The Eagles in K?ln

Wer etwas empfehlen kann, und sei es der eigene Auftritt ..........

Moderator: RB

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Andreas
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The Eagles in Köln

Beitrag von Andreas »

Moinmoin,

am Mittwoch dieser Woche war es soweit. Ich hab recht früh in Recklinghausen den 'Hammer hingeworfen' und mich auf die Socken gen Sprocki-Town und dann weiter Richtung Köln zu düsen.
Regina kam fast zeitgleich mit mir in Sprocki-Town an; schnell ein Bütterchen geknaspert, einen Tee getrunken, Regina musste unbedingt aufm Balkon eine schmokeln… dann in den Mini-Cooper gezwängt und Richtung Köln geschiggert. Die nette Dame in meinem GPS kennt sich supergut aus; in allen Städten Europas; selbst wenn wir mal falsch sind, bleibt sie freundlich und sagt sehr eloquent: "Wenn möglich, bitte wenden" oder sie errechnet flugs eine neue Strecke. Sapperlot.
Egal, selbst der Kölner Ring war relativ frei und wir brauchten knapp 30 Minuten bis zur Lanxess Arena. Die Infrastruktur ist eine Katastrophe, man wird zwar von freundlich dreinschauenden Blockwarten um- oder weitergeleitet, aber wohin, weiß keiner.

Wir sind dann endlich auf einem Parkplatz, fußläufig 20 Minuten zur Arena, gelandet und haben uns ziemlich entnervt aus dem Mini gezwängt (nicht dem Rock).

Das Wetter war gut, mild und regenfrei. Der Weg zur Arena war O.K.

Ich war mal in der Arena als sie noch Köln-Arena hieß, hab da Springsteen gesehen und auch beinah gehört. Es wird gemunkelt, dass an der Akustik in der Halle geschraubt wurde; ich war gespannt.
Die Halle erinnerte mich son bisken an die Schalke-Arena. Das Bier ist genaussoteuer und heißt Kölsch, die Bratwurst kommt aus Dortmund und die Fritten aus Mühlheim. Olfaktorisch war das Ganze ziemlich abenteuerlich. Mein Nachbar meinte, sich unbedingt ein paar Nachos mit Dipp kaufen zu müssen. Heiliges Gewitter.
(Ich frage mich gerade, ob es in Moscheen beim Gebet nicht bisweilen olfaktorisch auch recht abenteuerlich sein muss).

Das Durchschnittsalter der Besucher lag bei etwa 50 Jahren. Viele trugen ihre Verbundenheit mit der Band stolz über bier- und amtgeblähten Bäuchen. Das wurde das Eagles-Logo schonmal sehr breit. Die Frauen knasperten spitzfingrig mit zu Schlitzen verengten Augen, leicht vornübergebeugt eine Bratwurst oder mit armlangem Abstand die eine oder andere Fritte aus der Tüte.

Die Arena füllte sich, es war fast ausverkauft. Nur die Plätze ziemlich weit oben blieben leer. Ohne Opernglas hat man da eh keine Chance.

Um etwa 10 Minuten nach 20 Uhr verdunkelte sich die Halle, ein Stück von den 'Lost lonely Boys' kam aus der Konserve und sollte die Stimmung anheizen. Beifall und Pfiffe brandeten auf. Die Bühne war in Dunkelheit getaucht – aus dem Off kam ein AkustikGitarrenakkord, das Licht gleisste auf, und die Band war, pardauz, auf einmal da. Hat man gar nicht gesehen, wie die auf die Bühne gekommen sind. Vielleicht hat da ja auch David Copperfield seine Finger im Spiel gehabt, er soll ja, wird gemunkelt, auch in Köln sein.

Die Herren Eagles waren antrazith-farben gewandet, trugen zum weißen Hemd eine schwarze Krawatte und hatten hochpolierte Gitarren umgeschnallt. Gleich beim ersten Stück haben sie gezeigt 'wo der Bartl den Most holt'. Heidernei. Alarm-Alarm. Ich hob eine Augenbraue und dachte bei mir: "Kuck an, die Dinosaurier können richtig Gas machen. Hau-die-Ziege".

Aber dann wars auch schon vorbei.

Herr Schmit, der Basser mit den langen Haaren, hub an einen Song von unnachahmlicher Brillanz in feinster BeeGee-Manier zu singen. Ein Timbre wie Emmylou Harris. Die Augen geschlossen, ein richtiger Wunsch-Schwiegersohn; hätte er nicht so lange Haare (aber immerhin gepflegt). Herr Schmit hat mal bei Poco gebasst. Kennt die noch einer?
Irgendwie sah er sehr schlecht aus. Eingefallenes Gesicht, hervorstehende Wangenknochen, dünn, irgendwie krank. Ich wills nicht hoffen.

Glenn Frey hätte ich auch als Arcandor-Manager akzeptiert. Leicht genervt von der aktuellen Lage, aber irgendwie noch Rock 'n' Roll.
Ich weiß nicht, was er an dem Takamine-Sound so gut findet, aber er ist dieser Marke im akustischen Bereich höchst treu.
Er hat den Großteil der Stücke gesungen. Den Leadgesang – klar. Der vierstimmige Chor kam immer auf den Punkt. Sehr professionell - keine Frage. Für meine Ohren auf die Dauer 'n bisken nervig. (Kennste einen - kennste alle)

Don Henley sah aus wie ein zu klein geratener GI. Amerikanischer Bürstenschnitt, machte das was er gut kann: singen und Schlagzeug spielen. Als Gitarrespieler finde ich ihn eher suboptimal.
Natürlich kam der Gassenhauer 'Hotel California'. Herr Frey mit einer Doppelhalsgitarre, zu Beginn vor dem Dia einer mexikanischen Kleinstadt im roten Abendlicht ein Trompeter mit dem Intro zu dem Californa-Stück.
Beim ersten Ton wussten die meisten Leute im Publikum was kommt und frohlockten entsprechen. Der Trompeter machte einen Hinweis auf sein großes Lungenvolumen indem er den letzten Ton eigentlich viel zu lange hielt- Das Publikum quittierte das Ganze mit tosendenBeifalssbekundungen.
Dann zoschte Glenn Frey DEN Startakkord auf der Gitarre. Ein Verfolger-Scheinwerfer stellte ihn ins rechte Licht - und das Tosen der Menge schien endlos.
Dann aber, hach, Don Henley: On a dark desert highway, cool wind in my hair, warm smell of colitas…
Die Menge tobte. Das kannte jeder. Und fast alle konnten den Text auswendig mitsingen, was sie auch lauthals taten. Eine 'chicken-skin' stimmung. Keine Frage.

Als das Lied zu Ende war - glückliche Gesichter allenthalben.

Ich finde, man muß die Eagles mögen um das nachvollziehen zu können. Das ging mir auch bei ACDC und Witni Justen so. Bei beiden war die Show erheblich viel besser. Bei den Eagles bestand die Show aus kleinen Filmsequenzen und DIAs im Rücken der Band.
Diese Filme und DIAs waren so prominent, dass ich mich mehr darauf konzentrierte als auf die Musiker auf der Bühne.

Der vierte im Bunde der Eagles ist Joe Walsh.
Der einzige, der das Feuer des Rock'n'Roll in sich bewahrt hat.
Wie viele andere aus seiner Generation hat auch er eine R'n'R Karriere gemacht. Sex and Drugs and Rock'n'Roll. Das Leben ist ihm ins Gesicht geschrieben. Aber immer noch lange Haare und den gleichen Witz wie ich ihn kannte.
Wen er Stücke präsentierte schien es als fließen die Flüsse bergauf.
Alles auf 11 und ab dafür.

Gitarren? Gab es auch. Akustisch haben die Stacheltiere gern Takamine gespielt. Machen sie immer noch. Bis auf Joe Walsh. Er bevorzugte eine J 45, halbakustische Düsenberg oder PRS Gitarren.

Schnöde Fenders spielte nur der andere Gitarrist (Stuart Smith). Eigentlich kein Eagle.

Wer war noch auf der Bühne:

Bill Armstrong – Trompete
Lenny Castro – Percussion
Luis Conte – Percussion, Drums, keyboards
Scott Crago – drums, percussion, keyboards, bass guitar
Richard F.W. Davis – keyboards, programming
Al Garth - alto saxophone, violin
Will Hollis – keyboards
Chris Mostert – tenor saxophone, alto saxophone
Greg Smith – baritone saxophone
Stewart Smith – guitar, keyboards, steel guitar, mandolin
Michael Thompson – keyboards, accordion, trombone

Es gab nach etwa 90 Minuten eine kleine Pause.
Nach der Pause (etwa 15 Minuten) ging es erheblich rockiger ab.
Viele Stücke von Joe Walsh und als Zugabe: Take it Easy.

Regina war begeistert, Sie fand das gut.
Wir haben uns geeinigt, dass die erste Hälfte wesentlich lauer war als die zweite. Ich hab die Eagles zum ersten mal gesehen. Von Spaß, Lachen und Spielfreude auf der Bühne hab ich nichts gesehen. Wenn man von dem Kasper Joe Walsh absieht.

Für Fans der Kapelle ein unbedingtes Muß. Für Leute wie mich, die guten Gesang schätzen, eine große Sache, insgesamt fehlte mir ein wenig 'Dreck unter dem Fingernagel'.

Im August kucken wir im Rahmen der Ruhrtriennale. Century of a Song. Mit Marc Ribot und Marianne Faithful.

Ich freu' mich schon.

Groetjes

andreas
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klaust
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Beitrag von klaust »

Hey...Klasse Bericht!
Danke! :D

Meine Liepste fordert den Besuch bei Elton John und Rod Steward auf dem Bowling Green in Wiesbden - aber rein gehen wie nicht, nach dem Disaster bei E.Clapton. Draussen davor hört und sieht man teilweise genau so gut wie auf den Stehplätzen drinnen.... :?
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Holger Hendel
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Beitrag von Holger Hendel »

Doller Bericht, heißen Dank. Hätte ich mir auch gern mal angeschaut.
www.holgerhendel.com | facebook | youtube | twitch | Heavy Silence - finest acoustic cover
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thust
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Beitrag von thust »

Klasse Bericht, kannste gleich an die diversen Musikfachblätter weiterleiten, die könnten ein wenig frischen Wind gebrauchen. :wink:

Jruß ausm Harz

Andreas
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lift_off
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Beitrag von lift_off »

Hi,

klasse Bericht. Hat Spaß gemacht zu lesen.

Gruß,
Frank
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Lucie
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Beitrag von Lucie »

Bisken langatmig. 8)

Aber sonst haste Dir echt Mühe gegeben!
:-)

Lieben Gruß. ... auch von meinem Kerl... an Reginchen.

;-)
Lucie.
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RB
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Beitrag von RB »

Nix langatmig, das war gut zu lesen und literarisch von Qualität. Mir hat es alleine als Lese-Erlebnis schon gefallen.
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Tenaci
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Beitrag von Tenaci »

Unglaublich.
Ein Konzertkritiker hier im Forum!?
Höchsten Respekt für diesen Bericht.Wäre ich nicht annähernd in der Lage sowas so unterhaltsam rüberzubringen.
War eine Freude das zu lesen.

Gruß
Markus
Wer alles glaubt, was er liest, sollte besser aufhören zu lesen.,"Konfuzius".
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