Bundstäbchen aus Edelstahl für Martin DC Aura

Hier zeigen die Laien, was sie trotz linker Hände drauf haben!
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Holger Hendel
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Bundstäbchen aus Edelstahl für Martin DC Aura

Beitrag von Holger Hendel »

Wie vor kurzem angedroht: So, heute war es endlich soweit, der Weg führte meinen alten Gitarrenlehrer Bobby Grass, meine Martin DC Aura und mich zum Gitarrenmacher in seine gemütliche Werkstatt nach Rullstorf. Meine Empfehlung, immer eine Reise wert. Doch seht selbst...

Schon beim ersten Blick in die Werkstatt fühlt man angesichts der Wanddekoration sofort gut aufgehoben.

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Leider konnte die Neubundierung nicht sofort beginnen, da der Chef noch mit Einstellarbeiten an einer Flying Wii aus den späten 60er Jahren beschäftigt war.

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Egal - wir vertrieben uns die Wartezeit mit Kaffee und Kuchen - und den erlesenen Gitarren in der Galerie im ersten Stock. Gelegentliches lautstarkes Fluchen des Meisters und Geräusche, die entfernt an eine Knochensäge erinnern drangen von Zeit zu Zeit zu uns hoch, doch wir dachten uns nichts weiter dabei und schlossen schließlich die Tür zum Treppenhaus.

Da es sich um einen bebilderten Qualitäts-Erfahrungsbericht (BQE) handelt darf ein Foto nicht fehlen, welches in Nahaufnahme den Stein des Anstoßes zeigt:

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Bei näherer Betrachtung fällt mir auf, dass man die fiese Rille im Bereich B-Saite nur erahnen kann (da muss etwas beim Skalieren auf dem Weg geblieben sein...) - sei´s drum, der geneigte Betrachter darf sich vor seinem inneren Auge vorstellen wie fies diese Rille im BS tatsächlich ist. An anderen Stellen im Forum beklagte ich mich ja bereits mehrfach über diese Situation und werde es auch weiterhin tun...also - bis die Reparatur durch ist. ;) Tragisch...Freitag habe ich einen so gediegenen job, da spielen wir mit "heavy silence" Hardrock und Metal-Titel rein akustisch...und da muss ich die Lakewood spielen...heidanei.

An der erlesenen Auswahl der bereitgelegten Werkzeuge erkennt der Kenner sofort: Hier versteht jemand sein Handwerk. Ich fühlte mich sogleich ans 3. Semester meines Ergotherapie-Studiums erinnert..."therapeutische Medien: Holz"...Kantenbrechen, einfache Steckverbindung...wo gibt´s denn hier einen Stechbeitel?

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Selbstverständlich in unmittelbarer Nähe zum Holzhammer, natürlich.

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Um den hohen BQE-Standad zu erfüllen folgt hier noch eine Aufnahme des ersten Arbeitsschritts aus der anderen Perspektive. Die sicheren Hände des Meisters, behend das Werkzeug führend, sind gut zu erkennen im Bild:

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Doch bevor es an die Substanz ging mussten Bobby und ich leider los...

- to be continued -

...selbstverständlich dann auch mit dem nötigen Ernst ;) für eine derart wichtige Sache wie die Bundstäbchen an der Lieblingsgitarre. Vielen Dank an Christian / Gitarrenmacher für den kurzweiligen und lehrreichen Vormittag.
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RB
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Beitrag von RB »

Das gibt schon einmal das BQE-Siegel für erlesene Qualität. Ich bin gespannt auf Deine Erfahrungen.
MatzeHH
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Beitrag von MatzeHH »

Wenn der Meister die Stäbe in seiner filigranen Art herausoperiert hat, würde ich dieses hier als Ersatz vorschlagen. Sollte perfekt ohne weitere Nacharbeiten passen :

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:guitar1:
Gruß

Matze
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Gitarrenmacher
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Beitrag von Gitarrenmacher »

Spaß beiseite. Der ist mir auch zeitweise bei den Arbeiten an der Martin vergangen.
Die Sache wird ernst. Zunächst den Lack rund um den Sattel einschneiden, dann den Sattel mit leichten Schlägen lösen und herausnehmen. Spüliwasser an drei bis 4 Bünde geben. Bund mit Minibügeleisen erwärmen und dann mit einer Bundziehzange unter leichtem Wackeln aus dem Schloss heben. Eigentlich gar kein Problem. WENN NICHT..........
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Die genialen Gitarrenbauer bei M&Co. darauf gekommen wären, die Bünde schon bei der Werksbundierung einzukleben, und zwar nicht mit einem gut lösbaren Leim wie Hideglue oder Titebond sondern mit Weissleim, der schlecht wasserlöslich und noch dazu gut wärmestabil ist.

:aua: Das verursacht in dem eh spröden African Blackwood Ausrisse, teils übelster Art, und die Leimreste müssen mit gekürzen Sägeblättern aus den Schlitzen gepopelt werden.
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Gitarrenmacher
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Beitrag von Gitarrenmacher »

Naja, nach zwei Stunden, die man auch anders hätte ausfüllen können sind alle Bünde raus, die Ausrisse mit Ebenholzstaub und Sekundenkleber gefüllt, die Schlitze nachgesägt, der Hals auf grade gedreht und leicht übergeschliffen.
Mal sehen, was der Halswinkel sagt.
Ein Millimeter Fallaway vom Korpus- bis zum Schallochrand finde ich schon sportlich.
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Naja, bei einer Komplettbundierung wird eh immer abgerichtet. Mit dem Radiusschleifblock ist das keine Raketentechnik. Der Fall-Away ist auf unter 0,5mm reduziert. Kann so bleiben.
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Feierabend
:guitar1:
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Holger Hendel
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Beitrag von Holger Hendel »

...wo ist das Riechsalz... ... ... schnell... :twisted:

Also von meiner Warte aus ist alles gut, Chrischon hat wie immer hervorragende Arbeit getan, die Klampfe klingt überwältigend und ist genau das, was mir nach dem ws-Wochenende in Dresden scheinbar gefehlt hat. Yeah! Für mich gibt´s die nächsten Tage nur eins, und das ist: Gitarrespielen! :)

Ich glaube, wenn ich mehr Peilung von Gitarrenbau und dem ganzen Kram hätte wäre ich auch richtig angesäuert und würde dem Vertrieb bzw. der Firma ´nen bösen Brief schreiben - aber...der Ofen lässt sich so blendend spielen und klingt dabei so unfassbar schön...ich komm´gerade nicht los vom looper (...über "Finger´s Stomp" von Jacques Stotzem lässt sich prima herumspielen) ...also - schönen Abend euch noch und heißen Dank @Gitarrenmacher. :r:
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RB
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Beitrag von RB »

Wie jetzt, gibt es denn keine Bebilderung des Hineinbauens des edlen Stahls ? Das muß Punktabzug geben. Oder sind die Bilder noch im Fotolabor ?
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Gitarrenmacher
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Beitrag von Gitarrenmacher »

Vor dem Einschlagen müssen die Bünde einen Radius bekommen, bei Edelstahlbünden, die zum Zurückfedern neigen sollte der Radius etwas kleiner sein, als der Griffbrettradius. 16" GB - 12" Bund. Die Bundenden müssen vor dem Einsetzen, wegen des GB-Bindings ausgeklinkt werden. (Bild wird nachgeliefert)
Das Einschlagen der Bünde zu fotografieren ist mir Mangels drittem Arm missglückt 8)
Irgendwann sind alle Bünde drauf, mit einem Vornschneider werden die Enden abgeknippst, die Bundenden niviliert und mit einem 35° Feilklotz angeschrägt. Zwischendurch wird 8-12 mal SCHEIXXXXEEEEEE geschriehen, weil an diversen Stellen der Lack vom Binding fliegt. :heul2:
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Die Bundkronen werden mit Edding markiert, der 16" Radiusschleifblock wird mit K500 Schleifpapier belegt und die Bünde werden vorsichtig abgerichtet, bis auf allen Bünden Schleifspuren zu sehen sind. Dann mit einer feinen Diamantbundfeile nachgerundet.
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Das GB wird mit Maskierband abgeklebt und die Bünde werden geglättet und dann mit 1000er, 2000er, 4000er Schleifschwamm aufpoliert. Dann wird das Maskierband entfernt und ARRRRGGGGHHHHHHHH
:bang:
Der Lack löst sich flächig vom Hals. Wie sag ich´s meinem Kunden.
Ein Glück ist Holgi ein Gemütsmensch und hat mich schon beim Beichttelefonat beruhigt. Vor lauter Ärger habe ich dann keine Lust mehr gehabt weitere Bilder zu machen.
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Mit einer Polierfeile Hieb10 werden die Bundecken entschärft und die Bundenden werden mit einer Nagelpolierfeile poliert.
Sattel anpassen, Saiten drauf, einstellen, Holger ist schon da. Mir stehen die Schweisperlen wegen des Lackdesasters auf der Stirn.
ABER die Gitarre funktioniert und Holgi meint, dass man den Lack dann ja auch ganz entfernen könne. Die EP-Harzgrundierung reicht ja als Holzschutz.
AMEN
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Holger Hendel
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Beitrag von Holger Hendel »

Super Bilder! Fürwahr, einem BQE würdig.
Ein Glück ist Holgi ein Gemütsmensch und hat mich schon beim Beichttelefonat beruhigt.
So isset, alles gut. ;) Mich bringen ganz andere Dinge aus der Fassung... 8) Wo gehobelt wird fallen halt Späne und hier ging es ja um Hobeln unter erschwerten Bedingungen.

Sowohl Optik als auch Haptik am Hals mögen nun etwas verändert sein, doch das war auch vor dem Eingriff schon nicht "optimal" - Lack löste sich an mancher Stelle, nicht nur am Hals...der Gedanke der Total-Entfernung des Lacks im Halsbereich kam mir, als ich die freie Stelle beim Spielen auf Höhe des 7. Bundes bemerkte und als sehr angenehm unterm Daumen empfand. Mal gucken was uns dazu noch einfällt.

Aber hey - hab´ich schon erwähnt, wie cool die Gitarre zu bespielen ist und klingt? Habe gerade ein Bauteil der Aufnahmekette verliehen, doch sobald das wieder im Stall ist gibt´s was auf die Ohren.
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RB
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Beitrag von RB »

Doch also das BQE-Siegel erster Güte ist vollends verdient.

Den Lack könnte man vorsichtig mit der Ziehklinge abziehen. Merkwürdig, daß der so empfindlich ist. Die sollten auf unkaputtbaren UV-Lack umsteigen. Ich bekomme langsam das Gefühl, Nitrolack sei eine Erfindung vergangener Zeiten.

Wenn Dir hinsichtlich einer Klangveränderung etwas auffällt, wäre ich für eine Berschreibung sehr verbunden.
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Gitarrenmacher
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Beitrag von Gitarrenmacher »

RB hat geschrieben:Die sollten auf unkaputtbaren UV-Lack umsteigen. Ich bekomme langsam das Gefühl, Nitrolack sei eine Erfindung vergangener Zeiten.
Ich jedenfalls werde im Herbst den Aussendienstler von Fa. Hesse (Lignallack) mal um ein Gespräch bitten und dann auf deren 2K-Lacke umsteigen.
Ich habe die Nase gestrichen voll. Seit 2012 gibt´s bei jeder gebauten Gitarre kleinen bis größeren Ärger wegen der Nitroplörre. Seit dem Inkrafttreten der neuen Schadstoffverordnung ist das Zeug imho nicht mehr alltagstauglich.
Das schlimmste ist. Die Lackfirmen, die das Zeug vertreiben hüllen sich in Schweigen.
UV ist für Wenigbauer wie meinereiner zu aufwendig. ODER? malsehen.
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tomis
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Beitrag von tomis »

für mich einer der besten beiträge seit langer zeit
und was für ein unkomplizierter kunde
mit Blues und Gruß
Thomas
Fayol
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Beitrag von Fayol »

Gitarrenmacher hat geschrieben:
RB hat geschrieben:Die sollten auf unkaputtbaren UV-Lack umsteigen. Ich bekomme langsam das Gefühl, Nitrolack sei eine Erfindung vergangener Zeiten.
Ich jedenfalls werde im Herbst den Aussendienstler von Fa. Hesse (Lignallack) mal um ein Gespräch bitten und dann auf deren 2K-Lacke umsteigen.
Ich habe die Nase gestrichen voll. Seit 2012 gibt´s bei jeder gebauten Gitarre kleinen bis größeren Ärger wegen der Nitroplörre. Seit dem Inkrafttreten der neuen Schadstoffverordnung ist das Zeug imho nicht mehr alltagstauglich.
Das schlimmste ist. Die Lackfirmen, die das Zeug vertreiben hüllen sich in Schweigen.
UV ist für Wenigbauer wie meinereiner zu aufwendig. ODER? malsehen.
Nun, das ist für mich ein weiterer Grund, meine Gitarre "nur" ölen zu lassen. Das hat sicherlich auch Nachteile, die mir z. Zt. aber nicht bekannt sind, aber ausser einem vermutlich mal deutlich geringeren Zeit- bzw. Arbeitsaufwand, hat es für mich haptische Gründe...
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RB
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Beitrag von RB »

Kann man machen. Mir ging gerade vorgestern auf die Nerven, als ich die Saiten wechselte, daß an der Arm-Auflage-Stelle die übliche Schliere ebenso entstanden war, wie im Kontaktbereich der Rückseite zum Leib des Spielers. Diesmal hatte ich einige Mühe, es mit Dr. Stringfellow wieder glatt zu bekommen. Es ist, als ob die Körpersäfte bereits genügen, den Lack anzulösen.

Dann der Hals, Tomis kennt das Ding. Im 12-Fret bereich auf der Rücksteit diverse schmale Dellen. Ich kann mit dem Daumennagel solche Dellen in den Lack hineindrücken, wenn ich will. Ich habe es probiert.

Wenn ich mich dann an die Larrivée D-05 erinnere, die ich einmal mein eygen nennete, dann fällt der Kontrast auf. Die war spiegelblank und weder Schweiß, noch Lauge oder Säure hätten dem etwas anhaben können. Einfach ein Lappen mit etwas Spüliwasser befeuchtet oder einmal nahm ich sogar Glasreiniger und alles war wieder auf höchstem Glanze.

Ich weiß nicht, was die UV-Lacke und die Beleuchtungseinrichtungen kostenm. Zwei-Komponenten bringt wieder das Erfordernis des Anmischens, ein Schritt mehr und vielleicht auch fehlerträchtig.
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Rainman
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Beitrag von Rainman »

Ist das sowas das die Zahnärzte benutzen um Füllungen zu versiegeln?
Locker bleiben
Andreas

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