Soweit ich Dir folgen kann, entsteht bei Dir zuerst die Melodielinie, die Du dann weiter ausbaust.
Kann man so sagen - ich lasse mir gerne Melodien "vorsetzen", z.B. von einem befreundeten tinwhistle-Spieler.
Impliziert das, dass Du dann den Text schon hast, oder kommt der bei Dir erst nach dem musikalischen Part und wie gehst du beim Texten vor?
Wenn es darum geht z.B. eine Ballade zu schreiben ist für mich essentiell, dass ich als Vorlage den Text habe. Texten, das ist nicht so ganz meine Baustelle, ich kann zwar einen Paarreim von einem Kreuzreim unterscheiden doch dieses Handwerk ist nicht so ganz meins. Zum Glück habe ich auch hier einen sehr fähigen Lieferanten. Auf der vorletzten Forums-CD etwa hatte ich einen unserer älteren Titel vorgestellt, der Barde:
Picker´s Corner – Der Barde
(Text: Wüstenberg (c) )
Ein Barde zog von Land zu Land
Von goldener Zung’, geschickter Hand
Bereiste viele Länder fern
Besingen wollte er stets gern
In seinen zarten Weisen
Die Wege seiner Reisen
So zog er durch die Reiche rund
Und jeder kannte bald die Kund’
Von and´rer Menschen Länder
Die Häuser und Gewänder
Von Schlössern groß und wunderbar
Von Monstern schrecklich und bizarr
Verzaubert waren jung und alt
Von seinen Liedern schon sehr bald
Doch ging er dann so ließ er dort
Die Sehnsucht nach manch fernem Ort
Ja selbst der König war besessen
Die Lieder würd’ er nie vergessen
Den Barden ließ er zu sich bringen
Ewig sollt’ er für ihn singen...
So sang der Barde Tag für Tag
Ganz ohne Sorg’ und ohne Plag’
Doch trotz der besten Speis und Trank
Und auch des Königs höchstem Dank
So fehlt’ ihm doch der Lieder Saat,
Der lang gewund´ne Reisepfad
Er dichtete noch Lieder viel,
Doch eines Tages blieb er still
Diese Vorlage hat mir mein Kollege gegeben und mein Vorgehen war, soweit ich mich erinnern kann: Text lesen, dabei´ne Pfeife rauchen und ihn nochmal lesen usw. und dann, spät. wenn die Pfeife runter ist, die Gitarre greifen und ewas spielen; oberstes Gebot dabei für mich: nicht die neu gelernte Spieltechnik, Skala oder sonstwas mit einbauen sondern den Text stimmungsvoll verstärken - wie es schon geschrieben wurde, es muss am Ende wie aus einem Guss klingen. Für spieltechnische Höchstleistungen gibt es eh schon genug erwähnenswerte Bespiele. Beim songwriting hilft mir seit einigen Jahren v.a. ein looper, Ideen lassen sich damit schnell konservieren und überprüfen, ob sie wirklich so klingen und v.a. wirken wie ich mir das so vorgestellt habe. Im Falle des Barden habe ich mich für Dur in den Strophen entschieden und für einen nonverbalen / instrumantalen Refrain, ein Thema, dass immer wieder zwischen den Strophen vorkommt. Lediglich die vier Zeilen "ja selbst der König..." stehen in Moll, passend zur Gemütslage des fiesen Königs, es folgt ein Mandolinen-Solo über Moll welches in den Refr. mündet...ich mache das manchmal ganz gerne: ich lese den Text eines Stücks bevor ich es höre - und male mir aus, wie es der Künstler wohl vertont hat. Finde ich super spannend, habe ich zuletzt bei der neuen Hannes Wader-Platte so gemacht.
Keene Ahnung, ob Du Zugriff auf die 2011er-Forums-CD hast, ich habe mal unseren Barden hochgeladen, hier zu hören:
https://soundcloud.com/pickingfan/der-b ... r-s-corner
Der Trick ist ja, dass es unendlich viele "Lösungswege" gibt, eine Textvorlage zu harmonisieren, das Werk zu vollenden. Da gibt es doch in der Malerei diese Disziplin bei der man ein Fragment von einem Bild vorgesetzt bekommt und dies dann vollenden muss - da muss man bei den Ergebnissen manchmal überlegen ob wirklich alle Künstler die selbe Vorlage hatten.

So ähnlich ist es in der Musik - wenn jemand anderes den Bardentext mit Musik versehen hätte wäre sicher etwas völlig anderes dabei herausgekommen.
Eine weitere konkrete Idee: analysiere fremde Songs. Höre sie raus, welche Formen (Ablauf...z.B. intro - str. - refr. - str. - solo - etc.) kommen häufig vor, was passiert alles in der Musik? Tempowechsel, Tonartwechsel, welche Begleittechnik passt...
Oft wird es schon etwas leichter wenn Du vorher spürst, dass sich der song im Fahrwasser eines bekannten songs bewegen soll - achte mal darauf, bei wievielen "neuen" songs man das Gefühl hat, gerade "dust in the wind" oder "the boxer" zu hören.
Neben der Analyse bekannter songs macht so ein workshop bei Chrissi Lux & co. gewiss sehr viel Sinn. Auch Ulli Bögershausen hat da einiges zu sagen, wir haben mal sein Arrangement von "one of us" durchgeschnackt, ich hatte gefragt warum er es in drop-d stehen hat wo es doch auf Fis-Moll gespielt wird. Die Antwort war verblüffend: weil er so die Harmonie vor der wichtigen 1. Harmonie im Refrain mehr betonen kann; das "volle Pfund" im Bass liegt somit nicht auf der 1. Harmonie sondern auf der 4. und erzeugt eine ganz spannende Stimmung ("personal favorites" S. 24). Workshops sind immer eine gute Adresse um sich Dinge abzuschauen.
Woher kommt Dein textliches Thema und wie baust Du den Text zusammen?
Da lässt sich mein weitgereister Kollege sehr oft von seinen Erlebnissen inspirieren.
Ich denke auch nicht, dass es zu diesem Thema sowas wie einen Glaubenskrieg geben kann - z.B. sind diverse coole Songs nachweislich

unter Drogeneinfluss entstanden...