Über die Klang-Qualität von Gitarren

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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Rolli
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Über die Klang-Qualität von Gitarren

Beitrag von Rolli »

Ich beziehe mich mal auf den Eastman Thread im Biete Bereich!

Ich finde es schwierig über die Klang-Qualität von Gitarren zu sprechen, vorallem wenn man dann irgendwelche Marken vergleicht (Hier Eastman und Gibson).

Es kommt doch immer drauf an, wer sie spielt und wie man sie spielt. Hinzukommen der eigene Anspruch und die gitarristische Fähigkeit um die Güte eines Instruments beurteilen zu können. Ich kenne viele Gitarristen, die schwärmen irgendwas von ihren Gitarren und hört man diese Gitarristen dann spielen (auf Youtube macht sich ja fast jeder irgendwann nackig), sind sie kaum in der Lage einen komplexeren Akkord sauber zu spielen oder eine Melodie reich zu phrasieren. Ich frag mich dann immer, wie diese Menschen dann in der Lage sein wollen, ein Instrument beurteilen zu wollen. Wie soll das gehen? Kann denn ein "Stümper" rausfinden wie schnell die Gitarre den Ton erzeugt, oder wie auch der gegriffene Ton in reichhaltige Obertöne kippen kann. Oder das Sustain auch bei einem Bending kaum abkippt.
Mag mir das jemand erklären?

Ich stoße da selber immer wieder an meine Grenzen, vorallem bei Instrumenten für die ich nur über eine sehr limitierte Spieltechnik verfüge. Das sind dann so Dinge wie Gipsy-, Klassik- oder Flamenco Gitarren.
Schöne Grüße, Rolli
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RB
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Beitrag von RB »

Der Stümper kann mE kein Instrument beurteilen. Das setzt meiner Überzeugung nach ein gewisses Mindestmaß an handwerklichem (spielerischen) Können voraus.
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Angorapython
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Beitrag von Angorapython »

Wieso soll das denn nicht gehen? Beim Fußball kann doch auch jeder beurteilen, was die Spieler anders machen hätten sollen, in der Politik wissen es ebenfalls fast alle.
Die Frage ist doch eher, was man mit den Beurteilungen anfangen soll...
FCK-NZS
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bob's art
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Beitrag von bob's art »

Was die Beurteilung des Klangs im Vergleich zwischen zwei "guten" Gitarren betrifft, haben Rolli und RB sicher nicht ganz Unrecht.

Allerdings bitte ich zu bedenken, daß so mancher "Stümper" (wie z.B. auch ich :wink:) auf einer "guten" Gitarre trotzdem etwas besser spielen
und auch klingen kann als auf einer "Schlechten". :lol:

Insofern ist relativ auch eine gewisse Beurteilung möglich, die aber natürlich bei Weitem nicht die Kompetenz eines "Meisters" erreicht.

Gruß
Robert
There must be some kind of way outta here
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tomis
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Beitrag von tomis »

für mich stellt sich auch die frage ob "der stümper" oder mäßig ambitionierte
spieler highend-instrumente wirklich braucht.
schließlich steigen die ansprüche mit den fähigkeiten.
dazu gehört für mich nicht nur die akrobatik,
sondern auch "den ton" zu produzieren incl hören.
daher beschränke ich mich auch auf eine standard klampfe.
selbst die alvarez von orange interessiert mich.

insofern gebe ich rolli da voll recht.
bleibt noch die geschmackliche orientierung
die eastmans , die ich mir auf dingens im vergleich mit etablierten
usa modellen angehört habe, haben mich nicht so angetörnt
deswegen klingen sie aber nicht schlechter.
mit Blues und Gruß
Thomas
rwe
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Re: Über die Klang-Qualität von Gitarren

Beitrag von rwe »

Rolli hat geschrieben:Ich finde es schwierig über die Klang-Qualität von Gitarren zu sprechen, vorallem wenn man dann irgendwelche Marken vergleicht (Hier Eastman und Gibson).

Na ja, der Eastman-Gibson-Vergleich kommt ja nicht von ungefähr, sondern die Eastman, um die es hier ging, war ja schon sehr an der Gibson orientiert.
Rolli hat geschrieben:Es kommt doch immer drauf an, wer sie spielt und wie man sie spielt. Hinzukommen der eigene Anspruch und die gitarristische Fähigkeit um die Güte eines Instruments beurteilen zu können. <...> Ich frag mich dann immer, wie diese Menschen dann in der Lage sein wollen, ein Instrument beurteilen zu wollen.
Es hängt von den Kriterien ab. Jemand, der von der Spieltechnik nicht weit oder gehandicapt ist, kann ja trotzdem ein gutes, trainiertes Gehör haben und gerade ...

Rolli hat geschrieben:Kann denn ein "Stümper" rausfinden wie schnell die Gitarre den Ton erzeugt, oder wie auch der gegriffene Ton in reichhaltige Obertöne kippen kann. Oder das Sustain auch bei einem Bending kaum abkippt.
... solche Dinge erfassen. Das Einschwingverhalten, das Kippen in die Obertöne, das Sustain kann auch jeder hören, der nicht Gitarre spielen kann. Schwieriger ist es, solche Kriterien wie "Wärme" zu operationalisieren.
Rolli hat geschrieben:Ich stoße da selber immer wieder an meine Grenzen, vorallem bei Instrumenten für die ich nur über eine sehr limitierte Spieltechnik verfüge. Das sind dann so Dinge wie Gipsy-, Klassik- oder Flamenco Gitarren.
Ich sehe das Problem nicht so sehr in der Erfassung der Unterschiede als in deren Bewertung. Was ist aus Sicht eines Flamenco-Spielers ein "guter" Ton?

Und viele verwechseln den physikalischen Klang mit dem musikalischen "Ton". Der Spieler xyz klingt auf einer D45 sicherlich anders als auf einer J45, auf einer D18 anders als auf einer D28. Wenn in der Regel nur in Nuancen und auch wenn die Hörer xyz zunächst auf Grund seiner Musik, seiner Tonformung etc. wahrnehmen und identifzieren. (Nachtrag: Viele Hörer, aber wohl auch eine Reihe von Spielern, wollen - so mein Eindruck - gar nicht analytisch hören. Die Begründungen für den Instrumentenkauf und Verkauf sind da gelegentlich schon ernüchternd.)

Man kann übrigens auch ein guter Arzt sein, ohne alle Krankheiten gehabt zu haben. (Oder ein Rechtsanwalt, ohne alle Verbrechen begangen zu haben, sorry;-)
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RB
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Beitrag von RB »

Der Vergleich hinkt. Sicher kann der Zuseher sehen, wie man einen Pass besser schlagen würde. Der unsportliche Zuseher würde aber die Qualität des einen Fußballs nicht verläßlich mit derjenigen eines Konkurrenzprodukts vergleichen können. Der Fahrer, der mit Mühe nur den Anforderungen des Fahrens im Pkw gerecht wird, wird die Qualitäten eines Formel1-Wagens nicht einschätzen können.

Das hängt damit zusammen, daß es doch um die Beurteilung eines Werkzeugs geht. Dafür muß das Werkzeug in seinen Ecken und Kanten wenigstens ein wenig ausgelotet werden. Wie mag das ohne Handwerk gehen ?

Selbst der gewöhnliche Boom-Chick-"Strum" - um das Beispiel einmal herauszugreifen - wird nicht einfach damit bewerkstelligt, daß man mit dem Plektrum durch die Saiten pflügt, so daß die Gitarre ein Geräusch wie etwa "Schrenngggg" von sich gibt. Die sind so gebaut, daß die Bassnoten mit dem Diskant zusammen einen Sinn ergeben, wenn der Diskant weich, die Bassnote hart gespielt wird. Wie will also dieser Zusammenklang beurteilt werden, wenn der Spieler die Technik zu seiner Erzeugung nicht beherrscht (in vielen Fällen nicht einmal kennt) ? Er erzeugt das Schrennggg-Geräusch auf verschiedenen Gitarren und gibt dann ein Urteil ab.
rwe
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Beitrag von rwe »

RB hat geschrieben: Das hängt damit zusammen, daß es doch um die Beurteilung eines Werkzeugs geht. Dafür muß das Werkzeug in seinen Ecken und Kanten wenigstens ein wenig ausgelotet werden. Wie mag das ohne Handwerk gehen ?
Na ja, im Threadtitel heißt es nicht "Qualität von Gitarren insgesamt", sondern "Klang-Qualität". Klang ist von außen wahrnehmbar. Ich muss natürlich etwas von der Angelegenheit verstehen, hören können, muss aber nicht der beste Gitarrist sein, um die Klangqualität bewerten zu können. Auch meine Frau kann differenziert Unterschiede im Klang beschreiben, ohne selbst Gitarre zu spielen. - Denkt an Dirigenten oder Tonmeister, die in der Regel nicht in der Lage sind, alle Instrumente einigermaßen professionell zu spielen. Brauchen sie auch nicht. Aber sie können hören.

Um die Qualität des Werkzeugs ingesamt zu bewerten, muss ich damit natürlich selbst arbeiten und dies auch können. Aber auch ohne Tischler zu sein, kann ich mit geübtem Auge erkennen, ob bspw. eine Nut sauber ausgestemmt wurde. Damit weiß ich noch lange nicht, wie das Eisen gut geschärft wird, um dies Ergebnie zu erreichen.
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RB
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Beitrag von RB »

Ich hatte mir das Spielen und Testen vorgestellt. Als Zuhörer ist ein jeder zur Beurteilung von Klängen berufen. Allerdings käme mir die Frage dann als sehr breit gestellt vor, würde man nicht an die typische Lage des Spielers denken, der Instrumente ausprobiert.
rwe
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Beitrag von rwe »

Das ist grundsätzlich sicherlich die typische Situation. Aber wenn ich Musik auch (live) für Dritte mache, dann möchte ich auch wissen, wie mein Werkzeug nach außen wirkt. (Das ist dann der Unterschied zum Stemmeisen, zum Malerpinsel oder zum Staubsauger, da ist dann das Produkt vom Werkzeug trennbar - das Möbelstück, die Wand oder das saubere Zimmer.) Da kann ich mir vorspielen lassen, aber der nette Verkäufer im Musikgeschäft hat bestimmt wieder einen anderen Anschlag als ich etc. Da sind mir die Ohren meiner Frau schon ganz wichtig, die weiß, wie ich auf meinen anderen Instrumenten klinge und - zunehmend häufiger - sagt, dass ich ein Instrument mit solch einem Klang schon habe.
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berndwe
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Beitrag von berndwe »

Ich erinnere mich an die Zeit als ich Jugendlicher war und in den Schulferien mit meinen Kumpels ganze Nachmittage im örtlichen Musikgeschäften rumhing um die Gitarren die dort hingen auszuprobieren. Ich hatte noch keinen Gitarrenunterricht und konnte gerade einmal Am, G, Em und D greifen. Damals konnte ich ein Urteil darüber Fällen ob eine Gitarre für mich angenehm klingt oder weniger gut. Das war aber die Grenze meines Urteilsvermögens. Über Feinheiten des Klangs hätte ich nie eine Einschätzung abgeben können.

Um eine Gitarre bezüglich der klanglichen Feinheiten beurteilen zu können, muss man auch gute technische Fähigkeiten haben. Um das Gras wachsen zu hören sind Fähigkeiten erforderlich, über die auch sehr fortgeschrittene Gitarristen kaum verfügen.Deshalb bewundere ich Gitarristen, die zum Beispiel den Klangunterschied zwischen einer Gitarre mit und ohne Cut hören können. Da werde ich nie hinkommen (und will es auch nicht.)
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string
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Beitrag von string »

@Rolli

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Kann denn ein "Stümper" rausfinden wie schnell die Gitarre den Ton erzeugt, oder wie auch der gegriffene Ton in reichhaltige Obertöne kippen kann. Oder das ...
Das mit Sicherheit nicht. Was aber unbewusst gemacht wird, ist, dass sich
manche den Klang einer Gitarre einfach schönreden, um ihre Freude
am Erwerb/Besitz des (neuen) Instruments zu steigern.
Das konnte ich nach etlichen Jahren auch bei mir feststellen und auch bei einigen Freunden.

Gruß
Klaus
Zuletzt geändert von string am Mo Sep 14, 2015 1:38 pm, insgesamt 1-mal geändert.
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"Das Wesentliche im Umgang miteinander ist nicht der Gleichklang,
sondern der Zusammenklang".
Ernst Ferstl
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Gitarrenspieler
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Beitrag von Gitarrenspieler »

Ich oute mich hier spielerisch mal als Stümper (ohne „“), aber ich hätte auch gern einen ganz bestimmten Ton. Der kommt ja bekanntlich aus den Fingern aber auch nicht nur! Ich habe für das was ich mache lange nach Gitarren gesucht und viel Lehrgeld bezahlt. Ich habe jetzt letztlich genau das gefunden was ich vom Ton her will. Bei mir geht sich das nicht mit einer Gitarre aus weil ich nur Sachen nachpläre. Gelandet bin ich nach langer Suche bei einer SJ-200 und einer J-45 von Gibson und einer Martin D-16RG aus dem CustomShop. Und ich hab viel gesucht, gekaut und verkauft.
Aus Sicht des Stümpers: Rolli halte ich für einen sehr, sehr guten Gitarristen, wenn das Stimmt das nur solche Spieler Gitarren wirklich fachlich auswählen/beurteilen können... Was ich in den letzten Jahren aber gerade bei dir Rolli gesehen habe ist eine große Fluktuation wie bei mir als ich noch auf der Suche war. RB hat offensichtlich ähnlich wie ich seine Gitarren gefunden, einzig er ist kein Stümper.
Gruß Wolfgang Hemd aus der Hose macht noch keinen Varoufakis
https://www.taaken.net
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Orange
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Beitrag von Orange »

tomis hat geschrieben:selbst die alvarez von orange interessiert mich.
Die habe ich allerdings jetzt tatsächlich verkauft - nun isse wech'. :)
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rudi
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Beitrag von rudi »

In dem Zusammenhang stellt sich mir noch eine ganz andere Frage:
Wie macht das eigentlich der Gitarrenbauer ??
Aus meiner Erfahrung weiß ich, das nicht jeder Gitarrenbauer auch ein "begnadeter Gitarrist" ist.
Baut demnach nur ein wirklich gut spielender Gitarrenbauer auch wohl klingende Gitarren ?? :shock:
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