Warum gibt es so wenige Flattops mit Floating Bridge?

Alles über akustische Gitarren für Stahlsaiten

Moderator: RB

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scifi
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Warum gibt es so wenige Flattops mit Floating Bridge?

Beitrag von scifi »

Hi,

beim Vergleich von verschiedenen Irish Bouzoukis und Mandolas (oder -en?), haben mir Instrumente mit Floating Bridge im Klang immer deutlich besser gefallen, als solche mit festgeschraubter/-geleimter Pin- oder Fädelbrücke, wie er bei Stahlsaitengitarren in der Regel verbaut wird (außer Archtops).

Die Frage ist vielleicht naiv, aber warum gibt diese Bauart bei Western so selten?

Ich kann mich nur an eine EKO-12-Saiter erinnern, die ich mal angespielt hatte, die eine Floating-Bridge hatte. Die Klang nach Pappe, aber daraus schien sie auch zu bestehen. Spontan würde ich vermuten, dass vielleicht die Übertragung der Saitenschwingung auf die Decke nicht so toll sein könnte. Für Bouzoukis und Mandolas könnte ich das aber so nicht unterschreiben. Und es gab in den 60er/70er Jahren ja Flattops mit Floating Bridge.
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RB
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Beitrag von RB »

Das Erscheinungsbild und Konstruktionstechnische Merkmale der Gitarre sind recht stark von Traditionen geprägt.
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scifi
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Beitrag von scifi »

RB hat geschrieben:Das Erscheinungsbild und Konstruktionstechnische Merkmale der Gitarre sind recht stark von Traditionen geprägt.
Es würde mich wundern, wenn das alles wäre. Bei den Irish Bouzoukis, die ich vergleichen konnte, kommt es mir zum Beispiel so vor, dass die mit festem Pin-Steg eindeutig mehr nach Gitarre klingen. Ein fest definierter Ton und eine sehr direkte Ansprache. Aber das Obertonverhalten auch sehr deutlich "eingeengt". Die mit Floating-Bridge hatten hingegen einen Klang, der wesentlich mehr in Richtung Zither geht. Was man mehr mag ist am Ende sicherlich Geschmackssache und von mehr als drei Firmen konnte ich keine Instrumente direkt vergleichen (Floating vers. Fixed). Aber der Unterschied war schon erstaunlich und wurde auch von anwesenden Nicht-Gitarristen genauso wahrgenommen.

Kann natürlich sein, dass sich das bei Gitarren wieder anders verhält.
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Herigo
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Beitrag von Herigo »

das mit den obertönen verhält sich bei gitarren ähnlich, auch das ansprechverhalten und die definiton des tones.

bei den e-gitarre, insbesondere les pauls stellen viele das stop tail piece sehr hoch ein, bzw. fädeln die saiten falsch herum ein damit sie über das stop tail piece laufen um den saitenwinkel noch flacher zu machen.

man hat das gefühl, dass auch die bespielbarkeit weicher wird und auch das ziehen angenehmer ist. den attack- und leichten lautstärkeverlust kann man bei e-gitarren vergessen.

die floating bridge ist dabei weniger entscheidend. der flachere winkel und der meist längere saitenweg von aufhängung zur bridge führt dazu, dass die saiten stärker mit resonieren, das ist auch noch mal ein effekt der ein gewisses flirren in das klangbild einfügt.
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RB
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Beitrag von RB »

Es gab in der zweiten Hälfte des 19ten Jahrhunderts verschiedene Versuche in diese Richtung, die unter anderem von der Vorstellung unterlegt waren, die physische Stabilität der Gitarren zu verbessern. Mit dem sogenannten Tilton-System

Bild

konnten übliche Gitarren auf solche mit floating Bridge umgerüstet werden. Die Saiten wurden also bis zum Endklotz weitergeführt und dort von einem üblichen Saitenhalter aufgenommen. Das hat sich aber nicht durchgesetzt.
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Gitarrenmacher
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Beitrag von Gitarrenmacher »

Das Prinzip der Klangerzeugung bei einem Aufstellsteg (floating bridge) und einer aufgeleimten Brücke ist völlig unterschiedlich.
Die feste Brücke wird durch die Saitenschwingung in eine Schaukelbewegung versetzt. Bei einem aufgestellten Steg gibt die Saite ihre Schwingung fast ausschließlich senkrecht durch den Steg auf die Decke ab. Die Decke ist quasi ein Trommelfell (Banjo). Dadurch ergeben sich völlig andere Anforderungen an die Deckenbeleistung.
Bei einer festen Brücke muss dem Zug der Saite entgegengewirkt werden. Das passiert durch Fächerbeleistungen (meistens Konzertgitarre) oder X-Beleistung (bei den Stahlsaitern). Bei einem Aufstellsteg muss der Saitendruck abgefangen werden. Das passiert meistens mit einer Leiterbeleistung. (Selmergitarren). Bei den Archtopgitarren wird der Druck durch die stärkere und gewölbt geschnitzte Decke abgefangen.
Wer eine weniger teure Westerngitarre hat, kann sich ja mal einen Saitenhalter für Jazzgitarren besorgen, montieren und die Klampfe besaiten. Ist ein witziger Effekt, nur muss man die Stegeinlage unterfüttern um eine brauchbare Saitenlage zu erreichen. Und schön beobachten, wie die Decke evtl . einsinkt. Dann sofort entspannen.
Munterbleiben
Christian
Bier ist der Beweis, dass Gott uns liebt und will, dass wir glücklich sind.
-Benjamin Franklin- *1706 t 1790-
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