Ebenholz.

Alles über akustische Gitarren für Stahlsaiten

Moderator: RB

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clone
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Beitrag von clone »

Holger Danske hat geschrieben:
Der Test wurde unter seinen Bedingungen durchgeführt und ist mMn absolut aussagekräftig.
Mir echt ein Rätsel wie einige das ernst meinen können.

Stellen wir uns den Test doch einmal konkret vor. Das ist für die Tester eine totale Stresssituation.

- Sie waren ´unter Beobachtung`

- Sie waren in einem ihnen völlig fremden Raum (dessen Klangeigenschaften sie auch nicht kannten).

- Sie mussten dunkle Schweißbrillen tragen, was absolut ungewohnt ist.

Das sind Bedingungen wie bei einer allerersten Gitarrenaufnahme mit neuem Kopfhörer und etlichen Personen die einem auf die Finger schauen...

Da kann sich doch wohl jeder vorstellen, was dabei herauskommt... .


Zudem trugen sie zwar Brillen, aber sie konnten riechen. Die Instrumente waren ja "wenige Tage" bis zu Jahrhunderten alt. Soll mir keiner erzählen ein frischer Holzgeruch (oder eben keiner) spiele keine Rolle.

Gleiches gilt doch für die Haptik. Ein frisches Instrument fühlt sich doch gerade am Hals ganz anders an als ein ´abgegriffenes`.

Was auch nicht gesagt wird ist, ob alle Geigen dem gleichen Klangideal folgen oder ob es unterschiedliche Ideale sind.

Und was ist mit den Saiten? Wir wissen doch alle, dass auch die gleichen Saiten keineswegs ´fair´ist, weil deren Eigenschaften zu einem Instrument passen, zu einem anderen aber nicht... .
Was mit dem Geigenbogen?
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RB
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Beitrag von RB »

Clone, das, was Du geschrieben hast, könnte man einfach so stehen lassen, das spricht wirklich für sich.

Aber ich zerlege das einmal. Der wissenschaftliche Versuch geht von einer Grundannahme aus und versucht, diese zu prüfen. Methodik und Versuchsanordnung müssen der Grundannahme entsprechen. Sie sind also von Versuch zu Versuch unterschiedlich, ganz davon abhängend, wie die Grundannahme lautet.

Die Grundannahme ist in dem beschriebenen Geigen-Test die:

Wenn die Stradivaris so überragend klingen, sollte das bei einer Anzahl einschlägiger Musiker in einem Blindtest eindeutig erkennbar werden, selbst wenn es eine geringe Anzahl ist. Sie müßten dann bei einem Test in der beschriebenen Gestaltung geradie diese Instrumente mit einer signifikanten Häufung bevorzugen. Ich kann an dieser Grundannahme keinen Denkfehler erkennen.

Wäre die Grundannahme: Es gibt niemand mit absolutem Gehör, müßte man alle lebenden Menschen daraufhin untersuchen, denn andernfalls würde man den einen, den es vielleicht gibt, nicht nachweisen können. Wäre die Grundannahme: Es gibt Menschen mit dem absoluten Gehör, wie häufig tritt dies auf ?, müßte man entweder alle Menschen oder eine repräsentative Basis untersuchen. Wie groß die repräsentative Basis bei physiologischen Phänomenen sein muß, hängt von dessen Häufigkeit ab. In Unkenntnis der Häufigkeit müßte man die Basis recht breit wählen, meine ich.

Das, was Du schreibst, ist nicht logisch.
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RB
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Beitrag von RB »

PS: Es hat doch auch keinen Sinn, die Durchführung des Tests mit reinen Spekulationen über die Befindlichkeit der Geiger in Zweifel zu ziehen. Warum sollte das Probespielen schöner Instrumente "Stress" sein, das ist doch abwegig. Auch das Riechen ist berücksichtigt worden. Vielleicht liest Du den Artikel noch einmal so aufmerksam, wie er es verdient.
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clone
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Beitrag von clone »

RB hat geschrieben:Ich bin Argumenten zugänglich, wenn ich sie vorfinde.

Beispielsweise der Versuchsaufbau und -hergang, mit dem Du locker beweisen würdest, daß es das absolute Gehör nicht gibt. Wie muß ich mir das vorstellen ?
Okay, vergiss es. Du hast RECHT!
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RB
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Beitrag von RB »

So ein einsichtiger junger Mensch ist mir selten begegnet.
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hmarke
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Beitrag von hmarke »

stephan hat geschrieben: Da jeder hier Gitarre spielt, denke ich, dass auch ein jeder weiß, dass eine Minute zu wenig ist um ein Instrument klanglich zu prüfen.


Und jeder der mal gemischt hat weiß genau, dass eine Minute viel zu lang ist für die Nuancen um die es hier geht. Nach einer Minute ist das Ohr oder besser gesagt das Gehirn taub für sowas.
Das gilt sogar für stahlbesaitete Gitarren, die bauartbedingt ein viel differenzierteres Klangbild abgeben und deshalb mehr Unterscheidungsmerkmale aufweisen.

Diese ganze Geschichte passt in das Bild des Instrumentes Geige, das sich seit Urzeiten jedem Fortschritt verschließt und dessen Spieler auf sachliche Ansätze bockig reagieren.
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clone
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Beitrag von clone »

RB hat geschrieben:So ein einsichtiger junger Mensch ist mir selten begegnet.
Danke, danke!
Leider kam meine Einsicht ein wenig spät, wie ich zerknirscht zugeben muss. Ich hatte einfach vergessen, dass sich Juristen auch in allen anderen Fakultäten inklusive deren Methoden schlichtweg besser auskennen als die Studierten selbst.
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wuwei
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Beitrag von wuwei »

clone hat geschrieben:
Der Test wurde unter seinen Bedingungen durchgeführt und ist mMn absolut aussagekräftig.
Mir echt ein Rätsel wie einige das ernst meinen können.
Mir auch. Daß es sich hier um Wissenschaft auf Revolverblattniveau handelt, ist doch so klar wie nur was:

Geigen-Mythos

Blindtest entzaubert die Stradivari


Aber wenn selbst intelligente Zeitgenossen, die auch gerne mal das Absinken einer Diskussion auf Stammtischniveau beklagen, darauf hereinfallen, ist's wohl gerade so viel Wissenschaft, wie das Volk verkraftet. Und wenn's Ergebnis paßt....

Freie Illusionen für freie Bürger!

@mbern: Mein Hinweis auf Voodoo bezog sich nicht auf die Stradivaris, sondern auf den Umgang mit Hörphänomenen im Allgemeinen. Daß den Esoterikern, bei allem was das Hören betrifft, Tür und Tor geöffnet sind, liegt einfach daran, daß der komplette Hörvorgang psychisch determiniert ist, damit individuell und dazu auch noch, je nach Situation, Tagesform etc., schwankend.

Ein wie auch immer gearteter Hörversuch, der das nicht berücksichtigt, ist entweder vorsätzlich auf ein bestimmtes Ergebnis getrimmt, oder baut aus Unwissenheit auf völlig falschen Prämissen auf. Richtiger oder seriöser wird er dadurch weder in dem einen, noch in dem anderen Fall.

Herzlichen Gruß, Uwe
"A Harf’n g’hert in ka Symphonie;
i’ hab’ ma nöt helf’n könna."
(Anton Bruckner über seine 8.)
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rudi
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Beitrag von rudi »

:lol: :lol: :lol:

Mal wieder 5 Seiten vom Allerfeinsten!!
Ich weiß genau warum ich dieses Forum so abgöttisch liebe...
es gibt einfach Keines mit diesem Unterhaltungswert!

:wink: :wink:

So ganz nebenbei ein TV-Tipp
Heute 19.05 auf 3Sat!!

( Mir ist klar, das hat auch nichts mit Ebenholz zu tun ! )
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RB
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Beitrag von RB »

Der Versuch ist nicht von den Blättern durchgeführt, sondern nur wiedergegeben worden. Die Schlagzeilen der Presse unterliegen nicht dem Einfluß derjenigen, die den Versuch durchgeführt haben.

Insofern ist es entweder ein Denkfehler, von "Wissenschaft auf Revolverblattniveau" zu schreiben, oder die bewußte Unkorrektheit zur Untermauerung des eigenen Standpunkts.

Zum "schwankenden Hören" möchte ich noch folgendes zu bedenken geben: "Psychisch determiniert" und "schwankend" ist jede Art der menschlichen Wahrnehmung. Nur fragt sich, worauf eine solche Beobachtung hinauslaufen soll. Soll das bedeuten, daß man Hören nicht messen kann oder - wenn man Messungen anstellt - die Ergebnisse generell ungültig sind ? Wenn es an dem wäre, dürfte man über die klanglichen Qualitäten eines Musikinstruments keine Aussage treffen, die überhaupt nur einen Anspruch auf Gültigkeit hätte. Die Grundlage dieser Aussage ist ja immerhin schwankend und psychisch determiniert. Auch das ist eine schlichte logische Folgerung.

Wenn aber in dieser so schwankenden Welt der Versuch gemacht wird, einer Aussage über die Klangqualität einen Ansatz von Nachvollziehbarkeit zu geben, dann wohl dadurch, daß man es so macht, wie in dem beschriebenen Versuch.

Und schließlich ist es wohl so: Wenn ich in einem bestimmten "Hörzustand" Instrumente vergleiche, kann ich relative Unterschiede ausmachen - relativ, bezogen auf meinen aktuellen "Hörzustand". Vielleicht würde ich in einem anderen "Hörzustand" andere Vorlieben entwickeln, aber im vorliegenden Fall ist doch klar erkennbar, daß keiner der Probanden in seinem jeweiligen "psychisch determinierten Hörzustand", egal welcher Zustand das gewesen sein mag, einer der Stradivaris den deutlichen Vorzug gegeben hat.

Man sollte sich vor Augen halten, daß es nicht um die differenzierte Aussage ging, welches der Instrumente "besser" ist, sondern um die Frage, ob die allgemein gängige Behauptung, Stradivaris seien anderen Violinen haushoch überlegen, einen Niederschlag in einem solchen Versuchsablauf findet.

Wenn die Antwort, die einem dazu einfällt, nur lautet "die sind nur mittelmäßig" oder "Mutter meint, die konnten nicht spielen" (etwas überspitzt zitiert) oder "die hatten Stress" oder "Hören ist schwankend", mit dem Ziel, die Aussage des Versuchs zu entkräften, dann meine ich, daß das nicht gelungen ist.

Wenn es aber gelungen wäre, dann wäre - wie oben gesagt - keine Aussage über die klanglichen Qualitäten irgend eines Instruments gültig.

Alles relativ, alles persönlich, alles nichts. Dann kann man Untersuchungen ebenso bleiben lassen, wie "Anspielen" und die ganzen Gear-Diskussionen hier im Forum. Ist ja sowieso alles psychisch determiniert und schwankend.
Zuletzt geändert von RB am Do Jun 07, 2012 12:07 pm, insgesamt 3-mal geändert.
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Beitrag von TorstenW »

wuwei hat geschrieben: Daß es sich hier um Wissenschaft auf Revolverblattniveau handelt, ist doch so klar wie nur was:

Geigen-Mythos

Blindtest entzaubert die Stradivari
Hier verwechselst du aber gerade den Test mit der Berichterstattung darüber.
Nur weil die Presse reißerische Überschriften wählt, um die Aufmerksamkeit zu steigern, sagt das noch nichts über den Test als solchen aus.

Geprüft wurde da doch nur die Aussage, ob Stradivaris herausragend sind.
Stellen wir uns das mal in Gitarren vor:
Da hätten wir z.B. 9 Aldi-Gitarren für 30€ und eine Martin D-28. Da kann man die Martin durchaus als herausragend bezeichnen.
Wenn man nun Teilnehmer der National Fingerstyle Guitar Competition nimmt, denen die Augen verbindet und die Gitarren in die Hand drückt, meinst du nicht, dass die meisten die Martin herausfinden?

Ansonsten und natürlich einzelne Tests immer relativ aussagelos, und Einzelmeinungen noch viel weniger. Das ist ein großes Problem der Wissenschaft: Wenn es nur wenige Experten gibt, muss man denen vertrauen, aber sie sind nicht unfehlbar.
Das wäre bei dem Test interessant zu wissen gewesen, ob es nicht einzelne Personen gegeben hat, die unfehlbar waren. Das wären dann schöne Testkandidaten für weitere Versuche.
(Analog hierzu: bei dem Test für's absolute Gehör, müsste man selbstredend die Ergebnisse von Einzelpersonen auswerten, und keine Durchschnittswerte. Für ernsthafte Gespräche müsste man allerdings sowieso eine wissenschaftliche Publikation, am besten aller Testergebnisse, lesen, und nicht die Bild, oder irgendein Online-Magazin.
Man muss da deutlich differenzieren zwischen dem Test als solchem, und dem Bild, dass die Presse daraus zeichnet.
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Beitrag von clone »

Hier einmal das original "Abstract":

http://www.pnas.org/content/109/3/760

" Edited by Dale Purves, Duke University Medical Center, Durham, NC, and approved December 5, 2011 (received for review September 12, 2011)

Abstract

Most violinists believe that instruments by Stradivari and Guarneri “del Gesu” are tonally superior to other violins—and to new violins in particular. Many mechanical and acoustical factors have been proposed to account for this superiority; however, the fundamental premise of tonal superiority has not yet been properly investigated. Player's judgments about a Stradivari's sound may be biased by the violin's extraordinary monetary value and historical importance, but no studies designed to preclude such biasing factors have yet been published. We asked 21 experienced violinists to compare violins by Stradivari and Guarneri del Gesu with high-quality new instruments. The resulting preferences were based on the violinists’ individual experiences of playing the instruments under double-blind conditions in a room with relatively dry acoustics. We found that (i) the most-preferred violin was new; (ii) the least-preferred was by Stradivari; (iii) there was scant correlation between an instrument's age and monetary value and its perceived quality; and (iv) most players seemed unable to tell whether their most-preferred instrument was new or old. These results present a striking challenge to conventional wisdom.
Differences in taste among individual players, along with differences in playing qualities among individual instruments, appear more important than any general differences between new and old violins. Rather than searching for the “secret” of Stradivari, future research might best focused on how violinists evaluate instruments, on which specific playing qualities are most important to them, and on how these qualities relate to measurable attributes of the instruments, whether old or new."

Denen ist also durchaus bewußt, dass man ihre Frage so nicht testen kann. Und da bin ich ja ganz deren Meinung. :D
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Beitrag von RB »

Man sollte schon sehen, daß die Instrumente - so die Berichterstattung - allesamt auf hohem Niveau gefertigt sind, es handelte sich wohl durchgängig um Spitzengeigen.
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@Clone: Nein, im Gegenteil. Die Aussage ist, daß die angeblich so herausragende Qualität der Stradivaris nicht gereicht hat, einen über die Schwankungsbreite menschlichen Empfindens hinausgehenden Unterschied auszumachen. Damit ist festgestellt, daß die herausragende Qualität der Stradivari eine Schimäre ist. Sie ragt eben nicht heraus und das war die Aussage des Versuchsergebnisses.

Eine kleine Anmerkung über Deine "Juristenschelte". Das wird unsachlich und Du solltest das lassen.
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Beitrag von clone »

RB hat geschrieben:@Clone: Nein, im Gegenteil. Die Aussage ist, daß die angeblich so herausragende Qualität der Stradivaris nicht gereicht hat, einen über die Schwankungsbreite menschlichen Empfindens hinausgehenden Unterschied auszumachen. Damit ist festgestellt, daß die herausragende Qualität der Stradivari eine Schimäre ist. Sie ragt eben nicht heraus und das war die Aussage des Versuchsergebnisses.

Eine kleine Anmerkung über Deine "Juristenschelte". Das wird unsachlich und Du solltest das lassen.
Also dann solltest du einmal genau deinen Diskussionsstil ansehen, bevor du anderen Unsachlichkeit vorwirfst. Nach etlichen Anwürfen habe ich mir die Bemerkung erlaubt, die auf Alltagserfahrungen mit etlichen Juristen beruht.

Deine Interpretation am Anfang kommentiere ich einmal nicht. Das nimmt allmählich grotesque Züge an. (Was wieder darauf hinweist, dass ich eventuell gar nicht unsachlich war...).
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