Meine kaputte Bastelcaster

Hier zeigen die Laien, was sie trotz linker Hände drauf haben!
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gruhf
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Meine kaputte Bastelcaster

Beitrag von gruhf »

Diese künstlich gealterten Stromgitarren haben mich dann doch interessiert, und nachdem ich mal die Möglichkeit hatte, eine Relic-Strat von Herbert Müller aus Köln zu spielen, musste ich auch sowas haben. "Relic" oder "aging" gibt es ja schon seit Jahrhunderten, manche Geigenbauer oder Möbelschreiner habe sich schon daran versucht, um eine bestimmte Herkunft oder ein bestimmtes Alter vorzuspiegeln. An klangliche Auswirkungen glaube ich dabei nicht, aber es gibt ja noch diesen irrationalen Mojo-Faktor...

Ich bin allerdings nicht dazu bereit, mehrere tausend Euro für eine ab Werk kaputte Gitarre auszugeben. Es gibt zwar auch günstige Alternativen, z.B. die "road worn"-Serie eines bestimmten Herstellers, allerdings sind die Altersspuren bei diesen Gitarren nach meinem Empfinden teilweise zu extrem und unnatürlich. Wenn man sich alte Gitarren ansieht, ist z.B. der Lack nicht matt sondern hat noch einen gewissen Glanz. Also war Selbstbau die einzige Alternative, und ich muss zugeben, dass es ganz interessant war, sich mit den verschiedenen Alterungstechniken zu beschäftigen - hat was von Kunstfälscherei :) .

Herausgekommen ist diese Tele-Hommage:

Bild

- zweiteiliger Korpus, gefräst nach 52'er Kontur, nitrolackiert in blond und klar, geschliffen bis Körnung 2000 und nur leicht poliert, gealtert mit Kratzern und Lackrissen,
- Hals mit Schellack getönt und anschließend klar nitrolackiert, poliert, ebenfalls gealtert,
- 9,5"-Radius, bundiert mit Fender Am. Std. Bunddraht, Knochensattel, Halsstab von der Kopfplatte aus erreichbar,
- Tonabnehmer selbstgewickelt mit Elektrisola AWG42-Draht, knapp 10.000 Wicklungen, 8,1KOhm, wachsgetränkt.
- Intonation nach der "Jerry Donahue"-Methode eingestellt (das ist bei den Tele-Brücken mit 3 Saitenreitern ja immer ein Kompromiss, funktioniert damit aber nach meiner Erfahrung ganz gut, Erklärung hier)

Das "agen" der vernickelten Teile geht mit Essigessenz recht gut, bei den verchromten Teilen ist das schwieriger, hat da vielleicht jemand einen Tip? Salz- oder Batteriesäure o.ä. wollte ich nicht dafür verwenden.
Zuletzt geändert von gruhf am So Mai 22, 2016 10:17 am, insgesamt 2-mal geändert.
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Rainer H
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Re: Meine kaputte Bastelcaster

Beitrag von Rainer H »

sehr schön gefällt mir.
Gruß Rainer
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Orange
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Re: Meine kaputte Bastelcaster

Beitrag von Orange »

Klasse Leistung - gefällt mir sehr gut ! :r:
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bluesballads
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Re: Meine kaputte Bastelcaster

Beitrag von bluesballads »

Ich hatte mir neulich mal Liver of Sulfur bestellt für Chrom, habe es aber noch nicht ausprobiert. Vielleicht googlest du mal danach, das wird bei vielen Legierungen zur Patinabildung eingesetzt.
"Es ist ein Jammer, dass die Dummköpfe so selbstsicher sind und die Klugen so voller Zweifel." (Bertrand Russel)
gruhf
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Re: Meine kaputte Bastelcaster

Beitrag von gruhf »

Vielen Dank!
Bluesopa hat geschrieben:"ab Werk kaputte Gitarre" finde ich irgendwie unnötig unschön formuliert ... dem einen gefällts, dem anderen nicht, das ist alles ...
Stimmt, die Formulierung ist vielleicht unpassend, ich wollte damit auch keine neue Grundsatzdiskussion lostreten.

Dank für den Hinweis, bluesballads, ich suche mal danach! Bisher habe ich die Chromteile rein mechanisch "gealtert", d.h. nass geschliffen und mit Stahlwolle abgerieben, das ist aber ziemlich zeitaufwändig.
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Niels Cremer
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Re: Meine kaputte Bastelcaster

Beitrag von Niels Cremer »

Wie an anderer Stelle schon diskutiert steh ich ja nicht so auf aging etc., aber die hast du sehr geschmackvoll hingekriegt, ich mag diese Schlichtheit der Esquire Modelle mit single PU, ohne Schalter etc. - Glückwunsch! :-)

LG,
Niels
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woodder
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Re: Meine kaputte Bastelcaster

Beitrag von woodder »

Gefällt mir auch sehr gut, sogar selbstgewickelter PU- wow
Das Aging sieht für mich auch sehr realistisch aus.
Super gemacht!
Zum chrom agen: würde mich auch interessieren, habe schonmal an einen Drahtbürstenaufsatz für die Bohrmaschiene gedacht...
Gruß, Thomas
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jay-cy
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Re: Meine kaputte Bastelcaster

Beitrag von jay-cy »

nix Stahlwolle oder Drahtbürste, das kommt zu gleichmäßig...
Metallteile zusammen mit Schrauben, Steinen, Steinchen, Kies... in eine Tupperbox und je nach Gusto kürzer oder länger bewegen. Ich hab's 2 Stunden auf einem Umlaufgerät gehabt.
Danach kommst Du bei Chrom IMO nicht um konzentrierte Säure rum. Ich hab dafür Salzsäure mit Kaffeepulver vermischt, da direkt rein und immer wieder gucken. Je nach Dicke der Verchromung. Die Kratzer der Vorbehandlung erlauben der Säure, das darunterliegende Metall anzugreifen, also Vorsicht. Auf dem Weg geht auch Edelstahl gealtert (hab damit Edelstahlsättel bearbeitet)...
Risse ins Nitro am besten mit Fön und Druckluftspray.
Holz kriegt man mit ner Kaliumhexacyanoferrat-Lösung gealtert (ist immer doof, wenn unter 'ner blanken Lackstelle neues helles Holz hervorschaut), aber auch hier: Vorsicht, das geht schneller als man denkt!
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jay-cy
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Re: Meine kaputte Bastelcaster

Beitrag von jay-cy »

In diesem Faden kann man nochmal ein Beispiel sehen, wie die Hardware danach ausschaut...
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woodder
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Re: Meine kaputte Bastelcaster

Beitrag von woodder »

Danke jay-cy,
da betreibst du ja ordentlich Aufwand, aber das Ergebnis ist sehr überzeugend!
Ist bestimmt eine Hammer-Strat mit dem fetten Hals :bide:
gruhf
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Re: Meine kaputte Bastelcaster

Beitrag von gruhf »

Vielen Dank für die Hinweise, werde ich bei der nächsten mal ausprobieren. jay-cy, sehr schöne Gitarre!
Die Risse im Nitro habe ich durch Einfrieren von Korpus/Hals erreicht, das gibt schöne lange Risse (ist aber fototechnisch schwer abzubilden) :wink:.
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jay-cy
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Re: Meine kaputte Bastelcaster

Beitrag von jay-cy »

Einfrieren geht auch, da lässt sich aber die Rissbildung nicht so gut kontrollieren.
Zudem hätte ich beim Hals Bedenken, dass er sich verzieht. Und auf der Halsrückseite würden mich Risse stören. Hast Du da welche bekommen?
gruhf
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Re: Meine kaputte Bastelcaster

Beitrag von gruhf »

jay-cy hat geschrieben:Und auf der Halsrückseite würden mich Risse stören. Hast Du da welche bekommen?
Auf der Rückseite des Halses habe ich den Lack bis aufs Holz geschliffen, das Holz mit Tee und Essig+Stahlwolle behandelt, nochmal geschliffen bis Körnung 600 und dann mit Öl/Wachs versiegelt. Dadurch ist die Halsrückseite schön glatt geworden und man hat das angenehme Greifgefühl eines geölten Halses.
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