Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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tele
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Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Beitrag von tele »

wenn du nicht improvisieren kannst, wie spielst du dann mit anderen zusammen ?
Ist tomis aus allen Wolken gefallen, als ich mich in der Rubrik Tonträger, DVDs, Bücher als bekennender Nicht-Improvisator geoutet habe.
Eigentlich ein Interessantes Thema, das "Aus dem Stegreif-Spielen" und alles, was damit zusammenhängt.
Da es aber nicht so recht in den Mediensektor passt, eröffne ich lieber einen neuen Thread unter "Allgemeines", denn es sind ja alle Instrumentalisten angesprochen.

Ich sehe das etwa so: es gibt Musikrichtungen, da ist Improvisation unabdingbar. Jazz zum Beispiel. Wer seine Trompete nur nach Arrangements bein örtlichen Musikverein zum Klingen bringen kann, braucht sie zur Jam-Session im Jazz-Keller gar nicht erst mitzunehmen.

Dann gibt es Musikrichtungen, da ist Improvisation ein Tabu. IT (Irish Traditional) zum Beispiel. Da treffen sich ein Haufen Leute um Jigs, Reels und Hornpies im Unisono runterzurattern. Wer da irgendwelche mixophrygischen Licks einstreut, kann die Bouzouki einpacken und, ohne das Kilkenny ausgetrunken zu haben, die Heimreise antreten.

Ein Grenzfall ist Bluegrass.
Tony Rice und Konsorten nehmen Fiddle Tunes wie "Red Haired Boy" eher als Vorwand um ihre Licks an den Mann zu bringen. https://www.youtube.com/watch?v=P0EkURtpyRg" onclick="window.open(this.href);return false;" Wem's gfällt...
Die Kentucky Bluebelles spielen dagegen ganz artig die schöne Melodie https://www.youtube.com/watch?v=uaMuvx65TUA" onclick="window.open(this.href);return false;"
Die hab ich geliked. :r:

Also, wie seht ihr das, welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation, wie geht ihr sie an?
Zuletzt geändert von tele am Mo Aug 29, 2016 1:36 pm, insgesamt 2-mal geändert.
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Angorapython
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Re: Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Beitrag von Angorapython »

Beim Irischen scheint es mir klar zu sein, warum nicht improvisiert wird. Wenn ein Ton geändert wird, ist es schon ein anderes Stück. :mrgreen:
Ich lasse mich generell gerne darauf ein, mit anderen zu musizieren, da muss natürlich improvisiert werden, weil ich ja nicht alles auswendig kenne.
Bei Blues scheint mir klar zu sein, dass kein einziger Blueser der alten Schule irgendein Stück zwei mal gleich gespielt hat. Das hat sich erst geändert,
als sich zu den Musikern noch Schlagzeuger und Bassisten gesellt haben. :whistler:
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fatfinger

Re: Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Beitrag von fatfinger »

Also, wie seht ihr das
Ich sehe das so, daß
Improvisation ein Tabu
ist, Musiker nehmen die nur
als Vorwand um ihre austauschbaren 08/15-Blues/Jazz-Licksan den Mann zu bringen
.
Kein Tabu ist das auf der Tuba- gegeben,
irgendwelche mixophrygischen Licks
bilden die Grundlage des fröhlichen Frickelns.
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RB
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Re: Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Beitrag von RB »

Die Verächtlichmachung von Musikern, die allesamt können, was der Schreiber nicht kann, disqualifiziert die gesamte Fragestellung.
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tele
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Re: Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Beitrag von tele »

Die Verächtlichmachung von Musikern, die allesamt können, was der Schreiber nicht kann, disqualifiziert die gesamte Fragestellung.
Der Schreiber ist auch Muskikhörer und hat als solcher ein Recht auf einen eigenen Geschmack. Wenn Jerry Douglas auf einer Nancy Griffith CD die gleichen Licks spielt, wie bei einem Fiddle Tune erzeugt das bei mir eher Langeweile.
Handwerklich schätze ich die Musiker um Tony Rice sehr, aber egal was sie spielen, sie klingen immer nur nach sich selbst.
Das ist keine Verächtlichmachung sondern ein sachlich fundiertes Geschmacksurteil.
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rwe
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Re: Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Beitrag von rwe »

Im klassischen Ensemble wird nix "improvisiert", da wird auch das Zusammenspiel der Stimmen über die Zeit entwickelt. - In der Weltmusikband mit wechselnder Besetzung bildet sich irgendwann "meine" Stimme heraus, das ändert sich dann aber auch mal sehr spontan, je nach Zahl und Art der Mitmusiker, nach Wetter (?, ähm, na ja, vielleicht nicht), nach dem Tempo, mit der Stück gestartet wurde (was dann auch wieder mit dem Raum, in dem wir spielen, zusammen hängt), nach den Ideen, die mir gerade kommen, nach den Ideen, die den anderen gerade kommen (und auf die ich dann versuche, zu reagieren) usw. - Mit Leuten, mit denen ich freie Improvisation mache, ist diese ohnehin die "Kernidee". Improvisation braucht gleichermaßen eine Idee und das Handwerk dazu.
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RB
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Re: Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Beitrag von RB »

Das "sachlich fundierte Geschmacksurteil" besteht darin, beispielsweise einen Künstler wie Jerry Douglas die Verantwortung für die angebliche Mittelmäßigkeit einer Formation anzudichten. Bei allem Verständnis für unterschiedliche Geschmäcker und Geschmäckerinnen ist das eine Herabwürdigung. Spielen lernen hat auch etwas mit einem gewissen Maß an Respekt für die Leistung und das künstlerische Wirken anderer zu tun. Wie will ich je etwas lernen, wenn ich andere mit blasierter Herablassung abmeiere, ich denke das geht so nicht.

PS: Ich sehe, daß das inkriminierte Geschmacksurteil über Jerry Douglas verschwunden, das über Tony Rice entschärft ist. Für mich ist eines deutlich geworden: Es fängt doch recht weit im Allgemeinen an mit der Musikmacherei. Ob eine Einstellung hilft, wie die kurz zutage getretene, halte ich für fraglich.
micha
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Re: Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Beitrag von micha »

tele hat geschrieben:Handwerklich schätze ich die Musiker um Tony Rice sehr, aber egal was sie spielen, sie klingen immer nur nach sich selbst.
Das ist keine Verächtlichmachung sondern ein sachlich fundiertes Geschmacksurteil.
Ist das so ?

Anspieltip: Tony Rice Unit "Acoustics" (1979), auf der sie Stücke z.B. von Ron Carter oder Wes Montgomery interpretieren oder auch, da der auf der "Acoustics" mit von der Partie ist, "So What" von David Grisman (Mandoline) und Jerry Garcia (akustische Gitarre), auf der die ausschliesslich Stücke von Miles Davis natürlich nur rein akustisch spielen.
Bei dem Material kommt man, wenn man "nur" Bluegrass-Licks beherrschen sollte, nicht allzuweit...
Ein "sachlich fundiertes Geschmacksurteil" kann keines sein, wenn man anscheinend nur einen Bruchteil dessen kennt, was die, über die geurteilt wird, wirklich so alles beherrschen.
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tired-joe
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Re: Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Beitrag von tired-joe »

tele hat geschrieben: Handwerklich schätze ich die Musiker um Tony Rice sehr, aber egal was sie spielen, sie klingen immer nur nach sich selbst.
Ein grosseres Lob fuer kann man einem Musiker nicht machen. :)

Joe
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Niels Cremer
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Re: Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Beitrag von Niels Cremer »

tired-joe hat geschrieben:
tele hat geschrieben: Handwerklich schätze ich die Musiker um Tony Rice sehr, aber egal was sie spielen, sie klingen immer nur nach sich selbst.
Ein grosseres Lob fuer kann man einem Musiker nicht machen. :)

Joe
Dito, genau mein Gedanke als ich das las, was soll daran schlecht sein?!?!

Ich habe vor ein paar Tagen eine Dokmentation über Backgroundsängerinnen gesehen ("20 Feet from Stardom", übrigens sehr empfehlenswert!), darin nannte eine der interviewten - African-American - Backgroundsängerinnen ihre weißen Kolleg/inn/en "Musik-Leser" (das war damals in den 50ern zu Zeiten der "Blossoms" oder "Ikettes" ...) und spielte da auf einen ähnlichen Unterschied an, der Unterschied des Musik ablesen müssens vs. Musik ohne Vorlage spielen/singen und on the go "erfinden" zu können, für unsere Diskussion hier also: zu improvisieren.

Für mich ist die Fähigkeit, im Zusammenspiel mit anderen Musikern improvisieren zu können, sich in eine Akkordfolge hineinzuhören und dazu spielen zu können - Rhytmus, Solo, Bassline, sich eingrooven können, was auch immer - die höchste Form des Musikmachens. Da ich musikalisch aus einem "klassischen" Elternhaus stamme (mein Opa war Berufsmusiker (Konzertviolinist), mein Vater klassisch ausgebildeter Pianist & Violinist (aber nicht professionell, er war Lehrer)), mich aber der klassischen Ausbildung "widersetzt" habe bin ich gebranntes Kind soz.


Happy Jamming,
Niels
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wally
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Re: Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Beitrag von wally »

Ohne Improvisation wären die Künste gar nicht erst entstanden.
Dudeln – frickeln – fertig machen.
Ob man mit anderen Musikern improvisiert oder den Noten folgt,
ist völlig wurscht solange es gut gemacht ist.
Das Forum kann zu. Hopf, dreißig Euro - reicht. (RB)
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doc
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Re: Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Beitrag von doc »

tele hat geschrieben:Handwerklich schätze ich die Musiker um Tony Rice sehr, aber egal was sie spielen, sie klingen immer nur nach sich selbst.
Was bin ich froh, dass Tony Rice nach Tony Rice klingt.
doc
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berndwe
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Re: Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Beitrag von berndwe »

Was mich betrifft improvisiere ich beim musizieren - insbesondere mit anderen - fast immer auf eine bestimmte Art und Weise. Ich bin kein Musiker der etwas was sich jemand anders erdacht hat zu 100% genau nachspielen kann. Und wenn ich es könnte, wollte ich es nicht unbedingt. Es macht für mich den Reiz des Musizierens aus, mir was Neues auszudenken.

Das Gegenbeispiel ist der Gitarrist in meiner Classic-Rock-Coverband. Wenn wir zum Beispiel ein Stück von Deep Purple angehen besorgt er sich im Internet Transkriptionen (oder kauft gar teure Noten) und versucht die Soli von Richie Blackmore naturgetreu nachzuspielen. An einigen Stellen überschreitet das seine technischen Fähigkeiten. Er fliegt dann öfter raus was dann auch Frust bei ihm erzeugt.

Ich versuche ihn dann immer zu ermuntern, auf die Begleitmusik zu hören und zu spielen was in ihm drin ist, gut in seinen Fingern liegt und was er dann überzeugend vortragen kann. Nichts zu machen. Er sagt er kann das nicht.
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Rolli
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Re: Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Beitrag von Rolli »

Welcher Stellenwert Improvisation für mich hat? Den höchsten!

Für mich ist es die "Königsdisziplin" irgendwann mal so "wunderbar" improvisieren zu können, dass es schon komponiert klingt :)
Oder besser gesagt, eine gute Improvisation ist für mich "Ad Hoc-Komposition".. und niemals, aber auch niemals nicht rumdudeln! Das war, als ich noch kein Musiker war und nur "isoliert" die E-Gitarre gequält habe.

Um einigermaßen Impovisieren zu können, braucht man gute Ohren,gute Kenntnisse der Harmonielehre oder zumindest ein Gespür für harmonische Zusammenhänge, Geschmack, noch mehr gute Ohren, Visionen und Phantasie und gute Ohren. Daran arbeite ich mein Leben lang und es wird nie aufhöhren....

Also für mich ist Musik ohne Improvisation undenkbar... ich improvisiere sogar über Klassische Titel.

PS: Ausserdem hilft mir die Gabe der Improvisation mich bei Fehlern in arrangierten TItel gut aus der Bredouille zu lavieren :)
Zuletzt geändert von Rolli am Do Sep 01, 2016 10:07 am, insgesamt 3-mal geändert.
Schöne Grüße, Rolli
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Niels Cremer
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Re: Welchen Stellenwert hat für euch die Improvisation?

Beitrag von Niels Cremer »

Quasi als PS hier noch der Link zu der Dokumentation die ich erwähnt habe - hier eigentich off-topic (Sorry!!), aber der Vollständigkeit halber ... ;-)

20 Feet From Stardom

LG,
Niels
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