Thermobehandelte Decken

Alles über akustische Gitarren für Stahlsaiten

Moderator: RB

gruhf
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Re: Thermobehandelte Decken

Beitrag von gruhf »

YNWA hat geschrieben:
So Feb 04, 2024 8:14 pm
Das mag ja sein aber das würde doch kein Instrument der Welt „besser“ klingen lassen, sondern eher für eine Verschlechterung des allgemeinen Schwingungsverhaltens sorgen, oder sehe ich das falsch?
Tja, gute Frage! Wie misst man "Klang" objektiv und in welchem Zusammenhang steht er mit dem "Schwingungsverhalten" (der Decke)?

Eine Mikroschädigung würde objektiv zunächst mal die Biegesteifigkeit der Deckenstruktur reduzieren (ähnlich dem "Löffeln"). Inwiefern das dem subjektiven Klangeindruck eventuell entgegenkommen kann, ist vermutlich wirklich eine
RB hat geschrieben:
So Feb 04, 2024 8:02 pm
... Pflege der wilden Spekulation.
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L1
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Re: Thermobehandelte Decken

Beitrag von L1 »

Aber Fakt dürft doch eigentlich sein, WENN es eine Änderung des Schwingungsverhaltens gibt, dass das dann auch eine Änderung des Spielgefühls (Ansprechverhalten, Dynamik ...) und letztlich damit des Klanges zur Folge hat. Wie stark und ob Richtung "besser" oder "schlechter", das kommt wohl auf den Einzelfall und die jeweilige Erwartung an ...
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Niels Cremer
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Re: Thermobehandelte Decken

Beitrag von Niels Cremer »

YNWA hat geschrieben:
So Feb 04, 2024 4:22 pm
…im Endeffekt hat die gebackene Decke folgende Eigenschaften, die von vielen als Vorteile gesehen werden:
- Das Holz wird spröder und steifer.
- Das Holz wird leichter.
- Die Eigenschaft Feuchtigkeit aufzunehmen, wird dramatisch reduziert.
- Das Holz ist in der Folge kaum noch anfällig für Pilzbefall.
- Das Holz ist quasi "tot".
Was ich an der ganzen Sache nicht verstehe ist dass es augenscheinlich funktioniert, nur einen Teil der Gitarre - also die Decke - auf diese Art zu behandeln, (die, wenn ich das richtig verstehe, uA auch die Fähigkeit des Holzes, Feuchtigkeit aufzunehmen, verringert (YNWA schreibt sogar „drastisch reduziert“) was ja im Grunde bedeutet, dass das so behandelte Holz nicht mehr (ganz so viel) „arbeitet“ wie unbehandeltes Holz wenn es unterschiedlichen Graden von Luftfeuchtigkeit oder Temperaturen (??) ausgesetzt wird) ohne dass es Probleme in den Verbindungen zu den unbehandelten Teilen der Gitarre (Zargen, Hals …) gibt, also zB Rissbildung etc. … ??

Bitte weiterspekulieren! :wink:

LG,
Niels
YNWA
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Re: Thermobehandelte Decken

Beitrag von YNWA »

Niels Cremer hat geschrieben:
So Feb 04, 2024 9:47 pm
YNWA hat geschrieben:
So Feb 04, 2024 4:22 pm
…im Endeffekt hat die gebackene Decke folgende Eigenschaften, die von vielen als Vorteile gesehen werden:
- Das Holz wird spröder und steifer.
- Das Holz wird leichter.
- Die Eigenschaft Feuchtigkeit aufzunehmen, wird dramatisch reduziert.
- Das Holz ist in der Folge kaum noch anfällig für Pilzbefall.
- Das Holz ist quasi "tot".
Was ich an der ganzen Sache nicht verstehe ist dass es augenscheinlich funktioniert, nur einen Teil der Gitarre - also die Decke - auf diese Art zu behandeln, (die, wenn ich das richtig verstehe, uA auch die Fähigkeit des Holzes, Feuchtigkeit aufzunehmen, verringert (YNWA schreibt sogar „drastisch reduziert“) was ja im Grunde bedeutet, dass das so behandelte Holz nicht mehr (ganz so viel) „arbeitet“ wie unbehandeltes Holz wenn es unterschiedlichen Graden von Luftfeuchtigkeit oder Temperaturen (??) ausgesetzt wird) ohne dass es Probleme in den Verbindungen zu den unbehandelten Teilen der Gitarre (Zargen, Hals …) gibt, also zB Rissbildung etc. … ??

Bitte weiterspekulieren! :wink:

LG,
Niels
Richtig, gebackenes Holz arbeitet (wenn überhaupt) nur noch ganz minimal. Was dir z.B. passieren kann, wenn der "Backgrad" zu heftig gewählt wird ist, dass aufgeleimte Gitarrenstege nach einer Zeit durch den Saitenzug wegreissen. Der Leim hält zwar wie gewohnt auch auf gebackenen Decken, jedoch kann die Sprödigkeit eine gewisse Instabilität der Decke mit sich bringen, wobei dann das unter der Leimverbindung befindliche Holz splittrig reisst, die Decke also die Zugkraft des Stegs nicht mehr aushält.
Das passiert wie gesagt nur bei Ober- Unterhitze Stufe 9 :mrgreen: ... also man kann das wirklich übertreiben!

Du sprichst ja von der Kombi gebackene und normal getrocknete Hölzer:
Ich denke hier wird man eher keine Probleme zu erwarten haben, denn in der Regel wird bei Akustikgitarren ja ein stärker quellendes & schwindendes Nadelholz für die Decke verwendet, während für den Korpus verwendete Harthölzer (Ahorn, Mahagoni, Palisander, in geringerem Maß quellen & schwinden. Ich denke dementsprechend wird es nichts ausmachen, wenn man der Decke ein wenig Sprödigkeit verleiht :P
... das gleiche hast du dann beim Griffbrett. Wenn sich nach einiger Zeit mal eine spürbare "Kante" am Übergang Griffbrett / Hals bilden sollte, liegt das eigentlich immer am gequollenen Holz des Halses und nicht am Griffbrett selbst.

Außerdem:
Du kannst Hartholz-Hälse beispielsweise auch super backen, um deren "schlechte Eigenschaften - Arbeit" zu minimieren. Tatsächlich gibts auch Gitarren mit thermo-modifiziertem Korpusholz. Du könntest also auch das ganze Teil rundum backen und ich meine auch dass es akustische Gitarren gibt, die aus mehreren gebackenen Hölzern zusammengestellt sind.
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Re: Thermobehandelte Decken

Beitrag von itsLars »

Thermobehandlung von Zargenteilen führt in der Praxis allerdings zu dem Problem, dass das Holz so spröde/trocken wird, dass das Biegen der Zargen kaum noch unfallfrei gelingt.
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Beitrag von YNWA »

itsLars hat geschrieben:
So Feb 04, 2024 11:29 pm
Thermobehandlung von Zargenteilen führt in der Praxis allerdings zu dem Problem, dass das Holz so spröde/trocken wird, dass das Biegen der Zargen kaum noch unfallfrei gelingt.
Ja! Das ist mitunter wirklich schwierig. Ich kann ein Lied davon singen :lol:
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Niels Cremer
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Re: Thermobehandelte Decken

Beitrag von Niels Cremer »

Danke dir, YNWA, der Zusammenhang Hartholz/nicht-Hartholz leuchtet mir ein, allerdings auch der von Lars aufgebrachte Punkt der erhöhten Spröde (Sprödigkeit?) von thermobehandelten Zargen.

LG,
Niels
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L1
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Re: Thermobehandelte Decken

Beitrag von L1 »

Also ich kann mir nicht helfen, aber ich finde diesen
RB hat geschrieben:
So Feb 04, 2024 8:02 pm
Thread [...] für die Förderung und Pflege der wilden Spekulation.
ausgesprochen interessant :D
Und im Grunde ist das alles ja auch kein Voodoo, sondern es geht schlicht um physikalische Vorgänge.
fingerstylist
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Re: Thermobehandelte Decken

Beitrag von fingerstylist »

würde sich das Instrument immer "einschwingen", würde jede Gitarre phänomenal und unsterblich gut klingen, bloß weil sie viel gespielt oder an ein Tonerite gehängt wurde. Das ist aber nicht der Fall,.
Das Argument versteh ich nicht.
These war: Eine Decke verändert sich mit dem einspielen/einschwingen. Das ist ja aber nicht das Gleiche wie: jede sich durch einspielen verändernde Decke wird zwangsläufig phänomenal und unsterblich gut klingen.

Und wenn das einspielen einer Decke im wesentlichen Einbildung ist, warum sind so viele der Meinung das eine Fichtendecke länger braucht bis sie sich voll entwickelt hat als eine Zederndecke. Oder trocknet die Zeder schneller und ist deshalb schneller "naturgebacken" ?
Gibt es eigentlich inzwischen Aussagen darüber wie es sich mit Redwood Decken verhalten soll.

Fragen über Fragen. Also ich bin da Alles im Allen sehr unschlüssig was ich denn so glauben darf.
Zuletzt geändert von fingerstylist am Mo Feb 05, 2024 6:38 pm, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Thermobehandelte Decken

Beitrag von Es335 »

fingerstylist hat geschrieben:
Mo Feb 05, 2024 12:23 pm
...
Und wenn das einspielen einer Decke im wesentlichen Einbildung ist, warum sind so viele der Meinung das eine Fichtendecke länger braucht bis sie sich voll entwickelt hat als eine Zederndecke. Oder trocknet die Zeder schneller und ist deshalb schneller "naturgebacken" ?
...
Im Klassikgitarren-Bereich ist es quasi unstrittig, dass Zederdecken eigentlich sofort da, weniger anfällig für Temperatur- und Luftfeuchteschwankungen und damit die idealen Tourneeinstrumente sind. Im Studio kommen dann eher die nuancierteren aber auch empfindlicheren Fichtengitarren zum Einsatz. Die brauchen nicht nur Jahre um sich voll zu entwickeln, sondern fallen bei längerem Nichtgebrauch auch schon mal in einen Dornröschenschlaf, aus dem sie dann wieder mühsam wiedererweckt werden müssen.

Der wesentlichste, konstruktive Unterschied besteht darin, dass Zederndecken auf Grund ihrer geringeren "Festigkeit" dicker ausgearbeitet werden als Fichtendecken. Ob und wie das für den Unterschied verantwortlich sein könnte ist fraglich!?!?

Hier eine Information von Yamaha zur Thermobehandlung von Decken, was bei ihnen A.R.E. (Acoustic Resonance Enhancement) genannt wird:
Yamaha Wood A.R.E & Drying.jpeg
Yamaha Wood A.R.E & Drying.jpeg (190.25 KiB) 359 mal betrachtet
Yamaha Wood Processing.jpeg
Yamaha Wood Processing.jpeg (108.99 KiB) 359 mal betrachtet
Gruß
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Re: Thermobehandelte Decken

Beitrag von rwe »

itsLars hat geschrieben:
So Feb 04, 2024 11:29 pm
Thermobehandlung von Zargenteilen führt in der Praxis allerdings zu dem Problem, dass das Holz so spröde/trocken wird, dass das Biegen der Zargen kaum noch unfallfrei gelingt.
Du meinst "vorbacken", oder? Wenn eine "ungebackene" Zarge über ein Biegeeisen geführt wird, dann wird sie ja auch thermisch behandelt.
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Re: Thermobehandelte Decken

Beitrag von guitar-hero »

YNWA hat geschrieben:
So Feb 04, 2024 4:22 pm
Deine Frage setzt die Grundsatzfrage voraus, ob es das viel zitierte "Einschwingen" überhaupt gibt.

Aus meiner Perspektive als jemand, der in dieser Industrie arbeitet:
Eine "eingeschwungene Gitarre" ist Mumpitz. Es gibt physikalisch kein Phänomen, das ein "Einschwingen" bei einer Akustikgitarre erklären könnte.
Mir ist nicht ganz klar, als was du in welcher Industrie arbeitest. Aber ist ja eigentlich auch egal.

Deine Aussage, eine "eingeschwungene Gitarre ist Mumpitz", finde ich völlig daneben!

Aber du wirst uns sicher deine Erkenntnisse und deinen professionellen Background erklären.
________________________________________________________________
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Re: Thermobehandelte Decken

Beitrag von L1 »

Irgendwie finde ich die Art, wie du immer wieder Leute persönlich angehst, inzwischen ziemlich unangenehm ...
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JazzDude
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Re: Thermobehandelte Decken

Beitrag von JazzDude »

+1

Ich finde, du vergreifst dich da im Ton. YNWA stellt zwar ne ziemlich steile These auf („Mumpitz“) und sollte die auch gut begründen, aber ihn (sie?) deswegen persönlich anzugehen ist unangemessen.
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Re: Thermobehandelte Decken

Beitrag von YNWA »

guitar-hero hat geschrieben:
Mo Feb 05, 2024 4:23 pm
YNWA hat geschrieben:
So Feb 04, 2024 4:22 pm
Deine Frage setzt die Grundsatzfrage voraus, ob es das viel zitierte "Einschwingen" überhaupt gibt.

Aus meiner Perspektive als jemand, der in dieser Industrie arbeitet:
Eine "eingeschwungene Gitarre" ist Mumpitz. Es gibt physikalisch kein Phänomen, das ein "Einschwingen" bei einer Akustikgitarre erklären könnte.
Mir ist nicht ganz klar, als was du in welcher Industrie arbeitest. Aber ist ja eigentlich auch egal.

Deine Aussage, eine "eingeschwungene Gitarre ist Mumpitz", finde ich völlig daneben!

Aber du wirst uns sicher deine Erkenntnisse und deinen professionellen Background erklären.

Ich arbeite in der holzverarbeitenden Musikinstrumentenbranche. Wir stellen Gitarren her. Mehr Infos gibts nicht 😁

Ich kann dich beruhigen. Zu dem Thema gibts auch in Fachkreisen die unterschiedlichsten Meinungen, je nachdem wie häufig oder wie tiefgreifend man in der Anwendung mit diesen Dingen zu tun hat, divergieren die ziemlich.

Ich halte es aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen und diverser Expertisen von Kollegen schlichtweg für Unfug. Jeder darf natürlich seine eigene Meinung zu dem Thema haben.
World's okayest guitar player!
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