieser hier sehr nah, aber der oben beschriebene punch der Saiten beim Anschlag kommt nicht so ganz rüber finde ich:
https://www.youtube.com/watch?v=BKPimE93FjQ" onclick="window.open(this.href);return false;

Lieben Gruß und Danke für eure ganzen Antworten :wink:
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