Interessante vergleichende Studie

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jogol
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Interessante vergleichende Studie

Beitrag von jogol »

A comparative study of the sound preferences between guitars made from
tropical woods, and guitars made from non-tropical woods.
http://www.leonardo-guitar-research.com ... eport-lgrp
tonidastier

Beitrag von tonidastier »

Nun ja,
erstens handelt es sich um genau einen einzigen Typ klassischer Gitarren
und zweitens sind es nicht "tropical woods" in der Mehrzahl,
sondern genau ein tropisches Holz nämlich Rosewood.
Also ziemlich wenig aussagekräftig.
rwe
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Beitrag von rwe »

Nun ja,

wäre es aus Deiner Perspektive besser gewesen, man hätte eine klassische Gitarre aus Kirsche mit einer Dread aus Rio verglichen?

Nee, das ist schon ganz ordentlich gemacht. Natürlich hätte man auch verschiedene Tropenhölzer vergleichen können, aber indisches Palisander hat bei klassischen Gitarren im höheren Preisbereich eine (noch) deutlich stärkere Position als bei Steelstrings, wo es auch immer eine große Zahl an Mahagoni-Spielern gibt. Die gibt es bei Nylonstrings oberhalb der Einsteigerklasse fast gar nicht. Da gibt es Palisander, Ahorn und noch wenige Exoten.

Dass 5 Palisander-Instrumente getestet wurden, kann den Einfluss der Serienstreuung reduzieren.
tonidastier

Beitrag von tonidastier »

Nein,
man hätte auch andere Bauformen der Gitarren untereinander
vergleichen müssen, z.B. Dread mit Dread.
Dies ist nur eine einzige Klassiche Gitarre.
Das Ergebnis kann man wqahrscheinlich nicht einmal auf klassische Gitarren eines anderen
Gitarrenbauers übertragen, geschweige denn auf andere Gitarrentypen.
Ist meiner Meinung nach wie mit den Saiten, nicht jede Gitarre klingt mit
Saiten gleicher Bauart am besten.
Habe z.B. schon öfter gelesen, dass sich Rosewood für Jumbogitarren nicht
so gut eignet. Und so wie ich das im Überblick habe sind Jumbogitarren
häufiger mit Ahorn oder Mahagonie Rückseite, als vergleichsweise OMs.
Was ist mit Flamencogitarren? Klingen die mit Rosewood besser?
Eindeutig für die Mülltonne diese Untersuchung.
rwe
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Registriert: Mi Mai 30, 2007 6:04 pm

Beitrag von rwe »

tonidastier hat geschrieben:Nein,
man hätte auch andere Bauformen der Gitarren untereinander
vergleichen müssen, z.B. Dread mit Dread.
<...> Eindeutig für die Mülltonne diese Untersuchung.
Na ja, Wissenschaft vollzieht sich in kleinen Schritten; vielleicht findest Du ja jemanden, der eine Untersuchung mit vielleicht 50 verschiedenen Modellen in je 20 oder 30 Holzvarianten finanziert. Und sicherlich sagt die Studie mindestens ebenso viel über die Spieler wie über die Hörer aus (dass die Spieler die Palisander-Instrumente am besten fanden, wenn sie sie gesehen haben, ist schon bezeichnend). Die Aussage ist ja nicht, dass Gitarren aus xyz am besten klingen, sondern dass Tropenhölzer eben nicht typischerweise als die am besten klingenden ausgemacht werden.

Diese Studie erklärt keinesfalls alles, richtig. (Und das behauptet sie auch nicht.) Aber dass sie "für die Tonne ist", würde mir als Wissenschaftler nicht einfallen, zu behaupten.



Interessant, dass Du selbst Deine anderen Vergleiche auf das "gelesen" beziehst. Selbst hören und vergleichen wäre das Mittel der Wahl.

Mach' mal selbst eine Marktübersicht: Guild baut Jumbos mit allen drei bekannten Steelstring-Hölzern, Gibson baut die großen Js (also 100-200) typischerweise in Ahorn und Palisander, nur selten in Mahagoni. Gurian hingegen hat die Jumbos nur in Mahagoni und Palisander angeboten, nicht aber in Ahorn.

OMs sind eine alte Bauform, da ist Ahorn kaum anzutreffen gewesen, dafür viel Mahagoni, dann auch Palisander. War halt billig (damals...) und dekorativ.
Die Flamenca negras sind erst später eingeführt worden. Sie klingen deutlich anders als die Flamenca blancas.

Natürlich ändert sich Klangempfinden auch über die Jahre. Und, viel hat mit der Geschichte und deren Wahrnehmung zu tun. Auch früher waren Musikinstrumente schon ein Augenschmaus, das ist nicht nur bei Klavieren, Cembali etc., sondern auch bei alten Gitarren, Lauten, Blasinstrumente zu sehen. Es gab keinen T* oder MP, falls es überhaupt einen Händler vor Ort gab, hatte der vielleicht 10 oder 20 Instrumente, die von den Gitarrenbauern aus den leicht verfügbaren und dekorativen Hölzern (Ahorn in Deutschland, Mahagoni und Palisander zumindest in den USA) gebaut wurden. Nur billige (Volks-) Musikinstrumente wurden bspw. aus Obstbaumhölzern gebaut. Das Bürgertum wollte dekorative Instrumente. - Und bevor Tonaufnahmen für viele erschwinglich wurden, sowohl vom Kaufen als auch von der eigenen Aufnahme her, gab es nur wenig Möglichkeiten, Klänge systematisch zu vergleichen. Gitarrenmusik in klanglich hochwertigen Aufnahmen kennen wir seit etwa den 1960er, frühen 1970er Jahren. Aber HiFi-Anlagen haben sich erst in den 1970ern, 80ern verbreitet. Auf den früheren Segovia-Aufnahmen kannst Du nicht erkennen, ob er eine Jugendbewegungs-Wanderklampfe oder ein Meisterinstrument spielt. Aber da der große Meister xyz ein Instrument dem Gitarrenbauer a oder aus dem Holz z spielt, muss das ja gut sein...

So entsteht "Meinungsfolklore". Dies in Frage gestellt zu haben, ist das Verdienst dieser Studie - und auch anderer Studien, wie die häufig referenzierte zu den Stradivaris.
Ulrich Peperle
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Beitrag von Ulrich Peperle »

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bookwood
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Beitrag von bookwood »

+1 :!:
Gruß
von
Ralf
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Sperris
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Beitrag von Sperris »

Deinen Zweifeln muss ich mich leider Vorbehaltlos anschließen, Ulrich.

Gruß Ralf
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Bernd C. Hoffmann
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Beitrag von Bernd C. Hoffmann »

tonidastier hat geschrieben:Was ist mit Flamencogitarren? Klingen die mit Rosewood besser?
Sie klingen nicht besser sondern anders. Es gibt die flamenca blanca mit Zypressenkorpus und die negra mit Palisanderkorpus. Wenn Du nach diesen Begriffen suchst, findest Du etwa 23323204005759092348747436068ß905683759023856562 Abhandlungen dazu, die alle den selben Inhalt haben.

tonidastier hat geschrieben:Eindeutig für die Mülltonne diese Untersuchung.
Naja.... :aua:
Liebe Grüße
Bernd
:
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tonidastier

Beitrag von tonidastier »

Die Untersuchung ist in etwa so:

Man verbindet Tuning Fans auf dem Golftreffen am Wörthersee die Augen und lässt ihnen den Auspuffsound bewerten.
Man nimmt als Referenz einen VW Golf mit Sportauspuff und als Testautos einen Opel
einen Ford, einen Toyota,... alle mit Sportauspuff
Wenn den Leuten die Augen verbunden sind, dann können sie sich wahrscheinlich schwer entscheiden
und wenn die Augen offen sind, dann finden die meisten den Golf am besten.

Alleine diese Mehtodik ist schon für die Tonne.

Und zum Zweiten ist die komplette Studie ja "under constuction", man kann
also die statisitsche Auswertung nicht einsehen, aber von dem was ich so
sehe würde ich nicht sagen, dass das eine Untersuchung ist, die von einem
statistiker abgesegnet werden würde.
@RWE hier werden die Hörpräferenzen in einer Ordinalskala abgefragt,
und es weden 5 verschiedene Gitarren gegen eine getestet.
Du kannst mir gerne sagen, welchen statisitschen Test du dafür verwenden
würdest und ob es möglich ist aus diesen ordinal skalierten Werten
ein prozentuales Ergebnis zu erhalten. Ich glaube mich zu erinnern, dass
die Statistik Proessorin in der Vorlesung "Multivariate Verfahren", die ich mit 1,0 abgeschlossen habe, gesagt hat, dass es nicht möglich ist aus einer
ordinalen Skala ein metrisches Ergebnis zu generieren.
Und ein Ergebnis hinsichtlich: So und so Viel Prozent präferieren die eine oder andere Gitarre wäre doch eine Umwandlung eines ordinalen Wertes
in einen metrischen oder irre ich mich hier?



Mein Studienabschluß hat den Beisatz "of science" und
ich habe ausreichende Kentnisse in statistischen Methoden um zumindest eine
grundsätzliche Beurteilung in dieser Hinsicht zu treffen.
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Tonsen
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Beitrag von Tonsen »

Ulrich Peperle hat geschrieben:Bei Nylonsaiten und der differenzierten klassischen Anschlagstechnik ist die Frage der Tonhölzer eben wesentlich kritischer, weil hier teilweise relativ geringe Anschlags- und Schwingungsenergien in möglichst optimale Schallenergie übertragen werden müssen.
Hier sehe ich den groessten Schwachpunkt der Studie. 30 Sekunden Zeit fuer den Spieler sind einfach zu wenig. Ich wuerde meinen, dass die spezifischen Merkmale verschiedener Tonhoelzer ein ausgiebigeres Testverfahren erfordern.
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Herigo
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Beitrag von Herigo »

ziel der statistik war zu beweisen, dass wertvolle tropenhölzer für den bau und den klang einer konzertgitarre unnötig sind.

gleiches versucht taylor mit seinen neuen ahorn modellen. ohne statistik aber mit viel worten.

ich nehme an, dass meine manuel bellido flamenca blanca bis auf das ebenholzgriffbret und die brücke, ebenfalls aus spanischer zeder und europäischer fichte besteht. hals kann cedro sein, für mahagonie ist sie wohl zu leicht. grund für die annahme ist einmal das baujahr 1987 und die hohe wahrscheinlickeit, das bellido aus einem alten bestand die hölzer entnimmt. bevor er das holz bearbeitet liegt es erstmal jahrelang direkt in der werkstatt zum klimatisieren. sie klingt und spielt gut bis sehr gut.

mich würde ein blindtest für möbel aus tropenhözern und einheimischen hölzern interessieren, welches möbelstück ist schöner? einmal mit und einmal ohne verbundenen augen angeschaut.
Salud a Familia
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kostenlos CD runterladen: www.mydrive.ch user: guest@current password: Burro01
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Niels Cremer
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Beitrag von Niels Cremer »

Herigo hat geschrieben:mich würde ein blindtest für möbel aus tropenhözern und einheimischen hölzern interessieren, welches möbelstück ist schöner? einmal mit und einmal ohne verbundenen augen angeschaut.
*schmunzel* ... meine Frau arbeitet beim Bayrischen Blinden und Sehbehinderten Bund und ihr Chef ist blind, der sagt auch mehrmals täglich "Ich schau mir das mal an." ... :wink:
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wolfwal
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Beitrag von wolfwal »

Herigo hat geschrieben:....
mich würde ein blindtest für möbel aus tropenhözern und einheimischen hölzern interessieren, welches möbelstück ist schöner? einmal mit und einmal ohne verbundenen augen angeschaut.
Wow, da würde ich glatt mitmachen!! :D :oops:
Der Nachteil am Nichtstun ist, dass man nie weiß, wann man fertig ist!

Gruß, Wolfi!
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docsteve
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Beitrag von docsteve »

Tonsen hat geschrieben:
Ulrich Peperle hat geschrieben:Bei Nylonsaiten und der differenzierten klassischen Anschlagstechnik ist die Frage der Tonhölzer eben wesentlich kritischer, weil hier teilweise relativ geringe Anschlags- und Schwingungsenergien in möglichst optimale Schallenergie übertragen werden müssen.
Hier sehe ich den groessten Schwachpunkt der Studie. 30 Sekunden Zeit fuer den Spieler sind einfach zu wenig. Ich wuerde meinen, dass die spezifischen Merkmale verschiedener Tonhoelzer ein ausgiebigeres Testverfahren erfordern.
Da hast du nicht genau genug hingeschaut - 30 Sekunden waren zum Anspielen. Je nach Test durfte der Spieler so lange wie er wollte so viele Instrumente er wollte gegeneinander spielen: "G[uitarist] played each guitar for 30 seconds. After that G was now free to play what he wanted and for as long he wanted. He could ask for any guitar in any order." Das gilt aber nur für den Group Blind Test, für den Rest magst du Recht haben.

Irgendwie überrascht mich das Ergebnis nicht. Es bestätigt nicht nur den bekannten Stradivari-Test, sondern auch einen Test, von dem mir neulich ein E-Gitarrist erzählte: Eine Zeitschrift hat im Blindtest eine alte Les Paul gegen neuere Modelle antreten lassen. Blind waren keine Präferenzen auszumachen. Fazit des Testers: der Blindtest als Verfahren taugt nix; schließlich weiß jeder, dass eine alte Les Paul besser klingt als jede andere Gitarre.

Bitte das Tier nicht füttern,

Stephan
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