Was macht Dynamik aus bzw. Wie bekommt man sie?

Alles, was mit dem Spielen des Instruments zu tun hat

Moderator: RB

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RB
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Beitrag von RB »

Was für ein doch recht abgehobener Diskurs.

Finnes, das erste, was man braucht ist eine gerade und weitgehend fehlerfreie Grundlage. Die sollte keine ungewollten Temposchwankungen enthalten. Kein Innehalten zum Nachdenken, keine plötzlichen Sprünge nach vorne aus dem Gefühl heraus, man habe an einer Stelle zu lange gebraucht. Keine Baßnoten die nur plop machen, keine Diskanttöne, die man nur erahnt, keine arythmischen Stolpereien im Gerüst der Mitteltöne.

Bevor das nicht vorhanden ist, braucht man über mit Dynamik, Phrasierung und Interpretation nicht groß nachzudenken. Wenn man ein Stück spielt und sich aus dem tastenden, mit derlei Unzulämglichkeiten behafteten Spiel allmählich herauszuschaufeln beginnt, schleicht sich meist auch schon gleichzeitig eine Interpretation des musikalischen Ablaufs ein.

Meines Erachtens steht am Anfang daher ein technisch sauberes Spiel und das ist eine Frage der Wiederholungen.
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scifi
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Beitrag von scifi »

mr335 hat geschrieben:
Scifi:
Hmmm, ich finde gerade bei dem Begriff "Erzählung" funktioniert die Analogie von Sprache und Musik nicht gut. "Erzählen" impliziert für mich so viele Aspekte, die auf Musik IMHO nicht zutreffen, dass ich mich mit "Komposition" und "Interpretation" besser aufgehoben fühle. Bei "Erzählung" wäre ich schnell bei "Sprache" und von da schnell bei "Semantik" und "Semiotik" und da kriege ich dann nicht mehr die Kurve zur Musik.

(OK, vielleicht gehe ich da gerade auch zu kopflastig ran;-)
ööööhhhh? Musik ist Sprache!!! Vielleicht älter als die gesprochene....
ein kleiner Tipp, das Buch "Music Lesson" von Victor Wooten ist zwar nicht gerade hohe Literatur, aber der Inhalt sehr lehrreich, weise und unterhaltsam. Bringt dich vielleicht etwas weg vom Kopflastigen :o)
Danke für den Tipp. Ich hätte jetzt eher bei den Linguisten, Psychologen und Kognitionswissenschaften nachgeschaut, aber vielleicht bringt der musikkulturelle Ansatz hier wirklich mehr.

(Das Interessante an unserer Begriffsklauberei hier ist meiner Ansicht nach nicht, dass hier hier jemand Recht bekommt [was bei so unpräzisen Begriffen eh nicht funktioniert], sondern dass man viele neue Facetten entdeckt, wie man an das Thema rangehen kann. Frei nach dem Motto "Schau es dir doch mal von der anderen Seite aus an". :-)

Nactrag: Danke an RB für die Erdung.
Zuletzt geändert von scifi am Do Nov 24, 2011 4:51 pm, insgesamt 1-mal geändert.
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Finnes
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Beitrag von Finnes »

Der Boss hat es sich angehört. Fein.
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jafko
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Beitrag von jafko »

Finnes hat geschrieben:Der Boss hat es sich angehört. Fein.
...und der Boss hat Recht.

Ich hatte ja auch schon anfangs geschrieben:
... Da kann man jetzt schwadronieren, über Dynamik, Mikrotime, Groove, Anschlagsdynamik usw.
Ohne Gefühl ist das alles Banane!...

Damit meinte ich in erster Linie Gefühl für Timing und Ton.
Das kommt aber nicht unbedingt zwangsläufig mit dem "viel Spielen" sondern man muss schon zielgerichtet "Üben".

Und vor allem, was viele nicht machen: Sich ZUHÖREN!
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DiSt
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Beitrag von DiSt »

RB hat geschrieben:Was für ein doch recht abgehobener Diskurs.
Und das ist noch sehr freundlich ausgedrückt; mit etwas weniger Wohlwollen könnte man das auch als fortgeschrittenes Geschwurbel bezeichnen :D
Die SozPäd-Welle der Siebziger hat wohl ihre Brandspur in einer ganzen Gitarristengeneration hinterlassen....
Dieter
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RB
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Beitrag von RB »

Zum Glück sind wir ja meist äußerst wohlwollend.
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wuwei
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Beitrag von wuwei »

Wo geschwurbelt wird, darf ich nicht fehlen! :mrgreen:
Pida hat geschrieben:
Geli hat geschrieben:Wenn man nichts zu sagen hat, bleiben auch die am schönsten artikulierten Phrasen und eine dynamische Ausdrucksweise langweilig, sowohl in der Sprache, wie auch in der Musik.
"Wenn man nichts zu sagen hat" - was bedeutet das dann in der Musik? Was muss ein Musiker tun, damit du denkst "Der hat was zu sagen"?
Zu tun gibt's nichts. Da hilft nur Substanz, oder mit einem anderen Wort: Sein. Einzig Lebenserfahrung verleiht der Sprache, wie auch der Musik, Gewicht. Ist davon (noch) nicht ausreichend vorhanden, kann eben nur leeres Stroh gedroschen werden.

Herzlichen Gruß, Uwe
"A Harf’n g’hert in ka Symphonie;
i’ hab’ ma nöt helf’n könna."
(Anton Bruckner über seine 8.)
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Waldaner
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Beitrag von Waldaner »

RB hat geschrieben:Was für ein doch recht abgehobener Diskurs.

Finnes, das erste, was man braucht ist eine gerade und weitgehend fehlerfreie Grundlage. Die sollte keine ungewollten Temposchwankungen enthalten. Kein Innehalten zum Nachdenken, keine plötzlichen Sprünge nach vorne aus dem Gefühl heraus, man habe an einer Stelle zu lange gebraucht. Keine Baßnoten die nur plop machen, keine Diskanttöne, die man nur erahnt, keine arythmischen Stolpereien im Gerüst der Mitteltöne.

Bevor das nicht vorhanden ist, braucht man über mit Dynamik, Phrasierung und Interpretation nicht groß nachzudenken. Wenn man ein Stück spielt und sich aus dem tastenden, mit derlei Unzulämglichkeiten behafteten Spiel allmählich herauszuschaufeln beginnt, schleicht sich meist auch schon gleichzeitig eine Interpretation des musikalischen Ablaufs ein.

Meines Erachtens steht am Anfang daher ein technisch sauberes Spiel und das ist eine Frage der Wiederholungen.
Genauso fühle und höre ich es in meinem eigenen Spiel.
Ich bin erst vor 2 Jahren in das Fingerpicking eingestiegen (vorher drei Jahre Akkordstrumming) und erst jetzt gehe ich so allmählich darin, mein Spiel wie von RB geschildert, zu verbessern. Jetzt erst bin ich in der Lage, auf den Basslauf zu achten (fällt mir aber immer noch schwer), manchmal habe ich ihn nämlich eifach weggelassen zugunsten der Melodie (das aber unbewußt), die Unabhängigkeit von Daumen und den restlichen Fingern ist sehr mühsam zu erlernen und in meinem Alter (58) wohl erst recht.
Doch ich merke bei neuen einstudierten Liedern ,dass es mir erheblich leichter fällt, auch das auswendig spielen geht freier von statten, während bei den älteren Stücken immer wieder die gleichen Fehler passieren und auswendig geht gar nicht.
Woran es liegt? Keine Ahnung. Ich mache mir darüber auch wenig Gedanken, hauptsache, es klappt immer besser. Und die Dynamik (über die hier wunderbar trefflich diskutiert wurde) kommt bei der einsetzenden Interpretation (wie im Zitat beschrieben) ganz von alleine.
So merke ich es an meinem Spiel, doch die Hauptsache von alledem ist doch:

Gitarre spielen! Es soll Spaß machen, und wenn ich nur auf die Vermeidung von Fehlern bedacht bin, macht es keinen Spaß.
Kaum verloren wir das Ziel aus den Augen, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.

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tired-joe
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Beitrag von tired-joe »

DiSt hat geschrieben: Und das ist noch sehr freundlich ausgedrückt; mit etwas weniger Wohlwollen könnte man das auch als fortgeschrittenes Geschwurbel bezeichnen :D
Da gebe ich dir Recht mit dem Geschwurbel, das liegt einfach an der Natur des Forums :wink:

Manchmal ist es aber auch so wie Lichtenberg schrieb: Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstossen und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?

Moeglicherweise kann man das auf Forenbeitraege uebertragen? :D

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TorstenW
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Beitrag von TorstenW »

DiSt hat geschrieben:
RB hat geschrieben:Was für ein doch recht abgehobener Diskurs.
Und das ist noch sehr freundlich ausgedrückt; mit etwas weniger Wohlwollen könnte man das auch als fortgeschrittenes Geschwurbel bezeichnen :D
Die SozPäd-Welle der Siebziger hat wohl ihre Brandspur in einer ganzen Gitarristengeneration hinterlassen....
Findet ihr wirklich?
Also ich finde die Diskussion hier noch sehr basal und die vertretenen Standpunkte durchaus vertretbar.
Es gibt sicherlich eine Menge Ansätze bezüglich Interpretationen und die Herangehensweise sich in dieser Richtung zu verbessern, aber ich denke hier wurden eine Menge guter Dinge genannt.
Letztlich muss jeder seinen Weg finden, und es gibt wenig "richtig" und "falsch".
Wenn man solche Diskussionen nicht mag, kann man sich ja auch einfach mal raushalten ;-)
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RB
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Beitrag von RB »

Es gibt viele vertretbare Standpunkte. Hier war mir nur aufgefallen, daß die Diskussion sich von der eher praxis-orientierten Fragestellung recht weit entfernt und in einer Begriffs-Definitions-Auseinandersetzung europäischer Prägung entwickelt hatte. Dem wollte ich als pro-Amerinkanist den reinen Praxisbezug entgegensetzen, damit der Fragesteller auch was davon hat.
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DiSt
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Beitrag von DiSt »

TorstenW hat geschrieben:Wenn man solche Diskussionen nicht mag, kann man sich ja auch einfach mal raushalten ;-)
Mir geht's nicht ums Mögen oder Nichtmögen (einen gewissen Unterhaltungswert will ich dem Ganzen gar nicht absprechen). Was mir beim Beobachten solcher Debatten immer mal wieder in den Sinn kommt, ist der Begriff "sich selbst im Weg stehen".
In diesem Fall insbesondere auf Grund der Tatsache, dass der Thread-Ersteller ja offenbar ohnehin von Selbstzweifeln nicht ganz frei zu sein scheint. Und dann noch so 'nen theoretischen Überbau draufpacken - also ich weiß ja nicht. Mit Spielfreude hat das für mich nichts mehr zu tun.
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TorstenW
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Beitrag von TorstenW »

@RB: Naja, es wurden ein paar Buchtipps abgegeben, der Tipp andere Leute zu beobachten und zu analysieren, sich selbst beim Spielen zuzuhören, Gedichte zu schreiben, sich an Beispiel an Sprache zu nehmen, ich hatte ein paar Tipps gegeben mal bewusst bestimmte Parameter zu verändern, etc.

Finde ich alles durchaus praxisbezogen.

Dass nebenher auch noch eine kleine Diskussion über Begrifflichkeit lief, entstand ja einfach nur daraus, dass der Themenersteller eigentlich etwas anderes meinte, als man verstehen konnte, ist doch okay das dann zu klären, damit alle Leute vom selben Thema reden.

@DiSt: Niemand zwingt dich oder auch den Themenstarter sich mit der theoretischen Seite zu beschäftigen, wenn dadurch die Spielfreude flöten geht.
Ich kann hier nur von meinem Standpunkt reden, und der ist nunmal, dass mich die Theorie unheimlich viel weiter gebracht ha, in jeglicher Hinsicht, und es mir auch mehr Spaß macht, wenn ich dadurch "besser" spiele.
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Finnes
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Beitrag von Finnes »

Hallo zusammen,

ich lese hier schon sehr genau mit, und nehme alles auf was so kommt, ob nun theoretisch oder praxisorientiert.
Ich stelle mir nur gerade die Frage, wenn man nie den 100% technischen Level erreicht, weil man nicht immer just in time ist, dann kann man nie ausdrucksvoll spielen?
Und woher nimmt man es, dass jemand technisch es nicht einwandfrei spielen kann? Klar durch Aufnahmen die man hört, aber vielleicht kann es ja auch am Aufnehmen liegen, dass es nicht so klingt wie es klingt, wenn das rote Licht nicht leuchtet.
Ich werd mal einige Sachen ausprobieren, und dann mal was hochladen.
Und ist Musik nicht immer auch Geschmackssache?
Ich sag mal so, das Stück für die Cd habe ich schon recht vielen Leuten vorgespielt, denn in meiner Verunsicherung, will ich schon etwas abliefern, wofür ich mich nicht schämen muss. Rückmeldungen sofern sie ehrlich waren, war 60% fanden es schön so, 30% die es vollkommen ok fanden auch wenn es nicht perfekt war und 10% denen es technisch zu stümperhaft war.

Greetings
Finnes
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Geli
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Beitrag von Geli »

Pida hat geschrieben:
Wenn man nichts zu sagen hat, bleiben auch die am schönsten artikulierten Phrasen und eine dynamische Ausdrucksweise langweilig, sowohl in der Sprache, wie auch in der Musik.
"Wenn man nichts zu sagen hat" - was bedeutet das dann in der Musik? Was muss ein Musiker tun, damit du denkst "Der hat was zu sagen"?
Der muss einfach beherzt spielen, mit der Musik, die er grad zum besten gibt etwas ausdrücken wollen. Dabei ist mir das technische Level auf dem das geschieht völlig egal, wenn da eine Intention rüberkommt, die darüber hinausgeht, seine Virtuosität vorzuführen.

Wobei ich aber auch nichts dagegen hab, wenn das auf einem hohen technischem Level passiert.

Gruß
Geli


Geli´s Hohmpäjtsch:
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