Kopie einer Johann Georg Stauffer Gitarre (1804)

Hier zeigen die Laien, was sie trotz linker Hände drauf haben!
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Joachim
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Kopie einer Johann Georg Stauffer Gitarre (1804)

Beitrag von Joachim »

Liebes Forum, anbei der Bericht über meinen Eigenbau.
Ich mache es spannend und berichte Tag für Tag :-)

0. und 1. Tag:
Am Sonntag den 20. Februar machte ich mich auf den Weg nach Hofheim in Unterfranken zu dem Gitarrenbauer Hermann Gräfe. Würden meine zwei linken Hände ausreichen, um wirklich nach 14 Tagen eine Gitarre in den Händen zu halten?
Ich war unsicher, freute mich aber sehr auf die Zeit in Unterfranken (diese Bayrischen Bezeichnungen der Regierungsbezirke sind für mich immer noch verwirrend, warum liegt Unterfranken nicht "unter" Oberfranken sondern "daneben" und warum ist Oberbayern unter Niederbayern, na ja darum geht es hier ja nicht :wink: ).

Gleich am Sonntagabend ging es dann zu Johannes Tappert, der nicht nur ein ausgezeichneter Gitarrist, sondern auch profunder Kenner und Sammler historischer Gitarren ist. Zusammen mit Hermann konnten wir seine Sammlung bestaunen, die neben einigen wunderbaren Exemplaren der Wiener Schule auch Gitarren aus Frankreich und den USA umfasst, aber ich will hier gar nicht ins Detail gehen, das wäre ein anderes Thema. Eine Gitarre hatte es mir gleich angetan, eine Johann Georg Stauffer aus dem Jahre 1804

Bild

Diese Gitarre sah nicht nur wunderbar aus, sondern sie klang auch hervorragend. Johannes hat mit Thomas Müller Pering eine tolle CD eingespielt, auf der neben einer weiteren Stauffer Gitarre diese Modell meisterhaft von ihm gespielt zu bewundern ist.

Diese Gitarre fand Ihren Weg in die Werkstatt von Hermann Gräfe, wo wir sie dann am Montag vermessen und einen Bauplan erstellt haben.

Auf dem folgenden Foto ist ein Wirbel zu sehen, der aufgrund des Messing-Konuses wunderbar läuft und eine echte Alternative zu Mechaniken darstellt:

Bild .


Zettel der Stauffer Gitarre:

Bild .


"Abpausen" der Gitarre:

Bild .

Abnahme der Deckenstärken:

Bild .

Die Gitarre und der Bauplan:

Bild .

Auch über den Zierrat muss nachgedacht werden:

Bild .

Vorbereiten der Decke. Hier konnte ich mir die Decke aus vielen vielen Sätzen auszusuchen. Es war für mich sehr interessant festzustellen, wie unterschiedlich die Decken beim Abklopfen doch klingen. Manche dunkel andere heller. Ich habe mich aufgrund des Instruments für eine eher hell klingende Decke entschieden. Die sehr gleichmäßig gemasert ist.

Bild .

Fügen der Decke:

Bild .

Fortsetzung folgt. :D
Zuletzt geändert von Joachim am Mi Mär 23, 2011 7:45 am, insgesamt 3-mal geändert.
Gruss
Joachim :guitar1:

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RB
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Beitrag von RB »

Vielen Dank für diesen Blog, ich bin sehr gespannt. Ist denn diese Gitarre von Stauffer noch vernünftig spielbar ?
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Joachim
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Beitrag von Joachim »

Hallo Reinhard.

Die Gitarre hat eine Mensur von 61 cm. Das ist ok. Problematischer ist die Halsbreite von 44 mm. Ich habe mir erlaubt diese bei der Kopie auf 48 mm hochzusetzen und dann geht es ganz gut...
Gruss
Joachim :guitar1:

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stephan
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Beitrag von stephan »

Hallo Joachim,
auch von mir ein Dankeschön für diesen überaus interessanten Bericht.
Ich freue mich schon auf die Fortsetzung.

Aufgefallen ist mir, das die 200 Jahre alte Stauffer eine zeitlos elegante Korpusform hat, die mich immer noch anspricht und die ich sogar als "modern" bezeichnen würde.
Wunderschön!

Lieben Gruß
Stephan
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Joachim
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Beitrag von Joachim »

Hallo Stephan,

genau das hat mich auch an der Gitarre angesprochen, ihre zeitlose Schönheit. :D
Gruss
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H-bone
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Beitrag von H-bone »

Bin SEHR gespannt auf den Bericht !! :D

Liebe Grüsse, Martin
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Joachim
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Beitrag von Joachim »

Es folgt der zweite Tag.

Die Einlagen um das Schalloch müssen vorbereitet (gebogen und verleimt) werden. Die Nut um das Schallloch wird ausgestemmt und der Schalllochring wird eingelegt.
Danach muss das Ganze verputzt werden:

Bild

Auf dem Foto auch zu sehen mein Lieblingswerkzeug die Ziehklinge ;-)

Bild

Des Weiteren werden die Zargen vorbereitet:

Bild

Mit der Maschine auf 1,8 mm vorgeschliffen und anschließend gründlich befeuchtet und unter Hitze vorgebogen:

Bild.

Anschließend werden die Zargen auf die Endform gebogen. Hierzu kommen Sie in diese wundervolle Maschine (deutlich ist zu erkennen, dass sich Hermann auch noch immer sehr über deren Einsatz freut ;-) ), die die Hitze mit Hilfe einer beheizbaren Silikonmatte in die Zargen einbringt. Hermann hat zuvor eine Form aus verleimten Schichtholz angefertigt, an die die Zargen während Ihrer Hitzewallungen anschmiegen können.

Bild.

Ohne dieses Hilfwerkzeug hätte ich sicherlich tagelang an den Zargen gebogen. Insbesondere der Riegelahorn ist nicht einfach zu biegen, "Tausend Mal berührt und es hat Zoom gemacht !", wäre mir sicherlich nicht erspart geblieben, aber so war es entspannt. Man darf nur nicht vergessen den Strom rechtzeitig abzuschalten sonst kommen die Zargen verkohlt aus der Maschine. Die Temperatur beim Biegen beträgt ca. 70 Grad Celsius.

Da wir aber natürlich den Strom rechtzeitig ausgeschaltet haben, können wir frohgemut die Zargen aus der Maschine nehmen, nachdem Sie dort einen längeren Zeitraum entspannt haben.

Bild
Gruss
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Joachim
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Beitrag von Joachim »

Ich habe keine Lust zu arbeiten, da erzähle ich Euch lieber noch vom dritten Tag:

Es ist Zeit an den Boden zu denken. Er besteht aus Riegelahorn. Das Original hat einen furnierten Fichte Boden, auf den wir hier aber verzichten.

Bild

Die Decke ist inzwischen auch annäherend auf Form gesägt. Mit Fahrradschläuchen werden kleine Splitter fixiert, die am Schallloch ausgerissen und mit Sekundenkleber wieder eingeklebt wurden.

Bild

Damit Ihr sehr, dass ich den Zargenbieger auch bedienen kann das nächste Bild:

Bild

Die Mittelleiste wird auf den Boden verklebt. Sehr praktisch finde ich die Federstäbe von Hermann, die ein senkrechtes Ausrichten der Druckstäbe ermöglichen. Wie Ihr seht liegt der Boden schon auf einer Unterlage der die Wölbung hat.

Bild

Das Holz für dir Leisten wird gespalten, das sichert einen optimalen Faserverlauf der Verstärkungsleisten und damit gute Festigkeitswerte und einfaches späteres Bearbeiten (Schnitzen).

Bild

Die Leisten werden auf Dicke gehobelt und auf einer Seite plan (Decke) bzw. auf Bodenwölbung, damit sie mit Decke bzw. Boden verleimt werden können.

Bild

Bild

Fortsetzung folgt...
Gruss
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Joachim
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Beitrag von Joachim »

... und es folgt der vierte Tag:

Die Bodenleisten werden aufgeleimt:

Bild.

Ober- und Unterklotz werden eingepasst, so dass der Zargenkranz gebaut werden kann. Sehr von Vorteil ist hier die Form, die Hermann vorher gebaut hat:

Bild.

Der Hals und die Kopfplatte werden angezeichnet. Aus dem Hals wird ein Zapfen geschnitten, der später in den Hals gefügt wird. Knifflige Sache, da lauter schräge Ebenen entstehen:

Bild.

Den Halswinkel von 25 Grad finde ich bedeutend :-) , hat alles seine Vor- und Nachteile. Dadurch wird der Hals etwas gestaucht, was vielleicht die Saiten etwas weicher erscheinen lässt.

Das war es schon für den heutigen Tag...

Fortsetzung folgt....
Gruss
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Joachim
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Beitrag von Joachim »

Es geht weiter mit dem fünften Tag.

Zwischendrin haben wir mal einen Tag verschnauft und sind in das Germanische Museum in Nürnberg gefahren. Es gibt dort eine interessante Ausstellung historischer Instrumente und wir bekamen als Anhängsel der Berufsfachschule für Musik in Bad Königshofen und Johannes Tappert eine wunderbare Führung durch den Kurator Dr. Bär. Also wer in der Nähe ist, ein Besuch lohnt sich, wie auch der Besuch der Ausstellung "Von der Renaissance zum Barock zur Aufklärung".

Aber jetzt geht es weiter mit den wesentlichen Dingen im Leben...

Die Deckenleisten werden aufgeleimt:
Bild

Das Motto von Hermann lautet hierbei: "lieber weniger Druck und dafür gleichmäßig verteilt", ihr seht die Druckstäbe sind sehr dicht gesetzt...

Nachdem dieser Verbund einige Stunden aushärtet, kann er entnommen werden.
So würde die Decke wohl nicht klingen:

Bild

Also geht es ans Schnitzen der Leisten. Da diese vorher gespalten wurden und somit die Faserrichtung stimmt, ist es ein Vergnügen. Die Beleistung beschränkt sich auf vier Querleisten, die allerdings ziemlich hoch sind. Die Leisten werden über die Länge dreieckig geschnitzt mit Ausfederungen an den Enden. Das Profil wird ebenfalls dreieckig. Die Höhen haben wir vorher am Original abgenommen. Interessant ist, dass es keine Fächerleisten gibt und die Membran völlig leistenfrei ist. Nach dem Schnitzen erscheint die Decke in dieser Gestalt:

Bild

Die Decke besitzt übrigens keine konstante Dicke sondern variiert von 3,0 mm im Druckbereich unter dem Schallloch bis zu 2,6 mm im Membranbereich. Beim Ausarbeiten der Decke habe ich immer versucht mir die Chladny-Figuren (Eigenformen) der Decke vorzustellen und diese "zu unterstützen", also an den Schwingungsbäuchen etwas mehr wegzunehmen. Des Weiteren habe ich den Randbereich der Membran etwas mehr ausgenommen. Na ja, irgendwie muss ja jeder sein persönliches Voodoo in das Instrument bauen ;-)

Der Hals und die Kopfplatte werden verleimt. Diese Verbindung hatte es, wie bereits beschrieben "in sich" und ist auch nicht wirklich perfekt geworden. Alles was nicht dem Original entspricht hat aber natürlich "akustische Gründe" ist also absichtlich so gemacht worden ;-)

Bild

Bild
Zuletzt geändert von Joachim am Mi Mär 09, 2011 7:22 am, insgesamt 1-mal geändert.
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notenwart
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Beitrag von notenwart »

Interessant Joachim;
ich würde mir das nicht zutrauen :-)

Danke bisher
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Joachim
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Beitrag von Joachim »

Thomas,

ich bin sicher Du würdest es schaffen.
Meine handwerklichen Fähigkeiten sind höchstens Durchschnitt. Du bekommst sehr viel Hilfe von Hermann und Fehler kann man wieder beheben, meist, siehe Tag 6. Aber es ist anstrengend weil ich mich bei den selbstverständlichsten Arbeitsschritten, die einem Geübten leicht von der Hand gehen, sehr konzentrieren musste...
Gruss
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Joachim
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Beitrag von Joachim »

Bevor ich mich an die Gitarre setze und spiele anbei noch der 6. Tag...

Heute habe ich nicht so viel fotografiert auch wenn der Tag sehr arbeitsreich war.
Der Kasten wurde zum verleimen vorberitet. Hierzu wurden zunächst die schon auf Form in der Maschine gebogenen Reifchen eingeleimt und diese an den Stellen wo die Leisten sind entsprechend eingeschnitzt. Auf der anderen Seite wurden die Decken und Bodenleisten eingesägt damit sie auf diesen Reifchen zum Aufsitzen kommen und ein wirklich sauberer Abschluss entsteht, was denke ich auch klanglich sehr sehr wichtig ist.

Bild

Bild


Ihr wundert Euch vielleicht dieses Foto zu sehen. Die Leisten wurden doch schon auf dem Boden verleimt. Richtig! Aber... Leider hatte ich zwei Bodenleisten falsch eingesägt also zu kurz gestaltet, so dass der Kasten an dieser Stelle klapperte. Da ließen sich wirklich keine akustischen Gründe finden und die die Bodenleisten mussten wieder entfernt werden (geht besser als ich dachte) und neue Bodenleisten aufgeleimt werden. Immerhin war das ein Fehler, der wieder zu beheben war. An den spätern Tagen kommen einige Arbeitsschritte, die einfach nicht schiefgehen dürfen, die so genannten "Operationen am offenen Herzen", aber dazu später zur entsprechenden Zeit...

Fortsetzung folgt...
Gruss
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ralphus
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Beitrag von ralphus »

Echt spannend, und wirklich wunderbar, dass bei Dir die Tage so schnell vergehen und hier ein zügiger Baufortschritt präsentiert wird - nicht so laaaaaannnngsaaaam wie bei den Profis ;-)

Wenn ich die Bilder so sehe, könnte ich auch auf die Idee kommen..

Ich bin auf weitere Berichte und Bilder gespannt und dann natürlich auch auf Soundbeispiele.
Viele Grüße

ralphus
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Joachim
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Beitrag von Joachim »

So, es gilt über den siebten Tag zu berichten.

Der Hals ist mit den Stücken, die dann den Halsfuß bilden verleimt und es kann daran gegangen werden den Kopf an der Bandsäge auszusägen:

Bild

und

Bild.

In der Zwischenzeit hat Hermann eine wunderbare Form gebaut, mit der der Keil in die Zargen des Korpusses und in den Halsfuß gefräst werden kann. Es wird sich zeigen, dass es mit Hilfe dieser Form sehr leicht ist den Korpus mit dem Hals zu verleimen.

Bild

Ich stelle fest, dass ich im Laufe der Zeit doch etwas fotofaul geworden bin, aber mit dem siebten Tag haben wir die Durststrecke durchschritten. In den folgenden Tagen gibt es wieder mehr Fotos, es wird auch immer spannender.
Gruss
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