rwe hat geschrieben:Die hohe Qualität, die heute alten Instrumenten zugemessen wird, ist historisch eine recht neue Entwicklung:
Die Stradivaris wurden erst etwa 100 Jahre nach ihrem Bau zu "klassischen" Instrumenten, parallel zur Herausbildung eines Virtuosentums, in dessen Kontext das Instrument auch als Identifikationssymbol dienen konnten. Die Stradivaris haben Namen, Claptons "Blacky" oder die ganzen Alt-Paulas auch.
Von den alten Arp-Schnittger-Orgeln sind nur deshalb noch eine ganze Reihe erhalten, weil die norddeutschen Bauern zu geizig waren, neue Instrumente in Auftrag zu geben. Ihre "Renaissance" erfuhren die Instrumente erst in der deutschen "Orgelbewegung" der 1920er Jahre.
Bei modernen Flügeln scheint der Kult gar nicht so groß zu sein; alte Hammerklaviere etc. sind einfach andere Kontruktionen.
Noch vor wenigen Jahren waren alte Gitarren, Mandolinen und Banjos einfach alte Instrumente. Erst die symbolische Bedeutung der Instrumente in der Populärkultur in Verbindung mit einem zahlungskräftigen Amateurpublikum schufen den wachsenden Markt, der mittlerweile diverse Zeitschriften, Läden etc. ernährt.
In 45 Jahren werden die wenigsten Babyboomer noch Gitarre spielen. Die Auswüchse dieses Marktes werden dann verschwunden sein.
...wenn Du die oben zitierte Aussage von Mace (1676) als neue Entwicklung ansiehst...
Was die Orgeln betrifft, die haben sich gemäß den Anforderungen an die jeweils aktuelle Musik der Zeit angepasst - wie man auch kaum Tarrega auf 'ner Barockgitarre spielen würde... ...und vergleiche mal den Umbau oder Neubau einer Orgel, mit dem einer Laute oder Violine, was die Kosten betrifft.
Bei Violinen kann man wohl spätestens seit Paganini, der bevorzugt eine Guarneri spielte, vom Kult alter Geigen sprechen. Diese ließ er sich ebenso nach seinen Bedürfnissen umbauen.
Bei den alten Lauten ist es ganz klar, dass es um die bewusste Erhaltung von wirklich alten Instrumenten ging. Diese wurden bevorzugt dem jeweiligen Zeitgeist angepasst. Oft wurden Renaissancelauten durch Austausch des Halses auf Barock umgerüstet - so auch die oben erwähnte Rauwolf. Diese wurde 1715 umgebaut - 1590 gab es ja auch kein Instrument für die Musik eines erst später lebenden Silvius Leopold Weiss. Insofern muss die Aussage, dass sie vom Griffbrett her Original erhalten ist dahin revidiert werden, dass sie noch Original aus der Zeit vor dem "Dornröschenschlaf" der Laute im heutigen Musikleben ist.
Solches ist an vielen erhaltenen Lauten nachzuweisen, welche ursprünglich in der Renaissancezeit gebaut wurden. Meiner Meinung nach unwahrscheinlich, dass dies aus Sparmaßnahmen geschah - Bauweise in Form, Verzierung und Verbalkung änderten sich zur Barockzeit hin. Hätte man unbedingt eine in jeder Hinsicht moderne Laute haben wollen, hätte der Umbau also wenig Sinn gemacht.
Aber Lautenisten waren da von je her schon etwas nostalgisch angehaucht. Spätestens seit dem Aufkommen der Barocklautenstimmung in Frankreich um ~1650 gerieten Laute und Lautenspiel zum esoterischen Kult.
Was den Markt in 45 Jahren betrifft, halte ich dagegen - bestimmte alte Gitarren werden horrende Fantasiepreise erzielen.