Korpusform - warum eigentlich?

Alles über akustische Gitarren für Stahlsaiten

Moderator: RB

dadoc
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Korpusform - warum eigentlich?

Beitrag von dadoc »

Hallo Leute!

Ich frage mich - als schwerpunktmässig auf Klassikgitarren fixierter Gitarrenbauer - warum es bei Steels diese von einigen fast schon dogmatisch geführte Disskussion um die Korpusformen gibt: Jumbo, Dreadnought, Grand Auditorium usw....

Jetzt frag ich mal euch: Was sind die für euch entscheidenden Unterschiede und Vor/Nachteile der Bauformen?

Ich frage das vor allem auch, weil ich aus dem Gitarrenbau heraus natürlich die Unterschiede kenne. Aber es hat für mich überhaupt nichts mit der Korpusform zu tun, wie ne Gitarre klingt und wie durchsetzungsstark sie ist usw. So hab ich mal eine meiner Gitarren (klassische Form) etwas verändert und mit Stahl bespannt und die bläst alles weg, was unverstärkt ist. Die Leute sind immer total baff, dass "so eine kleine Gitarre so nen Wums hat", aber das ist es ja, was ich meine, wenn ich sage, dass die reine Silhouette nix mit den Klangeigenschaften zu tun hat...

Liegt es daran - und das fehlt mir mangels Steel-Spielpraxis - dass es da gelernte Eigenschaften gibt, die von den großen Farbiken (Martin, Taylor, Yamaha usw.) geprägt sind und eher aus deren Massenfertigung kommen, denn tatsächlich konstruktiv begründet sind?

Klärt mich auf, ich checks auch nach viel Nachdenken nicht!

Danke wenn ihr mir helft!

Liebe Grüße, Michael
Michael
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OldPicker
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Beitrag von OldPicker »

Hallo Michael,

grundsätzlich mag ich eher die "klassische" Form, da ich eine solche Gitarre einfach besser halten kann. Auch könnte ich nie im Leben heraushören, ob ein Lied auf einer Jumbo, OM, einer Dread oder sonstigen Gitarre der Größe gespielt wird.

Klang ist vielleicht eine Sache, aber die Form hat für mich persönlich eher optische Gründe.

Herzliche Grüße,
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TorstenW
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Beitrag von TorstenW »

Ich glaube, dass das was mit der Sitzposition und persönlichen Präferenzen zu tun hat.

So als klassischer, klassischer Gitarrist, spielt man ja doch eigentlich mit Fußbank/Stütze etc, und dann ist so ne Dreadnought-Form halt nicht grade handlich.

"Der" Westerngitarrist ist meiner Erfahrung nach da doch deutlich entspannter und packt seine Gitarre auch mal relaxed aufs rechte Bein, während er sich in den Stuhl fläzt, oder spielt komplett im Stehen mit Schultergurt.
Und da mag der eine halt lieber größere Gitarren als kleinere.

Ansonsten find ich die Aussage "dass die reine Silhouette nix mit den Klangeigenschaften zu tun hat" zumindest kommentierungsbedürftig.
Dass Konstruktion, Beleistung und Volumen durchaus Einfluss auf den Klang haben, ist, glaub ich, unbestreitbar, und irgendwie muss es eben verpackt werden.
Und in der Verpackung haben sich eben bestimmte Formen etabliert, und was gibt es an Gegenargumenten für eine Fabrik, die zig Gitarren ausspuckt, ihre Produktion zu verändern, wenn die Produkte doch gut angenommen werden?

Es gibt ja durchaus alternative Formen für Leute, die noch anderes suchen.
So ist für jeden Geschmack was dabei, so what?

Die "dogmatisch geführte Diskussion" seh ich ehrlich gesagt auch nicht wirklich. Der eine mag die eine Form lieber (vllt auch, weil er einen bestimmten Klang damit assoziiert), und der andere mag die andere Form.
Dieselbe Diskussion gäbe es bei klassischen Gitarren auch, wenn es da mehr als eine verbreitete Form gäbe.
Ist wie Audi vs BMW, Canon vs Nikon, Marshall vs Fender, Bayern München vs Borussia Dortmund, etc. Immer wenn es mehrere verbreitete Formate desselben Typs gibt, wird es auch gewisse Diskussionen geben, weil sich Leute mit ihrer Wahl identifizieren.
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Holger Hendel
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Beitrag von Holger Hendel »

Einziger Grund für mich: die Optik. Ich kann eine Grand Auditorium nicht wirklich als schick bezeichnen, oder so anderes kleines Zeugs...oder auch Jumbos... ;) ...auch wenn sie sich prima (aber nicht besser oder angenehmer) bespielen / handeln lassen und auch fein klingen - für mich müssen es Dreads sein, immer; also mittlerweile, die letzten intensiveren Hinhör-Tests liegen einige Jahre zurück und da fand ich eine Lakewood-Dread am coolsten.
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rwe
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Re: Korpusform - warum eigentlich?

Beitrag von rwe »

dadoc hat geschrieben: Jetzt frag ich mal euch: Was sind die für euch entscheidenden Unterschiede und Vor/Nachteile der Bauformen?
Der Unterschied ist die Form;-) Für mich individuell ist es allenfalls die Handlichkeit. Jetzt, - Als ich mir aber meine erste Steelstring kaufte, das ist jetzt 33 Jahre her, da haben mir klanglich am besten Steelstrings in nicht-konventionellen Formen gefallen, was ich aber erstmal verdauen musste, da die Dread damals die Steelstring per se war. (Geworden ist es dann nach langem Blindtest eine Gurian, die in der Form und der Bebalkung einer klassischen nicht unähnlich ist.) Ich denke, dass der Steelstring-Spieler hier dem E-Gitarren-Spieler ähnlicher ist, der ja auch eine Strat, eine Tele, eine Paula oder SG oder was-auch-immer haben möchte. Allerdings haben sich mittlerweile mehr Formen etabliert, da eine Vielzahl (professioneller) Spieler nun auch andere Formen als Dreads spielen.
dadoc hat geschrieben:Ich frage das vor allem auch, weil ich aus dem Gitarrenbau heraus natürlich die Unterschiede kenne. Aber es hat für mich überhaupt nichts mit der Korpusform zu tun, wie ne Gitarre klingt und wie durchsetzungsstark sie ist usw. [...]
Die Einschätzung teile ich nicht: Resonanzfrequenzen, Ansprache etc. sehe ich auch als Resultat der Form, wenngleich dieser Parameter nur einer ist, der darauf Einfluss hat. Ich halte aber das Korpusholz beispielsweise für deutlich wichtiger für die Klangfarbe. Durchsetzungsstärke ist IMHO etwas ganz anderes.
dadoc hat geschrieben:Liegt es daran - und das fehlt mir mangels Steel-Spielpraxis - dass es da gelernte Eigenschaften gibt, die von den großen Farbiken (Martin, Taylor, Yamaha usw.) geprägt sind und eher aus deren Massenfertigung kommen, denn tatsächlich konstruktiv begründet sind?
Ja, s.o. Jahrelang waren Dreads, allenfalls noch Gibson- und Guild-Jumbos (und evtl. Ovations) das Formen-Maß der Dinge. Und wenn Du hier die Beiträge durchliest, dann mögen manche eben eine Dread - unabängig, ob die dann von Martin, Guild oder Lakewood kommt, um mal verschiedene Pole der Klangfarbe zu nennen. Hauptsache eine Dread. Oder Jumbo, Oder Parlour. Oder OM. Oder...
rwe
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Beitrag von rwe »

TorstenW hat geschrieben:I
Dieselbe Diskussion gäbe es bei klassischen Gitarren auch, wenn es da mehr als eine verbreitete Form gäbe.
Da gibt es auch mehr als eine Form, mal genau hinsehen...
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OldPicker
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Beitrag von OldPicker »

"Der" Westerngitarrist ist meiner Erfahrung nach da doch deutlich entspannter und packt seine Gitarre auch mal relaxed aufs rechte Bein, während er sich in den Stuhl fläzt, oder spielt komplett im Stehen mit Schultergurt.
Ich fühle mich mit Klampfe auf dem rechten Bein ausgesprochen verkrampft und "verdreht" und habe ständig das Gefühl, das Ding rutscht mir weg. Daher möchte ich dieses Argument für mich als nicht zutreffend betrachten. Und ich bin keinesfalls ein gelernter "Klassiker", sondern ein herumwurschtelnder Autodidakt. Meine "nahe an der klassischen" Haltung basiert auf "try and error" und einem allgemeinen Wohlbefinden beim Spielen, wie auch einem ermüdungsfreien Spielen.

Dabei unterstützt mich die "klassische Form" sehr. Ich spiele auch gerne Dreads, aber ein wenig wohler fühle ich mich eben halt mit den anderen Formen.
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Orange
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Beitrag von Orange »

Ich habe immer noch am liebsten eine Dreadnought (am rechten Bein platziert). Nicht zu groß und nicht zu klein.
Lässt sich im stehen sowie im sitzen gut, bequem und komfortabel spielen.

Könnte mich aber auch mit einer kleineren Form anfreunden, OM zum Beispiel. Parlor & Co scheiden aus, zu mickrig.
Zuletzt geändert von Orange am Sa Sep 22, 2012 5:44 pm, insgesamt 3-mal geändert.
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Holger Hendel
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Beitrag von Holger Hendel »

Ich kann das letzte posting vom olepicker unterschreiben, ich tue es genau so mit der Haltung, halt mit einer dread - das geht auch prima in klass. Haltung.
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dadoc
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Beitrag von dadoc »

Wow!

Das ging ja Ratzfatz! Danke euch!

Also ist es doch nicht ganz soooo arg, wie ich es bislang empfunden habe und es sind doch eher persönliche Vorlieben.

Kurz noch was zur Konstruktion: Klar hat die Silhouette einen gewissen Einfluss, aber noch viel wichtiger ist das Korpusvolumen und die Beleistung inkl. Deckenbearbeitung. Man kann in jeder Silhouette verschiedene Eigenschaften herstellen und erst durch die Gesamtkonstruktion, die ja auch von Jumbo zu Dread zu ... spezifisch ist, wird daraus dann etwas typisches.

Na gut, dann bau ich mal einfach drauf los! In wenigen Wochen startet ein Steel-Projekt und ich wollte vermeiden, dass ich ohne es zu wissen in irgendwelche "sowas geht doch gar nicht!" Töpfe trete ;-)

Vielen Dank euch!
Michael
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Rainer H
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Beitrag von Rainer H »

dadoc hat geschrieben: Na gut, dann bau ich mal einfach drauf los! In wenigen Wochen startet ein Steel-Projekt
Vielen Dank euch!
Würdest Du uns oder besser mich mit Bildern versorgen, würde mich sehr freuen, ich finde man muß unvoreingenommen auf eine Gitarre zugehen können, und nur den Klang und das Spielgefühl entscheiden lassen
wobei hübsch sollte Sie schon auch sein, bei mir spielt das Auge schon mit.
Gruß Rainer
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RB
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Beitrag von RB »

Die korpusformen habe ich immer als ausgesprochen aussschlaggebend für den Klang und die Ansprache empfunden, deutlich stärker, als das verbaute material. Die dreadnought mit halsansatz am 14. Bund haben alle eine gemeinsame Komponente, selbst wenn es sich um eine aus Sperrholz handelt, was die Verteilung der Frequenzen und den bassanteil betrifft.

Das ist meine Erfahrung, nachdem ich als Eigentümer, Entleiher und Probespieler bestimmt 30 bis 50 verschiedene dreadnought Gitarren gespielt habe.
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OldPicker
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Beitrag von OldPicker »

RB hat geschrieben:Die korpusformen habe ich immer als ausgesprochen aussschlaggebend für den Klang und die Ansprache empfunden, deutlich stärker, als das verbaute material. Die dreadnought mit halsansatz am 14. Bund haben alle eine gemeinsame Komponente, selbst wenn es sich um eine aus Sperrholz handelt, was die Verteilung der Frequenzen und den bassanteil betrifft.

Das ist meine Erfahrung, nachdem ich als Eigentümer, Entleiher und Probespieler bestimmt 30 bis 50 verschiedene dreadnought Gitarren gespielt habe.
Wenn ich eine Gitarre in der Hand halte, dann höre, fühle und sehe ich Unterschiede. Aber im Nebenraum würde ich für einen Tipp nicht wirklich meine linke Hand verwetten. Ich habe schon Dreads gehört, die für mich wie eine Jumbo klangen, und es gab da OMs, die durchaus auch eine kleinere Dread hätten sein können.

Die Form mag aber auch eher wichtig für den Spieler sein. Der Zuhörer nimmt diese Unterschiede eher als Gesamterlebnis wahr. Wie dieses erzeugt wird, interessiert ihn wohl weniger.

Hat das nicht auch ein wenig mit dem Image zu tun (?): Der echte Bluegrasspicker steht mit einer Dread auf der Bühne (wenn da man nur der Toni Rice nicht wäre), Die Singer-/Songwriterin nimmt standesgemäß eine Jumbo von Gibson, der filigrane Fingerpicker für fortgeschrittene Fahrstuhlmusik zeigt sich mit einer OM, er Bluesman greift sich eine kleine OO usw.

Klar mag es da Unterschiede geben, nein, es gibt sie ganz gewiss. Nur bin ich wohl einer dieser Ignoranten, die sich herzlich wenig daraus machen.

8)
Zuletzt geändert von OldPicker am Sa Sep 22, 2012 7:39 pm, insgesamt 1-mal geändert.
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Holger Hendel
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Beitrag von Holger Hendel »

Die Image-Idee ist gewiss richtig. Ich bringe mal die "Verfügbarkeits-Idee" bzw. "Prägungs-Idee": wenn mir z.B. mein Gitarrentrainer irgendwann mal eine Dread überlässt, vll. über die Ferien oder so - und ich "verliebe" mich in diese Gitarre und will dann unbedingt auch so eine haben - das ist dann ebenso fernab von rein klanglichen Aspekten, das ist dann die "dolle magische Gitarre vom besten Gitarristen der Stadt und rund um die Stadt (im Umkreis von´nem halben Meter)"; das beeindruckt, hinterlässt unbewußt sicher eine Vorliebe für diese Art Gitarre.
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Beitrag von OldPicker »

Holger Danske hat geschrieben:Die Image-Idee ist gewiss richtig. Ich bringe mal die "Verfügbarkeits-Idee" bzw. "Prägungs-Idee": wenn mir z.B. mein Gitarrentrainer irgendwann mal eine Dread überlässt, vll. über die Ferien oder so - und ich "verliebe" mich in diese Gitarre und will dann unbedingt auch so eine haben - das ist dann ebenso fernab von rein klanglichen Aspekten, das ist dann die "dolle magische Gitarre vom besten Gitarristen der Stadt und rund um die Stadt (im Umkreis von´nem halben Meter)"; das beeindruckt, hinterlässt unbewußt sicher eine Vorliebe für diese Art Gitarre.
... oder man sieht sein Musikidol mit einer (Martin, Taylor, Gibson.../Fender...) und hat sofort den Wunsch, das Lieblingslied GENAU SO zu reproduzieren. Das geht natürlich NUR mit entsprechender (Martin, Taylor, Guild.../Fender...) gleicher Form.

:wink:
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