"gewellte" bundstäbchen bei einer westerngitarre?

Alles über akustische Gitarren für Stahlsaiten

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RB
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Beitrag von RB »

Wuwei, ich bin überzeugt, daß es eine musikalische Verarmung gibt, die ihre Ursachen an ganz anderer Stelle hat.

Sicher ist die Unterteilung in die leicht gemittelten Halbtonschritte willkürlich, der Grund für die Mittelung ist dagegen eher der Schlüssel, der ein Tor zu einer großen Freiheit aufmacht. Denn erst mit dieser Mittelung ist es möglich, "guer durch den Quintenzirkel" zu komponieren und am Ende wieder dort anzukommen, wo man angefangen hat und nicht einen Ganzton oder eine Quart tiefer. Ich sehe darin eher einen Weg zum handhabbaren Musizieren ohne gegenseitiges Anpassen der Instrumente und ohne Klavier mit achtzehn Tastaturen für jeden Anwendungsfall. Mit drei Farben kann man alle Schattierungen mischen. Mit zwölf Noten (zu multiplizieren mit den handhabbaren Oktaven en passant), kann man alles zum Ausdruck bringen und der Raum, der aus diesen Elementen besteht, ist unendlich.

Man schrammt in dieser Realität wahrscheinlich an den Tonmaterialien anderer Kulturen vorbei, das aber Verarmung zu nennen, finde ich zu kurz gegriffen. Niemand ist daran gehindert, sich damit zu befassen, jeder kann auf der Bucht eine Oud erstehen.

Der Vergleich der Kulturen ist interessant und keine braucht sich zu verstecken: Die europäisch geprägte Musik ist diatonisch, weist aber komplexe harmonische Entwicklungen auf. Die Musik anderer Kulturen, die komplizierte Skalen entwickelt hat, beschränkt sich in der Harmonik dagegen oft auf einem Bordunton oder einen Akkord oder eine Kadenz. Womöglich besteht ein Zusammenhang, darüber sollte mal ein Musikwissenschaftler seine Doktorarbeit abschreiben.
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Pida
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Beitrag von Pida »

wuwei hat geschrieben:Und für unsere Ohren auch, denn wir hören nicht "temperiert", sondern natürlich!
Wurde dieser Punkt eigentlich mal wissenschaftlich untersucht? Gibt es etwa Belege dafür, dass bestimmte Stimmungen oder Tonsysteme angeboren sind?

Es wäre ja durchaus denkbar, dass spätestens seit Pythagoras theoretische (nicht aber unbedingt in der Wahrnehmung des Menschen fundierte) Erwägungen sowie praktische Zwänge die Tonsysteme/ Stimmungen beeinflusst haben und sich die Menschen dadurch schlicht an das jeweils vorherrschende System gewöhnt haben.

Hier z.B. gibt's eine Kadenz in reiner und gleischwebender Stimmung zu hören. Ich höre die Schwebungen und bin mir bewusst, dass diese mit der Abweichung von einem mathematischen Ideal entstehen, allerdings nehme ich dadurch keine musikalische Beeinträchtigung wahr.
http://de.wikipedia.org/wiki/Reine_Stimmung
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jafko
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Beitrag von jafko »

Pida hat geschrieben: ...und sich die Menschen dadurch schlicht an das jeweils vorherrschende System gewöhnt haben....
Ich habe einen blinden Schüler, der stimmt seine Gitarre ohne Stimmgerät oder Referenzton! so exakt wie ich mit Stimmgerät! Also "temperiert"
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Pida
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Beitrag von Pida »

jafko hat geschrieben:
Pida hat geschrieben: ...und sich die Menschen dadurch schlicht an das jeweils vorherrschende System gewöhnt haben....
Ich habe einen blinden Schüler, der stimmt seine Gitarre ohne Stimmgerät oder Referenzton! so exakt wie ich mit Stimmgerät! Also "temperiert"
An so etwas dachte ich nicht. Wenn man mit 6, 16 oder 60 Jahren anfängt, sich mit Harmonielehre zu beschäftigen oder Stimmgeräte abzulesen, ist man ja schon an eine Stimmung/ ein Tonsystem gewöhnt und es geht 'nur noch' darum, seinen Umgang damit zu optimieren.

Ich denke daran, dass wir schon kurz nach der Geburt (und sogar vorher) Musik ausgesetzt sind. Und die ist eben heute temperiert. Für mich klingt das ok, für jemanden, der vor 400 Jahren geboren wurde, wohl eher nicht.

Wurden mir nun unnatürliche Hörgewohnheiten antrainiert? Oder meinem Vorfahren? Oder gibt es sowas wie natürliche Hörgewohnheiten gar nicht und man gewöhnt sich an alles?
Darauf möchte ich hinaus.
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berndwe
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Beitrag von berndwe »

jafko hat geschrieben: Sondern das Pytagoräische Komma (12 übereinander gestapelte Quinten müssten eigentlich 7 Oktaven entsprechen. Tun sie aber nicht! Die Differenz ist das Pytthagoräische Komma.) wird gleichmäßig auf die 12 Quintschritte verteilt, so dass die einzelne Quinte (fast) rein bleibt. (+2 Cent ist nicht viel.)
Ich blicke nichts mehr :oops:

Allerdings bestätigen Deine Ausführungen die schon von den alten Griechen vermutete Verwandtschaft von Musik und Mathematik ;-)

Auch ich bleibe (vorerst) bei geraden Bünden
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RB
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Beitrag von RB »

Die gleiche Frage habe ich mir auch schon gestellt. Nimmt man beispielsweise das, was man als den "Gesang der Eingeborenen" in Filmen wie "die Meuterei auf der Bounty" vorgeführt bekommt, als Volksmusik aus Polynesien, könnte man meinen, daß es eine Art universelles Gesetz der Harmonie gebe. Auch die Völker der komplizierten, vieltonigen Melodien bedienen sich mitunter eines Oud-Spielers, der auch unserem Verständnis absolut zugängliche Moll-Akkorde spielt. Mehr noch: Bei mancher dieser Volksmusiken hätte ich kein Problem damit, "mit der Mahten inne Hand schpihle ich in jedes Land" mitzumachen.
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wuwei
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Beitrag von wuwei »

Hallo,

...da bin ich wieder:-)

@RB: Danke für Deinen anregenden Beitrag.
RB hat geschrieben:Wuwei, ich bin überzeugt, daß es eine musikalische Verarmung gibt, die ihre Ursachen an ganz anderer Stelle hat.
Da würde ich gerne mehr drüber erfahren!
RB hat geschrieben:Sicher ist die Unterteilung in die leicht gemittelten Halbtonschritte willkürlich, der Grund für die Mittelung ist dagegen eher der Schlüssel, der ein Tor zu einer großen Freiheit aufmacht. Denn erst mit dieser Mittelung ist es möglich, "guer durch den Quintenzirkel" zu komponieren und am Ende wieder dort anzukommen, wo man angefangen hat...
Ja, das hört sich sehr plausibel an, weshalb die unbegrenzte Modulationsmöglichkeit auch das Hauptargument für die gleichstufige Temperierung ist. Aber genau diese unbegrenzte Modulationsmöglichkeit scheint mir eine Täuschung zu sein!

Die nüchterne Bestandsaufnahme des zur Verfügung stehenden Tonmaterials, das wir dabei zur Modulation benutzen können, erbringt 12 Töne. (Eine Multiplikation dieses spärlichen Tonvorrats mit den handhabbaren Oktaven ist unzulässig, da die veränderte Oktavlage eines Tones zwar melodisch reizvoll sein kann, aber funktionsharmonisch irrelevant ist.)

Diesen 12 Tönen der gleichstufig temperierten Stimmung stehen, wenn wir 2 Cent als vom Ohr tolerierte Abweichung annehmen, 600 Töne in der Reinstimmung gegenüber! Wie kann es aber zugehen, daß ich mit 12 Bausteinen mehr verschiedenartige Gebäude bauen kann, als mit 600 Bausteinen, selbst wenn mir diese 600 Bausteine nicht alle gleichzeitig zur Verfügung stehen? Das riecht doch ganz verdächtig nach einem billigen Taschenspielertick!

Aber jetzt kommt erst der eigentliche Clou an der Sache: denn auch diese 12 Bausteine gibt's in Wirklichkeit gar nicht; sie sind reine Hochstapelei! Diese 12 Bausteine sind gegeneinander absolut qualitätslos. Sie gleichen sich, wie ein Ei dem anderen. Keiner dieser 12 Bausteine hat etwas, das ihn gegenüber den anderen 11 auszeichnet. Ja, diese Qualitätslosigkeit wird sogar noch als Vorzug angesehen.

Von dem stolzen Heer, das auszog, die unermeßliche Welt der Töne zu erobern, bleibt genau ein Kriegerin übrig: eine Quinte! Und damit sie nicht so erbärmlich allein auf der Welt ist, vervielfältigt man sie in der Retorte, und stellt ihr 11 Clone zur Seite.

Meine, zugegeben unmaßgebliche, Erkenntnis aus diesem poetischen Ausritt ist, daß innerhalb eines Tonsystems, das nur aus Quinten (und den mit diesen erscheinenden Quarten) gebildet wird, Quint und Quart die einzigen harmonisch relevanten Intervalle sind! Die einzigen Modulationen, die mit der gleichstufigen Temperatur möglich sind, sind solche, die das Ohr als Quint- oder Quartmodulation wahrnimmt. Andere Qualitäten stehen ja auch gar nicht zur Verfügung.

Das Ohr des Menschen läßt sich nicht überlisten. Es erkennt z.B., daß in dieser Stimmung eine große Sekunde aufwärts gar keine große Sekunde aufwärts ist, sondern ein doppelter Quintsprung aufwärts, bzw. ein doppelter Quartsprung abwärts. Eine dahin führende Modulation würde somit vom Ohr als (verdeckte) Quint- oder Quartmodulation gehört und entsprechend bewertet.

Demgegenüber hat jeder einzelne der 600 Bausteine, weche wir der Reinstimmung zugebilligt haben, einen ganz eigenen Charakter. Keiner riecht oder schmeckt wie der andere. Jeder hört und fühlt sich einzigartig an. Die Modulationsmöglichkeiten sind hier tatsächlich unerschöpflich, wenn auch durch das jeweilige Instrumentarium begrenzt.
Pida hat geschrieben:
wuwei hat geschrieben:Und für unsere Ohren auch, denn wir hören nicht "temperiert", sondern natürlich!
Wurde dieser Punkt eigentlich mal wissenschaftlich untersucht?
Bestimmt! Es gibt schließlich keinen Misthaufen auf dieser Welt, in den nicht schon irgendein Wissenschaftler seine Nase gesteckt hätte:-). Nein, im Ernst, ich bin da leider nicht up-to-date. Der von mir bereits erwähnte Martin Vogel schreibt zwar was über derlei Untersuchungen, aber ich bring das jetzt nicht mehr richtig zusammen.

Erinnerlich ist mir noch die meßtechnische Überprüfung der Intonationsgenauigkeit (in der prädigitalen Ära ein riesiger Aufwand) des Ausnahmegeigers David Oistrach. Er war berühmt für seine phänomenale Spieltechnik und seine präzise Intonation. Im Zusammenspiel mit einem Klavier lag er teilweise so eklatant daneben, daß er mit dieser Leistung heutzutage vielleicht nichteinmal mehr das Konservatorium bestehen würde.

Interessant sind auch die Feldaufnahmen, die von Völkerkundlern weltweit gemacht wurden. Von Sängern aller derart archivierter "Naturvölker" wurde die kleine Septime als Naturseptime (siehe Deinen eingestellten Link) absolut sauber intoniert. Auch die Terzen waren astrein.

Ist nun schon fast 30 Jahre her, daß ich mich intensiv mit dieser Materie befaßt hab. Das war auch nicht so sehr musikalisch motiviert, sondern, im weitesten Sinne, philosophisch. Die sich (für mich!) daraus ergebenden musikalischen Konsequenzen, waren gewissermaßen nur ein Abfallprodukt. (Na, wenn dieses Finale nicht zum Misthaufen des Auftakts paßt, oder?)
Pida hat geschrieben:Es wäre ja durchaus denkbar, dass spätestens seit Pythagoras theoretische (nicht aber unbedingt in der Wahrnehmung des Menschen fundierte) Erwägungen sowie praktische Zwänge die Tonsysteme/ Stimmungen beeinflusst haben und sich die Menschen dadurch schlicht an das jeweils vorherrschende System gewöhnt haben.
Die praktischen Zwänge begannen mit dem Bau der ersten Kirchenorgel. Seitdem ist die K...e am dampfen. Die Orgel ist ja unter den Tasteninstrumenten dasjenige, das die Stimmungsfrage am dringlichsten aufwirft, da sie nahezu keinen Attack hat und nur vom Sustain lebt. Schwebungen durch unrein gestimmte Intervalle haben also entsprechend lange Zeit, das Ohr des Gläubigen zu malträtieren. Ganz abgesehen vom oftmals reichlich vorhandenen Raumhall, der das zusätzlich hochschaukelt.

Spinett oder Cembalo sind dagegen stimmtechnisch pflegeleicht. Es sind quasi die Flamencas unter den Tasteninstrumenten:-).

Und ja, gewöhnt haben wir uns inzwischen wohl alle (mehr oder weniger) an die gleichstufige Temperierung. Aber diese passive Gewöhnung ändert vermutlich nichts an den physiologischen Gegebenheiten des Ohres. Ich kann mich ja auch an das Rauchen gewöhnen, was aber kaum die Wirkung auf meinen Organismus ändern dürfte.

Herzliche Grüße,

Uwe
"A Harf’n g’hert in ka Symphonie;
i’ hab’ ma nöt helf’n könna."
(Anton Bruckner über seine 8.)
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jafko
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Beitrag von jafko »

RB hat geschrieben:Die gleiche Frage habe ich mir auch schon gestellt. Nimmt man beispielsweise das, was man als den "Gesang der Eingeborenen" in Filmen wie "die Meuterei auf der Bounty" vorgeführt bekommt, als Volksmusik aus Polynesien, könnte man meinen, daß es eine Art universelles Gesetz der Harmonie gebe. Auch die Völker der komplizierten, vieltonigen Melodien bedienen sich mitunter eines Oud-Spielers, der auch unserem Verständnis absolut zugängliche Moll-Akkorde spielt. Mehr noch: Bei mancher dieser Volksmusiken hätte ich kein Problem damit, "mit der Mahten inne Hand schpihle ich in jedes Land" mitzumachen.
Äh... Vorsicht!
Dass was man heute als "Traditionelle Musik exotischer Völker" zu hören bekommt, ist häufig "verwestlicht" damit sich das für uns nicht so falsch anhört.

Fakt ist:
1. Die Westliche Kultur ist weltweit die einzige, die NICHT (mehr) die reine Naturtonreihe benutzt.
2. Die Entwicklung unserer komplexen Harmonik geht einher mit der Entwicklung der wohltemperierten Stimmung.

Ohne eine tonartübergreifende Stimmung, wäre das einzige was von der heutigen Musiklandschaft noch übrig währe eine Urform des Blues. (Weil der in seinen Urspüngen nicht wohltemperiert war.)
Kein Beethoven, kein Wagner, kein Davis... noch nicht mal ein Bohlen!
(Genau aus dem Grund halte eine Grundsatzdisskussion "Naturtonskala vs. gleichtönige Skala" für etwa so Sinnvoll wie eine aufblasbare Dartscheibe!)

Du hast selbst schon bemerkt, dass exotische Musik eher eine komplexe Melodik als eine komplexe Harmonie auszeichnet.

Musikethnologen (sowas gibts :lol: ) sind aber bei den Aka-Pygmäen auf eine entwickelte Harmonik gestoßen die in etwa der des europäischen 17. Jahrhunderts entspricht.

Und so hört sich das an:
http://www.youtube.com/watch?v=HRVPieyK ... re=related
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jafko
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Beitrag von jafko »

Pida hat geschrieben: Wurden mir nun unnatürliche Hörgewohnheiten antrainiert? Oder meinem Vorfahren? Oder gibt es sowas wie natürliche Hörgewohnheiten gar nicht und man gewöhnt sich an alles?
Darauf möchte ich hinaus.
Uiuiui, dass ist so Komplex, dass ich das nicht in einen Post bringen mag.
Da kommen nämlich noch psycho-akkustische Faktoren dazu, an die wir hier gar nicht denken!
Ich empfehle dem interessierten Leser:

Manfred Spitzer - Musik im Kopf
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Brokenstring
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Beitrag von Brokenstring »

Ehrlich gesagt verstehe auch ich nur Bahnhof, 600 Töne in Reinstimmung, Obertonreihe, nur 12, natürliche Quinten und kleine Septimen, Töne die sich reiben....
Die Beispielwavs habe ich mit angehört, für mich konnte ich keine dramatischen Unterschiede heraushören. Im Sinne von mir gefielen alle Beispiele, keines Klang wirklich schlechter, zwar in winzigesten Nuancen anders, aber eben nichts substanzielles. Mit fast 48 ist mein Gehör vielleicht auch gar nicht mehr in der Lage diese Nuancen richtig zu hören...
Was ich aber hoffentlich richtig rausgelesen habe, ist das es um Schwingungen geht. Bei uns also Schingungen von Saiten. Halbiere ich die Saitenlänge, bin ich eine Oktave höher. Alle anderen Töne, wahrscheinlich also auch die Naturtöne, Obertöne, Qinten und Septimen, ergeben sich aus Kürzungen der Saitenlänge.
Spiele ich nur auf einer Saite, habe ich trotz der Bundierung doch unendlich viele Möglichkeiten Töne zu spielen. Das geeignete Mittel hierzu heißt wohl Bending, vielleicht auch ein kleines Vibrato. Also genau das, was die Blueser machen und was auch den Unterschied zwischen guten Gitarristen (ich zähle mich da nicht dazu) ausmacht. Viele nennen es Feeling, aber letztlich ist es neben der Rhythmik und der allgemeinen Fertigkeit, wohl das winzige Nuancieren aller möglichen Töne durch die individuelle Beugung der Saiten beim benden (und sei das Bending noch so gering). Wäre die Gitarre nicht bundiert, wie die Geige, könnte man die Tonnuancen auch noch durch Versetzen/Verschieben der Finger erreichen. Die Bundierung ist also nur ein Hilfsmittel, um grob die "richtige" Saitenschwingung zu produzieren, wobei "richtig" von mir nicht definiert werden kann.
Problematisch wird das Ganze auf der Gitarre erst, wenn mehrere Saiten ins Spiel kommen. Bei einem Powerchord ist für mich individuelles Bender der betroffenen 2 Saiten noch denk-, vielleicht noch machbar, bei einem em add 9 hörts auf.
Kurzum ist die Diskussion über die Bundierung nicht sinnfrei, da mir zumindest beim Spiel auf einer Saite alle Töne dieser Welt zur Verfügung stehen?
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jafko
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Beitrag von jafko »

wuwei hat geschrieben: Diesen 12 Tönen der gleichstufig temperierten Stimmung stehen, wenn wir 2 Cent als vom Ohr tolerierte Abweichung annehmen, 600 Töne in der Reinstimmung gegenüber! Wie kann es aber zugehen, daß ich mit 12 Bausteinen mehr verschiedenartige Gebäude bauen kann, als mit 600 Bausteinen, selbst wenn mir diese 600 Bausteine nicht alle gleichzeitig zur Verfügung stehen? Das riecht doch ganz verdächtig nach einem billigen Taschenspielertick!
Also jetzt wirds richtig gut! Man stelle sich vor:
Eine Föte mit 600 Löchern! Eine Gitarre mit 1000 Bünden! Ein Klavier mit 2400 Tasten!

Ne ne, bei allem Respekt, aber so eine Argumentation ist Quatsch mit Soße!
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RB
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Beitrag von RB »

Mir ist das alles zu theoretisch. Die Praxis hat mir einen Karton mit CDs beschert, auf denen ein Teil der klassischen Musik Europas zu vernehmen ist und da merke ich weder etwas von Verarmung, noch von zu wenigen Tönen.
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Herigo
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Beitrag von Herigo »

theoretisch oder philosophisch, meinetwegen auch sophistisch...ist für misch mal nischt problematisch. 8)

ich sehe da halt noch die frage wann ist musik musik und wann bleibt geräusch geräusch?

man kennt ja den ausdruck "das ist (klingt wie) musik in meinen ohren", wenn es um etwas hörbares geht, dass eigentlich keine musik ist. kann sogar noch abstrakter sein.

deshalb gehe ich soweit und vertete die auffassung, dass musik erst einmal organisierte geräusche sind die emotionale wirkung haben.

man kann fast jede art von musik hören und verstehen lernen, egal aus welchem kulturkreis man stammt, und zwar in erster linie auf der gefühlsmäßigen ebene.

die fuge erscheint durch die kontrapunkte auf der einen seite mathematisch konstruiert, auf der anderen seite regt sie aber durch ihre anscheinend nicht lineare struktur das gehirn an und kann durchaus ein genuss sein. scheinbare disonanzen werden als bereichernd empfunden, machen den charakter aus. das chickenpicking ist alles andere als harmonisch korrekt.

ich denke es sollte bei dieser diskussion auch darum gehen sich zu öffnen. musik ist eben nicht allein europäisches kulturgut oder urwald gesang.

in der musik kommen immer zwei dinge (elementare) zusammen. schwingung und zeit. pure mathematik mit hoch emotionaler auswirkung. sehr philosopisch betrachtet könnte man sagen musik ist ein bestandteil des universums. sich "theoretisch" intensiv mit der musik auseinaderzusetzen beinhaltet für mich auch den versuch die "weisheit" des universums zu verstehen. das kann nicht gelingen, allein der versuch ist es wert.

"praktische" musik hat natürlich immer etwas mit der umgebung zu tun in der sie entstand, und mit der landschaft vor ort.
hip hop ist großstadtmusik, undenkbar die entstehung im allgäu. ein urwaldgesang hört sich nach urwald an, man hört die tiere, die affen, die vögel. bei barrocker musik hört man den mief in den kammern der schlösser absolutistischer herrscher. in der späteren monumentalen klassik hört man gedanken der aufklärung... das kann man endlos ausdehnen. ich finde das durchaus reizvoll.

aber für mich war und ist musik immer klang, ein teil des vollkommenen universums. es schließt sich der kreis, wenn wir wieder auf die gitarre blicken. es ist ein instrument und keine schreibmaschine. es gibt in seiner besonderen eigenart den klang des universums wieder. deshalb haben gitarrenbauer auf der suche nach dem perfekten klang auch spirituelle bedeutung. das gleiche gilt für musiker auf der suche nach dem ton.

gibt es einen universellen ton der so erfüllend ist, dass er alle weisheit in sich trägt und ewig glückselig machend ist?

ist dieser ton oder eine universelle harmonie überhaupt etwas hörbares oder am ende "nur" ein gefühl, eine überwältigende emotion?

nun, klang und geräusch kann es rein physikalisch nur in einem medium, einer atmosphäre geben die schallwellen übertägt. also doch nur was irdisches?

ja, aber - die musik ist nicht stofflich, sie kann auch innerlich "gehört" werden. selbst ein klangideal entsteht oft aus dem innern. wobei das natürlich auch aus dem "viel gehörten" entstehen kann.

es bleibt ein geheimnis. für mich ist auch das musik: ***Soundscape_1*** oder auch ***Soundscape_2***

hm... und was ist eigentlich mit vögelgesang? 8)

und das alles nur wegen der frage ob wellige bundstäbchen sinn machen. 8)
Zuletzt geändert von Herigo am Do Jun 30, 2011 3:53 pm, insgesamt 3-mal geändert.
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Ewert
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Beitrag von Ewert »

toller beitrag! danke, war interessant und hat echt spass gemacht ihn zu lesen...du hast vieles auf den punkt gebracht und mir die worte aus dem mund genommen!:)
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wuwei
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Beitrag von wuwei »

Hallo,
Herigo hat geschrieben:sich "theoretisch" intensiv mit der musik auseinaderzusetzen beinhaltet für mich auch den versuch die "weisheit" des universums zu verstehen. das kann nicht gelingen, allein der versuch ist es wert.
Wunderschön gesagt!

Wörd!
Herigo hat geschrieben:ich sehe da halt noch die frage wann ist musik musik und wann bleibt geräusch geräusch?
Im vollen Bewußtsein der Gefahr, mich schon wieder in die Nesseln zu setzen (ich seh schon den Einen oder Anderen bedächtig sein Haupt schütteln: "Wo galoppiert er denn jetzt wieder hin?"), hier meine 2 Cent zum Thema:

Wahrscheinlich ist es sinnvoll, zuerst ganz pragmatisch nach den, für die Musik benötigten, Bausteinen zu fragen. Das sind natürlich Töne, aber die von uns benötigten Töne haben zwei besondere Qualitäten, die sie sowohl vom Geräusch, als auch vom Ton im physikalischen Sinne unterscheiden!

Der musikalische Ton unterscheidet sich vom Geräusch dadurch, daß er periodisch ist. Er wird also vom Ohr als (wiederkehrende) Schwingung wahrgenommen, das Geräusch dagegen nicht.

Aber physikalisch gesehen, ist der musikalisch brauchbare Ton gar kein Ton, sondern ein Klang. Der physikalische Ton meint eine isolierte periodische Schwingung (einen Sinuston, der elektronisch erzeugt wird und keine Partialschwingungen, sprich Obertöne, hat), der musikalische Ton jedoch ist eine periodische Schwingung mit einer sich selbständig bildenden, im Prinzip unendlichen, Obertonreihe.

Man kann sich also einen musikalischen Ton ganz plastisch, und durchaus der Realität entsprechend, als unendliche, schwingende und tönende Klangsäule vorstellen. Daß nur ein winziger Teil dieser Klangsäule für uns hörbar ist, ändert an ihrem Bestand nichts. Sie reicht bis zum Sirius, und noch weit darüber hinaus.

So, jetzt haben wir zwar das Baumaterial herangeschafft, aber Musik ist immer noch nicht zu hören! Ich könnte nämlich einemillionsiebzehnmal die leere E-Saite anschlagen, die dann ebenso oft einen Ton von sich gäbe (außer sie reißt mittendrin), aber Musik entstünde dadurch nicht. Die würde auch nicht dadurch entstehen, daß ich beginne, die E-Saite im Wechsel mit der A-Saite anzuschlagen. Diese leere Quart ergäbe zwar den Höreindruck eines Signals, aber immer noch keine Musik. Denn worauf soll das Ohr die gehörte Quart beziehen?

Damit nähern wir uns nicht nur der Antwort auf die Frage, was Musik ist, sondern, en passant:-), auch der Antwort auf die Frage, wie das Ohr Musik wahrnimmt.

Was also macht Musik aus? Was konstituiert sie? Die Töne selbst, obwohl wir sie ganz unzweifelhaft als Material brauchen, leisten diese Aufgabe nicht. Auch aus einer beliebig großen Menge und Anhäufung von Tönen entsteht noch keine Musik.

Musik entsteht erst im Ohr des Hörers! Und zwar dadurch, daß das Ohr die gehörten Töne in Beziehung setzt. Erst wenn es dem Ohr gelingt, die gehörten Töne in eine, das Ohr befriedigende(!), Beziehung zu bringen, entsteht Musik. Nicht die Töne machen die Musik, sondern deren Bezug aufeinander. Kann das Ohr keinen sinnvollen Bezug herstellen, werden gehörte Töne auch nicht als Musik wahrgenommen, sondern als Lärm.

Das Ohr braucht also einen Bezugston, auf den es alle anderen gehörten Töne beziehen kann. Wechselt dieser Bezugston innerhalb eines Musikstücks (durch Modulation), muß dies dem Ohr eindeutig klar gemacht werden (durch Kadenzierung). Geht dem Ohr die Orientierung auf einen Bezugston verloren (durch unsaubere Intonation, ungenügende Kadenzierung, Atonalität etc.), fängt es erst an zu schwimmen und steigt schließlich aus.
Herigo hat geschrieben:in der musik kommen immer zwei dinge (elementare) zusammen. schwingung und zeit. pure mathematik mit hoch emotionaler auswirkung. sehr philosopisch betrachtet könnte man sagen musik ist ein bestandteil des universums.
Hier lehn' ich mich mal gaaaaanz weit aus dem Fenster, weil's eh scho wuascht is:-).

Musik läßt Zeit überhaupt erst entstehen! Musik, als die immateriellste aller Künste, ist nicht gegenständlich und braucht deshalb auch keinen Raum. Sie bewegt sich in der Zeit. Das ist aber nicht so zu verstehen, daß die Zeit bereits da ist (wie ein vorgegebener Rahmen), und die Musik sich dann in ihr bewegt. Sondern das Verhältnis entspricht dem zwischen Tao (der Weg) und Mensch. Der Weg, den der Mensch zu gehen hat, ist nicht etwa vor dem Menschen da, sondern entsteht erst im Gehen. ("Wovon Du abweichst, ist nicht der Weg" Ezra Pound)

Dem entsprechend ist Musik auch nicht nur ein Bestandteil des Universums, sondern hat dieses aus sich erst hervorgebracht. Das Universum ist Stoff gewordene Musik!
Herigo hat geschrieben:gibt es einen universellen ton der so erfüllend ist, dass er alle weisheit in sich trägt und ewig glückselig machend ist?
Ja! Und wenn Du stark genug bist, alle Töne, die er enthält, in Beziehung zu bringen, kannst Du ihn auch hören.

Nada Brahma - die Welt ist Klang.

Herzliche Grüße,

Uwe
"A Harf’n g’hert in ka Symphonie;
i’ hab’ ma nöt helf’n könna."
(Anton Bruckner über seine 8.)
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