Warum von Hand, nicht per CNC

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

Moderatoren: jpick, RB, Gitarrenspieler

Antworten
Benutzeravatar
Gitarrenspieler
Beiträge: 8889
Registriert: Mi Feb 25, 2009 7:46 am
Wohnort: North German Lowland

Warum von Hand, nicht per CNC

Beitrag von Gitarrenspieler »

Hallo!
Erstaunt habe ich in dem sehr schönen Video über die Herstellung von „Michael Greenfield“ Gitarren
https://www.youtube.com/watch?v=sAeXskZHC2o" onclick="window.open(this.href);return false;
gesehen das der Halsfuß sowie der Übergang Hals/Kopfplatte mühselig von Hand "geschrubbt" wird. Nicht nur das, sondern auch die ganze Halsrückseite wird von Hand hergestellt. Ist das Ignoranz, Schwellenangst vor der Technik, Philosophie oder unerlässlich. Ich habe Ende der 1980 sechs Monate lang eine EDV Zusatzausbildung gemacht. Die hat sich in der Hauptsache mit CAD und Programmiersprachen beschäftigt. Dort hatte ich aber auch, wenn auch nicht lange, die Möglichkeit Vorlagen für CNC Maschinen (Mazak) zu erstellen.
Selbst wenn jeder Kunde ein anderes Profil des Halses haben möchte, ist es doch wesentlich einfacher eine CNC Maschine anzupassen als wenn die Halsrückseite inklusive Halsfuß und Kopfplattenübergang von Hand hergestellt wird. Irgendwann hat man doch alle Halsprofile für CNC gespeichert.
Können sollte das ein Gitarrenbauer schon von Hand, aber immer wieder herstellen?
Guter Einwand, CNC ist nicht gerade günstig aber im Fall „Greenfield“ denke ich sollte das nicht das Problem sein. Bin fest davon überzeugt, dass maschinell hergestellte Hälse genauer und ebenmäßiger sind als ein von Hand mit Stecheisen, Stemmeisen, Zugmesser, Klingen und Sandpapier geformter. Die Ausbildung des Halses gestaltet der Gitarrenbauer doch auch noch selbst wenn er die Ansteuerung der CNC Maschine vorgibt.
Es funktioniert doch, große Manufakturen wie Martin machen das doch auch.
Gruß Wolfgang Hemd aus der Hose macht noch keinen Varoufakis
https://www.taaken.net
Bernd C. Hoffmann
Beiträge: 3608
Registriert: Di Mär 01, 2005 1:11 pm
Wohnort: Fulda

Re: Warum von Hand, nicht per CNC

Beitrag von Bernd C. Hoffmann »

Eine CNC-Machine ist ein langfristiges Investitionsgut und amortisiert die Investition erst ab einer bestimmten Mindestmenge. Wird diese unterschritten, dann spart sie nichts sondern kostet. Bei großen Manufakturen, wo die Rohlinge quasi automatisch vom Stapel in die Maschine gezogen werden, ist das kein Problem, weil die Produktionskapazitäten weitaus höher sind als in einem Handwerksbetrieb. Zudem sind die Umrüst- und Wartungszeiten bekannt und damit sofort kalkulierbar. In einem Handwerksbetrieb ist das nicht möglich. Oft besteht hierbei auch ein Platzproblem, was die Anschaffung erschwert. Insbesondere besteht die Amortisationsrechnung nicht nur aus den Anschaffungskosten sondern auch aus Betriebs-, Wartungs-, Stillstands- und Klalkulationskosten für die Neuanschaffung sowie der Abschreibung. Darüber hinaus kann ein Lagerprobelem auftreten, wenn zur Maschinenauslastung eine große Menge an Hälsen für unterschiedliche Gitarren vorgefertigt wird.

Ob die Genauigkeit der CNC-Fertigung gegenüber der präziser Handarbeit für den Spieler in der Praxis einen Unterschied macht, bezweifle ich. Messbar das sicher, ob sie aber fühlbar sind? Auch wenn es sich bei mir um Konzert- und Flamnencogitarren handelt, Ich hatte sowohl Instrumente mit CNC- als auch handgefertigten Hälsen gespielt. Von der Seh- oder Fühlbarkeit gab es nichts zu entdecken. Es ist auch eine Frage der Philosophie, wie weit der Begriff "Handarbeit" vom jeweiligen Instrumentenbauer gefasst wird. Wenn jemand den Standpunkt vertritt, dass es für ihn nur Handarbeit ist, wenn das Halsprofil bis an die Grenzteile von hand gearbeitet wird, dann ist das sein Wertedenken, das ihn neben anderen Vorzügen auszeichnet. Bezahlen tut es sowieso nur derjenige Käufer, dem genau das wichtig ist.
Liebe Grüße
Bernd
:
Klassik & Flamenco
Tabulaturservice auf Anfrage
=> Klassikliste anfordern
Benutzeravatar
Gitarrenspieler
Beiträge: 8889
Registriert: Mi Feb 25, 2009 7:46 am
Wohnort: North German Lowland

Re: Warum von Hand, nicht per CNC

Beitrag von Gitarrenspieler »

Bernd C. Hoffmann hat geschrieben:...
... Es ist auch eine Frage der Philosophie, wie weit der Begriff "Handarbeit" vom jeweiligen Instrumentenbauer gefasst wird. Wenn jemand den Standpunkt vertritt, dass es für ihn nur Handarbeit ist, wenn das Halsprofil bis an die Grenzteile von hand gearbeitet wird, dann ist das sein Wertedenken, das ihn neben anderen Vorzügen auszeichnet. Bezahlen tut es sowieso nur derjenige Käufer, dem genau das wichtig ist.
Der Anschaffungspreis und der Unterhalt einer Maschine ist sicher ein Hemmschuh.
Und ja es gibt Kunden (in jeder Branche) denen es wichtig ist das der Baum bei Vollmond geschlagen wurde und eine Eule dabei gerufen hat. Aber das kann man im auch erzählen wenn es nicht so war. Der Glaube versetzt ja bekanntlich die Berge und nicht der Vollmond und die Eule. Mundgeblasen und unter Wasser kaltgeschlagen..., wenn´s denn schee macht ist es ja gut.
Gruß Wolfgang Hemd aus der Hose macht noch keinen Varoufakis
https://www.taaken.net
piet_16
Beiträge: 194
Registriert: Do Mär 17, 2011 7:18 pm
Wohnort: Nördliches Ruhrgebiet

Re: Warum von Hand, nicht per CNC

Beitrag von piet_16 »

@Gitarrenspieler,
ich sehe die Sache genau wie Du. Wie in dem Video ersichtlich hat der Gitarrenbauer für jede wichtige Arbeit spezielle Hilfsmittel und er ist auch bei jeden Arbeitsschritt um Perfektion bemüht. CNC-Unterstützung wäre da nur konsequent und wenn die Handarbeit auch noch soviel Freude macht.

Gruß Piet_16
Martin OM-21 Adirondack, Ibanez AWS1000ECE NT, Ibanez ARX300-CRS, Emerald X5-OS
Benutzeravatar
Gitarrenmacher
Beiträge: 3138
Registriert: Fr Sep 21, 2007 4:27 pm
Wohnort: 21379 Rullstorf
Kontaktdaten:

Re: Warum von Hand, nicht per CNC

Beitrag von Gitarrenmacher »

Ganz ehrlich Jungs, habt ihr suuwiiel Maibock gehabt?

Es gibt nun mal Handwerker, die kundenspezifisch arbeiten und genau das ist das Pfund mit dem sie wuchern können.
Ich baue gerade einen Hals, der am Sattel 45mm breit ist, und am 12. Bund 54mm. Am 1.Bund ist er 21,5mm dick, am 10ten nur 22,5.
Die Mensur ist 635. So einen Hals werde ich wahrscheinlich nur einmal bauen, weil er schon etwas von den üblichen "Gepflogenheiten" abweicht.
Vielleicht möchte mal jemand einen ähnlichen Hals, aber dann eventuell mit V-Profil anstatt mit flachem D.
Ich baue ca. sechs Gitarren im Jahr, jede etwas anders.
Würde ich auf die Festlegung von Standards Wert legen, gäbe es max. zwei Mensuren, drei Sattelbreiten und immer den gleichen Konus des Griffbrettes.
Dann würde ich mir auch keine CNC Fräse zulegen, sondern nur vorbereitetes Holz zu jemandem geben, der sich in CNC Programmierung auskennt und einen entsprechenden Maschienenpark sein Eigen nennt.
Ach ja, so ein bisschen mache ich das ja schon. Mensuren lasse ich mir CNC genau einsägen und die Halsrohlinge aus Mahagoni oder Cedro lasse ich mir von einem Bootsbauer vorbereiten, der über eine sehr gute Formatsäge und einen tollen Dickenhobel verfügt. Und weil ich recht extrovertiert mit "meiner" Gitarrenbauerei umgehe, soll heissen, dass ich keine Geheimnisse habe, hörte ich schon Kommentare wie :"Dann machst du ja gar nicht alles selber"
Zuletzt geändert von Gitarrenmacher am So Apr 30, 2017 10:19 pm, insgesamt 1-mal geändert.
Bier ist der Beweis, dass Gott uns liebt und will, dass wir glücklich sind.
-Benjamin Franklin- *1706 t 1790-
http://www.gitarrenmacher.de
Benutzeravatar
Gitarrenspieler
Beiträge: 8889
Registriert: Mi Feb 25, 2009 7:46 am
Wohnort: North German Lowland

Re: Warum von Hand, nicht per CNC

Beitrag von Gitarrenspieler »

Nein keinen Maibock gehabt! Ich sauf nicht mehr! Ich bin nur einer der gern stumpfe Tätigkeiten automatisiert. Das hier tippe ich z.B. nicht sondern diktiere das meinem Computer! :mrgreen:
Gruß Wolfgang Hemd aus der Hose macht noch keinen Varoufakis
https://www.taaken.net
Bernd C. Hoffmann
Beiträge: 3608
Registriert: Di Mär 01, 2005 1:11 pm
Wohnort: Fulda

Re: Warum von Hand, nicht per CNC

Beitrag von Bernd C. Hoffmann »

Gitarrenspieler hat geschrieben:Und ja es gibt Kunden (in jeder Branche) denen es wichtig ist das der Baum bei Vollmond geschlagen wurde und eine Eule dabei gerufen hat. Aber das kann man im auch erzählen wenn es nicht so war. Der Glaube versetzt ja bekanntlich die Berge und nicht der Vollmond und die Eule.
Ein bekanntes Sprichwort heißt: "Wenn der Glaube nicht wär´, ist der Pfennig nichts wert. Ob eine Fällung bei Vollmond, mit oder ohne Eulenschreih, ist mir egal. Ich urteile nach dem, was ich höre und fühle. Und wenn ich weiß, wie es sein soll und das Klangbild des betreffenden Gitarrenbauers spricht mich an, dann ist mir egal, ob er technische Hilfsmittel verwendet. Bei einer derart niedrigen Stückzahl, wie sie z. B. unser Gitarrenmacher hat, kann man davon ausgehen, dass er ohne Zeitdruck arbeitet und sehr entspannt ein besonderes Augenmerk auf jedes Detail hat. Das ist mMn eins der nicht zu unterschätzenden Qualitätsmerkmale, die man für individuelle Handarbeit mitbezahlt. Dass dies in der Manufaktur auch nach hinten losgehen kann, dafür hatte Amalio Burget in den 90er Jahren gesorgt. Wer einmal so eine Gitarre hatte, der weiß den handwerklichen Vorteil sehr zu schätzen. Ich hatte nämlich auch so ein Teil gehabt.

Die Frage ist, ob das für den betreffenden Gitarrenbauer auch stumpfe Tätigkeiten sind. Wer seinen Job liebt, der liebt alle Arbeiten, die damit verbunden sind.
Liebe Grüße
Bernd
:
Klassik & Flamenco
Tabulaturservice auf Anfrage
=> Klassikliste anfordern
Benutzeravatar
Gitarrenspieler
Beiträge: 8889
Registriert: Mi Feb 25, 2009 7:46 am
Wohnort: North German Lowland

Re: Warum von Hand, nicht per CNC

Beitrag von Gitarrenspieler »

Bernd C. Hoffmann hat geschrieben:... Wer seinen Job liebt, der liebt alle Arbeiten, die damit verbunden sind.
Nee, ich glaube ja vieles aber das nicht!
Gruß Wolfgang Hemd aus der Hose macht noch keinen Varoufakis
https://www.taaken.net
Benutzeravatar
LaFaro
Beiträge: 2663
Registriert: So Dez 19, 2010 11:03 am

Re: Warum von Hand, nicht per CNC

Beitrag von LaFaro »

Gitarrenspieler hat geschrieben:Nein keinen Maibock gehabt! Ich sauf nicht mehr! Ich bin nur einer der gern stumpfe Tätigkeiten automatisiert. Das hier tippe ich z.B. nicht sondern diktiere das meinem Computer! :mrgreen:
ach daher die Kommafehler.... 8) :wink:
Lakewood M 32 Custom
Loef Tera
Voss Da Vinci
Voss Miss Maple


"Lieber politisch korrekt als moralisch infantil" (Carolin Emcke)
Benutzeravatar
Gitarrenspieler
Beiträge: 8889
Registriert: Mi Feb 25, 2009 7:46 am
Wohnort: North German Lowland

Re: Warum von Hand, nicht per CNC

Beitrag von Gitarrenspieler »

:whistler:
Gruß Wolfgang Hemd aus der Hose macht noch keinen Varoufakis
https://www.taaken.net
Benutzeravatar
RB
Beiträge: 20074
Registriert: Di Feb 08, 2005 11:18 pm
Wohnort: Wetzlar
Kontaktdaten:

Re: Warum von Hand, nicht per CNC

Beitrag von RB »

cnc finde ich gut. Aber die Technik ist teuer.
Benutzeravatar
Sperris
Beiträge: 2932
Registriert: Mi Feb 23, 2005 9:42 am
Wohnort: MS/WAF

Re: Warum von Hand, nicht per CNC

Beitrag von Sperris »

Wer seinen Job liebt, der liebt alle Arbeiten, die damit verbunden sind.
Amen!

Gruß Ralf
Boucher Studio Goose Walnuss
Blueridge BR 371
Fenix TL 20
No Name Stratocaster
Bernd C. Hoffmann
Beiträge: 3608
Registriert: Di Mär 01, 2005 1:11 pm
Wohnort: Fulda

Re: Warum von Hand, nicht per CNC

Beitrag von Bernd C. Hoffmann »

Gitarrenspieler hat geschrieben:
Bernd C. Hoffmann hat geschrieben:... Wer seinen Job liebt, der liebt alle Arbeiten, die damit verbunden sind.
Nee, ich glaube ja vieles aber das nicht!
Ich glaube nicht, dass sich ein Gitarrenbauer wegen selbstverständlicher Arbeiten über den Auftrag ärgert. Wenn das so wäre, dann bräuchte er keine Aufträge annehmen und geht pleite. Ich denke, dass jeder Gitarrenbauer eine gesunde Einstellung zu seiner Arbeit in allen Details hat. Sonst wäre er nicht erfolgreich. Deswegen, denke ich, gibt es keinen Grund sich über übliche Gegebenheiten zu beschweren. Frag doch mal den Gitarrenmacher, ob ihn die Halsarbeiten nerven. Wer Individualität ausdrücklich anbietet, der ärgert sich nicht über die damit verbundenen Arbeiten. Viel mehr ist seine Kunst die individuellen Anforderungen genau zu treffen. Aus meiner Sicht spricht das für Liebe zum Detail an jeder Stelle.
Liebe Grüße
Bernd
:
Klassik & Flamenco
Tabulaturservice auf Anfrage
=> Klassikliste anfordern
Benutzeravatar
Gitarrenmacher
Beiträge: 3138
Registriert: Fr Sep 21, 2007 4:27 pm
Wohnort: 21379 Rullstorf
Kontaktdaten:

Re: Warum von Hand, nicht per CNC

Beitrag von Gitarrenmacher »

Gitarrenspieler hat geschrieben:Nein keinen Maibock gehabt! ....................ch bin nur einer der gern stumpfe Tätigkeiten automatisiert. :mrgreen:
Unterschätzen sollst du nicht die meditative Beschnitzung eines Holzklotzes alter Jedi.
Bier ist der Beweis, dass Gott uns liebt und will, dass wir glücklich sind.
-Benjamin Franklin- *1706 t 1790-
http://www.gitarrenmacher.de
Benutzeravatar
Gitarrenmacher
Beiträge: 3138
Registriert: Fr Sep 21, 2007 4:27 pm
Wohnort: 21379 Rullstorf
Kontaktdaten:

Re: Warum von Hand, nicht per CNC

Beitrag von Gitarrenmacher »

Bernd C. Hoffmann hat geschrieben:Wer seinen Job liebt, der liebt alle Arbeiten, die damit verbunden sind.
Ich finde jegliche Art von Lackierarbeiten mit den dazugehörigen Schleifereien echt kacke. :contra:
Bier ist der Beweis, dass Gott uns liebt und will, dass wir glücklich sind.
-Benjamin Franklin- *1706 t 1790-
http://www.gitarrenmacher.de
Antworten