Was macht Dynamik aus bzw. Wie bekommt man sie?

Alles, was mit dem Spielen des Instruments zu tun hat

Moderator: RB

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scifi
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Beitrag von scifi »

Finnes hat geschrieben: Ich stelle mir nur gerade die Frage, wenn man nie den 100% technischen Level erreicht, weil man nicht immer just in time ist, dann kann man nie ausdrucksvoll spielen?
Auch wenn ich eher zur hier geächteten "Theoretikerkaste" gehöre und mich selbst nur als fortgeschrittenen Anfänger sehe:

mach es dir nicht zu kompliziert. Es kann da nix 100%iges geben - das ist alles graduell und relativ. Es muss für dich passen, Spaß machen und im besten Fall auch deiner Umwelt gefallen. Du brauchst nicht 100% Technik zu beherrschen um einen Ausdruck in dein Spiel zu bekommen. Da gibt es genug Blues-Aufnahmen aus den 30/40ern, die das belegen. Bob Dylan passt da auch.
Wenn du aber durch komponiertes mehrstimmiges Fingerstyle-Zeugs machen möchtest, kommst du glaube ich um RBs Werkzeugkasten an Grundvoraussetzungen nicht herum. Damit hast du dir halt eine hohe Messlatte gelegt.

Spontaner Vorschlag: erfinde eigene Strumming-Musikstücke oder fange an zu Singen und begleite dich dazu mit Akkorden um Groove, Feeling und Ausdruck zu üben und lockerer zu werden. Und stell vielleicht das Gezupfe vorerst hinten an oder beschränke es auf Riffs in den Songs. So würde ich bei mir vorgehen.
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Pida
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Beitrag von Pida »

Finnes hat geschrieben:Ich stelle mir nur gerade die Frage, wenn man nie den 100% technischen Level erreicht, weil man nicht immer just in time ist, dann kann man nie ausdrucksvoll spielen?
Ein bisschen sehe ich das so. Wer kein gleichmäßiges Tempo spielen kann (das ist ja noch relativ einfach), hat schlechte Karten (i) die Stellen zu finden, an denen bewusste Variationen der Geschwindigkeit passen könnten und (ii) diese dann auch zu realisieren. Aber natürlich hat scifi recht, absolute technische Perfektion muss dann auch wieder nicht sein.
Finnes hat geschrieben:Und woher nimmt man es, dass jemand technisch es nicht einwandfrei spielen kann? Klar durch Aufnahmen die man hört, aber vielleicht kann es ja auch am Aufnehmen liegen, dass es nicht so klingt wie es klingt, wenn das rote Licht nicht leuchtet.
Das ist doch egal. Für den Hörer ist entscheidend, was der Musiker auf der Bühne bzw. im Studio kann.
Geli hat geschrieben:Der muss einfach beherzt spielen, mit der Musik, die er grad zum besten gibt etwas ausdrücken wollen. Dabei ist mir das technische Level auf dem das geschieht völlig egal, wenn da eine Intention rüberkommt, die darüber hinausgeht, seine Virtuosität vorzuführen.
Was mir nicht klar ist: Wie drückt sich beherztes Spiel aus, wenn nicht durch solche Dinge wie gelungene Phrasierung und Dynamik? Ich würde solche Stilmittel nicht mit Virtuosität gleichsetzen. Auch ein technisch wenig versierter Sänger oder Rhythmusgitarrist kann z.B. ohne weiteres auf einen großen Dynamikumfang zurückgreifen.
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Brokenstring
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Beitrag von Brokenstring »

Dieser Thread hat sich ja ein wenig gewandelt, von reiner Dynamik hin zu, nennen wir es, ausdruckstärkerem Spiel. Was leider auch eines meiner Probleme ist. Ich will es mal an einem Beispiel festmachen.

Wenn ich glaube, ein Stück zu beherrschen und es meinem Lehrer vorspiele, ist der zunächst mit der Geschwindigkeit und Technik der linken Hand zufrieden. (Lassen wir das Niveau des Stückes an sich völlig außen vor). Wenn er dann das Gleiche Stück spielt, klingt es völlig anders anders als meines und leider :( viel besser. Er weiß einfach aufgrund seiner Musikalität, Ausbildung, Erfahrung besser, wo es gilt mit der rechten Hand leiser und lauter, schneller und langsamer etc. anzuschlagen. Das Schöne ist aber, dass wenn man es dann hört und er mir sagt: Diesen Ton härter, sanfter, schneller langsamer... dann gibt es auch bei mir deutliche Verbesserungen. Was mir jetzt gut hilft, ist meine Musik aufzunehmen und selbst abzuhören, dass dann mit der Aufnahme meines Lehrers zu vergleichen und danach versuchen die Unterschiede im Spiel nachzuahmen.
Auch merke ich, dass wenn ich ein Stück endlich einigermaßen beherrsche, dass ich dann anfange mit Körper und Geist mitzugehen. Ab diesem Status klingt das Stück auch viel besser und es macht auf einmal noch vielmehr Spaß.
@Finnes Du hast doch jetzt Deinen neuen Lehrer. Falls noch nicht geschehen, würde ich ihn direkt auf dieses Thema ansprechen. Das Thema ist in meinen Augen nicht unbedingt ein Technikthema. Es passt aber auch auch wunderbar zu Deinem Groovethema. Es ist alles das Gleiche. Du merkst, dass Deinem Spiel in Deinen Augen noch etwas fehlt (Wenn ich Deine Stücke höre, finde ich das übrigens gar nicht) Das was letztlich fehlt ist aber keine Frage der Technik an sich. Nennen wir es künstlerischen Ausdruck. Das ist mit Hilfe von Lehrern, speziellen Übungen etc. bestimmt auch teilweise lernbar, aber ich denke auch, dass es eine Talentfrage ( oder individuelle Begabung) ist. Nimm mal Eiskunstlauf und denke 20-30 Jahre zurück an Katharina Witt, technisch war die nie die Allerbeste, Ihre Konkurrentinnen haben mit Sicherheit genausoviel geübt, aber das letzte Quentchen war immer Ihr künstlerischer Gesamtausdruck, Ausstrahlung etc. Oder nimm Coverbands, mit geschlossen Augen sind oft nur winzige Unterschiede zum Original feststellbar, erfasst Du sie mit allen Sinnen, fallen sie dennoch gegenüber dem Original ab. Ein Keith Richards kann gewiß gut Gitarrespielen, er wird dennoch von vielen nicht zu den ausgefeilsteten Technikern gezählt. Aber er hat das Feeling für Licks und wer in je gesehen hat, weiß das er nicht kopierbar ist.
Ich tendiere deshalb zu der Aussage, dass jeder sich durch Übung, viel Übung, an sein persönliches Maximum annähern kann. Aber die persönlichen Maxima verschiedener Menschen sind dennoch verschieden. Deshalb kann es nur das Ziel sein, das Erstere zu erreichen (was oft aber auch nie (mehr) erreicht werden kann, weil man vielleicht falsch oder zu spät damit begonnen hat), alles weitere entzieht sich jeglichem Sinn.
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RB
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Beitrag von RB »

Finnes, es müssen ja nicht 100 % sein, aber die beschriebenen Fehler müssen wenigstens so weit eingedämmt und weggefallen sein, daß man ein sauberes Plateau hat.

Wer das nicht hinbekommt, wird wohl in der Tat Schwierigkeiten haben, so zu spielen, daß es gefällt, sage ich mal in Anlehnung an Goethe. Aber wer sollte das sein ?

Ein wackelig durchspielbares Stück ist eine sogenannte Baustelle. Das kennt hier wahrscheinlich jeder. Ich mache es dann so: Ich spiele zu Spaß dies und jenes, singe hie und da ein Lied und denke am Schluß meist: Jetzt könnte ich doch einmal die Baustelle XY anpacken. Dabei besteht nicht der Anspruch, daß alles perfekt sein sollte, sondern der Gedanke irgendwann wird das schon klappen. Meist hat das auch hingehauen.

Dabei haben sich immer wieder einige Stücke herauskristallisiert, bei denen Stellen hakelig blieben und es bis heute sind. Ein krasses Beispiel ist Marcel's Rag von Werner Lämmerhirt. Am Anfang gab es viele Stellen, die mir unspielbar vorkamen, aber die ebneten sich mit den Wochen und Monaten immer mehr ein. Geblieben ist: (1) Es ist mir schwierig das Tempo zu halten, ich werde immer schneller. Das ist aber mit einer Willensanstrengung beherrschbar. (2) Eine einzige Stelle in der Mitte funktioniert bei mir einfach nicht so, wie sie sein sollte. Kriege ich ums Verrecken nicht hin, es ist nur ein halber Takt. Um die kann ich mich herum mogeln und behaupten, es sei Absicht.

Wenn ich rückblicke, scheint mir ausschlaggebend, die Geduld aufzubringen und gleichzeitig überzeugt zu sein, daß das irgendwann schon klappen wird. Schädlich und eher verkrampfend scheint mir dagegen eine Herangehensweise, bei der alles möglichst gleich laufen soll, wie geschmiert, andererseits aber Zweifel an mir nagen würden, ob ich das überhaupt packen werde. Andersherum wird der Schuh daraus.

Zur Theorie

"Musik ist Sprache": Was in aller Welt soll man damit praktrisch anfangen ? Musik ist unter jedem nur denkbaren Aspekt eben keine Sprache, sondern ein Ausdrucksmittel, eine Kunst- und Erkenntnisform eigener Art, die eigenen Regeln und Gesetzmäßigkeiten folgt. Musik ist Sprache würde ich allenfalls als unverbindliche Metapher oder epischen Ausdruck verstehen und so wird sie wohl auch verwendet.

"Musik ist Mathematik": Hat hier zwar niemand gesagt, glaube ich, aber es paßt so schön. Ein früherer Mathematiklehrer am Ludwig-Georgs-Gymnasium, Herr Seifert, er wird wohl schon nicht mehr am Leben sein, hat diesen Satz geprägt. Er spielte im Schulorchester die erste Geige und ich kann mich noch recht gut an sein verschobenes Kinn über der Violine und die 50er-Jahre Klotz-Brille darüber erinnern, als er sich vor dem Schulorchester erhob und einen Solopart abfiedelte. Musik ist ebensowenig Mathematik, wie sonst irgendetwas auf der Welt. Die Mathematik ist der Versuch, die Gesetzmäßigkeiten dessen, was man vorfindet, abzubilden. Die höhere Mathematik - ein tieferes Verständnis dieses Gebietes ist mir aufgrund meiner Beschränktheit verwehrt - scheint mir eine Methode zu sein, theoretische Probleme zu lösen, die man vorher erfunden hat. Die Gesetzmäßigkeiten der diatonischen Musik erinnern an Mathematik, weil ihr Arbeitsmittel in Zahlen darstellbare Gesetzmäßigkeiten aufweist.
Zuletzt geändert von RB am Fr Nov 25, 2011 9:53 am, insgesamt 2-mal geändert.
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Holger Hendel
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Beitrag von Holger Hendel »

Nu ja, manche Dinge lassen sich von einem Lehrer sicherlich hervorragend zeigen und erklären, vorspielen usw. - doch wenn die eigene auditive Selbstkontrolle "versagt" - oder halt nicht so funktioniert wie man es gern hätte, dann ist das schon ein großes Problem. Das weiß ich aus eigener Erfahrung und sehe auch noch keine Lösung. Wenn ich mir irgendwas draufschaffen will greife ich auf verschiedene Kontrollmechanismen zurück damit ich nach rel. kurzer Zeit zu einem für mich korrekten Ergebnis komme - zunächst hingucken! Welcher Finger wohin...Lagenwechsel via sliding 3. auf 5. Lage - da schaue ich dann hin und auch ganz genau, damit jeder Finger zunächst mal eingewiesen ist in seinen Job. Zu dieser Phase spielt das Hören eher noch eine untergeordnete Rolle was sich in der nächsten Phase dann ändert; da ist nur noch das wichtig, was am Ohr ankommt. Sobald es dann halbwegs flüssig und sicher von der Hand geht kann ich mich an die Feinheiten wie Vibrato, Akzente usw. machen. Das ist für mich eine Sache die man nur ganz, ganz schwer vermittelt bekommen kann, das schafft v.a. nicht jeder Vermittler einem Lernenden aufzuzeigen, worauf es ankommt. Der Lernende muss es selbst hören, es mag helfen gesagt zu bekommen, worauf es zu hören gilt - doch ist es aus meiner Sicht unmöglich, ein wirkliches, tiefes Verständnis dafür zu vermitteln - ursächlich dadurch bestimmt, dass jeder Musik anders wahrnimmt und v.a. andere Vorlieben hat. Nur weil Spieler XY Song XY "komisch" spielt, vll. ungewöhnlich akzentuiert oder den Bass offen und nicht muffled spielt wäre es aus meiner Sicht höchst anmaßend von gering ausgeprägter Musikalität o.ä. zu reden. Ich hasse z.B. diese perkussiven Schläge auf die Saiten wie es Sungha Jung ständig macht...total ätzend. Anscheinend stehen jedoch diverse Fans drauf...?! Und musikalisch ist Sungha gewiss. An diesem Punkt mag es auch häufig zu Missverständnissen kommen; es ist immer gut, ein klares Ziel zu haben, warum denn nicht? "Ich will Song XY genau so spielen wie Interpret XY" - ab geht´s. Hier ist es relativ leicht, wenn man es ein wenig kann mit der Selbstkontrolle, dem Vergleich. Nachahmung ist ein guter Weg sich einer Technik anzunähern, das sollte idR auch bei Dingen funktionieren, die man selbst vll. ganz anders fühlt oder für sich noch nicht richtig angenommen / verstanden hat. Da kann ein Lehrer durchaus helfen, es erfodert aber harte Selbstdisziplin und Geduld.
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Rolli
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Beitrag von Rolli »

RB hat geschrieben:
Zur Theorie

"Musik ist Sprache": Was in aller Welt soll man damit praktrisch anfangen ? Musik ist unter jedem nur denkbaren Aspekt eben keine Sprache, sondern ein Ausdrucksmittel, eine Kunst- und Erkenntnisform eigener Art, die eigenen Regeln und Gesetzmäßigkeiten folgt. Musik ist Sprache würde ich allenfalls als unverbindliche Metapher oder epischen Ausdruck verstehen und so wird sie wohl auch verwendet.
Ich dachte erst, ich lese nicht richtig und so schaute ich zweimal und doch da steht es....was in aller Welt soll man damit praktisch anfangen?

Reinhard - was ist Sprache? Sprache ist ein Ausdrucks- und Kommunikationsmittel! Sie kann verbal, über den Körper (Gestik und Mimik) oder in anderer Form (Bilder, Filme, Geräusche) erfolgen.

Praktisch fängt man mit der Sprache "Musik" z.B. folgendes an: Musiker drücken damit ihre Gefühle aus, im Zusammenspiel mit anderen kommunizieren sie miteinander und erzeugen Freude und andere Regungen. Es gibt Musiker die ganze Geschichten damit erzählen und dir Bilder im Geiste projezieren. Musik hat die Gabe zu heilen, zu helfen, zu lindern, zu fördern oder zu beruhigen. Musik kann Menschen dazu anregen Konsumgüter zu kaufen, sie spricht dann zum Kunden: Kauf das Waschmittel.....

Das sind nur einige wenige praktische Anwendungen der Musik. Gut - wir verwenden Musik im Normalfall nicht dazu um der Bäckersfrau zu sagen, dass wir Mohnbrötchen wollen...aber sonst....

Noten und Tabs sind vergleichbar mit der Schrift, die wir nutzen um Musik weiterzugeben und festzuhalten.
Zuletzt geändert von Rolli am Fr Nov 25, 2011 10:56 am, insgesamt 1-mal geändert.
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tired-joe
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Beitrag von tired-joe »

RB hat geschrieben: Zur Theorie

"Musik ist Sprache": Was in aller Welt soll man damit praktrisch anfangen ?
Falls sich diese rhetorische auf meine postings bezieht, da ich die Sprache ins Spiel gebracht habe, antworten ich: Damit kann man gar nichts anfangen. Ich stimme dir da in allen Teilen zu. Und da du meine postings gelesen hast, weisst du, dass ich nie behauptet habe, "Musik ist Sprache". Das waere unsinn, genau wie "Musik ist Mathematik" unsinn ist, und wenn ich auch von Sprache nicht allzuviel verstehe und von Musik noch weniger, kann ich zumindest behaupten, von Mathematik etwas Ahnung zu haben. Eine Beziehung zwischen Mathematik und Musik existiert und kommt einfach dadurch, dass Musik auf Schwingungen beruht, einem physikalischen Phaenomen, welches sich wiederum durch mathematische Formeln beschreiben laesst. Aber in der Musik ist das laengst noch nicht alles. "Musik ist Physik" waere sogar noch angebrachter, wenn ueberhaupt.

Ich habe versucht eine Analogie zu zeigen zwischen Musik und Sprache, weil einem die Sprache gelaeufiger ist. "Musik ist Gefuehl" halte ich uebrigens genauso fuer eine Satzhuelse.

Finnes hat eine Frage gestellt, wie er "Dynamik" in sein Spiel bekommt. Gemeint war sicherlich Ausdrucksweise. Es wurden einige typische Stilmittel genannt, zwar haeufig von viel "Geschwurbel" umgeben, typisch fuer ein Forum, aber als aufmerksamer Leser kann Finnes sicherlich das Wesentliche extrahieren.

Das die technische Beherrschung eines Stueckes Voraussetzung ist, um dann an der Ausdrucksweise zu arbeiten halte ich fuer selbstverstaendlich. Aber in der Tat ist das die groesste Barriere und da hilft, wie richtig gesagt wurde, staendiges wiederhohlen und dann Konzentration auf die Stellen, bei denen es hakt. Das hat zudem den Effekt, das man das Stueck bald auswendig kann und nicht mehr nach den Tabs oder Noten suchen muss.

Neben dem Antiamerikanismus ist auch der Antiakademismus (Motto: nicht nachdenken, sondern einfach machen) ein beliebtes Thema auf Stammtischenniveau. In Bezug auf Musik kann ich den Antiakademismus noch verstehen. Hatte als Kind mal klassischen Gitarrenunterricht, den ich als Qual empfand und habe dann mehr oder weiniger erfolgreich die Musik, die ich eigentlich spielen wollte von Schallplatten mir selbst beigebracht. Trotzdem, oder gerade deswegen, macht es mir Spass in der Musik ueber Dinge nachzudenken und sie zu analysieren.

Nun ist aber genug des "Geschwurbels", zumindest von meiner Seite :wink:

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Rolli
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Beitrag von Rolli »

tired-joe:Neben dem Antiamerikanismus ist auch der Antiakademismus (Motto: nicht nachdenken, sondern einfach machen) ein beliebtes Thema auf Stammtischenniveau.
Mhhh...dann hat aber der Stammtisch ein sehr hohes Niveau. Gerade in der Musik ist das "nicht nachdenken, sondern einfach machen" das Credo der ganze Großen. Das wird so schön in Music Lesson von Victor Wooten beschrieben.
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Pida
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Beitrag von Pida »

mr335 hat geschrieben:Reinhard - was ist Sprache? Sprache ist ein Ausdrucks- und Kommunikationsmittel! Sie kann verbal, über den Körper (Gestik und Mimik) oder in anderer Form (Bilder, Filme, Geräusche) erfolgen.

[...]

Noten und Tabs sind vergleichbar mit der Schrift, die wir nutzen um Musik weiterzugeben und festzuhalten.
Keine Musik der Welt kann die Botschaft übertragen, man solle Waschmittel kaufen - zumindest nicht ohne Sprache in Form eines Liedtextes. Sie kann Bedingungen schaffen, unter denen man eher etwas kauft, mehr nicht.

Ich will Musik sicher nicht kleinreden; bin ja selbst begeisterter Musiker, aber wenn man Musik und Sprache als Mittel der Kommunikation auf eine vergleichbare Ebene stellt, kann damit nur ein sehr allgemeines und vom alltäglichen Sprachgebrauch entferntes Verständnis von Sprache gemeint sein. Wie du selbst schreibst: Sprache ist ein Kommunikationsmittel. Das heißt aber nicht, dass jedes Kommuniktionsmittel auch Sprache ist.

Ich sehe nicht, wie mit Musik Gefühle, Geschichten oder Werbebotschaften auch nur annähernd so deutlich wie mit Sprache vermittelt werden können. Ob 'Peter und der Wolf' oder TEs 'Initiation': Das Faszinierende an solchen Werken ist für mich, wie sehr es Musikern gelingt, eine Geschichte zu untermalen und die Fantasie des Zuhörers zu unterstützen. Die eigentliche Vermittlung des Inhalts geschieht aber eher durch einen Sprecher, ein Programmheft oder eine Ansage.

Den Vergleich mit Noten/Tabs und Schrift würde ich so auch nicht ziehen. Schriftsprache wird normalerweise unmittelbar verstanden; nur sehr wenige Menschen können aber den Inhalt eines etwas komplexeren Notensatzes erfassen, ohne den Umweg über Instrumente oder Computer zu gehen.
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RB
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Beitrag von RB »

Musik als Sprache zu bezeichnen, ist nicht mehr, als eine lyrische Analogie, die aber von manchen Leuten anscheinend als ernstzunehmende, funktionale Aussage interpretiert wird. Warum das so ist und man durch die Verwischung dessen, was Sprache und was Musik ist, die Musik ungewollt herabwürdigt, erschließt sich mir nicht. Soll das ein besseres, den Uneingeweihten unzugängliches Verständnis von Musik vormachen ?

Die Sprache besteht aus Begriffen, die zum Teil Gegenstände, zum Teil Abstraktes bezeichnen. Ich stehe gar auf dem Standpunkt, daß die Sprache die Grundlage des abstrakten Denkens ist, denn das abstrakte Denken benötigt Begriffe und Begriffe sind die Bausteine der Sprache.

Die Musik besteht aus Tönen. Töne - auch in einem musikalischen Zusammenhang - sind keine Begriffe, sondern - ich wiederhole mich - ein Ausdrucks- und Erkenntnismittel eigener Art. Wer meint, daß das Sprache sei, spricht der Musik - vielleicht ungewollt und unbewußt - diese Eigenständigkeit als Ausdrucks- und Erkenntnissystem ab.

Wenn schon die Aussage, daß Musik Sprache sei, nicht mehr ist, als Lyrik, um wieviel nutzloser ist sie dann noch, wenn sie in einem Kontext fällt, in dem jemand eine recht konkrete spieltechnische Frage stellt.
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Rolli
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Beitrag von Rolli »

RB und Pida: Ich denke mal wir haben einfach ein andere Sicht auf Musik und sie hat für uns eine andere Bedeutung. Ich verstehe Eure Sichtweisen gut, teile sie aber nicht bzw. nur bedingt. Wir definieren Sprache (hier scheint nur die verbale gemeint worden zu sein) wohl anders und ich bin sicher wir würden auch Musik anders definieren. Wenn ich jetzt viel, viel Zeit hätte, könnte man sich wunderbar drüber auslassen. Zum Glück muss ich schon wieder Musik machen.
pida:
Ich sehe nicht, wie mit Musik Gefühle, Geschichten oder Werbebotschaften auch nur annähernd so deutlich wie mit Sprache vermittelt werden können.
Na mir geht es oft so, dass Gefühle durch Musik intensiver und "besser" transportiert werden... Aber wir sind alles verschieden als Empfänger und Sender.
Zuletzt geändert von Rolli am Fr Nov 25, 2011 1:48 pm, insgesamt 2-mal geändert.
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Beitrag von Herigo »

RB hat geschrieben:Musik als Sprache zu bezeichnen, ist nicht mehr, als eine lyrische Analogie, die aber von manchen Leuten anscheinend als ernstzunehmende, funktionale Aussage interpretiert wird. Warum das so ist und man durch die Verwischung dessen, was Sprache und was Musik ist, die Musik ungewollt herabwürdigt, erschließt sich mir nicht. Soll das ein besseres, den Uneingeweihten unzugängliches Verständnis von Musik vormachen ?

Die Sprache besteht aus Begriffen, die zum Teil Gegenstände, zum Teil Abstraktes bezeichnen. Ich stehe gar auf dem Standpunkt, daß die Sprache die Grundlage des abstrakten Denkens ist, denn das abstrakte Denken benötigt Begriffe und Begriffe sind die Bausteine der Sprache.

Die Musik besteht aus Tönen. Töne - auch in einem musikalischen Zusammenhang - sind keine Begriffe, sondern - ich wiederhole mich - ein Ausdrucks- und Erkenntnismittel eigener Art. Wer meint, daß das Sprache sei, spricht der Musik - vielleicht ungewollt und unbewußt - diese Eigenständigkeit als Ausdrucks- und Erkenntnissystem ab.

Wenn schon die Aussage, daß Musik Sprache sei, nicht mehr ist, als Lyrik, um wieviel nutzloser ist sie dann noch, wenn sie in einem Kontext fällt, in dem jemand eine recht konkrete spieltechnische Frage stellt.
oha...so was aus deiner feder zu lesen hatte ich bisher noch nicht die ehre. es spricht mich sehr an.

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RB
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Beitrag von RB »

mr335: Kann es sein, daß Du "Ausdrucksmittel" meinst, wenn Du von Sprache schreibst ?
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Rolli
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Beitrag von Rolli »

RB hat geschrieben:mr335: Kann es sein, daß Du "Ausdrucksmittel" meinst, wenn Du von Sprache schreibst ?
Also lieber RB ich schrub etwas weiter oben genau diesen Satz:
"Sprache ist ein Ausdrucks- und Kommunikationsmittel!"
Schöne Grüße, Rolli
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Beitrag von Mischkin »

Na ja, Sprache im Wortsinn dient erstmal dazu logische Inhalte zu transportieren. Der der mir zuhört kann dann meine Gedanken und Schlußfolgerungen nachvollziehen. Das geht mit Musik relativ schwer, wäre aber bei einem verabredeten Code machbar. Wenn ich die Wortsprache zur Dichtung nutze und Klang und Färbung der der Stimme mit einbeziehe, dann kann ich Gefühle und Stimmungen meinem Gegenüber verständlich machen und er kann diese nachvollziehen. Da kann die Musik mitziehen. Ich kann beim Zuhörer Gefühle und Stimmungen anregen. Ob es die sind, die ich mir vorgestellt habe ist aber nicht sicher.
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