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d´orso böhmische Gitarre

Verfasst: Di Mär 31, 2020 12:01 am
von soapone
So, jetzt ist erst mal fertig – mein Corona-Projekt.

Sie war mir beim Trödel begegnet, den ich einer EIngebung folgend besucht hatte. Der Chef dort, der sie gerade aus dem LKW geladen hatte, meinte: "Die hat ja nur drei Saiten" und gab sie mir mit.

Vieles lief nicht wie geplant. Im Eifer trifft man dann ab und an auch eine eher unvernünftige Entscheidung wie z.B. das großflächige Freilegen der Stegfläche und das Anpassen mit zunächst farbiger Kreide. Mit dem Ergebnis bin ich aber insgesamt trotzdem zufrieden. Ich hab viel übers Material erfahren und einiges über böhmische Geschichte und Musikinstrumentenproduktion gelernt.
Im Wesentlichen geht es mir ums Musizieren. Ich wollte eine kleine Glampfe aus 100% toten Naturmaterialien: Holz, Hautleim, Schellack. Eine Gitarre mit guten 100 Jahren Vorgeschichte, die ich in die nächste Zeit mitnehme, um mit ihr ein bisschen abzuschalten.
Natürlcih ist das Instrument eher zart und wie halt solche Gitarren klingen, aber trotzdem hübsch historisch und auf Anhieb spielbereit.

Die Bridge hab ich zwei Tage härten lassen. Irgendwo hatte ich gelesen, dass die Endfestigkeit von Hautleim erst nach Wochen oder Monaten erreicht wird. Im Moment hält aber alles. Schiss hab ich immernoch.

Was mich sehr verwundert hat, war ein Querbalken, der lose im unteren Teil des Korpus steckte. Er drückte gegen die Zargen und hatte dort auch schon Ausbeulungen erzeugt. Das Teil war deutlich größer als eine Leiste und kaum oder gar nicht abgerichtet. Ich hab es dann nach Rücksprache mit zwei Gitarrenbauern im Korpus zersägt und rausgenommen.
Vielleicht weiß ja jemand, was das gewesen sein könnte...


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Eine Überlegung... Später hab ich es dann mit Neodymmagneten gemacht...
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Leiste kürzen im Korpus:
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Das Geschmiere hab ich später natürlich weggewischt...
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Das war die Rettung: letzte Woche bei Lidl: Luftdruckkissen... Alles andere hat nicht genug gepresst...
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Steg aufleimen:
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Re: d´orso bömische Gitarre

Verfasst: Di Mär 31, 2020 12:07 am
von soapone
Die Innfeld-Saiten Classic S sind schon sehr zart. Die bleiben sicherlich nicht drauf...

Weitere Schritte:

- Knochenbridge – hat jemand Tipps?
- Schellack-Politur: Hat jemand Ideen, wie ich die Farbe noch etwas einheitlicher hinbekomme? Im Moment hab ich einfach mit Rubin-Schellack drüber gepinselt und dann etwas poliert. Wie könnte man denn sowas noch angehen
- Pickup mit Endpinbuchse. Hat jemand Erfahrung mit dem pure mini von k&k oder mit dessen Kopien bzw. Piezo-Eigenbauten?
- neue Mechaniken (32mm Lochabstand) Weiß jemand, wo ich das finde?

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Re: d´orso bömische Gitarre

Verfasst: Di Mär 31, 2020 10:32 am
von chrisb
cool 8)
du hast aber schon einiges an jigs & tools.
machst du das öfters?

Re: d´orso böhmische Gitarre

Verfasst: Di Mär 31, 2020 5:16 pm
von soapone
Danke,

Materialmäßig waren es aber im wesentlichen Zwingen, Heißleim, einige Cutterklingen und die Ränder einer Gitarrendecke vom Tonholzhändler.
Die Reibahle hab ich letzte Woche bestellt. Die Pressvorrichtung war ein Bastelprojekt mit Epoyknet und Frischhaltefolie.

ich hab mal einige Jahre mit Schülern Zigarrenkistchen-Gitarren gebaut und selbst zwei E-Celli.
Die Magnete sind ebenfalls aus dem Unterricht übrig – vom Boxenbauprojekt.

LG
Sebastian

Re: d´orso böhmische Gitarre

Verfasst: Di Mär 31, 2020 5:25 pm
von rwe
Sehr schön! - Wie klingt Sie (falls man das sinnvoll beschreiben kann)?

Re: d´orso böhmische Gitarre

Verfasst: Di Mär 31, 2020 7:00 pm
von soapone
Ich würde sagen zart aber mit Sustain. Schon schön aber ungewohnt...
Ich hab aber für mich noch keinen Zugang zu dem Klang gefunden.
Bin jetzt kein Virtuose... Aber es könnte für mich schon was werden.
Vielleicht mach ich mal ein Audio.

Die Saitenlage passte auf Anhieb. Spielbarkeit super...
Mit den Saiten von Innfeld bin ich nicht ganz happy.
Ich denke, ich werde es wagen, Silk and Steel von Pyramid, Dáddario oder so drauf zu machen.

Re: d´orso böhmische Gitarre

Verfasst: Di Mär 31, 2020 7:51 pm
von Niels Cremer
Sehr schön restauriert! Mir gefällt nur das high-gloss finish nicht, aber das ist ja Geschmacksache.

LG,
Niels

Re: d´orso böhmische Gitarre

Verfasst: Di Mär 31, 2020 8:35 pm
von Holger Hendel
Sehr beeindruckend, danke fürs Zeigen.

Re: d´orso böhmische Gitarre

Verfasst: Di Mär 31, 2020 10:23 pm
von soapone
Sehr schön restauriert! Mir gefällt nur das high-gloss finish nicht, aber das ist ja Geschmacksache.
danke.
Mir eigentlich auch nicht. Das ist auch noch nicht abgeschlossen. Entweder, es wird noch richtig high-gloss und die Poren werden geschlossen oder es wird matt. Das mach ich aber erst, wenn ich weiß, ob ich auch regelmäßig mit dem Instrument spiel
Hättest Du einen besseren Vorschlag?
Hübsch würde man heute vermutlich auch eine Komplett-Entlackung und ein mattes Ölfinish finden. Ich auch. Der Hals ist aus irgendwas rotem - Kaya oder Sipo, womöglich sogar echt Mahagoni... Würd sicher toll aussehen. Das wollte mir aber ein zu großer Eingriff in die Original-Gestaltung sein.

Re: d´orso böhmische Gitarre

Verfasst: Mi Apr 01, 2020 5:57 am
von Niels Cremer
soapone hat geschrieben:Hättest Du einen besseren Vorschlag?
Hübsch würde man heute vermutlich auch eine Komplett-Entlackung und ein mattes Ölfinish finden. Ich auch.
Mir auch! :wink: Aber das ist natürlich auch viel Arbeit denk ich mal ...

LG,
Niels

Re: d´orso böhmische Gitarre

Verfasst: Mi Apr 01, 2020 6:25 am
von soapone
Nö, dass wär vermutlich weniger Arbeit, würde aber das historische Instrument massiv verändern.

Re: d´orso böhmische Gitarre

Verfasst: Mi Apr 01, 2020 6:57 am
von berndwe
Die Fertigkeiten die man für so ein Projekt braucht kann ich nur bewundern.

Re: d´orso böhmische Gitarre

Verfasst: Mi Apr 01, 2020 11:35 am
von Es335
Mein Kompliment! Ein spannendes Restaurationsprojekt mit einem schon jetzt sehr überzeugenden Resultat.

Sehe ich das richtig, dass die Decke nur eine Querbebalkung aufweist? Wenn ja, dürfte die „Kleine“ der Laute bzw. Lautengitarre näher stehen, als heutigen Steel- oder Nylonstrings. Das hätte dann wahrscheinlich auch Einfluss auf die Stimmung und Saitenwahl!? Ich würde es mal mit Aquila Ambra 900 probieren. Die sind zwar etwas dicker als Stahlsaiten, aber nicht so dick wie Nylonsaiten und für Biedermeier-Gitarren mit 432 Hz Stimmung gedacht. Das Pendant für 440 Hz Stimmung wäre Ambra 2000! :wink:

Was die 32 mm Mechaniken betrifft, dürfte soetwas heute kaum mehr von der Stange erhältlich sein, so dass entweder Einzelmechaniken oder eine Sonderanfertigung in Frage käme. Für letzteres kann ich Rubner nur wärmstens empfehlen. Der Aufpreis für eine ihrer Standardmechaniken mit Amberger Welle und 32 mm Wellenabstand ist gering und wenn es denn so original wie möglich sein soll, kopieren sie alte Mechaniken nach Vorlage bis zu einem gewissen Grad natürlich. Auch die typische Lieferzeit für solche Spezialanfertigungen ist mit 4 Wochen konkurrenzlos schnell!

Re: d´orso böhmische Gitarre

Verfasst: Mi Apr 01, 2020 10:05 pm
von soapone
@Es335: Danke fürs Kompliment.

Ich hätte noch Schaller GransTune oder artverwandte gotohs, fände es aber hübscher, die alten flott zu bekommen. Rubner ist ein super Tipp.
Ich spiele eigentlich abwechselnd auf einer Flamenco- und einer Dreadnought-Gitarre. Von der Gitarre hab ich mir was zwischendrin versprochen. Die Dreadnought ist mir zu wuchtig, die Flamenco mit Klavier und Schalgzeug auch nicht so, wie ich es gern hätt: bescheiden aber präsent. Drum war es mir schon ein Anliegen leichte Steelstrings drauf zu machen.
Das Bracing ist ein Ladder bracing.

Re: d´orso böhmische Gitarre

Verfasst: Mi Apr 01, 2020 10:20 pm
von Es335
Dann würde ich dir erst recht zu Aquila Ambra Saiten raten. Die liefern bei so einer Gitarre üblicherweise einen eher grundtönigen Klang, der erstaunlich durchsetzungsfähig ist. Meine Torres Kopie im Parlor Format kommt I’m Vergleich zu meinen beiden großen Konzertgitarren zwar eher schmalbrüstig daher aber ist mein bevorzugtes Instrument für das Ensemblespiel mit der Violine z.B.! :wink: :D