Gema frei?

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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scifi
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Beitrag von scifi »

berndwe hat geschrieben:[
Wie liegt der Fall wenn ich nun ein Gesangsstück als Instrumental für Gitarre arrangiere (z.B. The Fool on the Hill von den Beatles). Reicht die Anmeldung bei der Gema oder muss ich mich mit lebenden und verstorbenen Mitgliedern der Beatles enigen - oder etwa den Rechteinhabern des Beatles Repertoires (war das nicht Michael Jackson) wenn ich die Bearbeitung bzw. das Arrangement (was von beiden ist es?) veröffentlichen will.
Oder ich spiele ein Traditional in eigener Bearbeitung/Arrangement, zu dem es unwissentlich schon eine fast gleiche Bearbeitung/Arrangement von jemand anders gibt oder zumindest deren Grundzüge mit meiner Bearbeitung/Arrangement übereinstimmen? Der Fall lässt sich ja fast nicht vermeiden.

Wenn ich RBs Angaben versuche anzuwenden, wäre die Bearbeitung eines Traditionals ab einer gewissen "Schöpungshöhe" wohl schützbar.

Für mich würde das bedeuten:

Wenn es nur um die Harmonisierung geht, ist nicht mit einem Schutz zu rechnen, das diese eher "Handwerkszeug" ist. Wenn ich die Sache mit eigenen Riffs oder Zweitstimmen ergänze, sollte ich mal schauen, ob das andere nicht auch schon so gemacht haben. Sollte es schon ähnliche Bearbeitungen geben, müsste ich mich entscheiden, ob ich mein "Werk" gleich als "Coverversion" deklariere oder mit dem Risiko eines eventuellen Urheberkonflikts einfach lebe.

Was meint ihr?
Zuletzt geändert von scifi am Fr Okt 07, 2011 9:54 pm, insgesamt 1-mal geändert.
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berndwe
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Beitrag von berndwe »

scifi hat geschrieben:
berndwe hat geschrieben:
Wenn ich RBs Angaben versuche anzuwenden, wäre die Bearbeitung eines Traditionals ab einer gewissen "Schöpungshöhe" wohl schützbar.
Was ist denn der objektive Maßstab? Ab wann ist die Schöpfungshöhe ausreichend, damit ich mit Erfolgsaussichten verklagt werden kann?
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RB
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Beitrag von RB »

Das ist gerade die große Frage. Ich mache es mir einfach, indem ich annehme, daß "nur" ein Arrangement vorliegt, wenn ich das Stück im wesentlichen getreu wiedergebe und mögliche Kürzungen gegenüber einem Original der arrangiertechnische Umsetzung auf das Instrument Gitarre zuzuschreiben ist. Wenn eigene Stimmen dazukomponiert werden, die dem Stück ein neues Gepräge geben, würde ich schon eher eine Bearbeitung annehmen.

Konkretes Beispiel: Der Dritte Mann von Anton Karas (oder Kuras ? Oder Karras oder Kurras ?) Da gibt es verschiedene Gitarrenversionen, die ich aber allesamt als Arrangements für Gitarre betrachte, weil sie sich alle Mühe geben, das Stück möglichst getreu wiederzugeben oder anklingen zu lassen. So nach dem Motto: Die Kunst des Gitarristen ist für den mitter Zither bitter.

Interessant ist die Betrachtung des BGH über den Kapellenleiter, der den Gassenhauer ad hoc arrangiert. Das ist ein wenig aus der Zeit vor Remix und Karaoke, aber immerhin: Man hat einen Schlager, den die Kapelle mit einer gegebenen Besetzung spielen will. Man kann sich vorstellen, die Kapelle "Die Edelweiss-Granaten" wollen auf dem Feuerwehrfest von Quackendorf 1956 den Dritten mann spielen. Sie haben zur Verfügung: Kontrabass, Schlagzeug, Klarinette, Violine und eine Quetschkommode mit 80 Bässen. Der Kapellenleiter hat sich das Stück besorgt, vielleicht sogar eine Klavierbearbeitung oder die Noten des Zitheristen. Nun setzt er sich mit Notenpapier, Bleistift und Radiergummi hin und arrangiert das ganze so, daß seine Besetzung das Stück wiedergeben kann. Der Bass ist tiefer, als die Bassfiguren der Zither, also muß er die Stimme verlegen. Auch ist das Zither-Original in den Bassfiguren vielleicht beweglicher angelegt, als Günter am Bass, vor allem, wenn die Jungs von der Feuerwehr ihn wieder besoffen gemacht haben. Also legt er den Bass etwas vereinfacht und begradigt an. Damit keiner zu kurz kommt und es wieder Eifersüchteleien und Zickenkrieg gibt, läßt er die in alpenländischer Musiktradition zweistimmig angelegte führende Melodie abwechselnd von der Quetschkommode einerseits und von Violine und Klarinette andererseits spielen. Er paßt also das Origninal sowohl hinsichtlich der Stimmführung, als auch hinsichtlich der Instrumentierung seinen Gegebenheiten an. Das alles soll Arrangement sein, Handwerk, kein Werk.

Eine Instrumental-Umsetzung, in der die Gesangsstimme vom Instrument wiedergegeben wird, ist meines Erachtens ähnlich zu betrachten. Das Weglassen des Gesangs und damit des Textes ist jedenfalls keine Bearbeitung, das Kürzen wird generell nicht als Bearbeitung betrachtet. Also wird es letztlich darauf ankommen, ob das Stück wiedererkannt, wiedergegeben werden will, oder ob vom Ur-Werk ausgehend, etwas Neues, Eigenes geschaffen werden sollte.

Die Definintionsversuche führen an dieser Stelle zwar zu einer Einengung der Betrachtung auf die für eine Abgrenzung entscheidenden Parameter. Eine allgemeine Lösungsformel aber wird es wohl nicht geben, sondern immer die Betrachtung des Einzelfalls.
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wuwei
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Beitrag von wuwei »

berndwe hat geschrieben:Was ist denn der objektive Maßstab? Ab wann ist die Schöpfungshöhe ausreichend, damit ich mit Erfolgsaussichten verklagt werden kann?
Abgesehen davon, daß man, wie RB überzeugend darlegt, immer den Einzelfall prüfen muß, kommt man vermutlich einer korrekten Einschätzung am nächsten, wenn man den Spieß umdreht und sich fragt, ob das Arrangement so signifikante Eigenheiten enthält, daß sich daraus Urheberrechte ableiten lassen.

Dabei frage ich mich gerade, wie das denn die DJ's machen, die in ihren Techno-, HipHop-, wie-auch-immer-Versionen Originalschnipsel von Songs verwenden? Führen die zuvor Diskussionen mit den Rechteinhabern, oder gilt das Ergebnis noch als Arrangement, weil es sich im Rahmen üblicher handwerklicher Praxis abspielt?
"A Harf’n g’hert in ka Symphonie;
i’ hab’ ma nöt helf’n könna."
(Anton Bruckner über seine 8.)
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