Warum ist die Gitarre so unbedeutend in der E-Musik
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Wenigstens zeigen uns die Krüger Brothers wie man´s macht: https://www.youtube.com/watch?v=FCuR0hWZ3SU
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- Holger Hendel
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Haja. Ist halt mit Orchester und so. Da muss man auch auf die Töne hören, die nicht gespielt werden bzw. die nicht zu hören sind.Gitarrenspieler hat geschrieben:Da hört man aber auch nur das Banjo.

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Die Frage, warum die Gitarre wenig in der orchestralen Musik vertreten ist, wurde schon beantwortet. Also Soloinstrument ist die Giarre jedoch in der modernen "ernsten" Musik durchaus gut vertreten. Der bereits genannte Henze hat fuer Gitarre geschrieben, ebenso Takemitsu, Ginastera, Walton, Berio, Britten...
Ich kann sowas zwar nicht spielen, aber ich hoehre mir das gerne an.
Joe
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I'm a simple man. In the morning I listen to the news. At night I listen to the blues
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Das Fass "was ist eigentlich klassische Musik" will ich eigentlich gar nicht aufmachen. Als Genre bzw. Kanon von Komponisten und Kompositionen, Musizierpraxis und Institutionen ist sie ein Fakt. In ihrer heutigen Ausprägung gibt es sie aber auch erst seit dem 19. Jh. und ist sie im Bürgertum verankert. Deswegen stellt sich die Frage, warum es die Gitarre bis heute nicht in diesen Kanon geschafft hat, auch als Frage danach, wie dieser Kanon eigentlich entstanden ist, was als zugehörig definiert wurde und was nicht.
Dazu fallen mir folgende Gründe ein:
Zu der Zeit, als die "klassische Musik" begann, sich als solche zu begreifen, war die Gitarre nicht laut genug, um im Orchester mithalten zu können.
Interessanterweise gibt es aus dem frühen 19. Jahrhundert ein riesiges Repertoire (Sor, Carcassi, Diabelli, Mertz...), das aber für den Hausgebrauch gedacht war. Gitarre wurde von Frauen im Salon gespielt.
Dazu kommt, dass keiner der Komponisten für Gitarre die musikalische Statur eines Beethoven hatte und sie daher, wie 90 % ihrer für andere Instrumente komponierenden Zeitgenossen übrigens auch, zu Recht vergessen wurden.
Fazit: Die Gitarre wurde, überspitzt gesagt, zum Mädchenspielzeug.
Das Klavier als anderes Salon-Instrument der Zeit war nicht nur lauter, sondern macht es auch leichter, Musik mit komplexer Stimmführung zu spielen. Bachs zweistimmige Inventionen sind auf dem Klavier allenfalls Material für die Mittelstufe - aber versuch die mal auf der Gitarre.
Das vorhandene Lautenrepertoire ist übrigens nach Aussage eines mir bekannten Lautenisten größer als das für Klavier des 19. Jahrhundert. An der Menge liegt es also nicht, sondern
- an der Lautstärke
- am Image
- an den spieltechnischen Möglichkeiten im Vergleich zum "State of the art"
- an der Qualität des Repertoire
- und wahrscheinlich auch daran, dass Segovia 100 Jahre zu spät geboren wurde, Paganini seine Karriere lieber auf der (lauteren) Geige machte, und Sor einfach nicht gut genug aussah
Viele Grüße, Stephan
Dazu fallen mir folgende Gründe ein:
Zu der Zeit, als die "klassische Musik" begann, sich als solche zu begreifen, war die Gitarre nicht laut genug, um im Orchester mithalten zu können.
Interessanterweise gibt es aus dem frühen 19. Jahrhundert ein riesiges Repertoire (Sor, Carcassi, Diabelli, Mertz...), das aber für den Hausgebrauch gedacht war. Gitarre wurde von Frauen im Salon gespielt.
Dazu kommt, dass keiner der Komponisten für Gitarre die musikalische Statur eines Beethoven hatte und sie daher, wie 90 % ihrer für andere Instrumente komponierenden Zeitgenossen übrigens auch, zu Recht vergessen wurden.
Fazit: Die Gitarre wurde, überspitzt gesagt, zum Mädchenspielzeug.
Das Klavier als anderes Salon-Instrument der Zeit war nicht nur lauter, sondern macht es auch leichter, Musik mit komplexer Stimmführung zu spielen. Bachs zweistimmige Inventionen sind auf dem Klavier allenfalls Material für die Mittelstufe - aber versuch die mal auf der Gitarre.
Das vorhandene Lautenrepertoire ist übrigens nach Aussage eines mir bekannten Lautenisten größer als das für Klavier des 19. Jahrhundert. An der Menge liegt es also nicht, sondern
- an der Lautstärke
- am Image
- an den spieltechnischen Möglichkeiten im Vergleich zum "State of the art"
- an der Qualität des Repertoire
- und wahrscheinlich auch daran, dass Segovia 100 Jahre zu spät geboren wurde, Paganini seine Karriere lieber auf der (lauteren) Geige machte, und Sor einfach nicht gut genug aussah

Viele Grüße, Stephan
Also, ich finde, dass der gute Fernando gar nicht so schlecht ausgesehen hat...- und wahrscheinlich auch daran, dass Segovia 100 Jahre zu spät geboren wurde, Paganini seine Karriere lieber auf der (lauteren) Geige machte, und Sor einfach nicht gut genug aussah

Ja, das Thema war natürlich sehr weit angelegt, mir ging es weniger um die Kompatibilität der Gitarre mit lauteren Instrumenten(Orchester), als um die Frage, warum in Radioprogrammen von Sendern, die den Anspruch haben, frei vom Kommerzdruck ein kulturell hochstehendes Programm zu senden, die klassische Gitarre eine so untergeordnete Rolle spielt. Als Beispiel hatte ich ja den Deutschlandfunk gebracht, wo klassische Gitarre höchstens mal stattfindet, wenn bei "Europa heute" spanisches Lokalflair verbreitet werden soll und dann 2 Minuten Albeniz als Pausenmusik herhalten müssen, aber bei meinem Heimatsender SR2 Kultur ist das auch nicht viel anders, wie ein Blick auf das heutige Programm zeigthttp://www.sr-online.de/sronline/sr2/he ... index.html
Streicher. Klavier, Oboe, Harfe...aber Gitarre? Fehlanzeige!
Immerhin gibt es da glaube ich so ein klassisches Wunschkonzert, wo sich schon mal jemand "Recuerdos de la Alhambra" wünscht.
Warum wird nicht mal im Nachtkonzert statt dem Streichkonzert von Franz Schubert das Los-Angeles-Guitar-Quartet gespielt?

Versuch einer Erklärung (nicht "Entschuldigung"): "In den ersten beiden Stunden stehen jeweils ausschließlich Eigenproduktionen der ARD-Anstalten mit ihren Klangkörpern und herausragenden Interpreten auf dem Programm." (http://programm.ard.de/Radio/Listen/Rei ... chtkonzert) Die Rundfunkanstalten haben einen umfangreichen "Schatz" von Aufnahmen mit deren eigenen Orchestern, häufig mit unbekannten Stücken. Aber die Gitarre ist eben kein klassisches Orchesterinstrument. - Außerdem: Seit 2011 wird das Nachtkonzert ausschließlich von BR gestaltet. Da können die Programmgestalter auch schon mal persönlich Vorlieben und Aversionen haben.tele hat geschrieben: Warum wird nicht mal im Nachtkonzert statt dem Streichkonzert von Franz Schubert das Los-Angeles-Guitar-Quartet gespielt? :?: http://www.youtube.com/watch?v=yflWG-e38OU
Allerdings habe ich schon häufiger nachts und in den sonstigen Programmen Gitarrenstücke gehört. Vor einiger Zeit war auf RB erst wieder eine (ich glaube zweistündige) Sendung über Kaufmann und die Rotenburger Gitarrenwoche. So etwas ist aber leider eine Ausnahme.
Na ja, die Katze beißt sich auch irgendwo in den Schwanz - je mehr Leute ein Instrument spielen, desto mehr sind auch in der Lage, dafür (gut) zu komponieren. Umgekehrt erklärt sich die Attraktivität eines Instruments auch aus der Qualität der vorhandenen Literatur, d.h. je interessanter die Stücke sind, desto mehr lernen das Instrument. Siehe die Popularität der E-Gitarre.Filigran hat geschrieben:Vielleicht liegt es auch daran, dass im 19 Jahrh. die meisten Komponisten auch Pianisten waren. Insofern kann ich den Argumenten von Stephan nicht ganz folgen. Sie bedingen sich gegenseitig.
Gute Kompositionen für Gitarre stammen meist von Leuten. die das Instrument selbst spielen. Wenn sich eine ganze Generation von Musikern komplett dem Piano zuwendet, hat das Auswirkungen auf Menge und Güte des Spielmaterials.
Alles Gute
Filigran
Das Argument, dass Komponisten am meisten für ihr eigenes Instrument schreiben, kann ich aber auch nicht ganz nachvollziehen. Einige der besten Gitarrenkompositionen des 20. Jh. wurden für Julian Bream geschrieben, von Komponisten, die keine Gitarre spielten - Britten, Walton und andere. Henze wurde schon zitiert. Mozart hat ein Fagottkonzert komponiert und mit Sicherheit kein Fagott gespielt

(Von Beethoven stammt der Satz vom "Orchester im Kleinen", und Chopin meinte, schöner als eine Gitarre seien nur noch zwei Gitarren. Wo sind eigentlich die Gitarrenkompositionen von den beiden?)
Zurück zum Thema "Radioprogramm". Als ich im Auto auf dem iPod klassische Gitarre hören wollte, gab ich das ganz schnell wieder auf: die Gitarre setzt sich nicht gegen das Motorengeräusch durch. Könnte das eine Rolle für die Programmgestaltung spielen?
Viele Grüße, Stephan
Na ja, ich denke mal Fagott oder Querflöte, Saxophon oder Oboe sind alles einstimmige Melodieinstrumente. Auf der Geige kann man wohl Doppelgriffe vollbringen, aber meistens spielt man damit auch einstimmig. Und das Klavier und seine Möglichkeiten kennen die meisten studierten Komponisten wohl aus eigener Erfahrung. Aber um für die Gitarre etwas spielbares zu komponieren. muss man sich schon intensiv mit ihren spieltechnischen Möglichkeiten auseinandersetzen. In der Zeit komponiert man dann wohl besser ein Streichquartett... 

hm, ich denke man sollte die rolle des borduntones nicht ausser acht lassen, vielleicht für den einen weit hergeholt, aber als volksinstrumente haben sich doch die, egal in welcher kultur, am weitesten verbreitet oder am längsten auch als "stand alone" instrument behauptet die die möglichkeit haben zumindest den eindruck von polyphonie zu vermitteln, noch reduzierter, einen begleitton zu erzeugen der trance oder meditation unterstützen kann.
das gilt für die saz wie auch für die sitar. selbstverständlich ist es auch ein leichtes auf der gitarre borduntöne zu erzeugen und gleichzeitig eine melodie zu spielen. natürlich gilt das im allgemeinen auch für polyphone keyboards. selbst eine mundharmonika ist etwas eingeschränkt aber doch auch mehrstimmig spielbar.
mit einer e-gitarre kann man sehr viel machen, doch ist sie wirklich ohne bass und schlagzeug vollständig?
kann sich jemand ein abendfüllendes programm mit einer geige, eine oboe, einem kontrabass, etc vorstellen.
mit einer akustischen gitarre geht das. ein grund warum ich mich vor einiger zeit vermehrt auf die akustische gitarre konzentriert habe.
das scheint vom thema abzuweichen. jedoch lässt sich mit der akustischen gitarre klassische musik spielen, was nicht heißen muss, dass sie in einem klassischen orchester das geeignete instrument ist. das saxophon im vergleich wird da auch nicht akzeptiert, außerhalb des jazz fast nur im rock pop bereich und auch da bringt es immer die jazzige attitude.
ein symphonieorchester ist wie ein industriebetrieb abhängig von arbeitsteilung, ein taylorisiertes musizieren sozusagen, die gitarre ist wie ein kleiner "ein mann" handwerksbetrieb.
das gilt für die saz wie auch für die sitar. selbstverständlich ist es auch ein leichtes auf der gitarre borduntöne zu erzeugen und gleichzeitig eine melodie zu spielen. natürlich gilt das im allgemeinen auch für polyphone keyboards. selbst eine mundharmonika ist etwas eingeschränkt aber doch auch mehrstimmig spielbar.
mit einer e-gitarre kann man sehr viel machen, doch ist sie wirklich ohne bass und schlagzeug vollständig?
kann sich jemand ein abendfüllendes programm mit einer geige, eine oboe, einem kontrabass, etc vorstellen.
mit einer akustischen gitarre geht das. ein grund warum ich mich vor einiger zeit vermehrt auf die akustische gitarre konzentriert habe.
das scheint vom thema abzuweichen. jedoch lässt sich mit der akustischen gitarre klassische musik spielen, was nicht heißen muss, dass sie in einem klassischen orchester das geeignete instrument ist. das saxophon im vergleich wird da auch nicht akzeptiert, außerhalb des jazz fast nur im rock pop bereich und auch da bringt es immer die jazzige attitude.
ein symphonieorchester ist wie ein industriebetrieb abhängig von arbeitsteilung, ein taylorisiertes musizieren sozusagen, die gitarre ist wie ein kleiner "ein mann" handwerksbetrieb.
Zuletzt geändert von Herigo am Fr Mai 09, 2014 2:45 pm, insgesamt 1-mal geändert.
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- wuwei
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Die Autofahrerkompatibilität ist für Rundfunksender auf jeden Fall ein wichtiges Kriterium. Deshalb waren sie ja auch maßgeblich an dem unseligen Kompressionswettrüsten beteiligt, das bedenkenlos dynamische Feinheiten einem vordergründig-fetten Sound opfert...... die Gitarre setzt sich nicht gegen das Motorengeräusch durch. Könnte das eine Rolle für die Programmgestaltung spielen?
Bei der von mir zitierten Aussage hatte ich allerdings weder die Radiopräsenz der klassischen Gitarre, noch deren Verbreitung durch Spieler in aller Welt, sondern vor allem ihren Stellenwert im (klassischen) Konzertbetrieb im Sinn.
Für Repräsentativ würde ich da z.B. die Bell'Arte Konzerte halten (die haben ihren Schwerpunkt auf E-Musik bildungsbürgerlichen Zuschnitts, gemischt mit einer kleinen Prise Extravaganz). In dieser Reihe gab es hier in München in den letzten Jahren zwar erfreulich viele Gitarrenkonzerte mit der Crème de la Crème aus den Bereichen Jazz, Flamenco, Latin, Fusion, Fingerstyle... aber klassische Gitarre => Fehlanzeige.
Mag Zufall sein; vielleicht ist mir auch der ein oder andere Act entgangen, aber die Tendenz scheint mir klar.
Herzlichen Gruß, Uwe
"A Harf’n g’hert in ka Symphonie;
i’ hab’ ma nöt helf’n könna." (Anton Bruckner über seine 8.)
i’ hab’ ma nöt helf’n könna." (Anton Bruckner über seine 8.)
Naja, 90 % der klassik wird als Best of konsumiert. nicht nur bei Tonträger wird nur ein Satz von der Carmina Burana genommen, sondern auch beim Sinfonfoniekonzerten häufig. Diese 90 % des Klassik Konsums, die Profis würden eher von Semi-Klassik sprechen, verteilen sich auf ca. 600 bis 700 Stücke oder richtiger, Ausschnitte von Werken.
Sor hat also alleine schon genügend Stücke für Gitarre geschrieben, um es zum beliebtesten Instrument zu machen. Und beim CD Player zählt auch die Lautstärke nicht. Auf Cd ist die Gitarre genauso unbedeiutend wie im Konzert.
klassische Musik auf der klassischen Gitarre macht leider nur ein paar Prozent des klassischen Musikkonsums aus, nur ein paar Promille des Gesamtmusikkonsums.
Wir haben einen reinen Nischengeschmack.
Sor hat also alleine schon genügend Stücke für Gitarre geschrieben, um es zum beliebtesten Instrument zu machen. Und beim CD Player zählt auch die Lautstärke nicht. Auf Cd ist die Gitarre genauso unbedeiutend wie im Konzert.
klassische Musik auf der klassischen Gitarre macht leider nur ein paar Prozent des klassischen Musikkonsums aus, nur ein paar Promille des Gesamtmusikkonsums.
Wir haben einen reinen Nischengeschmack.