was ist eine "tote" Gitarre?

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rainbow
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was ist eine "tote" Gitarre?

Beitrag von rainbow »

gestern beim Zappen beim Trödel-King (WDR) hängen geblieben ...

weiss zwar nicht, inwiefern diese Reihe realistisch ist, aber es ging jedenfalls um Auswanderer, die vor dem Packen der Container noch einiges aufzulösen und zu verticken hatten

u. a. eine Martin Gitarre (Modell weiss ich nicht mehr - keine Dreadnought jedenfalls, eher OM-Form)

Linkshänder-Modell und ca. 10 Jahre nicht mehr gespielt

der befragte Experte fand letzteres allein schon sträflich und meinte, es gäbe "Gitarren, die sind tot"

wie ist das genau gemeint und wie stellt man das eigentlich fest?

schadet eine längere Ruhepause dem Instrument?

speziell bei Fichtendecken habe ich irgendwo gelesen, dass solche Gitarren mit dem Einspielen einen besseren Klang entwickeln ...

wie oft und intensiv muss denn eine Gitarre "beackert" werden, damit sie nicht "stirbt"?

was machen Leute mit Zeitmangel und mehreren Instrumenten?

kann man eine "tote" Gitarre wieder zum Leben erwecken?

(sorry, könnte auch in die Rubrik "Anfängerfragen" - soll aber kein SPAM sein :oops: :lol: )

Wer klärt mich mal auf und hat Erfahrung + Tipps?

Schöne Grüsse

Reinhard
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Manati
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Beitrag von Manati »

Da bin ich mal gespannt, was für Antworten kommen.

Davon habe ich noch nie gehört, dass eine Gitarre, die längere Zeit nicht gespielt wurde, als "tot" bezeichnet werden kann.

Wenn sie vernünftig gelagert wurde (Koffer; Umgebung nicht zu feucht oder zu trocken) und ggf. die Saiten entspannt waren, kann ich mir das auch gar nicht vorstellen.
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H-bone
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Beitrag von H-bone »

Hallo,

ich hab' das schon mal irgendwo gepostet, aber nochmal für die Erläuterung hier...

Ich gehe mal davon aus, dass das Thema weniger um wirkliche "Totgeburten" von Gitarren geht (also Gitarren die man hundert Jahre spielen kann und sie klingen immer noch einfach sch*****), sondern um Gitarren, die alt werden müssen ohne gespielt zu werden.

Sache ist, dass die Harzanteile im Holz im Laufe der Jahre austrocknen und verhärten, dabei auch schrumpfen und kleine "Zellen" im Holz hinterlassen.

Wird die Gitarre häufig und regelmässig gespielt, haben die verhärtenden Harze keine Chance sich an den Wänden dieser "Zellen" dauerhaft anzuhaften, sie werden durch die Schwingungen zu kleinen, harten, frei beweglichen Kügelchen. Dieses Holz ist viel freier, als wenn die Harze fest an der Zellwand kleben.

Nach vielen Jahren des Nicht-Spielens sind diese Harze nicht mehr ablösbar, dass heisst, für das optimale Einspielen ist der Zug dann abgefahren...

Ob man so eine Gitarre allerdings als "tot" bezeichnen sollte, wenn es eine "Gute" ist, mag ich bezweifeln.
Sie wird nur nicht mehr so gut wie sie hätte werden können.

Allerdings ist es auch so, dass eine wirklich alte, anfänglich viel gespielte Gitarre ruhig mal ein paar Jahre "rumhängen" kann, ohne dass sie schlechter wird...

Bild

Gruss,

Martin
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Pida
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Beitrag von Pida »

Hallo,
H-bone hat geschrieben: Nach vielen Jahren des Nicht-Spielens sind diese Harze nicht mehr ablösbar, dass heisst, für das optimale Einspielen ist der Zug dann abgefahren...
ich bin ja durchaus überzeugt davon, dass viel gespielte Gitarren besser klingen. Das irgendwann 'der Zug abgefahren' ist, müsstest du aber mal erklären: Holz für den Instrumentenbau lagert doch als Brett teilweise über Jahrzehnte, warum sollte es da relevant sein, wenn ein Stück Holz nochmal ein paar Jahre rumliegt, nachdem es in einer Gitarre verbaut wurde?

Gruß
Pida
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kwb
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Beitrag von kwb »

Pida hat geschrieben:Hallo,
H-bone hat geschrieben: Nach vielen Jahren des Nicht-Spielens sind diese Harze nicht mehr ablösbar, dass heisst, für das optimale Einspielen ist der Zug dann abgefahren...
ich bin ja durchaus überzeugt davon, dass viel gespielte Gitarren besser klingen. Das irgendwann 'der Zug abgefahren' ist, müsstest du aber mal erklären: Holz für den Instrumentenbau lagert doch als Brett teilweise über Jahrzehnte, warum sollte es da relevant sein, wenn ein Stück Holz nochmal ein paar Jahre rumliegt, nachdem es in einer Gitarre verbaut wurde?

Gruß
Pida
Daran habe ich auch gedacht als das Thema schon mal behandelt wurde aber nicht weiter nachgefragt.

Jetzt bin ich auf die Antwort gespannt.

Klaus
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Fingerprinz
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Beitrag von Fingerprinz »

Also ich denke wenn eine Gitarre gut gebaut ist, hält die schon einiges aus. Das `ne Gitarre eventuell den Zug von `nem " 13er " Satz nicht verträgt ist auch nicht so selten. Wer allerdings `ne Gitarre jahrelang ohne Saiten rumliegen lässt, dem kann das vermutlich eh egal sein.

Wahrscheinlicher ist dass `ne Gitarre durch arge Witterungseinflüsse und falsche Aufbewahrung (Hitze, Feuchtigkeit usw. kaputt geht.

Und das man ne Gitarre nicht so furchtbar lange ohne Saiten lassen sollte, würde ich vielleicht sagen, wenn ich Pressesprecher des Dachverbandes der führenden Saitenhersteller wäre..... :lol:




Gruß vom Blues.....................Der Holger
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Maro
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Beitrag von Maro »

Moin Martin,

das Thema interessiert mich sehr.

Gibts dazu Literatur die auch andere wissenswerte Dinge über 'ne Gitarre beinhaltet.

Gruß

M.
<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<-<

Sometimes I don't know where this dirty road is taking me
Sometimes I can't even see the reason why...

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Harald H. Morton
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Beitrag von Harald H. Morton »

Guten Morgen Maro,

ich habe bereits seit einigen Jahren folgendes Buch im Regal und finde es sehr informativ:

http://www.amazon.de/Akustische-Gitarre ... 056&sr=1-1

Macht immer wieder Spaß, darin zu blättern.

Noch einen schönen Sonntag

Harald H. Morton
Gast

Beitrag von Gast »

Guten Morgen,
hier ganz knapp zur Fichtendecke:

Sie muß lange (manchmal über Jahre) in allen Tonarten eingespielt werden.
http://www.gitarrengalerie.de/holzarten.php

Hi
Hei
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nolinas
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Beitrag von nolinas »

doc hat geschrieben:Guten Morgen,
hier ganz knapp zur Fichtendecke:

Sie muß lange (manchmal über Jahre) in allen Tonarten eingespielt werden.
http://www.gitarrengalerie.de/holzarten.php

Hi
Hei
Heißt das, dass es nicht reicht, einen betimmten Ton, sagen wir mal, "e" nur mit den Tönen aus E-Dur einzuspielen? Ist es darüber hinaus auch nötig, diesen Ton "e" im Kontext der Töne zu spielen, die zu F-Dur und d-Moll gehören?

Daniel
"Ach das dumme Gleichgewicht, wenn mans braucht, dann hat mans nicht" (Zitat aus Alarm im Kasperletheater)

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H-bone
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Beitrag von H-bone »

Pida hat geschrieben:Das irgendwann 'der Zug abgefahren' ist, müsstest du aber mal erklären: Holz für den Instrumentenbau lagert doch als Brett teilweise über Jahrzehnte, warum sollte es da relevant sein, wenn ein Stück Holz nochmal ein paar Jahre rumliegt, nachdem es in einer Gitarre verbaut wurde?
Tja, da betreten wir, denke ich, schon gewaltig die Ebene der unterschiedlichsten Gitarrenbau-Philosophien... also: andere mögen das anders sehen...

Aber ich bin mit einigen Kollegen und erfahrenen Tonholz-Händlern einig, dass das optimale Alter einer Fichtendecke zwischen 5 und 15 Jahren liegt...
Wohlgemerkt, beim "abgefahrenen Zug" habe ich vom "optimalen Einspielen" gesprochen, nicht von der Gitarre insgesamt.
Und meine Kommentare bezogen sich auch einzig und allein auf Fichte.

Ich merke das auch selbst bei "The Bone" mit ihrer 50-jährigen Cembalo-Decke, die hängt bei mir, klingt super und ich spiele sie sehr gerne. Aber sie hat nie einen vergleichbaren Einspieleffekt gezeigt wie eine mit einer "jüngeren" Decke gebauten Gitarre.

Ich bin immer skeptisch bei Verallgemeinerungen, so auch "Je älter je besser"...

... und Korpusholz ist eh wieder ein anderes Thema...

Gruss, Martin

P.S. Das Einpielen von Tonarten halte ich allerdings für eine sehr esotherische Theorie....

...obwohl, ich hab' gerade 'ne Gitarre da bei der immer wenn ich 'nen Turnaround spielen will, ein G-Run ertönt... :shock:
Zuletzt geändert von H-bone am Mo Aug 17, 2009 5:14 pm, insgesamt 1-mal geändert.
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DiSt
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Beitrag von DiSt »

Sicher bekannt, oder?
Ein "Querdenker" zum Thema Gitarrenbau-Mythen:
http://liutaiomottola.com/myth.htm
Ulrich Peperle
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Beitrag von Ulrich Peperle »

[Beitrag vom Verfasser entfernt]
Zuletzt geändert von Ulrich Peperle am Sa Apr 09, 2016 1:37 pm, insgesamt 1-mal geändert.
Gast

Beitrag von Gast »

...
Zuletzt geändert von Gast am Fr Jan 29, 2010 3:10 pm, insgesamt 1-mal geändert.
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Harald
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Beitrag von Harald »

Also ich habe bisher immer festgestellt, daß ne neue Gitarre sich im ersten halben bis dreiviertel Jahr dramatisch im Klang verändert hat, wenn man viel spielt, danach konnte ich eigentlich keine Veränderungen mehr hören. Entweder liegt das an den eigenen Hörgewohnheiten oder tatsächlich am den Instrumenten, keine Ahnung! Ich muss allerdings sagen, dass ich bisher noch keine Gitarre länger als 2 bis drei Jahre behalten habe.
"... und hätte aber die Liebe nicht ..."

http://www.youtube.com/watch?v=N4kFCBIYDqA
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