vom Blues zum Jazz

Für alle, die Hemmungen haben "Anfängerfragen" woanders zu stellen. Traut Euch! Vielleicht kann jemand helfen.

Moderator: RB

Antworten
Kerstin Muc
Beiträge: 281
Registriert: Mi Jun 15, 2011 5:37 am

vom Blues zum Jazz

Beitrag von Kerstin Muc »

Guten Morgen in die Runde,

ich habe in meinem Spiel (Klassik) recht gute Fortschritte gemacht und mir auch über meine Ziele fürs kommende Jahr Gedanken gemacht. Geschwindigkeit gehört dazu, da ist vor allem Geduld und Langsamkeit gefragt, der Rest ergibt sich. Theorie habe ich vieles aus Jafkos Harmonielehre gelernt, wofür ich sehe dankbar bin.

Ich habe meine Themen, die ich immer und immer wieder übe, um sicherer zu werden und meine Routine zu verfestigen. Z.B. Tonleiterstudien, Lagenspiel, in der Theorie die Notation resp. Interpretation. Und meine 7 Stücke, die ich wieder und wieder spiele, um besagte Geschwindigkeit zu bekommen und auch um den Stücken Ausdruck zu verleihen.

Im kommenden Jahr möchte ich mir das einer oder andere jazzige Stück erarbeiten nebst Theorie. Mein Lehrer hat die Idee psoitiv aufgenommen. Ich denke es ist erst einmal egal, ob ich "nur" einfach Akkorde und deren Notation lerne, oder mich auch gleich etwas intensiver mit dem Aufbau derselben (in verschiedenen Stilen) beschäftige. Lesen schadet ja bekanntlich nicht. :-)

Mein Lehrer meinte, ein sinnvoller Weg sich dem Jazz zu nähern, sei im ersten Schritt der Blues.

Deshalb nun meine Frage:
Beides klingt so unterschiedlich...bin eigentlich kein wirklicher Blues-Fan. Wo sind die Gemeinsamkeiten und wie erklärt sich, dass man vom einen auf das andere - na nennen wir es einfach - ableiten kann? Ich habe ein wenig recherchiert im Netz, Fachbücher noch keine, Sagmeister "Jazzgitarre" ist mir (für den Moment) zu theorielastig....

Kann mir jemand in halbwegs einfachen Worten sagen, warum ein Weg, Jazz in den Grundlagen zu "verstehen", über den Blues führt?

Ich freue mich über Input, oder falls meine Laienfrage zu unkonkret ist, über weiteres Nachhaken. ich weiß für den Moment nicht, wie ich es anders erklären/ erfragen soll. Solltet Ihr also Fragen haben, her damit :-)

Besten Dank und liebe Grüße

Kerstin
Benutzeravatar
tired-joe
Beiträge: 2281
Registriert: Di Apr 13, 2010 10:41 pm
Wohnort: Ore Mountains, Saxony

Re: vom Blues zum Jazz

Beitrag von tired-joe »

Kerstin Muc hat geschrieben: Kann mir jemand in halbwegs einfachen Worten sagen, warum ein Weg, Jazz in den Grundlagen zu "verstehen", über den Blues führt?
Weil Jazz als auch Blues ohne Improvisation nicht auskommen, anders als z.B. klassische Musik, die im wesentlichen notiert wurde. Zudem haben Jazz und Blues die gleichen historsichen Wurzeln.
Alle Jazzgroessen, von Louis Armstrong ueber Charlie Parker bis Miles Davis konnten den Blues spielen. Fuer sie gab es die Grenze Blues-Jazz nicht.

Joe
Zuletzt geändert von tired-joe am Fr Dez 07, 2012 1:50 pm, insgesamt 1-mal geändert.
---
I'm a simple man. In the morning I listen to the news. At night I listen to the blues
tbrenner
Beiträge: 3695
Registriert: Mi Mai 02, 2007 12:26 pm
Wohnort: Mötzingen
Kontaktdaten:

@ Kerstin...

Beitrag von tbrenner »

...man könnte sagen der rauhbauzige, primitive Bluestyp bekam einen jüngeren, kultiviert- geistreicheren Bruder + der nannte sich "Jazz".... 8)

Bisschen ernsthafter: der Blues ist mit Sicherheit die Wurzel oder Vorstufe des geschichtlich später folgenden Jazz: überwiegend afroamerikanischen Ursprungs, sehr oft in triolischem oder Swing-Feel unterwegs und als Hauptmerkmal die Improvisation.

Harmonisch ist der "Jazzblues" dann abgeleitet vom simplen "Drei-Akkorde-Blues-schema" - hierzu gibt´s unendlich viele Abhandlungen im web oder aber in Harmonielehreliteratur - umfasst dann i.d.R. 5- 7 verschiedene Akkorde und zeichnet sich durch harmonische Erweiterungen ( meistens 4-5 stimmige Akkorde) aus. In der Folge gab es natürlich eine Menge Spielarten des Jazz, die sich immer weiter vom Blues entfernten bzw. gar nix mehr damit zu tun haben.

Die Aussage deines Lehrers ist sicher nicht grundfalsch - kommt für mich nun eher drauf an, wo Du mal hin möchtest. Gehts Dir darum, später mal locker über Harmoniefolgen improvisieren zu können, dürfte der Einstieg über den Blues leichter fallen.
Wenn Dein Anliegen aber sein sollte, eher einige Jazztunes z.B. als Fingerstylegitarrenarrangements zu lernen - ohne in die Impro einsteigen zu wollen - müsste für mich der Umweg über den Blues nicht unbedingt beschritten werden. Spielbares Material gibt´s da unendlich, z.B. von P.Autschbach oder J. Stotzem etc. pp.

Grüssle,

tbrenner :wink:
rwe
Beiträge: 2337
Registriert: Mi Mai 30, 2007 6:04 pm

Beitrag von rwe »

... kurze Zwischenfrage: Was ist den "Jazz" für Dich? Dixieland, Swing, Bop? Dann macht der Weg über Blues aus dem Grund des historischen Verstehens m.E. viel Sinn. - Corryell, McLaughlin, Rypdal? Dann ist's nicht nötig. - Bei Django etc. muss es auch nicht sein, wobei hier die Verbindungen zu den amerikanischen Traditionen noch etwas stärker sind.
Benutzeravatar
Rolli
Beiträge: 5724
Registriert: Do Sep 21, 2006 1:48 pm
Wohnort: Zwischen Alzey und Mainz
Kontaktdaten:

Beitrag von Rolli »

Ich sach ma so:
It Don’t Mean a Thing (If It Ain’t Got That Swing)

Soll heissen, Jazz zu spielen ist hauptsächlich eine rhythmische Herausforderung. Viele verkennen dies und sehen zuerst die erweiterte Harmonik als Hauptkennzeichen. Wer diesen Fehler macht, klingt meist wie ein Klassiker/Rock 'n Roller/Blueser etc der versucht jazzig zu klingen.

Wenn man den Swing gerafft hat und die Noten dann "jazzig" phrasiert, kann man eigentlich alles spielen und es authentisch jazzig klingen lassen. Da kann Popels-Dur ala "Alle meine Entchen sein" oder das Concertio de Aranjuez sein.

Bevor Du einen Gedanken daran verlierst Jazz spielen zu wollen, solltest Du ihn erst für Dich entdecken und hoffentlich lieben lernen. Da ist rwe's Frage berechtigt. Jazz ist heute alles und nichts.
Über Bücher geht das alles schwer. Viel hören, auf Konzerte und Sessions gehen, mit "Jazzern" reden, ihnen zuschauen und sie löchern. Das könnte ein Ansatz für den Anfang sein.
Schöne Grüße, Rolli
www.daskulturgut.de - KulturGUT
www.rolandkalus.de - Gitarrencoaching
Benutzeravatar
jafko
Beiträge: 918
Registriert: Mo Mai 29, 2006 10:18 pm
Wohnort: Herscheid im Sauerland

Re: vom Blues zum Jazz

Beitrag von jafko »

Wo sind die Gemeinsamkeiten und wie erklärt sich, dass man vom einen auf das andere - na nennen wir es einfach - ableiten kann?
Das liegt daran, dass sich der Jazz stilhistorisch gesehen aus dem Blues entwickelte. Zum einen durch Reharmonisation, zum anderen durch Improvisation.
Die alten Blueser, deren Ursprung wirklich noch die Sklavengesänge waren, haben nach Lust und Laune die Tonart gewechselt.

Jetzt stell Dir vor Du willst so etwas auf dem Instrument begleiten. Da gibt es zwei Richtungen:
Entweder Du bringst den Sänger dazu in einer Tonart zu bleiben :arrow: der "normale" Blues heute
oder Du versuchst Dich dem Sänger anzupassen :arrow: die Anfänge des Jazz.
http://www.wolfgang-meffert.de" onclick="window.open(this.href);return false;
Kerstin Muc
Beiträge: 281
Registriert: Mi Jun 15, 2011 5:37 am

Beitrag von Kerstin Muc »

Liebe Blues-Experten :-)

schönen Dank für Eure Infos, das hilft mir schon immens weiter, was das Verstehen betrifft. Ich werde mal berichten, wie die erste Stunde war und freue mich, nicht ganz unkundig zum Unterricht zu gehen. Liebe Grüße

Kerstin
Benutzeravatar
LaFaro
Beiträge: 2663
Registriert: So Dez 19, 2010 11:03 am

Beitrag von LaFaro »

über den Zusammenhang zwischen Jazz und Blues und wer was wie beeinflusst hat, "streiten sich Gelehrte" wohl schon so lange, wie es beides gibt..:)
was mir beim "Verständnis" des Jazz wirklich geholfen hat, ist der Klassiker von Joachim E. Behrendt, "Das Jazzbuch". Da sind vor allem die ersten beiden Kapitel quasi "Pflichtlektüre" :wink: ( Du wolltest doch lesen?!? :))
neben diesem theoretischen Aspekt finde ich für das "praktische Herangehen" Franco Morones Fingerstyle Jazz sehr hilfreich, weil er diese Verbindung auch in den dort verwendeten Spielstücken sehr deutlich wird.
Lakewood M 32 Custom
Loef Tera
Voss Da Vinci
Voss Miss Maple


"Lieber politisch korrekt als moralisch infantil" (Carolin Emcke)
jpick
Beiträge: 1858
Registriert: Sa Aug 13, 2011 7:41 am

Beitrag von jpick »

LaFaro hat geschrieben:über den Zusammenhang zwischen Jazz und Blues und wer was wie beeinflusst hat, "streiten sich Gelehrte" wohl schon so lange, wie es beides gibt..:)
... der historische Zusammenhang ist m. E. unbestritten, die ersten Jazzbands/-musiker in den frühen 20er Jahren wie Buddy Bolden, King Oliver, Armstrong, Morton haben in der Ära des Classic Jazz ausgiebigst Blues gespielt (zunächst auch in 12-taktigen/16 taktigen Grundformen) , Duke Ellington hat auch später viele Bluesstücke in seinem Repertoire gehabt. Es gab allerdings auch weiße Bands, die eher unbluesig operierten (Beiderbecke, Trumbauer).
Aber der Jazz hat sich entwickelt und vieles hat mit Blues nicht mehr viel gemein.

Das z. B., was heute "Latin Jazz" heißt und als "Jazz" sehr beliebt bei Gitarristen ist, oder "verjazzte Songs" (durch Harmonie-Erweiterungen etwas zum Jazz hingerückt) hat mit klassischem Blues und klassischem Jazz in den meisten Belangen weniger zu tun. Insofern ist da das Studium des Blues da vielleicht gar nicht nötig, obwohl es niemanden schaden sollte ... :lol:

Das wichtigste ist und bleibt (egal welche Stilrichtung) das ausgiebige Hören der gewünschten Musik 8)
----------------------------------------------------------------------------------
es hilft sowieso nur üben
Benutzeravatar
LaFaro
Beiträge: 2663
Registriert: So Dez 19, 2010 11:03 am

Beitrag von LaFaro »

ich habe ja auch mit keinem Wort bestritten, dass es ihn gibt...:) aber dass es auch noch andere Einflüsse wie z.B. Ragtime gibt, die auch ihren historischen "Anteil" am Jazz haben, st auch unbestritten..:) was ich damit "andeuten" wollte, ist mehr eine "gegenseitige" Beeinflussung oder meinetwegen auch ein Verwischen der Grenzen..
ansonsten kann ich Dir nur zustimmen, was das Hören angeht..
Lakewood M 32 Custom
Loef Tera
Voss Da Vinci
Voss Miss Maple


"Lieber politisch korrekt als moralisch infantil" (Carolin Emcke)
Antworten