Ich muss unbedingt nachtreten:
So sieht der Unterschied zwischen punktierten 4/4 und geraden 12/8 im Notenbild aus:
Und so klingt das.
Der erste Takt ist punktierte 4/4, der zweite Takt ist gerade 12/8.
Das Klangbeispiel ist direkt aus der Notationssoftware als mp3 exportiert.
Man hört deutlich, wie der erste Takt schön bluest und der zweite eher mehr als weniger poltert.
Außerdem scheint im zweiten Takt jemand gehörig auf die Bremse zu treten.
Indes, auch der zweite Takt ist 90 Viertel / Minute.
Wie kommt denn dieser Geschwindigkeitsunterschied zu Stande,
wo doch beide Takte in der selben Geschwindigkeit notiert sind?
Im ersten Takt werden ja im Bass (bis auf das letzte Viertel) immer mehrere Noten auf einer Viertel zusammengepackt.
Bei der punktierten Schreibweise stehen auf einer Viertel Note eine Viertel und eine Achtel
und bei den Triolen stehen sogar drei Achtel Noten auf der Zählzeit einer Viertel.
Da wird die Zeit knapp, saggichgetzma. Da müssen die sich beeilen, die Noten, verstehsse?
Damit sich das noch passt mit die Viertels.
Im zweiten Takt sieht die Sache anders aus:
Jede Note hat ihre Dauer so, wie sie dort steht. Eine Viertel Note füllt eine Viertel Note voll aus.
Eine Achtel Note füllt eine Achtel Note voll aus.
Deshalb dauern die Noten auch exakt so lange, wie sie da aufgeschrieben sind.
Und das bedeutet für die Noten, dass sie alle Zeit der Welt haben, sich in voller Gänze zu entfalten.
Tun sie aber nicht: Kein Swing, keine Triolen. Alles gerade Viertel und Achtel.
Alles sehr korrekt. Und das passt nun mal nicht weil man so das Gefühl des Blues nicht einfängt.
Denn der Blues lebt von Swing und Triolen. Wenn man ihm das wegnimmt, dann ist auch der Blues weg.
Die Verbindung von ternärer und binärer Rhythmik zu einer Einheit ist ein Teil des Wesens vom Blues.
Das ist nicht bewusst so entwickelt worden, das kam einfach so aus den Leuten heraus.
Sie waren Sklaven, die man in der Regel von Bildung (auch lesen und schreiben) fern hielt.
Da hat keiner gesessen und gesagt: "Heureka, ich verbinde jetzt mal zwei mit drei!"
Vielmehr suchten diese Menschen nach einer Ausdrucksform für ihr Leid.
Das heißt ja nicht ohne Grund Blues.
Der Blues ist "Ohrmusik". In der Seele entstanden und vom Ohr gespielt.