Selbstbau von Mikrofonen

Hier zeigen die Laien, was sie trotz linker Hände drauf haben!
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gruhf
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Selbstbau von Mikrofonen

Beitrag von gruhf »

Die Wahl des geeigneten Mikrofons zum Aufnehmen von Akustikgitarren ist ja schon häufiger diskutiert worden. Dabei wurde oft der "Klang" von Mikrofonen verglichen. Ohne Frage "klingt" jedes Mikrofon (bauartbedingt) anders. Aber wenn man mal vom "Klang" absieht, spielen - vereinfacht dargestellt - drei Eigenschaften bei der Wahl des Mikrofons eine wichtige Rolle:

1) Die Richtcharakteristik (Kugel, Niere) des Mikrofons: Sie beschreibt die Empfindlichkeit des Mikrofons in Abhängigkeit von der Ausrichtung auf das Schallereignis.
2) Der Signal-Rausch-Abstand des Mikrofons: Je höher der Signal-Rausch-Abstand ist, desto weniger wird das eigentliche (aufzunehmende) Signal durch Hintergrundrauschen überlagert, was gerade bei der Aufnahme von leisen Schallereignissen relevant ist.
3) Der Frequenzgang des Mikrofons: Ein möglichst linearer Frequenzgang bildet das gesamte (natürliche) Frequenzspektrum des Schallereignisses ab. Anpassungen lassen sich dann später immer noch durch Nachbearbeitung (Filter, Equalizer) vornehmen.

Misst man die Mikrofonqualität an diesen drei Eigenschaften, wird man sehen, dass man mit minimalem Aufwand Mikrofone von recht hoher Qualität einfach selbst bauen kann. Die einfachste Variante stellen dabei Elektret-Kondensatormikrofone dar, die eine permanent polarisierte Membran haben und nur eine geringe Versogungsspannung benötigen. Der Selbstbau von solchen Mikrofonen soll im Folgenden beschrieben werden (Der Begriff "Selbstbau" ist in diesem Zusammenhang eigentlich maßlos übertrieben, sehen wir gleich).
gruhf
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Re: Selbstbau von Mikrofonen

Beitrag von gruhf »

Der Bau eines Elektret-Kondensatormikrofons ist gerade dann sehr einfach, wenn man das Mikrofon in Verbindung mit einem Handy-Rekorder (Zoom H1, Tascam DR-05 und Konsorten) nutzen möchte. Selbst die Handy-Rekorder der Einstiegsklasse haben in der Regel einen Stereo-(Line-in)Eingang, der eine geringe Versorgungsspannung von ca. 3V zur Verfügung stellen kann. Damit lassen sich problemlos selbstgebaute Elektret-Kondensatormikrofone betreiben.

Viele Handy-Rekorder haben aber auch interne Elektret-Mikrofone, lohnt sich der "Selbstbau"-Aufwand also überhaupt?
Ja, denn:
1) Beim Selbstbau kann man die verwendete Elektret-Kapsel frei wählen, und damit auch die Richtcharakteristik des Mikrofons (Kugel, Niere).
2) Es gibt höherwertige Alternativen zu den im Handy-Rekorder verbauten Kapseln.
Und, vor allem:
3) Man kann das Mikro/Mikropaar bei entsprechender Kabellänge frei positionieren, z.B: ein Mikro vor der Gitarre, ein Mikro im Raum und den Rekorder trotzdem bequem in Reichweite.

Wenn man mit einem Rekorder aufnehmen möchte, der keine internen Mikrofone hat (z.B. Kamera, MD- oder DAT-Rekorder, Diktiergerät, PC-Soundkarte mit Mikrofoneingang), stellt sich diese Frage natürlich nicht.
gruhf
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Re: Selbstbau von Mikrofonen

Beitrag von gruhf »

Der Aufwand beim Bau von Elektret-Kondensatormikrofonen ist, wie erwähnt, sehr gering: Wenn die Versorgungsspannung nämlich vom verwendeten Rekorder geliefert wird, reduziert sich der "Selbstbau"-Aufwand auf folgende Schritte:
1) Auswahl einer geeigneten Elektret-Kapsel,
2) Verbinden der Kapsel über ein Mikrofonkabel mit einem Klinkenstecker für den Line-in-Eingang des Rekorders.

Die wichtigste Komponente des Mikrofons ist natürlich die Elektret-Kapsel selbst. Der Markt für solche Kapseln ist riesig, da sie z.B. in Mobiltelefonen eingesetzt werden. Bei der Auswahl der Kapsel sollte man sich darüber im Klaren sein, was man von so einem Selbstbau-Mikrofon erwartet und wofür man es einsetzen möchte.

1) Die Lösung "nur mal zum Ausprobieren":
Die Panasonic WM-61A ist der Klassiker unter den im DIY-Bereich verwendeten Kapseln. Diese Kapsel wird in sehr vielen Baubeschreibungen erwähnt, entsprechend viele Informationen findet man im Netz, z.B. auf der Seite von S. Linkwitz (http://www.linkwitzlab.com/sys_test.htm#Mic). Laut Datenblatt des Herstellers kommt diese omnidirektionale Kapsel mit 2V Versorgungsspannung aus und hat einen Signal-Rausch-Abstand* >62dB. Der Übertragungsbereich wird mit 20Hz bis 16kHz angegeben. Dabei ist der Frequenzgang zwischen 50Hz und 15kHz recht linear, was typisch für diese kleinen, omnidirektionalen Elektret-Kapseln ist. Allerdings wird diese Kapsel nicht mehr hergestellt. Es gibt aber noch Restbestände und haufenweise Alternativen in ähnlicher Qualität, z.B. die Panasonic WM-53B zum Stückpreis von unter einem Euro. Eine Suche bei den gängigen Lieferanten für Elektronik-Bauteile wird mit Sicherheit noch mehr Alternativen ergeben.

2) Die Lösung "was Gescheites":
Hochwertigere Elektret-Kapseln, die z.T. auch in kleinen Stückzahlen für Selberbauer erhältlich sind, kommen in der Regel entweder von JLI Transound oder von Primo Microphones. Beide Hersteller bieten uni- und omnidirektionalen Kapseln mit sehr guter Qualität. Ein Beispiel ist die omnidirektionale Primo EM 172, die laut Hersteller einen Signal-Rausch-Abstand* von immerhin 80dB aufweist. Der Stückpreis der Kapsel liegt bei ca. 10 Euro.

*Achtung: Beim Vergleich der technischen Daten muss man darauf achten, wie gemessen wurde. Die Angaben sind nicht immer direkt vergleichbar.
gruhf
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Re: Selbstbau von Mikrofonen

Beitrag von gruhf »

Am Beispiel der EM 172-Kapsel von Primo sieht man, wie simpel der "Selbstbau" ist:

Bild
Hier ist die kleine Elektret-Kapsel mit einem Durchmesser von 10mm und einer Höhe von ca. 5mm.

Bild
Die Kapsel wird mit dem Mikrokabel verbunden. Der rote Leiter wird mit dem Eingang (FET) der Kapsel verbunden. Die Abschirmung des Mikrokabels wird verdrillt und an die Erde gelötet (der weiße Leiter wird nicht benötigt und ist mit etwas Schrumpfschlauch isoliert worden, weil das verwendete Mikrokabel zweiadrig war :wink: ). Bei diesen einfachen Mikrofonen sollte das Mikrokabel nicht zu lang sein, da sonst die Signalqualität leidet (ca. 2m zwischen Kapsel und Rekorder sind ok).

Bild
Das andere Ende des Mikrokabels wird noch mit einem Klinkenstecker verbunden - fertig. Damit ist das Mikrofon bereit für den Einsatz an einem Rekorder, der ca. 3V Versorgungsspannung liefert (etwas mehr oder weniger ist unkritisch).

Wer möchte, kann jetzt noch ein Gehäuse basteln, um die Kapsel zu schützen. Aufgrund der geringen Größe der Kapsel kann man dabei natürlich wunderbar experimentieren :wink:. Man kann die Kapsel z.B. in einen Kunstkopf einbauen oder in eine ebene Holzplatte einlassen ("Grenzflächen-Mikrofon"). Viele weitere Beispiele findet man im Netz.

Bild
Ich habe als Gehäuse einen 6,3mm Klinkenstecker zweckentfremdet. Dazu wurde die Spitze entfernt und die vordere Öffnung auf mehr als Kapseldurchmesser vergrößert. Dann kann die Kapsel (z.B. mit Heißkleber oder Silikon) bündig eingeklebt werden. Die Kapsel sollte, wenn möglich, keinen direkten Kontakt zur Schraubhülse des Klinkensteckers haben (Bohrung etwas größer als Kapseldurchmesser), um die Übertragung von Greifgeräuschen beim Bewegen des Mikrofons zu minimieren (akustische Entkopplung).
jpick
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Re: Selbstbau von Mikrofonen

Beitrag von jpick »

... superguter Faden! Danke!

hier ... wurde auch schon mal was für ein internes Mikro in der Gitarre vorgeschlagen. Vielleicht kann das hier noch vertieft werden ...
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gruhf
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Re: Selbstbau von Mikrofonen

Beitrag von gruhf »

Hallo jpick,
Sorry, ich habe nicht gewusst, dass Du schon was zu dem Thema geschrieben hast. Ich habe zwar vorher das Forum durchsucht, aber Deinen Beitrag habe ich dabei wohl übersehen :oops:.
jpick
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Re: Selbstbau von Mikrofonen

Beitrag von jpick »

gruhf hat geschrieben:Hallo jpick,
Sorry, ich habe nicht gewusst, dass Du schon was zu dem Thema geschrieben hast. Ich habe zwar vorher das Forum durchsucht, aber Deinen Beitrag habe ich dabei wohl übersehen :oops:.
Wieso "Sorry" ? Dein Thema ist ja schon etwas anders ... ich bezog mich ja mehr auf das Aufmotzen des PU-Systems. 8)
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gruhf
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Re: Selbstbau von Mikrofonen

Beitrag von gruhf »

... ich bezog mich ja mehr auf das Aufmotzen des PU-Systems.
Jepp, dafür eignen sich die Kapseln auch sehr gut :wink:.

Bezugsquellen:
Das größte Problem für den Selberbauer ist wahrscheinlich die Materialbeschaffung. Gerade bei den höherwertigen Elektret-Kapseln ist nicht das gesamte Produktsortiment erhältlich, da manche Kapseln für die OEM-Fertigung reserviert sind. Eine diesbezügliche Anfrage bei den Herstellern/Distributoren bringt also leider wenig.

Wenn man eine höherwertige Elektret-Kapsel sucht, ist man entweder auf Angebote in der E-Bucht angewiesen oder auf die wenigen Händler, die eine kleine Auswahl solcher Kapseln anbieten. Frogloggers in den USA bietet z.B. Kapseln von Panasonic und Primo an. In Europa kann man bei FEL Communications (UK) Primo-Kapseln ordern, dort sind auch "matched pairs" für Stereo-Mikrofone erhältlich.

Zusammenfassend ist anzumerken, dass sich die Beschäftigung mit den Elektret-Mikrofonen wirklich lohnen kann (wie jpick ja auch schon beschrieben hat). Die gezeigte Kapsel z.B. bietet eine sehr gute (professionnelle) Qualität für Audio-Aufnahmen. Zur Einordnung sei der (blasphemische?) Vergleich mit dem Datenblatt des Neumann KM 183 empfohlen...
rwe
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Re: Selbstbau von Mikrofonen

Beitrag von rwe »

Moin gruhf,

zunächst einmal vielen Dank, ich finde da ein paar Ideen, die ich mal so vage hatte (bin da eher der Physiker als der Ingenieur, aber beides nicht beruflich:-), konkretisiert, so dass ich mich dann vielleicht doch mal dranwage.

Zwei Fragen aber: (1) Ich hatte früher mal gelernt, dass bei Elektret-Kapseln der S/N-Abstand (wohl auf Grund der geringeren Versorgungsspannung) schlechter sei, als bei Kondensatormikes mit Fremdspeisung. Haben die dauerpolarisierten mittlerweile aufgeholt? (Und natürlich war das AIWA CM-30 auch für Radioreportagen tauglich. Aber das war eine seltene Ausnahme.)

(2) Und: In der Regel sind Mobilfunkmikrofone etc. nicht auf HiFi ausgelegt, also nicht auf lineare Frequenzübertragung. Die kappen dann irgendwann, die Bässe sind eher schwächer, damit's nicht so grummelt, etc.

Für die Harp oder die Reso oder die Uke, so meine Vorstellung, könnte ich mir eine brauchbare Übertragung so zusammenbasteln. Für die Aufnahme eines klassischen Orchesters bin ich mir da nicht so sicher. Wobei mir mit dem Zoom H2 und den eingebauten Mikes bessere Aufnahmen gelingen, als früher mit Stellavox und 2xMD441.

Viele Grüße
gruhf
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Re: Selbstbau von Mikrofonen

Beitrag von gruhf »

Hallo rwe,

in der Vergangenheit hatten die Elektret-Kapseln keinen allzu guten Ruf, das stimmt. Aber mittlerweile ist, denke ich, vor allem materialtechnisch viel passiert. Es lohnt sich immer der Blick ins Datenblatt, z.B. von der Primo-Kapsel hier.

Das "Kappen" bei Mobilfunkmikrofonen wird wahrscheinlich durch Filterschaltungen nach der Kapsel hervorgerufen, aber auch hier kann ein Blick ins Datenblatt der entsprechenden Kapsel Aufschluss geben.
rwe
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Re: Selbstbau von Mikrofonen

Beitrag von rwe »

gruhf hat geschrieben:z.B. von der Primo-Kapsel hier.
Danke, das sieht ganz interessant aus.
gruhf
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Re: Selbstbau von Mikrofonen

Beitrag von gruhf »

rwe hat geschrieben:Danke, das sieht ganz interessant aus.
Gern geschehen. Das klingt auch ganz annehmbar, wie man u.a. hier hören kann.
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