Zitat:
In praktischer Hinsicht bin ich der Auffassung, dass eine strikte Trennung von 3/4 mit Triolen und 9/8 dann Sinn macht, wenn ein formal geschulter Vollblutklassiker sich ein Musikstück einzig vom Notentext her erarbeitet.
Ein "formal geschulter Vollblutklassiker" kommt zur Not auch mit unmensurierten Neumen oder linienloser Gotischer Hufnagel-Notation klar. Wir reden hier aber nicht vom Erarbeitungsprozess, sondern vom Notationsprozess.
Die Möglichkeit des Zitierens verleitet dazu, sich Aussagen des virtuellen Gegenübers rauszupicken, die man leicht ins Lächerliche ziehen kann, sich möglicherweise über seine Wortwahl zu mockieren und mit einer kernigen Antwort auf dieses eine willkürlich rausgesuchte Zitat zu reagieren, anstatt sich die Mühe zu machen, zu versuchen zu verstehen wo seine Hauptaussage liegt und möglicherweise in einigen Punkten beizupflichten oder eine umfassende gegensätzliche Meinung zu formulieren.
Diese Art der virtuellen Gesprächsführung ist für mein Empfinden bedenklicher als der Verzicht auf die Konventionen der Groß-und Kleinschreibung.
Deshalb möchte ich in einem kurzen zusammenhängenden Text ohne Zitate oder markige Ausdrücke meine Meinug zu dem Thema formulieren.
Da ich nur wenige Beispiele von 9/8 und triolischem 3/4 kenne möge man mir eine Analogie mit 12/8 und triolischem 4/4 verzeihen.
Die strikte Unterscheidung der beiden Varianten hatte sicher ihre Berechtigung zu einer Zeit, als Noten noch weitestgehend für sich selbst sprechen mussten, da verbale Hinweise zur Ausführung in den Noten oder Tonträger noch nicht üblich waren.
Zudem ist durch die Popularmusik eine gewisse Aufweichung der strikt getrennten Taktarten hinzugekommen. Wo endet zum Beispiel ein triolischer Shuffle-Blues im 4/4 Takt und wo beginnt ein 12/8 Blues?
Ich denke beide Schreibweisen sind korrekt, da sie mathematisch die gleichen Verhältnisse darstellen.
Was mir gegen den Strich geht ist die Unsitte in deutschen Bluesausgaben Swing-Achtel als punktierte Noten darzustellen. Das ist mathematisch schlichtweg falsch, da punktierte Achtel und darauffolgende Sechzehntel ein Verhältnis von 3 zu 1 haben, die erste und die zweite Swingachtel aber ein Verhältnis von 2 zu 1.
Eine Notation von 9/8 und triolischem 3/4 stellt aber die gleichen Längenverhältnisse dar, und besondere Phrasierungswünsche können durch Akzentuierungszeichen oder verbale Hinweise des Komponisten im Notenbild vermerkt werden. Bei der Romanze könnte zum Beispiel im 9/8 ein Akzent auf den Zähzeiten 1,4 und 7 für die Hervorhebung der Melodietöne stehen und der Hinweis "Fluente" für den nötigen Fluss sorgen.
Daher hat ein Bestehen auf einer strikten Trennung der beiden Schreibweisen für mein Empfinden leicht haarspalterische Tendenzen.
isch habe fertig
