Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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Niels Cremer
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Re: Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Beitrag von Niels Cremer »

:lol: das kenn ich auch gut ... :wink:

Frage in die Runde: die Decke der kleinen Parlor Gitarre ist ziemlich sehr mitgenommen, tiefe Schrammen ober- und unterhalb des Griffbretts am Oberbug - da scheint jemand mit ganzer Hingabe und weitausholend geschrammelt zu haben, und das wohl über Jahre.

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Diese so "behandelten" Stellen sind vollkommen bar jeder Schutzschicht soz., einfach offenes, nacktes Holz. Ich würde das gerne iwie schließen/versiegeln. Dazu überlege ich jetzt ob ich die Decke insgesamt abschleifen soll da ich davon ausgehe, dass es mir nicht gelingen wird, diese Stellen isoliert so aufzubereiten dass es sich einigermassen einpasst und gut aussieht. Nachteil wäre, dass ein Gutteil des "Mojo" und der Patina dahin wäre, die ich eigentlich schön finde.

Was würdet ihr tun?

Danke & LG,
Niels
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L1
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Re: Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Beitrag von L1 »

So ein "Schleifbild" kenne ich eigentlich bisher nur von Ukulelen ... da wird ja gern genau in diesem Bereich über dem Griffbrettende geschrammelt.
Wäre es meine, würde ich es wohl so lassen. Hat Charakter, die Kleine hat intensiv gelebt ...
rwe
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Re: Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Beitrag von rwe »

Bin hin- und hergerissen. Die Farbe der Decke sieht schon spannend aus, fast nach Kupferkessel und Steampunk;- )
Für's Abtönen wäre ich persönlich zu blöde; ich würde es entweder so lassen oder aber komplett abschleifen (oder mit der Klinge abziehen?!?), dann Schelllack drauf. Mit Schelllack ist es nach meiner Erfahrung so wie mit vielen Malerarbeiten: "Meisterlich" braucht's 'nen Meister, für "aus 2m Entfernung mit 50+ Jahre alten Augen ordentlich" kriegt man es selbst auch ohne wahnsinnige Übung hin.
Jorma55
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Re: Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Beitrag von Jorma55 »

Ich würde es auch so lassen.
Michael
If my thought dreams could be seen,they'd probably put my head in a guillotine
Es335
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Re: Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Beitrag von Es335 »

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Niels Cremer
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Re: Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Beitrag von Niels Cremer »

Danke euch schonmal! Rein optisch würde ich es definitiv auch so lassen, ich bin nur etwas besorgt da die "offenen Wunden" ja dann doch recht empfindlich sind für zB Feuchtigkeit? Evtl. öle ich sie nur leicht, muss mal schauen ob es eine Stelle gibt an der ich das unauffällig testen kann ...

LG,
Niels
Frithjof
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Re: Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Beitrag von Frithjof »

Moin Niels,
vorsichtiges Betupfen mit Essig könnte die Stellen etwas nachdunkeln lassen, um es der übrigen Decke anzupassen. Erst an Restholz austesten, dann an unauffälliger Stelle (Diskantseite dicht am Griffbrett) an der Gitarre ausprobieren.
Aus Essig und feiner Stahlwolle lässt sich eine Beize herstellen, wenn Essig alleine nicht ausreicht. Kannst Du aufpinseln, wenn die Beize den gewünschten Farbton erreicht hat. Auch dabei erst Restholzprobe, dann unauffällige Stelle bevor Du in medias res gehst. Schrittweises Vorgehen, da Du recht große Flächen bearbeiten musst, nicht dass die Decke zu feucht wird.
Im Anschluss, wenn die Stelle getrocknet ist, mit einer dünnen Schicht aufgetupftem Schellack versiegeln.
Grüße in den Södern der Republik
Frithjof
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Saitenhieb
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Re: Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Beitrag von Saitenhieb »

Vielleicht hilft dir auch meine komplett dilettantische Sichtweise.

Du magst den Charakter, die sichtbare Geschichte des Instruments. Ist es eventuell möglich, die Decke inclusive aller Spielspuren (nach fachgerechter, aber nicht abrasiver Reinigung) zu konservieren?
Also das offene Holz und auch die Patina zu versiegeln und dadurch zu erhalten?
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Niels Cremer
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Re: Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Beitrag von Niels Cremer »

Also ich bin schliesslich in etwa so vorgegangen wie von Saitenhieb oben vorgeschlagen: reinigen und dann die Decke in ihrer Gesamtheit “versiegeln”, wobei ich dabei die Variante wachsen gewählt habe, ich habe einen Möbelwachs den ich schon für ein paar meiner Eigenbauten of offenem Holz benutzt hatte und der auch auf bereits behandeltem Holz gut anzuwenden ist. Insgesamt habe ich folgende Sachen gemacht:

- insgesamt gründlich gereinigt
- Griffbrett geölt
- Decke gewachst
- Bünde abgerichtet (bisher nur Bundhöhe, siehe unten)
- Mechaniken demontiert, gereinigt und geölt
- zwei kleine Risse der Decke am Rand unterhalb der Brücke verleimt und die bearbeiteten Stellen farbl. angepasst
- ca. 10cm fehlendes Binding am Unterbug vorne ersetzt und farbl. angepasst (zum Glück recht unauffällig geglückt!)
- neues bridge-pad von innen eingeleimt (sie hatte keins, entsprechend sah die Decke von unten aus)
- eine Rückenleiste innen neu verleimt
- den an einer Stelle gelösten Rücken neu verleimt
- Brücke gelöst, Leimfläche gereinigt und neu verleimt
- bridge pin holes neu gebohrt bzw erweitert (reamed)
- neue bridge pins aus meinem Bestand rausgesucht
- silk & steel Saiten aufgezogen (aber einen Ton tiefer gestimmt)

Und so sieht sie jetzt aus! Optisch gefällt sie mir gut, klanglich etwas gewöhnungsbedürftig (wohl aufgrund der tiefen Stimmung), die Bespielbarkeit ist noch nicht so toll. Die bar-frets sind recht hoch, demzufolge ist auch die Saitenlage nicht unbedingt luxuriös, mit der Hand den Hals auf- und ab gleiten ist eher schmerzhaft, als nächstes also ein detailliertes set-up und intensieveres Bearbeiten der Bünde! :-)
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LG,
Niels
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Gitarrenspieler
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Re: Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Beitrag von Gitarrenspieler »

So würde ich die optisch lassen. Sieht doch gut aus. Hast du Angst wenn du die E oder D# stimmst das der Steg sich löst?
Die Kleine hat ja ein sehr unauffälliges, sehr schönes Bindig. Sogar das Griffbrett auf Decke ist wie bei einer D-45 anfasst. Der pure Luxus.
Gruß Wolfgang Hemd aus der Hose macht noch keinen Varoufakis
https://www.taaken.net
Es335
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Re: Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Beitrag von Es335 »

Ein sehr schönes Schätzchen hast du da und könntest wirklich recht haben, dass sie älter ist als um die Jahrhundert 19./20.!

Klanglich kann ich nur empfehlen die (synthetische) Darmsaiten-Variante, Aquila Ambra 800, zumindest einmal zu probieren. Das wären im Prinzip genau die dafür bestimmten Saiten, sofern einem die original Darmbesaitung zu delikat und vor allem zu teuer ist! :wink:

VG es335
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Niels Cremer
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Re: Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Beitrag von Niels Cremer »

Danke euch! :) Die Aquilas muss ich mal ausprobieren, kann ich mir jetzt gar nicht vorstellen wie die klingen, ist das dann vom Klang her vergleichbar mit Nylonsaiten?

@Wolfgang: ja, optisch bleibt sie jetzt so, mir gefällt die Patina und auch dass sie recht aufwändig gebaut/verziert ist, aber eben auf eine eher zurückhaltende Weise …

LG,
Niels
Es335
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Re: Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Beitrag von Es335 »

Niels Cremer hat geschrieben:
Sa Mai 25, 2024 4:12 pm
Danke euch! :) Die Aquilas muss ich mal ausprobieren, kann ich mir jetzt gar nicht vorstellen wie die klingen, ist das dann vom Klang her vergleichbar mit Nylonsaiten?
Eher wie Darmsaiten. Hier mal ein Klangbeispiel.

https://youtu.be/lkT1IKsTtIQ

Die synthetische Kopie Ambra 800 kommt dem schon sehr nahe, ist auf der anderen Seite aber natürlich ganz weit weg von Silk&Steel.

Hast du zwischenzeitlich schon mal die Beleistung „ausgeleuchtet“?

VG
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Niels Cremer
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Re: Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Beitrag von Niels Cremer »

Danke für das Klangbeispiel, hm, muss mal überlegen ob mir das gefällt … :wink:

Ja, ist eine ziemlich reduziertes ladder bracing, die Decke hat im Hinterbug nur eine Querleiste kurz vor der Brücke, am Vorderbug zwei Querleisten.

LG,
Niels
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Re: Zufallsfunde bei Möbelkauf …

Beitrag von Niels Cremer »

Gitarrenspieler hat geschrieben:
Sa Mai 25, 2024 2:07 pm
Hast du Angst wenn du die E oder D# stimmst das der Steg sich löst?
Die Frage wollte ich auch noch kurz beantworten: die Gitarre ist ja ursprünglich wohl für Darmsaiten gebaut die eine deutlich niedrigere Spannung haben, von daher möchte ich sie nicht strukturell überlasten, ich denke nicht unbedingt dass die Decke wegfliegen würde (wobei, man weiß ja nie …), eher dass die Decke sich verformt oÄ …

LG,
Niels
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