Bluegrass Flatpicking Geschwindigkeit - die 2te

Alles, was mit dem Spielen des Instruments zu tun hat

Moderator: RB

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arokh
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Bluegrass Flatpicking Geschwindigkeit - die 2te

Beitrag von arokh »

Hallo zusammen,

mit Schrecken habe ich festgestellt, dass es schon fast ein Jahr her ist, dass ich euch hier um Rat gefragt habe, um mein Flatpicking zu verbessern, insb. hinsichtlich der Geschwindigkeit. "Mit Schrecken" darum, weil ich immer noch so ziemlich genau da festhänge, wo ich vor einem Jahr war. Wobei, das stimmt nicht ganz: Ich habe mir eure Tipps damals zu Herzen genommen und bin der Meinung dass ich mitlerweile deutlich sauberer und lockerer spiele, jedoch eine Sache habe ich noch nicht hinbekommen: die 120bpm Schallmauer zu durchbrechen (16tel gespielt, wobei sich die bpm auf die 4tel beziehen).

Praktisch alle Sachen die ich übe, klappen über kurz oder lang vernünftig bei 100 - 110bpm, 120bpm geht bei manchen bei anderen hakt es da schon. Darüber hinaus sehe ich kein Land ... seit einem Jahr ... :(

Damals hatte ich auch versprochen euch ein Video zu zeigen, damit ihr mal hören und schauen könnt was ich so treibe ... Schande auf mein Haupt, das habe ich vergessen ... diesmal soll das anders sein. Ich habe zwei Sachen aufgenommen, jeweils in 100bpm und 120bpm:

Lick aus dem Buch "Best in the West"

"Little Sadie" Lick à la Tony Rice

Nach meinem Gefühl klappen die Sachen bei 100bpm gut (das war auch jeweils eines der ersten Takes) bei 120bpm klappt der erste auch ganz gut, beim zweiten wird es aber schon unsauber hier und da ... dazu kommt dass ich für die 120er einige Takes aufnehmen musste, bis es mal überhaupt geklappt hat ... über 120bpm hinaus wird es aber bei beiden Licks (und allem anderen) unsauber bzw. unmöglich. Was mich bsonders frustriert: das Tony Rice Lick (Nr. 2) über ich bestimmt seit einem knappen Jahr relativ regelmäßig (ich gebe zwischendurch öfter auf und krame es dann wieder für ein paar Wochen raus).

Nun zu euch: Was haltet ihr davon? Habt ihr Tipps und/oder Analysen für mich? Wie sind eure Erfahrungen (insb. RB war doch auch mal in einer ähnlichen Phase wie ich)?

Noch ein paar technische Details: Ich spiele 12er Saiten, Saitenlage ist ziemlich flach (ca. 2mm tiefe E-Saite zum 12 Bund), Pick ist Dunlop Delrin 1.14 mm (habe auch schon 1.5mm probiert).


Viele Grüße
arokh

PS: Ich hoffe die Qualität der Videos reicht aus ...
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RB
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Beitrag von RB »

Ich finde, Du hast einen besseren Start erwischt, als ich, weil Du, so weit ich das erkennen kann, alles richtig machst. Ich hingegen habe das Plektrum zwei oder drei Jahre falsch gehalten und dadurch unnütz Zeit vertan. Sei also froh. Das klingt für meine Ohren auch ziemlich gut und die Geschwindigkeit, ja nun, dann kommt die Schallmauer eben erst im nächsten Jahr na und ? Würde ich mich nicht drüber echauffieren, sondern 20 bis 30 Fiddle-Tunes lernen, in irgend einer nicht zu komplizierten Version. Das kann nichts schaden. Die Begleitung hat man am Lagerfeuer jedem nicht allzu beschränkten Klampfer schnell gezeigt, sofern er kein rhytmischer Analphabet ist und schon gibt es den praktischen Anwendungsfall.
Pick Mac
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Beitrag von Pick Mac »

Eine andere Aufnahmeperspektive bei den Videos wäre ganz gut. Mehr vom rechten Arm, der rechten Hand und Schulter. Einfach etwas rauszoomen bzw. mehr Abstand sollte dafür schon reichen. So läßt sich nur sehr wenig von deiner Anschlagstechnik erkennen.
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arokh
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Beitrag von arokh »

Danke RB für die aufmunternden Worte. Ich muss schon zugeben, dass ich meinen "Erfolgsfaktor" und damit auch den "Frustfaktor" im Wesentlichen durch die mögliche Geschwindigkeit definiere und gerne außer Acht lasse, dass sich, wenn ich mal ehrlich drüber nachdenke, meine Technik im allgemeinen im letzten Jahr schon spürbar verbessert hat.

Frustrierend ist natürlich auch, da ich z.B. das Little Sadie Solo schon so ewig spiele, mir wirklich jede kleine Unsauberkeit auffällt und mich irre macht, während sie unbedarften Zuhörern vielleicht gar nicht auffällt.

Aber da schließt sich mir eine Frage an: Es heißt ja immer so schön, dass man Sachen üben sollte bis man sie 5x hintereinander perfekt fehlerfrei spielen kann ... wie weit treibt ihr da euren Perfektionismus beim Üben, und ist das bei längeren Stücken wirklich realistisch? Was heißt dabei für euch fehlerfrei? Ist eine kleine Unsauberkeit schon ein Fehler oder bedeutet Fehler, man hat wirklich falsche(n)/schiefe Note(n) erwischt bzw. ist aus dem Rhytmus gekommen oder gar ganz aus dem Konzept?

@RB: Wie lange bist du eigentlich schon am Bluegrassen und Flatpicken?

@Pick Mac: Ich werde mich am Wochende mal hinsetzen und noch eine Aufnahme machen, auf der man den ganzen Arm + Schulter sieht.
Pick Mac
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Beitrag von Pick Mac »

Das Spielen von Bluegrass ist ja nicht das Spielen eines Werkes aus der Klassik. Der Fokus sollte dabei eher auf der Improvisation liegen und nicht auf einer notengetreuen Werkswiedergabe. Daher lieber die Zeit für die oben schon genannten 20 - 30 Fiddle Tunes aufwenden und Flatpicking an sich verstehen lernen und in die Improvisation einsteigen, als ein Tony Rice Solo 1 : 1 wiederzugeben. Eventuell machst du das ja schon alles, aber das weiß ich aktuell nicht. Ich meine, wann hast du schon einmal die Gelegenheit das Stück in netter Runde so wiederzugeben? Ganz persönlich finde ich vor diesem musikalischen Hintergrund 100 bpm für ein eigenes aus dem Hut gezogenes Solo wichtiger als 120 bpm für die getreue Wiedergabe eines anderen Gitarristen. Und wenn das eigene Solo dann mal die 120 bpm knackt, umso besser.

Lange Rede, kurze Intention: Häng dich nicht an einzelnen Stücken auf. Versuch den Kontext zu sehen. Kupfere ab, was abzukupfern wert ist und bewege dich weiter. Der Angang von 100 - 120 bpm ist eine Stufe, die von sehr vielen Faktoren abhängt. Das kann man auch nicht an zwei kurzen Videoausschnitten festmachen. Wenn dir der Punkt so wichtig ist, dann solltest du evt. eine gesamthaftere Überprüfung in Erwägung ziehen.

Hier mal ein frei zugänglicher Videoaustausch zum Thema Geschwindigkeit:

http://www.academyofbluegrass.com/masterclass/5375
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tomis
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Beitrag von tomis »

hallo pickmac
du hast es gut auf den punkt gebracht
für die tunes rate ich zu steve kaufmann's sammlung
unerschöpflich
mit Blues und Gruß
Thomas
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RB
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Beitrag von RB »

Welche Sammlung meinst Du denn ?
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tomis
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Beitrag von tomis »

Steve Kaufman's Favorite Traditional Fiddle Tunes For Flatpicking Guitar
mit Blues und Gruß
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arokh
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Beitrag von arokh »

Pick Mac, danke für den Link auf das Video. Und ich gebe dir ganz klar Recht bzgl. der Improvisation im Bluegrass.

Bei mir ist es jedoch beim Üben so, dass ich zwischen Improvisation und Technik trennen muss. Das heißt, wenn ich Improvisationen "übe", tue ich das bei einer Geschwindigkeit, bei der ich mich technisch wirklich sehr wohl und sicher fühle, um mich auf das Improvisieren konzentreiren zu können. Wenn ich meine Technik verbessern will (also u.a. meine Geschwindigkeit) spiele ich Sachen, die ich grundsätzlich Note für Note im Kopf habe um mich auf die Technik konzentrieren zu können. Versuche ich beides zu kombinieren geht das voll in die Hose :(

Darüberhinaus ist es zumindest bei mir so, dass sich mir der Stil am besten einprägt in dem ich zunächst Sachen nachspiele. Typischweise ist es dann so, dass ich Fragmente daraus dann fast automatisch in Improvisationen einbaue ... und wie sagte Emily Remler so schön: "Wir improvisieren nie etwas wirklich komplett Neues, sondern alles basiert auf Dingen die wir irgendwann mal gehört haben, und sei es als dreijähriges Kind ..." :wink:
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RB
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Beitrag von RB »

Danke, will ich mir mal anschauen.
Pick Mac
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Beitrag von Pick Mac »

arokh hat geschrieben:Bei mir ist es jedoch beim Üben so, dass ich zwischen Improvisation und Technik trennen muss.....

"Wir improvisieren nie etwas wirklich komplett Neues, sondern alles basiert auf Dingen die wir irgendwann mal gehört haben, und sei es als dreijähriges Kind ..." :wink:
Die beiden Punkte kann ich für mich so unterschreiben. Erst wenn Technik mir einigermaßen übergegangen ist, kann ich sie in der Improvisation nutzen. Und ja, die Improvisation ist sicherlich eine Spiegelung aller möglichen Dinge, die da mal waren. Wichtig war mir der Punkt mit der reinen Wiedergabe des Solos. Denn das wäre letztlich ein "Herr Arokh spielt heute für uns das Solo Nummer 1 aus dem amerikanisch-volkstümlichen Opus Little Sadie" ;-) , also der reine Vortrag. Das wäre schade und steht konträr zum Charakter dieser Art von Musik.

Die 20 - 30 Tunes und jammen mit der Konserve sind auf jeden Fall eine gute Empfehlung. Und wenn du mehr Rüstzeug aufbauen und Technik hinterfragen lassen willst, dann hilft in jedem Fall ein guter Lehrer oder ein direkter Austausch mit anderen Musikern von Angesicht zu Angesicht. Auch in nur begrenzter Zeit. Und wenn sich kein Lehrer findet, dann schau mal in diesen Thread:

http://www.fingerpicker.de/forum/viewtopic.php?t=13091
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arokh
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Beitrag von arokh »

So nun habe ich nochmal das erste Beispiel aus einer anderen Perspektive aufgenommen, so dass man meinen Arm und Schulter sieht:

http://www.youtube.com/watch?v=-rBiVCppWsc
Pick Mac
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Beitrag von Pick Mac »

Na, auf dem Video ist doch schon mehr zu sehen. Allerdings muss ich für mich feststellen, dass ich anhand dieses kurzen Licks keine großen Schlüsse ziehen kann. Mein Eindruck aus laienhafter Beurteilung ist, dass Handgelenk und Unterarm recht steif wirken, im 120er deutlicher als im 100er. Ausladende Bewegungen sind ja bei solch einem G-Run über zwei Oktaven nicht zu erwarten, aber der Eindruck ist trotzdem da. Dabei scheint aber nicht der gesamte Unterarm für dich zu arbeiten. Irgendwie scheint das alles aus der unteren Hälfte zu kommen. Ich wage daher mir vorzustellen, dass es durchaus zu einem Übermaß an Spannung kommen kann. Wally war es, glaube ich, der in dem eingangs von dir verlinkten alten Thread etwas zu dem Thema geschrieben hat. Flatpicking ist eine sehr physische Angelegenheit. Ermüdungs- und verspannungsfreies Spiel sind das A & O dabei.

Was ich anhand des Videos nicht zu beurteilen vermag ist, ob evt. dein Daumen zu stark im Anschlag mitmischt. Der sollte idealerweise eigentlich nur das Pick halten und als Gegenkraft zur Saite dienen.

Als positiv erachte ich auf jeden Fall, dass du nicht mit dem Handballen auf dem Steg aufliegst und, wenn meine Beobachtung korrekt ist, die äußeren Finger nur auf der Decke aufliegen und nicht stützen.

Es gibt so viele Ansätze für Flatpicking, dass ich sie gar nicht alle einzuteilen vermag.

Mr. Grier mit der völlig frei schwebenden Hand, Kenny Smith ist auch so einer, und viel Kraft aus dem gesamten Unterarm:

http://www.youtube.com/watch?v=qANBQ_of ... re=related

Mr. Sutton, mein unerreichtes Vorbild an Lockerheit und auf ewig für mich nicht erreichbar im Tempo, mit den aufliegenden Fingern:

http://www.youtube.com/watch?v=cCl2sDNu ... re=related

Mr. Blake, mein persönlicher Held, auch mit aufliegenden Fingern und einem unglaublich lockeren Handgelenk:

http://www.youtube.com/watch?v=sYau7Qfi ... re=related

Gerade die Beispiele von Bryan Sutton und Norman Blake sind aus einen Grund spannend: Achte mal auf den rechten Arm zwischen Strumming und Picking. Das Spiel über alle Saiten wird zwar auslandender, ändert sich aber im Prinzip nicht sonderlich, was den Anschlag angeht.

Das wichtigste aber an der ganzen Sache: Dat muss Spass machen! In diesem Sinne:

http://www.youtube.com/watch?v=5rQ50vJz ... re=related
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tomis
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Beitrag von tomis »

nimm doch mal eine tune auf
dann könnten wir ein bißchen mehr rumkritteln
über ein kurzes riff kann man nicht so richtig was schreiben
und der newport link ist wirklich toll
so soll es sein
und so wird es auf dem treffen auch werden
wetten ?
mit Blues und Gruß
Thomas
Mischkin
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Beitrag von Mischkin »

Mein Eindruck ist, dass Du bei 120 bpm etwas leiser und weicher im Ton wirst. Könnte es sein, dass Du mit dem Plektrum weniger tief "eintauchst" und schräger wirst als bei 100 bpm um schneller sein zu können? Es klingt irgendwie "unentschlossener" weniger energisch. Vom Treffen der Töne her scheint es kein Unterschied zu sein.
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