Singer-/Songwriting, was kommt zuerst: Text oder Melodie?

Musiktheorie und Komposition

Moderator: RB

Antworten
Benutzeravatar
triple-o
Beiträge: 297
Registriert: Di Dez 19, 2006 10:16 am
Wohnort: 86x

Singer-/Songwriting, was kommt zuerst: Text oder Melodie?

Beitrag von triple-o »

Hallo zusammen!

Ene mene miste, was kommt zuerst: Text oder Melodie? Welche Forumsecke ist die Richtige? Ich habs jetzt mal bei der Mukke eingestellt :-)

Nachdem ich in letzter Zeit mehrere sehr gute Songs von Singer-/Songwritern hören konnte (Jonny Cash/Hurt, mbern/50 :-), Jaimi Faulkner) habe ich heute in einem anderen Thread diese junge Dame gefunden http://www.youtube.com/watch?v=Shr47LVcA5I. Jetzt ist es soweit: Es muss was passieren!

Mit dem Gedanken, selbst Songs mit Text im Stil von Cohen, Cash etc. zu machen, trage ich mich ja schon lange, aber ich finde einfach den Einstieg nicht. Texte schreiben liegt mir im Blut, Melodien kommen immer wieder zu mir. Jedoch finde ich keinen Ansatzpunkt, wie ich eins mit dem anderen verbinden kann. Wie geht es euch dabei, bzw. wie geht ihr da so vor?

P.S.: Mit Harmonielehre und so habe ich es nicht so... ***Schäm***

Ich freue mich auf euren Input!

Herzliche Grüße,
Armin
Pictures in my mind & music in my heart
Benutzeravatar
Holger Hendel
Beiträge: 11951
Registriert: Do Feb 17, 2005 7:18 am
Wohnort: Soltau, Niedersachsen
Kontaktdaten:

Beitrag von Holger Hendel »

Hey Armin, da gibt es so unendlich viele Möglichkeiten...zuletzt hat mich das hier...

http://www.youtube.com/watch?v=lCntCJ8CGOY

...arg begeistert...Instrumentierung, Mix, Text, Ideen...Video - da passt alles zusammen. In der Strophe z.B. geht er an der Gitarre diese Bewegung:

Bsus2 - Bsus2/A - Bsus2/#G - Bsus2/A :|

...und die Gesangsmelodie folgt in der Tonhöhe dem Bass. Nice. "Klassisch" wäre auch ein Sich-Entfernen von Bass und Melodie, Bass geht runter, Melodie rauf...es ist mMn rel. schwierig mit solch konkreten Ideen in eine "kreative Phase" zu gehen, nach dem Motto "ich muss jetzt etwas zusammenfügen nach diesem Schema...". Checke die sechs Hauptstufen einer Tonart (z.B. für C-Dur: C, Dm, Em, F, G, Am) und harmonisiere damit für dich stimmig Deine Melodielinie; mir fällt es auf diese Art wesentlich leichter bzw. ich komme so zu für mich befriedigeren Ergebnissen wenn ich erst die Melodie habe, wenn auch nur vage - und dann drumherum die Harmonisation vornehme. Details kommen dann später. Werner Lämmerhirt hat es bei einem seiner Auftritte mal schön dargestellt, er hat ein Instrumental in drei "Stadien" der Komposition in Auszügen angespielt, anfangs war es nicht viel mehr als eine Melodie in einfacher Rhythmik, das Endstadium war halt volles Programm mit Synkopen, Trillern, Bassläufen...
P.S.: Mit Harmonielehre und so habe ich es nicht so... ***Schäm***
Nu... ;)

http://www.youtube.com/watch?v=wscZhvj_lH4

Bild

PS Von der tiny desk - concert - Reihe hat mich das hier sehr stark beeindruckt: http://www.youtube.com/watch?v=VHdsoNewFdU (Decemberists, v.a. "down by the water")
www.holgerhendel.com | facebook | youtube | twitch | Heavy Silence - finest acoustic cover
Benutzeravatar
triple-o
Beiträge: 297
Registriert: Di Dez 19, 2006 10:16 am
Wohnort: 86x

Beitrag von triple-o »

Hallo Holger
Erst mal vielen Dank für Deine Mühe, aber gibt es Deine Erklärung auch auf Deutsch? Ich verstehe davon leider meist nur "Bahnhof". :oops:

Soweit ich Dir folgen kann, entsteht bei Dir zuerst die Melodielinie, die Du dann weiter ausbaust. Impliziert das, dass Du dann den Text schon hast, oder kommt der bei Dir erst nach dem musikalischen Part und wie gehst du beim Texten vor? Woher kommt Dein textliches Thema und wie baust Du den Text zusammen?

Herzliche Grüße,
Armin
Pictures in my mind & music in my heart
Benutzeravatar
jafko
Beiträge: 918
Registriert: Mo Mai 29, 2006 10:18 pm
Wohnort: Herscheid im Sauerland

Beitrag von jafko »

Kommt immer drauf an welche Idee zuerst da ist, das ist alles.
Hübches Melodichen gefunden? :arrow: Ausbauen und dann evtl. Text dazu!
Hübche Textzeile gefunden? :arrow: Weiter texten und dann evtl. Melodie dazu.

Dabei ist es lediglich wichtig sich nicht zum Sklaven seiner eigenen Ideen zu machen. Das heißt man muss flexibel bleiben, so, dass man beim zusammenfügen von Melodie und Text nicht mit dem Holzhammer arbeitet.
http://www.wolfgang-meffert.de" onclick="window.open(this.href);return false;
RAc
Beiträge: 831
Registriert: Sa Nov 04, 2006 9:17 am

Beitrag von RAc »

...
Zuletzt geändert von RAc am So Okt 11, 2015 3:28 pm, insgesamt 1-mal geändert.
http://soundcloud.com/rac-13" onclick="window.open(this.href);return false;
mipooh

Beitrag von mipooh »

Texte schreiben liegt mir im Blut, Melodien kommen immer wieder zu mir. Jedoch finde ich keinen Ansatzpunkt, wie ich eins mit dem anderen verbinden kann. Wie geht es euch dabei, bzw. wie geht ihr da so vor?
Mir geht´s zwar genauso, aber mehr kann ich dazu auch nicht sagen... (ohne Glaubenskriege auszulösen).
Benutzeravatar
Holger Hendel
Beiträge: 11951
Registriert: Do Feb 17, 2005 7:18 am
Wohnort: Soltau, Niedersachsen
Kontaktdaten:

Beitrag von Holger Hendel »

Soweit ich Dir folgen kann, entsteht bei Dir zuerst die Melodielinie, die Du dann weiter ausbaust.
Kann man so sagen - ich lasse mir gerne Melodien "vorsetzen", z.B. von einem befreundeten tinwhistle-Spieler.
Impliziert das, dass Du dann den Text schon hast, oder kommt der bei Dir erst nach dem musikalischen Part und wie gehst du beim Texten vor?
Wenn es darum geht z.B. eine Ballade zu schreiben ist für mich essentiell, dass ich als Vorlage den Text habe. Texten, das ist nicht so ganz meine Baustelle, ich kann zwar einen Paarreim von einem Kreuzreim unterscheiden doch dieses Handwerk ist nicht so ganz meins. Zum Glück habe ich auch hier einen sehr fähigen Lieferanten. Auf der vorletzten Forums-CD etwa hatte ich einen unserer älteren Titel vorgestellt, der Barde:
Picker´s Corner – Der Barde
(Text: Wüstenberg (c) )

Ein Barde zog von Land zu Land
Von goldener Zung’, geschickter Hand
Bereiste viele Länder fern
Besingen wollte er stets gern
In seinen zarten Weisen
Die Wege seiner Reisen

So zog er durch die Reiche rund
Und jeder kannte bald die Kund’
Von and´rer Menschen Länder
Die Häuser und Gewänder
Von Schlössern groß und wunderbar
Von Monstern schrecklich und bizarr

Verzaubert waren jung und alt
Von seinen Liedern schon sehr bald
Doch ging er dann so ließ er dort
Die Sehnsucht nach manch fernem Ort

Ja selbst der König war besessen
Die Lieder würd’ er nie vergessen
Den Barden ließ er zu sich bringen
Ewig sollt’ er für ihn singen...

So sang der Barde Tag für Tag
Ganz ohne Sorg’ und ohne Plag’
Doch trotz der besten Speis und Trank
Und auch des Königs höchstem Dank
So fehlt’ ihm doch der Lieder Saat,
Der lang gewund´ne Reisepfad

Er dichtete noch Lieder viel,
Doch eines Tages blieb er still
Diese Vorlage hat mir mein Kollege gegeben und mein Vorgehen war, soweit ich mich erinnern kann: Text lesen, dabei´ne Pfeife rauchen und ihn nochmal lesen usw. und dann, spät. wenn die Pfeife runter ist, die Gitarre greifen und ewas spielen; oberstes Gebot dabei für mich: nicht die neu gelernte Spieltechnik, Skala oder sonstwas mit einbauen sondern den Text stimmungsvoll verstärken - wie es schon geschrieben wurde, es muss am Ende wie aus einem Guss klingen. Für spieltechnische Höchstleistungen gibt es eh schon genug erwähnenswerte Bespiele. Beim songwriting hilft mir seit einigen Jahren v.a. ein looper, Ideen lassen sich damit schnell konservieren und überprüfen, ob sie wirklich so klingen und v.a. wirken wie ich mir das so vorgestellt habe. Im Falle des Barden habe ich mich für Dur in den Strophen entschieden und für einen nonverbalen / instrumantalen Refrain, ein Thema, dass immer wieder zwischen den Strophen vorkommt. Lediglich die vier Zeilen "ja selbst der König..." stehen in Moll, passend zur Gemütslage des fiesen Königs, es folgt ein Mandolinen-Solo über Moll welches in den Refr. mündet...ich mache das manchmal ganz gerne: ich lese den Text eines Stücks bevor ich es höre - und male mir aus, wie es der Künstler wohl vertont hat. Finde ich super spannend, habe ich zuletzt bei der neuen Hannes Wader-Platte so gemacht.

Keene Ahnung, ob Du Zugriff auf die 2011er-Forums-CD hast, ich habe mal unseren Barden hochgeladen, hier zu hören:

https://soundcloud.com/pickingfan/der-b ... r-s-corner

Der Trick ist ja, dass es unendlich viele "Lösungswege" gibt, eine Textvorlage zu harmonisieren, das Werk zu vollenden. Da gibt es doch in der Malerei diese Disziplin bei der man ein Fragment von einem Bild vorgesetzt bekommt und dies dann vollenden muss - da muss man bei den Ergebnissen manchmal überlegen ob wirklich alle Künstler die selbe Vorlage hatten. ;) So ähnlich ist es in der Musik - wenn jemand anderes den Bardentext mit Musik versehen hätte wäre sicher etwas völlig anderes dabei herausgekommen.

Eine weitere konkrete Idee: analysiere fremde Songs. Höre sie raus, welche Formen (Ablauf...z.B. intro - str. - refr. - str. - solo - etc.) kommen häufig vor, was passiert alles in der Musik? Tempowechsel, Tonartwechsel, welche Begleittechnik passt...

Oft wird es schon etwas leichter wenn Du vorher spürst, dass sich der song im Fahrwasser eines bekannten songs bewegen soll - achte mal darauf, bei wievielen "neuen" songs man das Gefühl hat, gerade "dust in the wind" oder "the boxer" zu hören. ;)

Neben der Analyse bekannter songs macht so ein workshop bei Chrissi Lux & co. gewiss sehr viel Sinn. Auch Ulli Bögershausen hat da einiges zu sagen, wir haben mal sein Arrangement von "one of us" durchgeschnackt, ich hatte gefragt warum er es in drop-d stehen hat wo es doch auf Fis-Moll gespielt wird. Die Antwort war verblüffend: weil er so die Harmonie vor der wichtigen 1. Harmonie im Refrain mehr betonen kann; das "volle Pfund" im Bass liegt somit nicht auf der 1. Harmonie sondern auf der 4. und erzeugt eine ganz spannende Stimmung ("personal favorites" S. 24). Workshops sind immer eine gute Adresse um sich Dinge abzuschauen.
Woher kommt Dein textliches Thema und wie baust Du den Text zusammen?
Da lässt sich mein weitgereister Kollege sehr oft von seinen Erlebnissen inspirieren. ;)

Ich denke auch nicht, dass es zu diesem Thema sowas wie einen Glaubenskrieg geben kann - z.B. sind diverse coole Songs nachweislich ;) unter Drogeneinfluss entstanden...
www.holgerhendel.com | facebook | youtube | twitch | Heavy Silence - finest acoustic cover
Benutzeravatar
triple-o
Beiträge: 297
Registriert: Di Dez 19, 2006 10:16 am
Wohnort: 86x

Beitrag von triple-o »

Wow! so viel für mich wirklich wertvollen Input hatte ich nicht erwartet! Vielen, vielen Dank euch allen, dass ihr euch mit dem Thema so intensiv beschäftigt habt. Insbesondere Holgers doch sehr ausführliche und "handwerklich" anwendbare Tipps sind echt klasse.

Jetzt bin ich zumindest theoretisch schon mal ein ganzes Stück weiter und werde mal das eine oder andere Kochrezept von euch ausprobieren. Vielleicht gibts ja bald einmal (welches Jahr verrate ich nicht :-) ) eine erste Hörprobe.

Herzlichen Dank euch allen,
Armin
Pictures in my mind & music in my heart
Benutzeravatar
Pappenheim
Beiträge: 9361
Registriert: Mi Feb 24, 2010 7:26 pm
Wohnort: Gaweinstal, Niederösterreich
Kontaktdaten:

Beitrag von Pappenheim »

Holger Danske hat geschrieben:Keene Ahnung, ob Du Zugriff auf die 2011er-Forums-CD hast, ich habe mal unseren Barden hochgeladen, hier zu hören:

https://soundcloud.com/pickingfan/der-b ... r-s-corner
Das ist das absolut genialste Stück der 2011er CD und zwar mit Abstand. Ich kann das nicht oft genuch betonen. Seitdem bin ich offzieller Holger-Danskdingsbums-Fan...!!! Hör ich grad wieder --- so tolle, echt jetzt. Ich wünschte, mir würde mal sowas einfallen, wobei wir gleich wieder zum Fred selber kommen: Ich hab da auch jede Menge Ideen in Melodie und Text aber es will nicht so recht werden. Aber ich verwette mein Präputium dass das noch wird. Scheißegal was erst kommt, Henne oder Ei, sprich: Melodei oder Text. Wenns kommt, dann kommts (dir) :mrgreen: ok, blöd, aber ich hab schon ne Flasche Wein in mir, und die Kreativität kommt und kommt und kommt und jeden trifft sie irgendwannmall...... :P
Benutzeravatar
laschek
Beiträge: 1430
Registriert: Sa Mai 22, 2010 3:21 am
Wohnort: Eisenach

Beitrag von laschek »

hmm

bei mir ists meist die Melodei die zuerst da ist. meistens hat ich diese schon ewig im ohr. dann kommt ein text aus dem erlebten.

naja, wenn ich betrunken bin, kommt auch manchmal erst der text. wie pappe schon sagt, es kommt wies kommt. nur nicht stressen.wenn man nicht gerade proff. songwriter ist oder bob dylan und reinhard mey heisst, kann man sich auch gern mal zeit lassen. ich schreib manchmal ein halbes jahr lang keinen song und dann wieder 3 an zwei tagen.

es kommt aber auch darauf an was für musik du machst. ein liedermacher achtet eventuel etwas mehr auf ausdruck und textinhalt als ein rockmusiker wo das publikum eh nur abrocken will.

PS sag blos du bist noch wach Pappe? :shock:
PS Nr 2: ich finde den "Barde" von der 2011 er scheibe auch am geilsten :wink:
Hübenbecker C1
Larrivee L03R
Avalon S200 Lorida
Takamine EF 408
Benutzeravatar
Pappenheim
Beiträge: 9361
Registriert: Mi Feb 24, 2010 7:26 pm
Wohnort: Gaweinstal, Niederösterreich
Kontaktdaten:

Beitrag von Pappenheim »

laschek hat geschrieben:PS sag blos du bist noch wach Pappe? :shock:
Jip, und voll des guten Weines! :bop:

Hör dir mal das an, mein Güte, Alterhe!!!
Gast

Beitrag von Gast »

Hi du,
ich hab da eine "etwas" andere Herangehensweise gefunden, mit der ich bisher ganz gut fahre.

Zuersteinmal suche ich mir Musiker die so ähnliche Musik spielen wie auch ich.
Dann suche ich mir vorzugsweise "Akustik-Versionen" dieses Liedes.
Also irgendein unplugged Konzert vom betreffenden Künstler.
So kann ich mich dann voll und ganz auf das eine Instrument beziehen.
Daher schöpfe ich meine Ideen.
Nicht unbedingt textlich - ich lese mir die Texte durch um ein Gespür dafür zu bekommen, wie man eine Geschichte am besten erzählt.
Dann natürlich ob es eine Ballade ist oder was "fetziges"
Man muss ja auch dazu sagen, wenn man mal von Singer Songwritern sich NUR die Texte durchliest, dann kommt man manchmal zu der Erkentnis, dass die Texte Inhaltlich jetzt nicht das Rad neu erfinden. Gerade in der Musik in der ich mich bewege ( so Country singer songwriter-sachen ). Und auch die Melodie, Akkordfolgen, ect. sind bei den besten Stücken sogar sehr simpel gehalten.
Das zusammenzufügen und interessant rüberzubringen - das ist auch ein Stück weit die Kunst.

Ich hab jetzt die ersten male einfach drauf losgeschrieben.
Ich gehe dann so vor, dass ich eine Melodie "GANZ GROB" im Kopf habe.
Dann setz ich mich mit der Gitarre an einen Tisch und gehe Strophenweise vor.
Ich schreibe zum beispiel zwei Zeilen und dann schau ich ob die Melodie dazu passt. Wenn mir die Melodie so gefällt und auch so bleiben soll, versuche ich den Text ein wenig anzupassen. Wenn mir der Text gefällt - dann umgekehrt. Wobei das erstere öfter passiert.
Gerade wenn man - so wie wir - als Akustik-Duo unterwegs sind, muss man schon überlegen wie man die Songs aufbaut, dass sich nicht alles gleich anhört.

Aber auf die Art hab ich in zwei Tagen zwei Songs fertiggestellt. Klar, die werden noch bearbeitet, überall lässt sich was verbessern.
Aber ich denke du solltest auch einfach mal nen Song schreiben ( mit der Methode, die dir am besten gefällt ) und dann den mal vortragen - damit man auch mal ein Feedback bekommt.

Ich wünsch dir viel Erfolg

Gruß
Matthias
Antworten