Nichtsdestoweniger: Bei der Beschäftigung mit der Frage, inwieweit klassische Spieltechnik für die Steelstring-Gitarre anwendbar ist bzw. Vorteile bringt, lohnt ein Besuch der Seite von Michael Chapdelaine:
http://www.myspace.com/michaelchapdelainemusic
Er war arrivierter klassischer Gitarrist (Meisterschüler von Segovia) und hat diverse internationale Wettbewerbe gewonnen. Dann entdeckte er offenbar die Steelstring für sich und gewann '98 die National Fingerpicking Guitar Championship in Winfield, Kansas. (Ich find's befremdlich, dass die da Meisterschaften abhalten, aber das ist wohl eine extrem renommierte Veranstaltung.)
Auf jeden Fall kenne ich wenige Steelstring-Gitarristen mit einem ähnlich kultivierten Ton.
Meine unmaßgebliche Meinung zum Thema ist, dass an erster Stelle die Musik mit ihren Erfordernissen kommt; die Technik ist die Krücke, mittels derer man sich diesen Erfordernissen bestmöglich annähert. Richtig ist also, was funktioniert, klingt, und sich mit den eigenen anatomischen Voraussetzungen am besten realisieren lässt, unabhängig davon, inwieweit das irgendwelchen Lehrmeinungen entspricht.
Es kann allerdings dauern, bis man das für sich herausgefunden hat, und auf dem Weg dahin kann das Experimentieren mit verschiedenen Standard-Herangehensweisen durchaus hilfreich sein.
Präziser gesagt: ich glaube, dass die linke Hand immer dann alles richtig macht, wenn nichts schnarrt und Griffwechsel flüssig, unverkrampft und musikalisch vonstatten gehen. Völlig egal, ob der Daumen dabei mittig am Hals liegt, herumgreift, oder gar für das Greifen der E- oder A-Seite benutzt wird (schön zu sehen beim legendären und völlig überirdischen - leider toten - Lenny Breau).
Bei der Tonbildung mit der rechten Hand hingegen kommt man m.E. an der Beschäftigung mit klassischen Anschlagstechniken kaum vorbei, wenn man vom Rupfen zum Zupfen gelangen möchte.

Registerwechsel (Zupfen über dem Schalloch oder in der Nähe des Steges) oder Apoyando (angelegter Anschlag/Stützschlag) funktionieren auch mit Stahlsaiten.
Andererseits: Jerry Reed rupfte wie kein zweiter an seinen Drähten und es war trotzdem (oder gerade deshalb) geil...
Markus