Wie lerne ich von Blatt zu spielen?

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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thust
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Wie lerne ich von Blatt zu spielen?

Beitrag von thust »

Moin,
ich möchte vom Blatt spielen können! Ich kann zwar Noten/Tabs lesen, kann das ganze aber rhythmisch nicht richtig in einen Zusammenhang bringen, ohne mir dazu das Stück anzuhören.
Vielleicht hat ja jemand einen Tipp, wie man sich so etwas einbläuen kann.

Gruß Andreas
rwe
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Beitrag von rwe »

Die rhythmische Struktur kann man sich recht gut über eine mathematische Vorstellung aufbauen. Zunächst die Takte in die Einheit der kürzesten Zählzeit zerlegen und dann ausmultiplizieren. Damit erhältst du eine Vorstellung über die Längenverhältnisse.

Allerdings funktioniert das noch nicht hinsichtlich der rhythmischen Betonung, ein Viertel im 4/4-Takt mit einem Tempo von 60 ist einfach etwas anderes als ein Viertel im 2/2-Takt mit einem Tempo von 120, obwohl rechnerisch beide die gleiche Länge haben. Hier hilft nur hören. und zählen üben.

Das Ganze funktioniert erst langsam, dann immer schneller ... Das klingt simpel und ist es vom Grundsatz auf - allerdings aufwändig.

Ein weiteres Problem ist, dass oftmals die Notationen nicht das widerspiegeln, was die Musiker wirklich von sich geben.

Rüdiger
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escapeharry
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Beitrag von escapeharry »

Die Lösung ist Zählen.
Ist eigendlich ganz einfach(theoretisch). Dauert aber bis mans wirklich richtig kann.
Grundprinzip (4/4):
Man zählt die Viertel: 1,2,3,4,1,2,3,4,...
Achtel dazwischen zählt man als "und": 1 und 2und 3 und 4
16tel dazwichen als "e" oder "ä": 1 e und e 2

Am besten schreibt man sich dann noch die Zählzeiten an die Noten. Weil man gerade am Anfang doch nicht durchblickt, wann und wo was gezählt wird.

Ach ja. die Viertel zählt man immer, die "und"s und "e"s, nur wenn sie benötigt werden.
Man muß halt etwas üben, bis man ein 1 e und e 2 in derselban zeit zählt wie 1 2.
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escapeharry
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Beitrag von escapeharry »

Hab noch was vergessen: Die Triolen
die zählt man: einerlei, zweierlei dreierlei, vierelei
wobei pro Silbe ein Ton gespielt wird.
Beispiel: 1 2 3 viererlei 1 ...

Wenns mal gernicht geht weils zu kopliziert oder verwirrend ist geb ich den mist einfach in ein midi-programm ein und hör mirs dann an.
rwe
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Beitrag von rwe »

... ja, das musst du dann aber bei mehrstimmigen Dingen, bei denen bspw. "2 gegen 3" läuft, noch etwas verkomplizieren;-)

Nochwas zu den Vierteln: Die zählt man eben *nicht* immer, nur wenn sie tatsächlich auch die Zählzeit sind ("im n Viertel-Takt"). Das ist zwar im Fingerpicking nicht unüblich, aber in der (Gitarren-) Musik insgesamt nur eine möglichkeit. Beim wieviel-auch-immer-Achtel-Takt sind Achtel die Zählzeiten, die Viertel ergeben sich dann nur als Vielfaches der Achtel quasi nebenbei Und wenn die Halbe Zählzeit ist, werden die Viertel nicht gezählt! Deshalb ist ein 2/2 etwas anderes als ein 4/4, auch wenn es meine mathematische Seele früher nicht wahrhaben wollte.
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escapeharry
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Beitrag von escapeharry »

Hab ja geschrieben, dass sich meine Erklärung auf einen 4/4 Takt bezieht.
Klar, im 6/8 zählt man dann 1 2 3 4 5 6 1 2 3 4 5 6 ....

Das Zählen selbst wird bei mehrstimmigen Stücken aber nicht komplizierter. Nur das WAS spielt man zu welcher Zählzeit ist dann manchmal recht verzwickt.
Bernd C. Hoffmann
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Beitrag von Bernd C. Hoffmann »

Meine Güte, Ihr brecht Euch einen ab....
Jede der dargestellten Aussagen lässt genügend Raum für Unklarheiten. Die elementaren Grundlagen, insbesondere die Abgrenzung von Takt und Rhythmus sowie die Trennung von Zähler und Nenner der Taktangabe sind eine vorab zu klärende Essenz, ohne die es nicht geht. Nur durch Worterklärungen kann man das nicht lernbar erklären; das zeigen Eure Beiträge sehr deutlich. Es ist viel effektiver, einige Wochen sich einem Lehrer anzuschließen, der die Zusammenhänge mit körperlichen Hilfsmitteln anschaulich hervorbringt. Je nach dem, wie man sich einschätzt, kann man auch eine Rhythmusschule als Buchform mit Begleit-CD fürs Selbstlernen heranziehen. Ebenso ist ein Gitarrenkurs mit Notenmaterial eine sehr gute Sache. Nichts ist effektiver als eine strukturierte Einführung in die Materie mit sofort nachstellbaren Beispielen. Alles andere führt zu schwer verständlichen und aufgeblasenen Textmengen.

Viele (autodidaktische) Gitarristen sind meist schlechte Rhythmiker. Diesen Schuh musste ich mir selbst anziehen. Aber durch Texte lesen habe ich das nicht in den Griff bekommen. Das hat sich auch immer wieder im Unterricht gezeigt, wenn Leute mit Andrea´s Wunsch kamen. "Einbläuen" ja, aber nicht durch verbale Textvorlagen sondern durch praktische Übungen am eigenen Körper und Instrument mit einem strukturierten Konzept.
Liebe Grüße
Bernd
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thust
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Beitrag von thust »

Danke erstmal für eure Antworten.
Die theoretischen Grundlagen sind mir eigentlich relativ bekannt, es geht mir eher um die Herangehensweise an das Problem.
So nach dem Motto, einfache Stücke üben, ohne sie vorher zu kennen und vielleicht erst im nachhinein zur Kontrolle das Original anhören....???
Oder trennen von Bass und Diskant...???

Bernds Idee mit dem Lehrer wäre dabei wohl die beste Lösung.

@Berd - hast Du eine Buchempfehlung?
rwe
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Beitrag von rwe »

Ich versuche es tatsächlich zuerst damit, mir eine Art "Zeitstrahl" aufzubauen, beginnend mit einer Stimme (der Hauptstimme, egal ob Bass oder Diskant, um eine musikalische Vorstellung, keine spieltechnische zu bekommen), dann die anderen hinzufügen.

Zur Kontrolle ist dein Vorschlag, einfache Stücken hinterher zur "Qualitätssicherung" zu hören, richtig. (Mach's dir aber vorher nicht zu leicht;-)

Und: Ein Lehrer hilft, ganz klar!

Noch ein Tipp: Um Rhythmik zu üben, kann man natürlich auch bei dem Material für die Percussionkollegen über den Tellerrand sehen. Als ich bei einem afrikanischen Trommelkurs dachte, ziemlich gut gewesen zu sein, grinsten mich die Afrikaner höflich an und lachten über die lustigen Geschichten, die ich versucht habe, auf den Trommeln zu erzählen...
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pegahorn
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Beitrag von pegahorn »

@Thust,
komm mal ein Wochenende bei mir vorbei, dann haben wir das Problem im Griff

Liebe Grüße
Richard
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Holger Hendel
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Beitrag von Holger Hendel »

Buchempfehlung -->
hier.

Danach sollten alle Fragen beantwortet sein; und ja: ich bin der Überzeugung, dass man mittels z. B. dieses Buches eine Menge in Sachen Rhythmik lernen kann- wenn man den Willen und die Ausdauer hat gewiss genau so viel, wie bei einem guten Lehrer. ;)
www.holgerhendel.com | facebook | youtube | twitch | Heavy Silence - finest acoustic cover
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thust
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Beitrag von thust »

pegahorn hat geschrieben:@Thust,
komm mal ein Wochenende bei mir vorbei, dann haben wir das Problem im Griff

Liebe Grüße
Richard
Was soll ich für Getränke mitbringen? :lol:
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pegahorn
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Beitrag von pegahorn »

thust hat geschrieben:
pegahorn hat geschrieben:@Thust,
komm mal ein Wochenende bei mir vorbei, dann haben wir das Problem im Griff

Liebe Grüße
Richard
Was soll ich für Getränke mitbringen? :lol:
ein Fläschen Weizenbier

Liebe Grüße
Richard
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Bernd C. Hoffmann
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Beitrag von Bernd C. Hoffmann »

thust hat geschrieben:Danke erstmal für eure Antworten.
Die theoretischen Grundlagen sind mir eigentlich relativ bekannt, es geht mir eher um die Herangehensweise an das Problem.
So nach dem Motto, einfache Stücke üben, ohne sie vorher zu kennen und vielleicht erst im nachhinein zur Kontrolle das Original anhören....???
Oder trennen von Bass und Diskant...???

Bernds Idee mit dem Lehrer wäre dabei wohl die beste Lösung.

@Berd - hast Du eine Buchempfehlung?
Wenn die theoretischen Grundlagen bekannt sind, dann würde ich Dir von Heinz Teuchert "Die neue Gitarrenschule - Band 1" empfehlen. Dort findet man einige nette Solostücke im 2stimmigen Satz, an denen man sein Verständnis gut "trainieren" kann. Wichtig zu wissen ist, dass immer die Aktion mit dem kürzesten Wert (Note oder Pause) abgelaufen sein muss, bis die nächste beginnt. Eine CD zum Buch ist optional erhältlich.
Liebe Grüße
Bernd
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12bar
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Beitrag von 12bar »

ich möchte vom Blatt spielen können!
Es ist ja schon alles gesagt, aber dennoch...

Ich kann weder Noten noch vom Blatt spielen. Ein Song von mir ist mal als Notenblatt bei einem Verlag herausgekommen, das musste ich mir erst mal vorspielen lassen und dachte nur ... aha ... (Äh, das wollte ich jetzt gar nicht... egal)

Nun hat mein Sohn (9 Jahre) gerade seine vierte Klavierstunde hinter sich. Gestern packt der sich einen Notenzettel mit dem Song "Banks of the Ohio" von meinem Notenständer (Lag noch für einen Schüler da), setzt sich an sein Klavier und spielt. Das Ding passte wie verrückt. Die Melodie war sofort da, der Song war zu erkennen!

Ich glaube nun seit gestern, ich habe was verpasst. Diese endlosen Stunden mit raushören und auswendig lernen hätte ich mir schenken können. Wenn die Musik ein Land ist, dann sind Noten darin die Schrift. Das hab ich mal irgendwo aufgeschnappt.

Das ist so ein Problem von Gitarre insgesamt. Bei keinem Instrument gibt es so viele Autodidakten. Will einer Trompete lernen, schickt man ihn in den Unterricht, sogar bei Gesang...Unterricht, nur bei Gitarre heißt es (oder hieß es früher) alles nur Feeling.

Aber (und dieser Gedanke beruhigt mich), habt ihr schon mal einen Piedmont Blues nach Noten spielen sehen?


::/BERT
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