Was macht der da ???

Alles über die klassischen Spielweisen

Moderator: RB

bueno
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Beitrag von bueno »

Bernd, ich freu mich drauf
Ich mich auch.
:wink:


LG
Bernd
Bernd C. Hoffmann
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Beitrag von Bernd C. Hoffmann »

Kai hat geschrieben:
Bernd C. Hoffmann hat geschrieben:Bestimmte Musikrichtungen kann man nur akzeptieren, wenn man ihre Grundlagen respektiert. Wenn der compás nicht stimmt, dann ist es kein Flamenco.
Hmmm, ich gebe gern zu, vom Flamenco nicht viel zu verstehen, aber ich mag eigentlich kaum glauben, dass sich sich gerade die stolzen und oftmals sehr individuellen Flamenco-Artisten immer einem rhythmischen Regiment unterwerfen. Bei Wikipedia finde ich dazu:

The heart of flamenco is the song (cante)... Cante flamenco can be categorized in a number of ways. First, a cante may be categorized according to whether it follows a strict rhythmic pattern ("compas") or follows a free rhythm ("libre").
http://en.wikipedia.org/wiki/Flamenco
Die deutsche Wikipedia schreibt:
Die Ausführung des Flamenco kann acompasado (etwa: „in den Takt gebracht“) sein, d. h. rhythmisch determiniert, oder libre (frei).
Du darfst mir glauben, dass Du mit Deinem Glauben völlig falsch liegst. Das wird spätestens deutlich, wenn Du Dir eine CD anschaust. Dann wirst Du sehen, das sie neben 1 bis 2 freien ausschließlich aus rhythmisch festgelegten Stücken besteht.

Den Wikipediabeitrag habe ich mir nicht durchgelesen, interessiert mich, ehrlich gesagt, gar nicht. Das vorstehende deutsche Zitat ist so, wie es allein da steht, nur ungenau und bereits im Ansatz völlig falsch: Es wird nicht gesagt, dass es bestimmte Stile gibt, die einen festen Rhythmus haben (z. B. Alegrías, Bulerías, Soleá, Farruca, Serrana) und andere bestimmte, die eben rhythmisch frei sind (z. B. die von mir o. g.). Es geht nicht um die Ausführung des Flamenco sondern um die Interpretation einzelner Stile nach ihrer rhythmischen Zugehörigkeit (a compás oder libre). Es wird nicht derjenige anerkannt, der ein paar Fandangos libres spielen kann, sondern derjenige, der die rhythmisch gebundenen Stile im Griff hat.
Liebe Grüße
Bernd
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ralphus
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Beitrag von ralphus »

@ Bernd
interessiert mich, ehrlich gesagt, gar nicht. Das vorstehende deutsche Zitat ist so, wie es allein da steht, nur ungenau und bereits im Ansatz völlig falsch:
Schade, eigentlich bräuchte Wikipedia gerade Dich! Ich habe Dich hier im Forum als ausgewiesenen Spezialisten bzgl. Flamenco wahrgenommen (ohne mir wirklich die Mühe zu machen wirklich zu verstehen, was Du für Infos zu Deinem Spezialgebiet beiträgst).
Viele Grüße

ralphus
Der Gitarrist
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Beitrag von Der Gitarrist »

@ Kai: Statt WIkipedia würde ich deine lokale Tanzschule und den dortigen Flamencogitarristen mal befragen. Wenn es nicht gerade ein Manitas de Plata ist, also so etwas wie ein Querdenker, dann wird er dir sagen, dass die meisten Formen im Flamenco einen compas, also bestimmten Rythmus haben. Dieser beinhaltet 12 Schläge mit Betonungen auf 3,6,8,10,12 und die Stilrichtung (=palo) "entscheidet" auf welchem Schlag man anfängt. Dadurch, und noch durch einige andere rythmische Feinheiten, kriegen die Stilrichtungen alle einen mehr oder weniger unverwechselbaren Klang. Und das war nur die Rythmik, im Gesang also der Melodie etc. gibt es auch noch Unterschiede.

Ich möchte damit sagen, dass die Rythmik um die es beim Flamenco geht, keine Einschränkung ist, sondern ein Charakteristikum des jeweiligen Stückes, Palos. Es ist keine Konvention a la "spielen wir mal alle den gleichen Rythmus, damit wir uns identifizieren können und uns von anderen Musiken unterscheiden", sondern eher ein "dies ist mein Ausdruck, meine Interpretation". Es ist gerade der Reiz im Flamenco, durch seine eigenen Interpretationen vom compas, vom Rythmus, sich Auszudrücken. Das rührt halt daher, dass Flamenco extrem rythmische Musik ist, und auch der Sinn von es ist, rythmisch gespielt zu werden.


Abschließend möchte ich sagen: ob man etwas mit Rythmus spiel oder nicht hängt ganz vom Ausdruck ab den man erreichen möchte. Manche Sachen hören mit, manche (z.B. langsame, ruhige) ohne festen Rythmus besser an. Letztenendes hat aber wohl jede Musik irgendeinen Rythmus. Es gibt z.B. die besprochenen "freien", also "rythmuslosen" Flamencostile. Irgendein Rythmus und sei er noch so langsam oder unklar steckt aber meistens schon dahinter (auch wenns schneller oder langsamer wird). Wippt man mit dem Fuß die Viertel merkt man das finde ich. Was richtig ist, ist sicherlich dass man erst das Rythmusspiel gut beherrschen muss, um so locker mit dem Rythmus umgehen zu können. Bei Klassikgitarristen sind die Rythmusschwankungen anders.
Ulrich Peperle
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Beitrag von Ulrich Peperle »

[Beitrag vom Verfasser entfernt]
Zuletzt geändert von Ulrich Peperle am Sa Apr 09, 2016 10:59 am, insgesamt 1-mal geändert.
Gast

Beitrag von Gast »

Leben und die Musik bestehen zum größten Teil aus Kommunikation,
dabei zählt oft nicht nur der Inhalt, sondern vor allem die menschliche Qualität...

Der große Lehrer Gerhard Mantel schreibt zum Thema "Richtig" und "Falsch" in einem seiner fantastischen Praxisbücher:
"'Richtig' widerspricht allem Künstlerischem, weil es keinen Spielraum zulässt... Das gilt auch für alle anderen Lebensbereiche, von der so genannten 'exakten' Wissenschaft bis hin zum zwischenmenschlichen Umgang...

Die Qualität einer Aufführung wird nicht durch 'Richtig' oder 'Falsch' beschrieben. Eines der wichtigsten künstlerischen Ziele ist dagegen die musikalische, persönliche und kommunikative Eindeutigkeit."
Der Gitarrist
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Beitrag von Der Gitarrist »

@ "Ulrich": Ich grüße dich auch :)

mfG
Der Gitarrist


zu Kai möchte ich aber doch noch was sagen: Kommunikation oder Sprache ist ein Mittel um Gedanken auszudrücken. Bei der Musik geht es aber um Ausdruck der Gefühle. Da ist es natürlich richtig, dass es keine "richtigen" Gefühle gibt. Es ist aber nicht zu verwechseln damit, dass man allgemeine Momente in der Musik festhalten kann, und dadurch z.B. Musiken unterscheiden kann (Rock, Flamenco). Diese Unterscheidung kann man schon richtig oder falsch machen.

Sich der Abstraktion "Leben" zu bedienen um damit rekursiv eine Bestimmung für etwas x-beliebiges AUS dem Leben zu erhalten ist leider nicht zielführend. Natürlich ist alles ein Teil des Lebens, und hängt alles über die Abstraktion "Leben" also zusammen, nur man merkt bei solcherlei theoretischen Anstrenungen, dass sie irgendwie nix bestimmen. Jeder Mensch kann doch essen, schlafen, und Musik unterscheiden.

Und natürlich hängt ein Gedanke der gerade geäußert wird, nicht von der menschlichen Qualität dessen ab, der ihn äußert. Und übrigens würde ich für mich persönlich, mich davor hüten meine Zustimmung zu einer bestimmten Meinung davon abhängig zu machen ob derjenige mir sympathisch ist oder nicht. So wirr mein Gefasel auch erscheinen mag, richtig soll es schon sein (wenigestens den Anspruch habe ich).


Und bezüglich der Qualität einer Aufführung würde ich mal stark auf Hegel tippen:
"Der fühlende Wille ist daher das Vergleichen seines von außen kommenden, unmittelbaren Bestimmtseins mit dem durch seine eigene Natur gesetzten Bestimmtsein. Da das letztere die Bedeutung dessen hat, was sein soll, so macht der Wille an die Affektion die Forderung, mit jenem übereinzustimmen. Diese Übereinstimmung ist das Angenehme, die Nichtübereinstimmung das Unangenehme." (Hegel Enz.III §472, Hervorhebungen im Original)
Es besagt das dass Geschmacksurteil durch einen Vergleich entsteht, einerseits der Geschmack den man selber hat, andererseits wie sehr dieser mit der Musik übereinstimmt. Es ist klar dass Menschen verschiedene Geschmäcker haben, und damit auch die verschiedenen Aufführungen für sie verschieden Bewerten.
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RB
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Beitrag von RB »

Hey, aber falsche Töne gibt es doch noch, oder ?

Ich meine, äh, auch zwischenmenschlich und so.
Gast

Beitrag von Gast »

Der Gitarrist hat geschrieben:Natürlich hängt ein Gedanke der gerade geäußert wird, nicht von der menschlichen Qualität dessen ab, der ihn äußert.
Sorry, das sehe ich anders. Dinge geschehen niemals isoliert und werden selten objektiv beurteilt, sie geschehen immer im menschlichen Kontext und unterliegen der subjektiven menschlichen Wahrnehmung.
RB hat geschrieben:Hey, aber falsche Töne gibt es doch noch, oder?
Kommt auf den Kontext an. :wink:
Ein großer Komponist sagte einmal, es gäbe keine falschen Töne - nur schlechte Auflösungen... :D
Ich glaube, mehr oder weniger große Fehler machen wir alle, die Unterschiede bestehen eher darin, wie wir damit umgehen.
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RB
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Beitrag von RB »

Wegdefinieren wäre ein neuer Ansatz. Nein, beachtet mich nicht weiter, ich kann zu dem Thema wirklich nichts Vernünftiges beisteuern.
Gast

Beitrag von Gast »

RB hat geschrieben:beachtet mich nicht weiter, ich kann zu dem Thema wirklich nichts Vernünftiges beisteuern.
:lol: Du bist ein echter Künstler, Reinhard. Selbst wenn der Misston nicht von Dir kommt, sind Deine Auflösungen originell und haben Humor. That's entertainment.
reini
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Beitrag von reini »

Genau,
Racheo Gold :lol:
Reini
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ArashFlamenco
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Beitrag von ArashFlamenco »

Kai hat geschrieben:
Bernd C. Hoffmann hat geschrieben:Bestimmte Musikrichtungen kann man nur akzeptieren, wenn man ihre Grundlagen respektiert. Wenn der compás nicht stimmt, dann ist es kein Flamenco.
Hmmm, ich gebe gern zu, vom Flamenco nicht viel zu verstehen, aber ich mag eigentlich kaum glauben, dass sich sich gerade die stolzen und oftmals sehr individuellen Flamenco-Artisten immer einem rhythmischen Regiment unterwerfen. Bei Wikipedia finde ich dazu:

The heart of flamenco is the song (cante)... Cante flamenco can be categorized in a number of ways. First, a cante may be categorized according to whether it follows a strict rhythmic pattern ("compas") or follows a free rhythm ("libre").
http://en.wikipedia.org/wiki/Flamenco
Die deutsche Wikipedia schreibt:
Die Ausführung des Flamenco kann acompasado (etwa: „in den Takt gebracht“) sein, d. h. rhythmisch determiniert, oder libre (frei).
Hallo,

hierzu möchte ich folgendes sagen um Misverständnisse zu vermeiden:

Es geht Hier um die von Bernd bereits erwähnte Unterscheidung der verschiedenen Palos innerhalb der Flamenco Musk und nicht um die Ausführung von Flamenco als Gesamterscheinung.

Es ist also Hier nicht gemeint dass man Flamenco komplett entweder rhytmisch determiniert oder frei spielen kann sondern dass es verschiedene Unterteilungen innerhalb der Flamencomusik gibt. Einige Palos (wie z.B. Bulerias, Alegrias, usw.) MÜSSEN im jeweiligen Rythmus gespielt werden. Das ist keine Einschränkung sondern die jeweiligen Rythmen sind einfach das was diese Palos zu dem machen was sie sind.
Eine Bulerias ohne Bulerias Rythmus ist einfach keine Bulerias mehr sondern irgend etwas undefinierbares.

Du wirst keinen einzigen guten Flamencogitarristen finden der sich nicht daran hält. Ganz zu schweigen davon dass man weder mit Tänzern/Tänzerinnen noch mit Sängern/Sängerinnen eine Bulerias spielen kann und sie begleiten kann, wenn man den Compas der Bulerias nicht beherrscht und sich nicht daran hält.

Aber beherrscht man diese erst, dann kann man so viel improvisieren wie man möchte und Niemand hat etwas dagegen.
Es gibt so viele junge Flamencogitarristen die völlig verrückte Sachen anstellen aber immer mit dem perfekten Timing und dem jeweiligen Rythmus im Hintergrund.

Dann gibt es freie Palos wie Taranta, Granaina usw. die zwar keinen bestimmten Rythmus haben, aber bestimmte Charakteristiken die sie wiederum auch zu dem machen was sie sind. Einige Passagen werden langsamer und emotionaler gespielt, dann folgen plötzliche schnelle Picado läufe und dann wieder emotionale Passagen usw.

Es ist schwer diese Sachen mit Worten zu erklären.
Aber alle, wirklich alle Gitarristen die ernsthaft Flamencogitarre spielen sind sich in diesen Punkten einig.
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