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Schmalerer Hals

Verfasst: Fr Feb 24, 2012 5:55 pm
von HappyGuitar
Moin Leute.
Ich habe mich heute, warum auch immer, gefragt warum der Hals einer Westerngitarre meist schmaler ist als der einer Konzertgitarre. Wahrscheinlich gibt es dafür eine simple Erklärung jedoch habe ich auch im Internet nicht wirklich etwas passendes gefunden. Zwar steht überall das der Hals meist schmaler ist, aber eben nicht warum das so ist. Vielleicht könnt ihr mir ja auf die Sprünge helfen. Schonmal vielen Dank dafür.
Gruß Björn

Verfasst: Fr Feb 24, 2012 6:12 pm
von Salsakönig
Weil dadurch der Daumeneinsatz der Greifhand, wie er z. B. oft im Blues üblich ist, leichter möglich ist und weil das mit dem schmaleren Griffbrett verbundene engere String Spacing beim Strumming ("geschlosseneres" Klangbild) und Flatpicking (kürzere Wege mit dem Plectrum) vorteilhafter ist.

Ich glaube Du bist neu hier. Herzlich willkommen!

Verfasst: Fr Feb 24, 2012 6:16 pm
von RB
Ich glaube, daß es da mehr historische Tradierungen gibt, als physische Notwendigkeiten. Wenn man die Gitarren aus dem frühen 19. Jahrhundert betrachtet, als die Formen von Torres (Klassisch, Europa) und Martin 00 (USA) sich noch nicht entwickelt und konsolidiert hatten, wird man feststellen, daß es da recht unterschiedliche Abessungen der Griffbretter gab, insbesondere auch neben den breiten Brettern recht schmale. Siehe zB hier:

http://www.studia-instrumentorum.de/MUS ... _index.htm

Der neu-Amerikaner Christian Frederick Martin und seine nicht selten deutschstämmigen Kollegen bauten anfangs ähnliche Formen, die sich mit der Zeit in Richtung 00 und 000 (12-Bund Halsansatz) entwickelten. Als die Zeit des Übergangs von Darmsaiten auf Stahlsaiten kam, hat das auf die Halsbreiten keinen durchschlagenden Einfluß ausgeübt. Dann gibt es die Geschichte mit dem Banjospieler Perry Bechtel, der den Hals seiner für ihn von Martin gebauten Gitarre schmaler haben wollte. Das Ergbnis waren Abmessungen, wie sie heute noch gebaut werden. Andererseits werden eine Menge von Stahlsaitigen auch noch mit denjenigen Abmessungen gebaut, wie sie Martin aus Deutschland und Österreich mitgebracht hatte.

Torres entschied sich aus mir unbekannten Gründen für ca. 50 mm Breite und keine Wölbung, wiewohl sowohl schmalere, als auch gewölbte Bretter seinerzeit nicht unbekannt waren.

Beide Formen (und das, was Martin später bis in die 30er Jahre noch entwickelte) hat sich durchgesetzt. So stellt sich mir das dar.

Verfasst: Fr Feb 24, 2012 6:17 pm
von HappyGuitar
Das leuchtet mir ein. Vielen Dank für die Antwort und den Willkommensgruß.

Verfasst: Fr Feb 24, 2012 6:21 pm
von Mischkin
Vor der ERfindung des Trussrods mussten die Hälse den Saitenzug nur mit dem Holz herhalten. Da waren die Hälse dick. Wenn die nun dick und auch noch breit sind, dann wird das schwergewichtig und zu groß für normale Hände. Vielleicht wollten die auch bloß Holz sparen.
Das Strummen von Akkorden und das Spielen von Einzeltönen mit Plektrum geht besser mit dem schmalen Hals. Beim Akkord sollen die Töne nicht einzeln als Tonfolge anklingen sondern zusammen tönen. Der zeitliche Abstand der nacheinander angeschlagenen Saiten ist kürzer, wenn das Griffbrett schmal ist.

Fingerpicken ist eine andere Schiene.

Verfasst: Fr Feb 24, 2012 7:19 pm
von Pappenheim
Schau mal einer an, das ist ein Forum, was? In weniger als einer halben Stunde ist alles gesagt.

Tja, wir sind schon ein toller Verein ...

Ich hab den Faden schon gesehen, war aber noch mitten in meinem Takamine-Text und dachte ich schreib ihm nachher schnell was dazu - und jetzt ist schon alles raus.

:r:

Verfasst: Fr Feb 24, 2012 7:50 pm
von RB
Ich habe noch eine Quelle ausgegraben, die meine These zu untermauern geeignet erscheint.

Dort werden weiter unten die folgenden Sattel-Abmessungen für Gitarren aus der Romantik angegeben (Auszug):

Lacote, franz. Schule: 4,5 - 4,7 cm
Stauffer, Wiener Schule: 4,4 - 5,0 cm
Panormo, ital. Schule: 4,5 cm

Was allerdings noch dort steht, "most Martin steelstring guitars: 5,1 cm" ist grober Unfug und entwertet die Quelle schon fast wieder. Ich gehe zugunsten der Quelle davon aus, daß sie sich mit der Romantik besser auskennt, als mit dem Hier und Jetzt.

Hier sieht man weiter unten die auf 1806 datierte Gennaro Fabricatore mit einer Sattelbreite von 4,2 cm angegeben, eine französische, die um 1820 datiert wird mit 4,6 cm, eine weitere französche, datiert um 1860 mit einer Sattelbreite von 4,6 cm, eine Lacote 1825 mit einer Sattelbreite von 4,6 cm, eine Panormo mit einer Sattelbreite von 4,8 cm, eine aus Frankreich - anonym - datiert auf ca. 1820 mit einer Sattelbreite von 4,7 cm, eine englische mit 4,6 cm, eine französische (Claude Humet), datiert auf 1820 mit 4,5 cm Sattelbreite, eine englische Goulding & Co mit 4,4 cm, eine spanische, anonym, datiert auf ca. 1840, Sattelbreite 4,5 cm, eine deutsche mit 4,8 cm (und doppelter Decke und Herringbone), eine Anonyme aus Frankreich, datiert auf ca. 1830 mit einer Sattelbreite von 4,4 cm, eine weitere Französin, anonym, datiert auf 1810 mit 4,3 cm (was dem modernen, schmalen Martin-Dreadnought Griffbrett entspricht, der liegt zwar um zwei zehntel schmaler, aber das kann man wohl getrost vernachlässigen).

Man kommt also bald zu der Erkenntnis, daß die Torres-Griffbretter mit bis zu 5,5 cm eher als "moderne Erfindung" zu bezeichnen sind, wogegen man vorher schmalere Griffbretter zu bauen pflegte, denn solche, die bei den vorgestellten romantischen Gitarren 5 cm überhaupt erreichen, scheinen die Ausnahme zu sein, wogegen sich der Mainstream damals zwischen 4,3 und 4,6 cm abgespielt zu haben schien - ganz so, wie heute noch im Stahlsaiten-Bereich.

Von daher erscheinen mir Erklärungsversuche, die auf ergonomische Gründe abstellen, als wenig überzeugend. An anderer Stelle hatte ich schon die Überzeugung vertreten, daß man mit etwas Gewöhnung auf allen üblichen Hälsen zurecht kommen müßte.

Verfasst: Fr Feb 24, 2012 9:36 pm
von HappyGuitar
Jetzt habe ich sogar mehr erfahren und gelernt als geplant. Respekt und meinen aller herzlichsten Dank für die schnellen Antworten

Verfasst: Sa Feb 25, 2012 1:04 am
von wuwei
RB hat geschrieben:Torres entschied sich aus mir unbekannten Gründen für ca. 50 mm Breite und keine Wölbung, wiewohl sowohl schmalere, als auch gewölbte Bretter seinerzeit nicht unbekannt waren.
Die von ihm favorisierte Griffbrettbreite von bis zu 54 mm hängt wohl damit zusammen, daß er auch einen erheblich größeren Gitarrenkorpus verwandte, als bis dahin üblich. Zudem vermute ich, seine Klang- und Resonanzexperimente haben ihn auch zu der Erkenntnis geführt, daß der Hals möglichst wenig mitschwingen sollte, da er dadurch den Saiten Energie entzieht (=> kein Sustain). Die logische Konsequenz war ein Hals mit möglichst viel Masse, aus hartem, aber leichtem Holz. Die von ihm erstmals verwendeten Cedrohälse sind bis heute unübertroffen.

Eine Griffbrettwölbung bei einer Sattelbreite von 50 mm und mehr wäre übrigens, wie ich annehme, ungünstig, da man dann z.B. kaum mehr einen Barréakkord sauber greifen könnte. Daß man im allgemeinen bei der Griffbrettbreite für Nylongitarren bleibt, obwohl die Halssteifigkeit heutzutage auch anders erreicht werden könnte (z.B. durch Carboneinlagen), liegt, abgesehen von spieltechnischen Anforderungen des klassischen Repertoires, an den Eigenheiten von Nylonsaiten; sie brauchen viel mehr Platz zum Schwingen als ihre stählernen Kollegen.

Herzlichen Gruß, Uwe

Verfasst: Sa Feb 25, 2012 4:57 pm
von Ulrich Peperle
[Beitrag vom Verfasser entfernt]