Wie werde ich vom Augenspieler zum Ohrenspieler...

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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LaFaro
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Beitrag von LaFaro »

wenn ich Dein Problem jetzt "richtig" verstanden habe, geht es eher um so etwas wie "Voraus ahnen" bzw. das Umsetzen der Ideen aus dem Kopf in die "Spielpraxis"... vielleicht hilft das Mitsingen oder Mitsummen der Melodie -und sei es nur im Kopf- ein bißchen....?!??! das hat mir jedenfalls beim Improvisieren auf dem KB immer bei der Orientierung geholfen.... :)
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Pick Mac
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Beitrag von Pick Mac »

Hm, dann versteh ich es wohl nicht. Kannst du das denn auf der Harp oder dem Klavier so umsetzen?
Ob fünf, ob sechs, ob acht, ...
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Geli
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Beitrag von Geli »

Wenn ich das richtig verstehe, suchst Du also nicht nach einer Möglichkeit Stücke besser auswendig zu lernen, sondern willst wirklich Ohrenspieler werden, soll heißen, z.B. eine Melodie, die Du im Kopf hast, sofort aufs Griffbrett übertragen zu können, oder?

Wenn dem so ist, wäre eine Übung dafür:
Einer spielt eine kurze Phrase und Du spielst sie nach (natürlich ohne dem Anderen auf die Finger geschaut zu haben).
Wichtig dabei ist, dass die vorgespielten Phrasen erstmal einen Sinn ergeben, also nicht beliebige Töne hintereinander sind, sondern einen harmonischen Zusammenhang haben.

Im günstigstem Fall lernt man auf diese Weise, sofort zu wissen, wo welcher Ton auf dem Griffbrett zu finden ist, was einen dann befähigt, alles was im Kopf erklingt auch aufs Instrument zu übertragen.

Da das nur sehr wenige Instrumentalisten können, nehme ich aber stark an, dass es mit Üben nicht getan ist sondern ein besonderes Talent dazu gehört.

Die wenigen, die ich kenne, die das können, schaffen das nämlich auch, wenn das Instrument auf verschiedene offene Stimmungen umgestimmt wurde, bzw. bei Bläsern von Bb-Instrumenten auf Eb-Instrumente oder C-Instrumente gewechselt wird.

Gruß
Geli


Geli´s Hohmpäjtsch:
http://www.tiny-world.de/Kunstdrucke.html" onclick="window.open(this.href);return false;
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wuwei
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Beitrag von wuwei »

Hallo Brokenstring,

meine Herangehensweise (als Freund fernöstlicher Weisheit) wäre, den Istzustand bei den bisher gelernten Stücken zu akzeptieren und diese eben vom Blatt zu spielen. Statt sich krampfhaft zu bemühen, die Stellen in den Griff zu bekommen, wo Du ohne Blatt nicht weiter kommst, ist Deine Energie doch viel sinnvoller darauf verwandt, das Übel an der Wurzel anzugehen.

Nebenbei bemerkt, gibst Du dem Problem ja erst seine Existenzberechtigung, indem Du Dich daran aufreibst. Und was hättest Du damit gewonnen, wenn Du diese Stücke nur durch Training und Willensanspannung ohne Blatt vor der Nase spielen kannst? Vom Ohrenspiel wärst Du dadurch noch weiter entfernt als jetzt. Denn das Blatt ist ja nur eine Krücke für den Verstand. Nimmst Du ihm diese weg, muß er noch stärker kontrollieren....

Neben dem hier schon empfohlenen Improvisieren, einfach Rumdaddeln, oder Spielen mit Anderen, bietet sich an, gezielt das Ohr, und vor allem das Vertrauen in das Ohr zu stärken. Die von Dir erwähnte Gehörbildungsapp, oder ähnliches, ist zwar eine gute Sache, wird Dir aber nicht wirklich weiterhelfen. Das Vermögen, isolierte Intervalle erkennen zu können ist nützlich, aber erstmal durchaus unmusikalisch, denn in der Musik kommen keine isolierten Intervalle, sondern ausschließlich auf einen Bezugston gehörte Intervalle vor. (Atonale Musik können wir hier mal ausklammern.)

Viel besser ist's also, wenn Gehörbildung gleich im realen musikalischen Kontext stattfindet. Das Hören, Nachsingen/-summen und anschließende Spielen von Melodien ist die einfachste und natürlichste Möglichkeit, den Fingern beizubringen, sich vom Ohr führen zu lassen. Du könntest auch sofort damit beginnen: einfach mal für 'ne Minute das Radio einschalten....

Nicht unbedingt notwendig, aber eine gute Hilfe, da didaktisch gut aufgebaut und manch bedenkenswerten Gedanken enthaltend, ist Das Ohrenbuch. Die Stücke gehen von leicht bis mittelschwer, wobei man sich zuerst nur auf die Melodie konzentrieren sollte, und erst im zweiten Durchgang auf die Harmonien. Macht Spaß und bringt's!

Herzlichen Gruß, Uwe
"A Harf’n g’hert in ka Symphonie;
i’ hab’ ma nöt helf’n könna."
(Anton Bruckner über seine 8.)
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Brokenstring
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Beitrag von Brokenstring »

Geli hat geschrieben:Wenn ich das richtig verstehe, suchst Du also nicht nach einer Möglichkeit Stücke besser auswendig zu lernen, sondern willst wirklich Ohrenspieler werden, soll heißen, z.B. eine Melodie, die Du im Kopf hast, sofort aufs Griffbrett übertragen zu können, oder?

Vielleicht nicht sofort, aber nicht so problematisch wie heute. Nehmen wir das schon erwähnte "Kuckuck" oder auch "Fuchs Du hast die Gans gestohlen." Auf der Harp hab ich diese einfachen Melodielinien vor ein paar Jahren relativ schnell umsetzen können. Auf der Gitarre gelingt das irgendwie nicht so recht, wie ich ich mir das vorstelle. Ich muss praktisch jeden einzelnen Ton suchen, wobei mir die Tonart zunächst relativ egal wäre, an Begleitstimmen denke ich schon mal noch gar nicht. Das bessere auswendig lernen ist eigentlich nicht das wirkliche Ziel, eher schon die fehlende Teile aus dem Kopf ergänzen zu können, wenn das Stück sowieso im Kopf vollkommen bekannt ist. Erst in KOmbination mit dem Auge kriege ich heute die Finger dahin wo sie sollen...


Wenn dem so ist, wäre eine Übung dafür:
Einer spielt eine kurze Phrase und Du spielst sie nach (natürlich ohne dem Anderen auf die Finger geschaut zu haben).
Wichtig dabei ist, dass die vorgespielten Phrasen erstmal einen Sinn ergeben, also nicht beliebige Töne hintereinander sind, sondern einen harmonischen Zusammenhang haben.

Im günstigstem Fall lernt man auf diese Weise, sofort zu wissen, wo welcher Ton auf dem Griffbrett zu finden ist, was einen dann befähigt, alles was im Kopf erklingt auch aufs Instrument zu übertragen.

Zumindest relativ sollte es funktionieren, absolut ist wohl unmöglich. Intervalle hören kann man lernen, ein absolutes Gehör ist wohl teilweise angeboren oder muss in frühester Kindheit antrainiert werden.
[/u]
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Brokenstring
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Beitrag von Brokenstring »

wuwei hat geschrieben: Neben dem hier schon empfohlenen Improvisieren, einfach Rumdaddeln, oder Spielen mit Anderen, bietet sich an, gezielt das Ohr, und vor allem das Vertrauen in das Ohr zu stärken. Die von Dir erwähnte Gehörbildungsapp, oder ähnliches, ist zwar eine gute Sache, wird Dir aber nicht wirklich weiterhelfen. Das Vermögen, isolierte Intervalle erkennen zu können ist nützlich, aber erstmal durchaus unmusikalisch, denn in der Musik kommen keine isolierten Intervalle, sondern ausschließlich auf einen Bezugston gehörte Intervalle vor. (Atonale Musik können wir hier mal ausklammern.)

Ist nicht der Abstand von einem Ton zum nächsten immer ein Intervall? So gesehen ist der vorhergehende Ton immer der aktuelle Bezugston zum aktuellen Intervall. Durch das Kennen (oder Spielen) einer Tonart, dürfte das Ganze noch einfacher werden, da irgendwleche Töne, bzw. Intervalle, ja nicht vorkommen. Bsp- Al-Le (Ganzton), ((Le_Mei (Ganzton)) Mei-ne (Halbton), Ent-chen (gleichklang)

Viel besser ist's also, wenn Gehörbildung gleich im realen musikalischen Kontext stattfindet. Das Hören, Nachsingen/-summen und anschließende Spielen von Melodien ist die einfachste und natürlichste Möglichkeit, den Fingern beizubringen, sich vom Ohr führen zu lassen. Du könntest auch sofort damit beginnen: einfach mal für 'ne Minute das Radio einschalten....

Das ist ja das Problem, ich krieg die Finger nicht dazu sich vom OHr führen zu lassen. Beim Klavier (zumindest in C-dur) würde es mir eher gelingen oder auch auf einer Harp, aber auf der Gitarre funzt es eher kaum, aber ich habe es auch noch nie so richtig geübt. Vielleicht sollte ich wirklich mit Alle meine Entchen und Co anfangen....

Danke für den Buchtipp.
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clone
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Beitrag von clone »

Brokenstring hat geschrieben:Danke erstmal für die vielen Tipps. Das mit dem Zerlegen und dann Zusammensetzen mache ich ja schon, aber alles findet über die Augen statt (ich glaube wuwei hat das am besten beschreiben, wo mein "Problem" liegt.) Ich würde das gerne auch über das Gehör umsetzen können. So nach dem Motto, die nächste Phase dürfte klingt nach "Do Fa" dürfte also eine Quarte über dem aktuellen Ton sein. Vom jetzigen Ton, also Mittelfinger Saite X ist die Quarte Ringfinger Saite X-1 und dies natürlich ohne zu denken, sondern einfach Ringfinger und fertig. so wie auf dem Klavier die Qarte einfach 3 Tasten nach rechts ist und auf der Harp statt Zelle Blasen eine Zelle Rechts ziehen...
Ich hoffe dies kommt einfach mit der Praxis, wobei ich dies mal gezielter üben versuche. Mir fehlt nur die Idee, wie ich dies zielführend üben kann. Ich sollte das mal mit meinem Lehrer diskutieren, vielleicht hat der Tipps. Außerdem spiele ich ja erst wieder seit 3-4 Jahren, vielleicht brauchs halt einfach noch ein bisschen. Wenn jemand noch ein paar Übetipps hat, sind sie natürlich sehr willkommen.
Kann es sein, dass dir `einfach´ eine visuelle Vorstellung von dem Griffbrett der Gitarre, bzw. von den jeweils gespielten Griffen fehlt?

Ich komme da drauf, weil du Klavier und Harp anführst. In beiden Fällen hat man da die Tasten ja stets vor Augen... .

Falls dem so ist, wäre meine Idee mehr auf das Griffbrett zu schauen. Natürlich etwas, das ansonsten meist abtrainiert werden soll, ist mir schon klar... .
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Brokenstring
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Beitrag von Brokenstring »

clone hat geschrieben:
Kann es sein, dass dir `einfach´ eine visuelle Vorstellung von dem Griffbrett der Gitarre, bzw. von den jeweils gespielten Griffen fehlt?
Da könnte was schon dran sein. Natürlich kenne ich die Lage der Töne (zumindest in den ersten Lagen), beim Akkorden wirds dann schon schwieriger, da muss ich eigentlich meist schon abzählen um die genauen Töne zu erkennen. Da ist das Klavier beim schon einfacher, Daumen Mittel Kleiner finker ist zunächst mal C-Dur mit CEG... Ich glaube mir fehlt eher das Bewußtsein für die Töne auf dem Griffbrett. Wenn ich jetzt aus demn Stehgreif CEG spielen müsste, würd ich das C sofort finden, das E weiß ich zwar eigentlich wo es liegt, dennoch würde ich erst die D-Saite "suchen" und dann zwei Bünde nach oben gehen. Das theoretisch bekannte Intervall "Wenn Ringfinger auf Ton, dann ist eine Saite tiefer Mittelfinger eine Terz" (Gilt außer bei Wechsel zwischen G und A) Saite fehlt mir noch in den Fingern.

Ich hab eben mal kurz den Fuchs und die Entchen ausprobiert. Ich glaube, dass ist eine zielführende Übung. Bekannte einfache Melodien versuchen auf der Gitarre umzusetzen, villeicht noch besser mit bekanntem Anfangston und Tonart. Mal sehen ob mit der zeit was Gescheites bei rum kommt...
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wuwei
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Beitrag von wuwei »

Brokenstring hat geschrieben:
wuwei hat geschrieben: Neben dem hier schon empfohlenen Improvisieren, einfach Rumdaddeln, oder Spielen mit Anderen, bietet sich an, gezielt das Ohr, und vor allem das Vertrauen in das Ohr zu stärken. Die von Dir erwähnte Gehörbildungsapp, oder ähnliches, ist zwar eine gute Sache, wird Dir aber nicht wirklich weiterhelfen. Das Vermögen, isolierte Intervalle erkennen zu können ist nützlich, aber erstmal durchaus unmusikalisch, denn in der Musik kommen keine isolierten Intervalle, sondern ausschließlich auf einen Bezugston gehörte Intervalle vor. (Atonale Musik können wir hier mal ausklammern.)

Viel besser ist's also, wenn Gehörbildung gleich im realen musikalischen Kontext stattfindet. Das Hören, Nachsingen/-summen und anschließende Spielen von Melodien ist die einfachste und natürlichste Möglichkeit, den Fingern beizubringen, sich vom Ohr führen zu lassen. Du könntest auch sofort damit beginnen: einfach mal für 'ne Minute das Radio einschalten....
Ist nicht der Abstand von einem Ton zum nächsten immer ein Intervall? So gesehen ist der vorhergehende Ton immer der aktuelle Bezugston zum aktuellen Intervall. Durch das Kennen (oder Spielen) einer Tonart, dürfte das Ganze noch einfacher werden, da irgendwleche Töne, bzw. Intervalle, ja nicht vorkommen. Bsp- Al-Le (Ganzton), ((Le_Mei (Ganzton)) Mei-ne (Halbton), Ent-chen (gleichklang)
Brokenstring hat geschrieben:Vor einem halben Jahr hab ich mir schon ein Gehörbildungsapp geladen, hier mache ich gute Fortschritte, kann das Gelernte aber noch nicht so wirklich auf Gitarre umsetzen.
Brokenstring hat geschrieben:Ich hab eben mal kurz den Fuchs und die Entchen ausprobiert. Ich glaube, dass ist eine zielführende Übung. Bekannte einfache Melodien versuchen auf der Gitarre umzusetzen, villeicht noch besser mit bekanntem Anfangston und Tonart.
Hiermit hast Du die Frage nach dem Unterschied zwischen einem isolierten Intervall und einem Intervall, das innerhalb eines musikalischen Kontextes steht selbst beantwortet! Ist das nicht wunderbar? Auf der einen Seite machst Du ein halbes Jahr lang Fortschritte, ohne daß sich aber ein Effekt auf der Gitarre einstellt. Auf der anderen Seite probierst Du nur eben mal und spürst sofort, daß da was geht. Großartig!

Damit ist es eigentlich gar nicht mehr notwendig dem Zusammenhang weiter nachzugehen. Aber als kleine Anregung, und weil wir hier merkwürdigerweise das Thema berühren, das mich zu meinem ersten Post in diesem Forum bewegt hat (Du hattest Dich in dem Thread damals auch zu Wort gemeldet), folgendes:

Bei einem isolierten Intervall wird das Ohr, wenn die Töne in zeitlicher Abfolge erklingen, immer den ersten Ton als Bezugston annehmen. Erklingen die Töne gleichzeitig, wird es den tieferen Ton als Bezugston vermuten.

Ein Intervall aber, das von zwei Tönen gebildet wird, die in einem musikalischen Kontext stehen, wird vom Ohr auf den Bezugston dieses Kontextes gehört, auch wenn er gar nicht Bestandteil des erklingenden Intervalls ist.

Beispiel: Ein Stück steht in C-Dur. Damit ist für das Ohr der Bezugston C festgelegt (solange, bis für das Ohr nachvollziehbar die Tonart gewechselt wurde). Wenn man jetzt C-E-G-H arpeggiert, hört das Ohr jeden der erklingenden Töne auf C bezogen, also eben nicht C-E, E-G, G-H, sondern C-E, C-G, C-H. Die tatsächlich erklingenden Intervalle E-G und G-H sind also gewissermaßen nur ein Nebenprodukt, das in einen größeren musikalischen Kontext eingebettet ist. Die spezifische Qualität, die sich aus diesem Umstand für die Intervalle (und damit für das Ohr) ergibt, fehlt den isolierten Intervallen, weshalb sie im Grunde unmusikalisch sind.

Von hier aus ließe sich auch leicht aufzeigen, welchen Schaden die gleichstufige Temperierung anrichtet, aber das ist ein anderes Thema, und die Nacht ist schon reichlich fortgeschritten....
"A Harf’n g’hert in ka Symphonie;
i’ hab’ ma nöt helf’n könna."
(Anton Bruckner über seine 8.)
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