"Negative Gegenkopplung" ist der "weiße Schimmel" der Verstärkertechnik.
RB hat es richtig formuliert, negative Rückkopplung wird in der Verstärkerschaltungstechnik als Gegenkopplung bezeichnet. Ein Teil der Ausgangsspannung wird invertierend zum Eingang zurückgeführt, um die Verstärkung zu regeln/stabilisieren, was dazu gedacht ist, Übersteuerungen zu vermeiden.
Die Wirksamkeit einer solchen Regelschaltung hängt vom Frequenzverlauf und wesentliche von der Phasenverschiebung des Verstärkers ab. Transitoramps mit "eisenloser" Endstufe und einem sehr, sehr kleinen Ausgangswiderstand haben damit i.d.R. kein Problem, Röhrenverstärker hingegen ganz gewaltig.
Sie haben einen hohen Ausgangswiderstand, der im unteren Frequenzbereich bereits mit deutlichen Phasenverschiebung behaftet ist. Darüber hinaus ist beim Röhrenverstärker immer ein Ausgangsübertrager erforderlich, damit ausreichend Leistung beim der Lautsprecher ankommt, was dann bei höheren Frequenzen noch mal für massive Phasenverschiebung sorgt.
Dadurch arbeitet ein Röhrenverstärker im unteren und oberen Frequenzbereich quasi fast ungeregelt, spricht er verstärkt "wild" vor sich hin.
Hinzu kommt noch ein zweiter Effekt im Zusammenspiel mit dem Lautsprecher. Der hohe Ausgangswiderstand eines Röhrenverstärker bedingt einen zu geringen Dämpfungsfaktor. Die Impedanz eines Lautsprechers ist zudem frequenzabhängige, was insbesondere im Bereich der unteren Resonanzfrequenz und bei höheren Frequenzen zu seinem stark Anstieg führt. Dadurch kann der Röhrenverstärker in diesen Bereichen eine höhere Ausgangsspannung abgeben, was zu einer Frequenzanhebung bis zu 3,5 dB führt, was rein elektrisch einer Leistungsverdopplung entspricht. Darin besteht u.a. auch der Grund, warum die Lautsprecherwahl gerade bei eine Röhrenverstärker so kritisch ist!
Lange Rede kurzer Sinn, ein Röhrenverstärker werkelt weitgehend ungeregelt vor sich hin, weist deutliche Frequenzanhebungen im Bass- und Präsenzbereich auf und geht quasi übergangslos in die Übersteuerung, weshalb es auch technisch nachvollziehbar ist, dass Röhrenverstärker ungeachtet der üblichen Watt-Verwirrspiele als lauter wahrgenommen werden.
Der deutliche Preisunterschied zu Transitorverstärkeren ist darauf zurückzuführen, dass ein teuerer Ausgangsübertrager benötigt wird und der Verstärker auf mechanisch, thermisch und auch elektrisch höhere Belastungen ausgelegt sein muß!
Auch wenn das jetzt kein Anspruch auf einen hoch wissenschaftlicher Beweis erhebt, hilft es vielleicht ein wenig, die allgemein wenig bestrittenen Erfahrung, dass Röhrenverstärker als "lauter wahrgenommen" werden, technisch etwas zu untermauern.
Mit besten Wünschen zum 4. Advent
Gruß es335