G.A.S. Grundsatzdiskussion

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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Orange
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G.A.S. Grundsatzdiskussion

Beitrag von Orange »

Abend liebe Leut´,

inspiriert durch ein paar andere Threads in letzter Zeit möchte ich mal ein paar G.A.S.-Grundsatzfragen versuchen zu klären.

Also ich habe schon seit über einem Jahr keinen G.A.S.-Anfall bekommen (irgendwie mag ich das Wort gar nicht mehr) was mir meine Freundin und meine Brieftasche dankt,
davor habe ich auch einige Verlustgeschäfte mit vermeindlichen "Fehlkäufen" gemacht.
Mittlerweile sehe ich die Sache etwas nüchterner. Sicher, eine neue Gitarre macht Spaß, inspiriert und "verleitet" zu mehr spielen / üben, aber braucht es das wirklich ?
Natürlich zu berücksichtigen: Verschiedene Spieltechniken benötigen auch teilweise verschiedene Gitarrenmodelle.

Ich für meinen Teil kann sagen das ich mir so einige Käufe / Verkäufe hätte sparen können, nur damit man sich eine Gitarre kauft die "noch besser" ist als die andere.
Aufgrund dieses Umdenkens ist vielleicht mein G.A.S. geheilt worden ? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur das es gut ist so wie es ist.

- Was geht in uns vor beim ständigen Gitarrenwechsel ?
- Was erwarten wir uns davon ?
- "Brauchen" wir G.A.S. wirklich ?

Schon komisch was ich da eben alles geschrieben habe, aber sorry, es war stärker als ich. 8)

So long ...

Musikalische & G.A.S.-freie Grüße
Jürgen
Saitensprung

Beitrag von Saitensprung »

Ein paar Gedanken, die ich schon öfters zum Thema hatte:

- bei manchen Usern hier halte ich "die Frau mit dem Nudelholz" für ein Klischee. Ich kaufe es jedenfalls lange nicht jedem ab.
- davon abgesehen kann ich es mir nicht vorstellen, dass ich mir von meiner Freundin oder - hätte ich eine - Ehefrau ein schlechtes Gewissen machen lassen würde, wenn ich mir mal eine teure Gitarre kaufen wollte. Dafür spart man und dem Partner steht das auch zu - selbst bei gemeinsamer Haushaltskasse.

- GAS ist etwas, was in vielen Bereichen funktioniert. Die Ukulelisten nennen es UAS und bestimmt gibt es den Begriff mit allen 24 Anfangsbuchstaben für irgend eine Sache. Ich finde es zum Teil normal. Man ist begeistert von etwas, will es haben und es glänzt, funkelt, klingt, fühlt sich gut an. Besser als Alk und Kippen ist GAS doch allemal, besser als der Handywahn auch, schließlich kann man mit Gitarren etwas wie Musik machen, und die Dinger altern und werden kultiger. Handys können doch nur nerven und sind nach 12 Monaten veraltet. Musik machen ist Kreativität, telefonieren irgendwie nicht.

- Ich habe auch innerhalb eines Jahres 4 Gitarren und 3 Ukulelen gekauft.
- Eine Gitarre habe ich geklaut bekommen und mir wieder gekauft. Ich benutze sie als berufliches Arbeitsgerät. Eine andere Gitarre habe ich neulich wieder verkauft, ebenso eine Ukulele, weil ich sie nicht gut fand, nicht spielte und eben das Geld für anderes brauchte.
- Ich habe noch weitere Gitarren/Ukulelenwünsche. Diese Instrumente werden sich aber in Aussehen, Bauweise und Klang sehr von den anderen unterscheiden. Eine Archtop mit Humbucker ist eben etwas anderes als eine Folkgitarre und eine Mya Moe Konzertukulele ist auch etwas anderes, als eine Martin Sopran. Aber dafür spare ich bzw. bekomme Dividenden von meinen Versicherungen. das Geld ist eben genau dazu da, es auf den Kopf zu hauen, es in die Wirtschaft rein zu pumpen. Da geht keine Beziehung dabei stiften und es ist auch nicht schade darum.
- Ich genieße ein neues Instrument länger als 2 Wochen und spiele es häufig. Überhaupt spiele ich alle meine Instrumente. Ich nehme sie im Sommer mit ins Freie, ich spiele mit Freunden zusammen ich spiele den Kindern auf der Arbeit vor.
-Ich merke auch, dass es irgendwann gut ist, dass ich nicht besser werde, wenn ich andere Gitarren besitze und ich habe irgendwann auch mal genug.
- Ich vergleiche den Gitarrenbesitz mit anderen Konsumgütern: Es gibt Menschen, die haben mehr als 3 teure Teppiche, Bilder an der Wand, Möbel oder Autos - warum sollte ich also nicht mehr als 3 schöne Gitarren im Wohnzimmer stehen haben? Eben! Musik hören und machen ist meine Leidenschaft. Letzteres tu ich so gut ich es kann und ich bin damit glücklich. Andere saufen oder hängen vor der Glotze ab. Ich finde GAS nicht schlimm. Nur sollte man es auch mal reflektieren. das habe ich gerade wieder getan. Dafür ein Dankeschön für diesen Fred, Kaindee! :wink:
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RB
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Beitrag von RB »

Der Aspekt des Rausches, des Kontrollverlustes und des Verlustes realistischer und angemessener Bezugsgrößen ist real. Möglicherweise müssen einige, ich gehöre wohl dazu, erst eine gewisse Zahl dieser Erlebnisse gehabt haben, um zu erkennen, daß genau das eintritt, was oben beschrieben wurde:

Das Neue ist bald nicht mehr neu und der Sinn richtet sich auf anderes, auf Neues. Das Spiel geht von vorne los. Signalreiz, Kontrollverlust, Beiseiteschieben angemessener Maßstäbe und das Abzählen der Ressourcen, die Verschiebung verbrauchter, ausgelaugter Rauschzustände in Form bereits gehabter Instrumente.

Mit dem Verlust realistischer und angemessener Bezugsgrößen ist der folgende Aspekt gemeint: Welches Instrument und wie viele Instrumente benötige ich objektiv betrachtet, um meiner Liebhaberei nachkommen zu können ?

Die ehrliche Antwort ist: Ein einziges.

Nicht zu edel, nicht zu einfach, sondern in der Mitte. Eine D-16 GT beispielswiese. Dazu ein Aufnahmegerät und der Bedarf ist eigentlich gedeckt. Was benötge ich, um meinen Wunschträumen in der musikalischen Welt näher zu rücken, mich zu vervollkommnen ? Ziele und den Willen, auf sie zuzuarbeiten.

Bin ich ein wenig forgeschritten, lasse ich mir vielleicht eine bauen. Vielleicht habe ich auch zwei, wenn einmal jemand kommt und nur Blechgitarren mitbringt. Oder eine einfache für das Grobe und eine Bessere. Eigentlich ist es damit aber getan.

Wenn ich vor diesem Hintergrund die Beiträge in diesem Forum quantitativ auswerte und vergleiche, wie viele Diskussionen und Fragen sich um Material bis in die kleinsten Verästelungen drehen und wie wenig indes über die Musik, Musiktheorie, Spieltechnik, Malodie, Harmonie und dergleichen von wie wenigen betrieben und vorangetrieben wird, wundere ich mich gelegentlich schon.

Nicht, daß ich diese Diskussionen über die Markenfragen, die "chinesische Frage", über den Kling und Klang von diesem und jenem mißbilligen würde. Man fragt sich nur unwillkürlich, welche Orientierung da vorherrscht. Den größten Anteil am Klang haben die Ohren und die Hände. Ein gutes Instrument vorausgesetzt, ist doch das, was sich im Kopfe und mit den Händen abspielt um so viel wichtiger für uns Adepten.

Das ist es, was mich manchmal zu der Frage bringt, wo der Grund liegt. Ist es die Sammelwut desjenigen, der noch vor einem Wimpernschlag der Geschichte Jäger und Sammler war, der erst ruhig schlafen konnte, wenn die Redundanz gewährleistet war ? Zwei Speere, zwei Bögen, zwanzig Pfeile, lieber mehr, das ist besser, viel hilft viel ? Oder die Gier des entseelten Westlers, dem es mehr auf das Haben, als das Sein ankommt ?

Ein großes Thema wenn man es ernst nimmt. Insofern muß ich sagen, freut mich außerordentlich die in letzter Zeit vorzufindenen musikalischen Beiträge, besonders auch von Leuten, von denen ich bisher nichts gehört hatte. Da war manche faustdicke Überraschung dabei.
notenwart
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Beitrag von notenwart »

@RB - volle Zustimmung
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LaFaro
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Beitrag von LaFaro »

Bei dem "Bedarf" hat RB ebenfalls meine volle Zustimmung.
Anscheinend habe ich meine -in gewisser Weise vergleichbaren- (jahrelangen) Erfahrungen mit Bässen gemacht....und dabei auch beobachtet, dass es offensichtlich einfach eine "gewisse Zeit" dauert, bis die Erkenntnis "reift", dass der "Sound" zum allergrößten Teil aus den "Fingern" bzw. dem Musiker und nicht so sehr aus dem Instrument, dem Verstärker, den Saiten, der Luftfeuchtigkeit usw. kommt.. und noch länger dauert es, diese Erkenntnis zu akzeptieren. Dazu kommt, dass diese Zeitdauer anscheinend individuell sehr unterschiedlich sein kann....
wenn diese Akzeptanz dann da ist, gibt es immer noch min. 2 Möglichkeiten...man kann sich "aufs Wesentliche" konzentrieren.... oder man lässt sich bewusst und mit Freude auf das "Spiel" des Suchens, Ausprobierens, Abwägens, des Veränderns von Details usw. ein.....was ich persönlich völlig ok finde und was mir hin und wieder durchaus auch Spaß macht....
schwierig wird dies nur, wenn dabei das "wesentliche" aus dem Blick gerät...
Lakewood M 32 Custom
Loef Tera
Voss Da Vinci
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mbern
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Beitrag von mbern »

Ich brauche ewig lange, um mich auf eine Gitarre einzustellen. So einer Gitarre muss man sich anpassen, lernen sie zu spielen, fast hätte ich gesagt, zu bedienen. Inzwischen kenne ich die beiden Westerngitarren so gut, dass ich nicht mehr lange für die Umstellung brauche. Die GASler scheinen da unkomplizierter zu sein.
Für Aufnahmen ist es manchmal schon schön, zwei unterschiedliche Gitarren zu haben. Und eine Konzertgitarre gehört auch dazu.
Ja, und wenn man zwei richtig gute Western hat, dann braucht man eine dritte für Boot und Reise - die aber hinter den anderen nicht allzuweit zurück stehen darf.

Ich muss immer ein wenig lächeln, wenn in einem Beitrag eines GASlers erkennbar wird, dass er völlig davon überzeugt ist, es würde allen Gitarren Spielern so gehen wie ihm. Dabei ist es sicher wie so oft: Man bemerkt nur die, die viel schreiben, die die sich keine Gitarren kaufen, bleiben unerkannt.

Für mich ist eine Gitarre mehr als ein Gegenstand, den ich ständig austauschen kann.
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SouthernJumb°
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Beitrag von SouthernJumb° »

Mein GAS ist definitiv beendet, weil mich grade ein Neukauf extrem nervt - wahrscheinlich musste das so sein!
Ich ärgere mich über mich selbst, und das mit "Ansage" - mit Bewusstsein im Vorfeld. Deswegen umso mehr....
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Pappenheim
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Beitrag von Pappenheim »

Tja, der Reverend hats mal wieder auf den Punkt gebracht, das stimmt von vorne bis hinten. Regt zum Nachdenken an. Ich konnte das brauchen ... danke dafür. Fazit: Mehr Musik, mehr Üben, weniger Kaufrausch, mehr Konzentration auf das Wesentliche. Es ist gut, wenn einem manchmal der Kopf zurecht gerückt wird.
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tomis
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Beitrag von tomis »

also alsnotwendige ergänzung zu meim langbogen habe ich immer noch
ganz gern meine axt dabei und mein simples scharfes messer
mehr brauchts nicht
mit Blues und Gruß
Thomas
mbern
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Beitrag von mbern »

Pappenheim hat geschrieben:Tja, der Reverend hats mal wieder auf den Punkt gebracht, das stimmt von vorne bis hinten. Regt zum Nachdenken an. Ich konnte das brauchen ... danke dafür.
:)
Du sollst doch dem Reverend nicht immer nach dem Mund reden - gib mal Kontra, Mensch.
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Pappenheim
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Beitrag von Pappenheim »

Nein, tu ich nicht, er hat ja recht. Sonst würde ich schon kontern, keine Angst. Ich hab mich mit dem RB schon öfter gematcht, aber hier hat er eben recht und fertig. :wink:
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Jochen B.
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Beitrag von Jochen B. »

Moin, moin,

also nach dem Neukauf meiner genialen M 32 CP vor knapp einem Monat ist mein GAS auch erstmal gedeckt :-)

Nein, nein, ich kann jeden verstehen, der GAS Anfälle hat - das ist ein völlig normales Syndrom - ich bin allerdings tatsächlich so extrem zufrieden derzeit, dass ichmir im Moment echt nicht vorstellen könnte, in der nächsten Zeit GAS Anfälle zu bekommen.

Aber ich schließe mich auch einer vorher gesagten Meinung an - für mich ist meine Gitarre auch deutlich mehr als ein ständig auswechselbares Spielzeug. Ich habe früher beinahe 8 Jahre intensiv Klavier gespielt - das konnte man auch nicht austauschen. In einer gewissen Weise muss man sein Instrument lieben und eine Menge Gefühl in sein eigenes Spiel bringen - dann klingt jedes Instrument genial.

Insofern viele Grüße von einem zur Zeit GAS-freien

Jochen
VG

Jochen
Westerly Rhode Island
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Beitrag von Westerly Rhode Island »

Stimmt. Die meisten von uns, mich eingeschlossen, brauchen nur eine, maximal 2 (Akustik)Gitarren.

Andererseits: was von dem was man so insgesamt besitzt oder konsumiert, BRAUCHT man denn wirklich? Wenig, wenn man ehrlich ist.

Mir bereitet keine Gitarre, die ich irgendwo sehe, schlaflose Nächte.

Andererseits gibt´s immer vielleicht 10 Gitarren auf dem Gebrauchtmarkt, bei denen ich nichts dagegen einzuwenden hätte, wenn sie für eine Weile bei mir stünden.

So schwillt mein Gitarrenbestand mal an, dann ebbt er wieder ab. Zwei oder drei Akustiks hab ich schon seit 15 Jahren, die werden wohl auch nicht mehr gehen. Der Rest ist austauschbar.

Vor einem Jahr wollte ich eine vernünftige Strat. Also hab ich mir innerhalb von 3 Monaten fünf, sechs vielversprechende gekauft und seitdem schieß ich eine nach der anderen wieder ab, bis eine übrig bleibt. Weiß selbst noch nicht, welche das sein wird.
Jedenfalls macht es für mich keinen Sinn im Laden zu testen. Ich teste lieber zu Hause, im Proberaum, auf der Bühne und dazu muss ich eine Gitarre eben besitzen

Im Tele-Bereich hatte ich das gleiche vor. Allerdings war schon die 2. ein Volltreffer, eine Hamer USA.
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landmesser
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Re: G.A.S. Grundsatzdiskussion

Beitrag von landmesser »

Hi Kaindee,

natürlich braucht es viele Gitarren soviel wie eine Metalliclackierung oder eine Harley-Davidson, eine große Wohnung oder sonstwas.

Ich darf mir meine Gitarren aus Spaß an der Lust kaufen, wenn ich das Geld habe. Ob das sinnvoll ist, brauche ich nicht zu begründen.

Solange Frau und Kinder nicht hungern und frieren :-)

Viele Grüße
landmesser


Kaindee hat geschrieben:Mittlerweile sehe ich die Sache etwas nüchterner. Sicher, eine neue Gitarre macht Spaß, inspiriert und "verleitet" zu mehr spielen / üben, aber braucht es das wirklich ?
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Rainer H
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Beitrag von Rainer H »

Gerade kam die Nachricht, das ich mir morgen aus drei Verschiedenen LL 36/26
Yamahas meine aussuchen darf :D
Ich werde jetzt über das was ich hier gelesen habe, mir nicht weiter
Gedanken machen :roll:
Gruß Rainer
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