"Baubericht" Schaller zu Grover beim Fensterkopf

Hier zeigen die Laien, was sie trotz linker Hände drauf haben!
Benutzeravatar
RB
Beiträge: 20071
Registriert: Di Feb 08, 2005 11:18 pm
Wohnort: Wetzlar
Kontaktdaten:

"Baubericht" Schaller zu Grover beim Fensterkopf

Beitrag von RB »

Heute habe ich eine kleine Operation durchgeführt, die mich etwas Nerven gekostet hat, weil die Gefahr bestand, durch tumbes Hantieren Schaden anzurichten. Aber mit der mir eigenen Gewandheit ist es mir gelungen, den Schadenseintritt zu vermeiden.

Ausgangspunkt ist das hier:

Bild

Eine Gitarre mit Fensterkopf und den werksseitig eingebauten Mechaniken, die ich austauschen wollte. Grund: Die werksseitigen Mechaniken sind gekapselte, vergoldete und sehr schön anzuschauende Teile, mutmaßlich eine Variante der Schaller-Mini-Serie, deren Nachteil aber darin besteht, daß sie 1:14 untersetzt sind und das ist mir bei den Saiten, die ich so spiele, einfach etwas zu wenig. 1:18 sollten her. Also habe ich Grover Sta-Tites für Fensterkopf erworben, die haben 1:18, sehen ansonsten aber sehr "vintage" aus, mit "Butterbean"-Knöpfen und offener Mechanik.

Das warf ein paar Probleme auf, die mit den unterschiedlichen Gepflogenheiten der metrischen und der imperialen Welt zu tun haben: Während die mutmaßlichen Schaller einen Achsdurchmesser von 6 mm aufweisen, haben die Grovers einen von 6,32 mm - wie nach meinem Wissen alle amerikanischen Mechaniken. Das bedeutet erst einmal, daß die Wellenlager, in denen die Achsen laufen, zu kleine Bohrungen haben.

Bild
Abb 2: Wellenlager

Außerdem unterscheiden sich die Mechaniken im Aufbau. Grover ist mehr oder weniger eine Grundplatte, aus der die Welle herausragt, die gekapselte dagegen läuft in einen Zylinder aus, der 10 mm Durchmesser hat, wie man auf dem folgenden Bild schön sehen kann.

Bild
Abb. 3: linke Mechanik zurückgezogen

Die Mechaniken hinterlassen also in den Aussen-Stegen des Fensterkopfs 10 mm große Löcher, die von der nur 6,32 mm starken Welle der Grover-Mechanik nicht ausgefüllt werden. Da müssen ebenfalls Lagerbuchsen hinein.

Die Lösung besteht in Lagebuchsen, die außen metrisch sind (10 mm) und innen zöllig (6,32) mm. So etwas gibt es glücklicherweise zu kaufen.

Bild
Abb. 4: Adapterbuchsen

Martin Wieland von Deerbridge - danke für die Tips - hat mich darauf hingewiesen, daß das Austreiben der Buchsen nicht "ohne" sei, daß man also sehr schnell durch unbedachtes Tun den Fensterkopf beschädigen könne. Also habe ich hin und her überlegt, bis hin zu abenteuerlichen Abziehern, die ich im Geiste mehrfach konstruiert und wieder verworfen hatte. Ich habe zwei Mechaniken abgeschraubt und sah, daß die Bohrung im Mittelsteg durchgehend war:

Bild
Abb. 5: Durchgehende Bohrung 1 im Mittelsteg

Also frohlockte ich, indem ich mir vorstellte, die Buchse mittels eines von der anderen Seite eingeführten Werkzeugs und vorsichtiger Gewaltanwendung herauszutreiben. Aber:

Bild
Abb 6: O ihr finsteren Tunnel im Mittelsteg

Die beiden anderen Löcher gehen nicht durch. Das ist im Grunde auch klar, der Mittelsteg wird zum oberen Rande hin breiter, die Bohrungen sind eben alle gleich tief.

Die Lösung, die ich fand, mag unkonventionell, vielleicht sogar brachial und brutal erscheinen, aber sie hat funktioniert:

Bild
Abb. 7: RBs Offenefensterkopfplattenmechanikenlagerbuchsenausziehgerät

Und dann mit Schmackes:

Bild

Bild
Abb. 7 und 8: Herausziehen der Lagerbuchsen

Es braucht knapp so viel Kraft, wie diejenige, die nötig ist, um eine gute Flasche Weines zu öffnen. Damit war das Feld erst einmal bereitet.

Bild

Anschließend das Einpressen der Lagerbuchsen innen:

Bild

Bild
Abb. 10 und 11: Einpressen innen

Eine andere Methode ist mir nicht eingefallen. Man kann eine Pumpenzange so bedienen, daß nichts verkantet und nichts verschrammt wird. Wenn eine Verkantung begann, half Absetzen und leicht versetzter Neu-Ansatz.

Dann das Einpressen der Lagerbuchsen aussen:

Bild
Abb. 12: Einpressen aussen

Als Widerlager dient in diesem Fall ein Brocken amerikanischer Roteiche. Der Abdruck einer Pumpenzange auf der Aussenseite des Fensterkopfes wäre doch ein Ärgernis gewesen.

Damit ist der Weg bereitet, die Mechaniken anzuschrauben.

Bild
Abb. 13: Hier fehlen noch die auf der linken Seite

Bild
Abb. 14: Alle eingesetzt


Also krame ich sie nun hervor:

Bild
Abb. 14 b: mechanici nostri novae

Passen die Mechaniken überhaupt ? Fluchten die Lagerbuchsen ?

Bild
Abb. 15: Low and behold, es gung hinein

Jetzt sollte man sehen, daß es keine Hundertwasser-Gitarre wird, bei der die Wirbel in alle Richtungen stehen können.

Bild
Abb. 16: Ausrichten der Grundplatten

Das habe ich in Robert Cumpianos Buch Guitarmaking -Tradition and Technology gesehen: Ein Lineal oder etwas ähnlich Gerades zur Ausrichtung, dann das Anzeichnen der Bohrungen mit einem Stift. Man sieht, daß die Grover-Footprints in diesem Fall die enger sitzenden Löcher der gekapselten Mechaniken verdecken.

Ich habe mit dem Dremel frei Hand 1,5 mm vorgebohrt. Dabei hatte ich eine Heidenangst, durchzubohren. Man hätte dann auf den Innenseiten der äußeren Stege kleine Löcher gehabt. Da ich aber die ruhige Hand eines Meisterschützen habe, lief nichts aus dem Ruder.

Bild
Abb. 17: Schrauben eingeschraubt

Bild
Abb. 18: Mission accomplished

Schon beim Aufziehen der (alten) Saiten war der Unterschied zu spüren. Nun steht dem Aufstieg zum Superstar nichts mehr im Wege.

Wer diese Umbauarbeit vor hat und Adapterbuchsen benötigt, bestelle die lieber bei Stewart MacDonald in den USA, als beim Großen T oder sonstwo in Europa. Dann nämlich läuft man Gefahr, Buchsen zu bekommen, die in Deutschland gefertigt werden. Da steht dann 6,3 mm darauf und es sind auch exakt 6,3 mm. Schließlich kann man doch nicht einfach ein paar Hundertstel Ungenauigkeit zulassen, wir sind schließlich in Deutschland. Was ?

Will sagen: Ich hatte 6 Buchsen von Stewart MacDonald, die paßten. Dann bemerkte ich den Umstand, daß ich sechs weitere Buchsen benötigen würde, die bekam ich vom großen T, sie haben 6,3 mm. 6,3 mm. Die habe ich auf 6,4 aufbohren müssen, zum Glück war ich so schlau, vor dem Einbau zu prüfen, ob die Welle der Grover-Mechanik hindurch geht.
Zuletzt geändert von RB am Mo Apr 08, 2013 12:03 pm, insgesamt 3-mal geändert.
Sam
Beiträge: 993
Registriert: Do Mär 14, 2013 9:59 am
Wohnort: NRW

Beitrag von Sam »

Mut haste ja, das muss man Dir lassen ! Aber die Operation hat sich gelohnt ! Herzlichen Glückwunsch ! :bide: :bide: :bide:
Und das beste Spezialwerkzeug für feinste Arbeiten im Mikrometerbereich gibt´s bei - OBI ! :aua:

LG - SAM
Liebe Grüsse - Sam
Neunzehnsechsundsechzig
Beiträge: 65
Registriert: So Mär 10, 2013 1:38 pm

Beitrag von Neunzehnsechsundsechzig »

Die Bohrlöcher der alten Mechaniken...sind die durch die Grovers abgedeckt?
Benutzeravatar
RB
Beiträge: 20071
Registriert: Di Feb 08, 2005 11:18 pm
Wohnort: Wetzlar
Kontaktdaten:

Beitrag von RB »

:mrgreen: In der Tat, ich habe meine normale hochwertige Pumpenzange nicht gefunden, sonst hätte ich die natürlich verwendet. Und die Schrauben habe ich mit dem Leatherman Surge eingeschraubt.

PS: Pappenheimer, falls Du das lesen solltest, die Dinger stimmen sich von ganz alleine.

Insgeheim bin ich froh, daß alles geklappt hat, aber ich kenne auch meine Fähigkeiten in diesem Bereich und konnte einschätzen, daß das zu schaffen ist. Das Herausziehen der Buchsen mittels passender Schraube hatte ich mir schon innerlich zurechtgelegt gehabt.

Ach so: Ich habe einen Satz gekapselte Mechaniken - mutmaßlich Schaller mini - vergolder mit Acrylic Knobs und der Aufschrift "C. F. Martin" zu vergeben. Die Lageruchsen sind innen mit einer Spiral-Linie aufwendig graviert, leider sieht man das nicht mehr, wenn die Mechaniken eingebaut sind. Set komplett mit 6 Mechaniken, 6 Lagerbuchsen 10/6 mm und 12 Schrauben. Untersetzung 1:14.

Bild

Preis VHS.
Benutzeravatar
wuwei
Beiträge: 2628
Registriert: Di Jun 28, 2011 9:07 pm
Wohnort: Im größten Dorf der Welt
Kontaktdaten:

Beitrag von wuwei »

SAM hat geschrieben:Mut haste ja, das muss man Dir lassen !
Ach, das ist einfach der uramerikanische Pioniertrieb, der sich hier machtvoll Bahn bricht. :wink:

@RB: Danke für den kurzweiligen, köstlich zu lesenden Baubericht. Finde das Ergebnis der Operation schon ästhetisch sehr gelungen. Aber 1:18, mhm... ich weiß nicht... gegen die Pappenheim'sche Stimmautomatik ist das doch ziemlich Vintage, oder?

Herzlichen Gruß, Uwe
"A Harf’n g’hert in ka Symphonie;
i’ hab’ ma nöt helf’n könna."
(Anton Bruckner über seine 8.)
Fayol
Beiträge: 1305
Registriert: Do Apr 07, 2011 9:35 pm

Re: "Baubericht" Schaller zu Grover beim Fensterko

Beitrag von Fayol »

RB hat geschrieben: ...
Grund: Die werksseitigen Mechaniken sind gekapselte, vergoldete und sehr schön anzuschauende Teile, mutmaßlich eine Variante der Schaller-Mini-Serie, deren Nachteil aber darin besteht, daß sie 1:14 untersetzt sind und das ist mir bei den Saiten, die ich so spiele, einfach etwas zu wenig. 1:18 sollten her.
....
Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Ich habe an meiner (Haß-)Liebe :wink: der Yamaha LJ6 diese Gotoh Mechniken mit 1:21 gegönnt. Das Stimmen der Gitarre geht jetzt wesentlich sensibler...:D

Bei allen Pro's gibt es aber auch Nachteile. Beim Saitenwechsel besteht die Gefahr, etwas "durchzudrehen".

Ich habe die Knöpfe übrigens durch Roswood Knöpfe von Schaller ersetzt...

...was ich für meine Liebe nicht alles so tue... :whistler:
Benutzeravatar
jay-cy
Beiträge: 1632
Registriert: Do Jan 27, 2011 12:20 pm

Beitrag von jay-cy »

Cool!
Slothead=Butterbeans, jetzt passt es!
Benutzeravatar
RB
Beiträge: 20071
Registriert: Di Feb 08, 2005 11:18 pm
Wohnort: Wetzlar
Kontaktdaten:

Beitrag von RB »

@Neunzehnsechsundsechzig: Ja, die sind komplett abgedeckt. Die Schaller Mini (mutmaßlich) haben einen kleineren "Footprint", die Grundplatten der Grovers sind ja recht ausladend. Das war mir ganz recht, andernfalls hätte ich die alten Schraubenlöcher verschlossen, das wäre mehr Arbeit gewesen.

@Fayol: 1:21 ist heftig, die 18 reichen mir durchaus für weiches Stimmen. Die 1:14 gehen auch, aber man tut sich mit 12ern oder 13ern doch etwas schwerer.

@Jay: Das kommt noch hinzu.
Benutzeravatar
RB
Beiträge: 20071
Registriert: Di Feb 08, 2005 11:18 pm
Wohnort: Wetzlar
Kontaktdaten:

Beitrag von RB »

@Wuwei: Die stimmen sich von alleine und das ganz ohne Akku, aber nicht verraten.
Neunzehnsechsundsechzig
Beiträge: 65
Registriert: So Mär 10, 2013 1:38 pm

Beitrag von Neunzehnsechsundsechzig »

RB hat geschrieben:@Neunzehnsechsundsechzig: Ja, die sind komplett abgedeckt. Die Schaller Mini (mutmaßlich) haben einen kleineren "Footprint", die Grundplatten der Grovers sind ja recht ausladend. Das war mir ganz recht, andernfalls hätte ich die alten Schraubenlöcher verschlossen, das wäre mehr Arbeit gewesen.
Gut zu wissen. Ich habe zwar keinen Fensterkopf, aber kleine geschlossene Mechaniken. Demnach dürfte es sich bei einem Wechsel ähnlich verhalten. Das ist zwar nicht dringend notwendig, aber diese matten Nickel-Butterbean Mechaniken haben es mir schon seit längerem angetan.
Benutzeravatar
jay-cy
Beiträge: 1632
Registriert: Do Jan 27, 2011 12:20 pm

Beitrag von jay-cy »

Für solche älle lohnt sich ein Blick auf die website von Stewmac.
Die haben bei den Tuners unter Specs jeweils eine technische Zeichnung mit den Abmessungen. Die kann man ganz gut heranziehen um zu beurteilen, ob sich Mechaniken problemlos austauschen lassen.
Benutzeravatar
RB
Beiträge: 20071
Registriert: Di Feb 08, 2005 11:18 pm
Wohnort: Wetzlar
Kontaktdaten:

Beitrag von RB »

Sollte es sich um eine Gitarre des Herstellers Cfm handeln und diese auch neueren Datums, so kann es sein, dass die Löcher durch die Kopfplatte unten mit 10 mm einsetzen, im oberen Drittel aber dünner werden, so dass der Wechsel auf Grover ohne adapterbuchsen oder ähnliche Kompliziertheit vonstatten gehen kann.
Benutzeravatar
ralphus
Beiträge: 3355
Registriert: So Aug 19, 2007 11:39 am
Wohnort: Big Jack Village - Germany SH
Kontaktdaten:

Beitrag von ralphus »

Coole Aktion super dokumentiert...

Als ich die Rohrzange sah, dachte ich: "Der hat wohl noch nie gehandwerkert - in "dem Alter" noch eine niegelnagelneue Rohrzange....."

Aber dann las ich weiter unten
....ich habe meine normale hochwertige Pumpenzange nicht gefunden,
Das ist wohl ein Fall von "erfolgreich ausgeliehen..."

Tja, Deine neuen Mechaniken haben leider einen Nachteil - die Welle nicht konkav gefräst sind wie die, die wir mal hier besprochen hatten - aber solche Mechaniken scheint es nicht standartmäßig zu geben - zumindest habe ich nichts gefunden. Larrivee scheint die custommäßig zu ordern....

Aber das wäre noch mal eine Idee, um Deine Drehbank auch noch mal in Einsatz zu bringen ;-)
Zuletzt geändert von ralphus am Mo Apr 08, 2013 4:10 pm, insgesamt 2-mal geändert.
Viele Grüße

ralphus
Benutzeravatar
jay-cy
Beiträge: 1632
Registriert: Do Jan 27, 2011 12:20 pm

Beitrag von jay-cy »

Dann haste aber effektiv nicht mehr 1:18 und kurbelst Dir den Wolf... :wink:
Benutzeravatar
ralphus
Beiträge: 3355
Registriert: So Aug 19, 2007 11:39 am
Wohnort: Big Jack Village - Germany SH
Kontaktdaten:

Beitrag von ralphus »

jay-cy hat geschrieben:Dann haste aber effektiv nicht mehr 1:18 und kurbelst Dir den Wolf... :wink:
Darüber muss ich erstmal nachdenken........

Hmmm das Verhältnis 1:18 gilt doch für die Anzahl der Umdrehungen von Flügel zur Welle - dieses Verhältnis wird bestimmt durch die Anzahl der Zahnräder bzw. der "Enge" des Schneckenantriebs. Durch das konkave fräsen der Welle ändert sich m.M. das Verhältnis 1:18 nicht.

Wo Du natürlich recht hast - ist, dass Du so lange die Saitenwicklung noch an der dünnsten Stelle der Welle ist, muss man mehr kurbeln, um die gleiche Länge um die Welle zu wickeln. Von daher gebe ich Dir recht, dass für den stimmenden Gitarristen, der Eindruck entstehen mag, dass das Übersetzungsverhältnis anders ist. Bei der konkaven Welle ist es sogar so, dass das Verhältnis Anzahl der Umdrehung am Flügel zu Änderung der Saitenspannung sich ständig ändert.

In der täglichen Stimmpraxis ;-) ist das aber nach meiner Erfahrung unerheblich und es überwiegt der Vorteil des sicheren Saitenhaltes und der einfachen zu handhabenden "schönen, exakten" Wicklung. ;-)

Bei solid-peghead-Mechaniken ist es ja üblich, dass die Welle für die Saitenwicklung leicht konkav ist, damit verhindert wird, dass die Saitenwicklung aus Versehen nach oben abhaut, von daher habe ich mich gewundert, dass man die von mir o.a Vorteile der konkaven Welle wohl nicht standartmäßig zu kaufen bekommt. (zum. nach "oberflächlicher" Recherche).
Viele Grüße

ralphus
Antworten