Bestimmte Gitarrentypen für bestimmte Musikstile?

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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Gitarrenspieler
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Beitrag von Gitarrenspieler »

Ohne das ich den ganzen Faden gelesen habe, das Video im Anfangstext..., die Gitarre klingt für mich einfach nur Stumpf. Mag sein das solche Gitarren so klingen sollen/müssen, mein Ton ist das nicht egal welche Musik auf solch einer Gitarre gespielt wird.
Zuletzt geändert von Gitarrenspieler am Do Jun 18, 2015 12:07 pm, insgesamt 1-mal geändert.
Gruß Wolfgang Hemd aus der Hose macht noch keinen Varoufakis
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Holger Hendel
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Beitrag von Holger Hendel »

Echt ein spannendes Thema.

Ich denke so: Das kommt alles durch Nachahmung und ein hohes Maß "Glauben" + Vertrauen (auf Empfehlungen vermeintlich fachkundiger Autoritäten bzw. endorser :) ) und nicht durch tatsächliche Erfahrungen zustande.

Doch wie zeigt es Uns-Glenn Fricker so schön: Unterm Strich kommt es manchmal tatsächlich allein aufs equipment an...

https://www.youtube.com/watch?v=sJKP_uq6His

8)
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bluesballads
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Beitrag von bluesballads »

Man kann es einfach nicht auf eine einzige Aussage herunterbrechen: selbst wenn wir alle uns mal geschmacklich gleich verhalten würden, gibt es Gitarren, die bautechnisch stilkompatibel sind, andere, die es nicht sind (Slidegitarre auf Nylonstring), und andere können es sein, wenn man das üblicherweise verwendete Setup verändert: Resonatorgitarren mit sehr flacher Saitenlage sind z.B. weitestgehend steelstring-kompatibel (Oscar Aleman spielte zur selben Zeit wie Django Gipsyjazz, nur eben auf einer Tricone, sie nahmen leider nie zusammen auf, weil Django sich lautstärkemäßig benachteiligt fühlte...). Da geht Rockabilly auch ganz gut, wobei hier vor allem zu berücksichtigen ist, ob der Korpus am 12. Bund ansetzt oder weiter oben.
Viele Musikrichtungen transportieren darüber hinaus ein bestimmtes Feeling, und da sind wir dann beim Musiker, der mit seiner Persönlichkeit die möglichen Musikstile (bzw. die Glaubhaftigkeit, Authentizität) vielleicht mehr eingrenzt als es sein Instrument tut.
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tele
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Beitrag von tele »

Also, eines ist mir, nachdem ich gerade noch einmal einen Blick in den Faden geworfen habe klargeworden:
So spaßig es im Peripherieberich von Musikerforen auch zugehen mag, spätestens, wenn man sich auf den Hardwaresektor vorwagt, ist Schluss mit lustig.
Da kann man sich noch so sehr bemühen, die ironische Grundtendenz eines Statements durch die Wortwahl zu unterstreichen, irgendwer fühlt sich bei der Auswahl seines Instrumentariums auf den Schlips getreten und quittiert die Aussage mit einem höflichen
SCHWACHSINN
mehr möchte ich dazu nicht sagen
Deshalb will ich mich bemühen, in Zukunft ganz sachlich, ohne einen Anflug von Ironie meine Meinung kundzutun.

Sicher gibt es musikalische Situationen, die dezidiert nach einem bestimmten Gitarrentyp verlangen.
In einem Bluegrasstrio mit Banjo und Banjokillermando hat die Gitarre ja nicht nur rhythmische und harmonische Funktion, sie muss auch gut hörbare Basstöne erzeugen.Hier ist eine Dreadnought natürlich optimal.

Warum aber spielen die meisten Jazzer dicke Jazzgitarren? Mit 9er Saiten,und voll aufgedrehten Höhen klingt die nur unwesentlich anders als eine Tele mit Humbucker am Hals.
Das jazzig dumpfe kommt durch 12er Flatwound Saiten und eine abgedumpfte Klangeinstellung zu stande.
Hier scheint mir das Image, das so eine dicke Jazzgitarre hat, wichtiger als der Klang.

Josho Stephan spielt übrigens ab 0:50, wo er mit den Fingern zupft und ab 1:00, wo er gemutete Töne einbaut für mein Emfinden Chicken Picking. Oder hab ich da was falsch verstanden?
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RB
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Beitrag von RB »

Ich habe bis jetzt noch nicht verstanden, was der sehr engagierte Autor weiter oben mit "Schwachsinn" meint. Leider wird das nicht ganz deutlich. Meint er den verbreiteten Mythos oder meint er die Aussage, daß ein verbreiteten Mythos des oben von Dir angegebenen Inhalts überhaupt existiere.
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Gitarrenmacher
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Beitrag von Gitarrenmacher »

RB hat geschrieben:Ich habe bis jetzt noch nicht verstanden, was der sehr engagierte Autor weiter oben mit "Schwachsinn" meint. Leider wird das nicht ganz deutlich. Meint er den verbreiteten Mythos oder meint er die Aussage, daß ein verbreiteten Mythos des oben von Dir angegebenen Inhalts überhaupt existiere.
Ich meine den Mythos, wobei ich die Vokabel "verbreitet" in Abrede stelle.
Bier ist der Beweis, dass Gott uns liebt und will, dass wir glücklich sind.
-Benjamin Franklin- *1706 t 1790-
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bluesballads
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Beitrag von bluesballads »

tele hat geschrieben:Warum aber spielen die meisten Jazzer dicke Jazzgitarren? Mit 9er Saiten,und voll aufgedrehten Höhen klingt die nur unwesentlich anders als eine Tele mit Humbucker am Hals.
Das jazzig dumpfe kommt durch 12er Flatwound Saiten und eine abgedumpfte Klangeinstellung zu stande.
Hier scheint mir das Image, das so eine dicke Jazzgitarre hat, wichtiger als der Klang.

Josho Stephan spielt übrigens ab 0:50, wo er mit den Fingern zupft und ab 1:00, wo er gemutete Töne einbaut für mein Emfinden Chicken Picking. Oder hab ich da was falsch verstanden?
Das Jazzgitarren/Tele-Beispiel ist eben so eines dafür, dass Gitarren stilübergreifend eingesetzt werden können, es gibt nicht wenige Jazzer, bei denen die Tele als vollwertige Jazzgitarre zum Einsatz kommt.

Josho ist mMn wiederum ein Beispiel dafür, dass seine Persönlichkeit Licks wie Chicken Picking eben nur als Licks rüberkommen lässt, und nicht als Musikstil mit Sexappeal/Coolness, wie bei anderen Musikern.
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RB
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Beitrag von RB »

Ich dachte immer Chicken Picking wäre das da: Chicken Picking (never underestimate fat Americans).
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bluesballads
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Beitrag von bluesballads »

Chicken Picking ist vor allem dieser schnalzende Effekt, wenn der Daumen (oder Daumenpick) von oben anschlägt, und der Zeigefinger (oft eben auch plus Mittelfinger für Terzen) die nächsten Saiten hochreißt.
Das kann man auch auf einzelnen Saiten machen (eine Saite von Daumen und Zeigefinger hintereinander bearbeitet, so dass der backa-backa-backa Sound entsteht), so scheint mir das oben im Video zu sein.
Johnny Hiland ist DIE Größe im Chicken Picking, in jeder Hinsicht!
Paul Pigat und Greg Koch "gackern" auch munter in ihren Soli (s.o.).
Zuletzt geändert von bluesballads am Do Jun 18, 2015 7:37 pm, insgesamt 1-mal geändert.
rwe
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Beitrag von rwe »

bluesballads hat geschrieben: Das Jazzgitarren/Tele-Beispiel ist eben so eines dafür, dass Gitarren stilübergreifend eingesetzt werden können, es gibt nicht wenige Jazzer, bei denen die Tele als vollwertige Jazzgitarre zum Einsatz kommt.
Hihi, die Tele ist ja von Leo auch für die Jazzer (mit-) entwickelt worden, deshalb konnten in der Ur-Schaltung die Höhen auch sehr, sehr weggedämpft werden.
Hanjo

Beitrag von Hanjo »

Gitarrenspieler hat geschrieben:Ohne das ich den ganzen Faden gelesen habe, das Video im Anfangstext..., die Gitarre klingt für mich einfach nur Stumpf. Mag sein das solche Gitarren so klingen sollen/müssen, mein Ton ist das nicht egal welche Musik auf solch einer Gitarre gespielt wird.
ich mag lieber den Nylon Ton. Eigentlich hat mir Dein Beitag klargemacht worauf es ankommt. Wenn man sich nicht irgendeiner Vorgabe verpflichtet fühlt, dann ist man als Superstar vielleicht sogar stilprägend.
Aber bei uns ganz besonders muss halt das Instrument nicht nur zur Musik passen, sondern den Spieler ansprechen.

Es muss nicht alles amtlich klingen und die hohen Weihen der Fachleute erhalten. Danke für Deinen Kommentar. Ich verstosse auch oft gegen die Gitarrenetikette.
micha
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Beitrag von micha »

tele hat geschrieben: Warum aber spielen die meisten Jazzer dicke Jazzgitarren? Mit 9er Saiten,und voll aufgedrehten Höhen klingt die nur unwesentlich anders als eine Tele mit Humbucker am Hals.
Das jazzig dumpfe kommt durch 12er Flatwound Saiten und eine abgedumpfte Klangeinstellung zu stande.
Hier scheint mir das Image, das so eine dicke Jazzgitarre hat, wichtiger als der Klang.
Das Spiel auf der Jazzgitarre erschöpft sich ja nicht darin, nur mit Einzeltönen wild in der Gegend herumzuimprovisieren. Da mag man durchaus eine Tele in der richtigen Einstellung klanglich an die dicke Jazzgitarre rankommen.
Bei einem weiteren Einsatzbereich, nämlich dem Comping ("Rhythmisch akkordische Begleitung durch die Gitarre") speziell im Swing sieht die Sache ganz anders aus. Hier werden die 12er Flatwounds und die klassische Jazzgitarrenbauform, die ja eigentlich eine akustische Gitarre ist, durchaus benötigt. Ein Gitarrist wie Freddie Green, der mit seinen "dicken Jazzgitarren" (z.B. Epiphone Emperor, Gretsch Eldorado, Stromberg 400, etc.) die komplette Count Basie Bigband - grösstenteils unverstärkt - "geschoben" hat, hätte das mit mit ner Tele und 9er Saiten - auch verstärkt- wohl kaum hinbekommen, denn den nötigen Druck kriegt man da nicht auf die Saiten...
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tele
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Beitrag von tele »

Ein Gitarrist wie Freddie Green, der mit seinen "dicken Jazzgitarren" (z.B. Epiphone Emperor, Gretsch Eldorado, Stromberg 400, etc.) die komplette Count Basie Bigband - grösstenteils unverstärkt - "geschoben" hat,
Danke für die Steilvorlage, etwas ähnliches ist mir nämlich auch in den Sinn gekommen.
Die Entwicklung bestimmter Gitarrentypen war zur Zeit des unverstärkten Musizierens wahrscheinlich weniger eine Frage bestimmter klanglicher Nuancen , als vielmehr eine Frage schierer Hörbarkeit.

Beispiele?

-besagter Freddie Green der mit dicken Archtops und 3-Finger-Akkordvoicings unverstärkt eine ganze Bigband "schob"

-Selmer Gitarren, die es Django möglich machten gegen mehrere Maccaferri-Pompisten anzuspielen.

-Dreadnoght und Jumbo, damit die Stahsaiten nicht nur im Parlour, sondern auch bei Barn Dances hörbar waren.

-Ich denke, konzertanten Flamenco könnte man auch auf einer Konzertgitarre mit Golpeador spielen, aber ob man die auch bei volkstümlichem, tänzerischem Flamenco hören würde?https://www.youtube.com/watch?v=B4DH48QM6l4

-Dobros und Resonatorgitarren. Kenn ich mich jetzt gar nicht aus damit, abr ich denke, auch hier steht eine gewisse Durchsetzungsfähigkeit des Slidespiels im Vordergrund

-amerikanische Archtop F-Loch Mandolinen. Wenn Renato Carosone's Mandolinist in dem Video auf einer neapolitanischen Rundrückenmandoline zaubert, kann er das, weil er Playback spielt. Unverstärkt hätte er, um sich gegen die Band durchzusetzen eine Gibson F-5 gebrauchthttps://www.youtube.com/watch?v=BqlJwMFtMCs

Diese eher aus Gründen schierer Lautstärke kreierten Instrumentenklänge wurden dann wahrscheinlich im Laufe der Zeit zum klanglichen Synonym für die Musikrichtung, in der sie verwendet wurden, und Bluegrass auf einer Konzertgitarre oder Flamenco auf einer Parlourgitarre würde von der jeweiligen Musikerpolizei wahrscheinlich kaum geduldet.
Zuletzt geändert von tele am Fr Jun 19, 2015 2:13 pm, insgesamt 2-mal geändert.
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bluesballads
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Beitrag von bluesballads »

Nicht Musikerpolizei, sondern das Instrument: Eine Weißenborn oder Tricone ist für langes Decay gebaut, da wird ein Hawaiispieler nicht zum Banjo greifen. So wie die Selmerstyle Gitarren, die den Rhythmus durchpeitschen lassen, während eine Konzertgitarre da nur "pling" machen würde.
Es ist die Kombination von Musiker/Musikstil und Instrument, und je vielseitiger der Musiker ist, um so vielseitiger wird sein Instrumentarium ausfallen. Und wenn dieser Musiker nicht absoluter Purist ist - oder wenn einfach nicht immer 5 verschiedene Gitarrenarten zum Gig schleppen will, entstehen ungewohnte Stil-Instrument-Kombinationen.
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docsteve
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Beitrag von docsteve »

Das klingt schon sehr plausibel. Wenn dann ein bestimmter Musiker stilprägend wirkt, kommt es dazu, dass auch sein Instrument stilprägend ist. Man will halt so klingen wie Django und nicht wie Oscar Aleman (den kannte ich noch gar nicht), und irgendwann stellt sich dann nur noch die Frage, ob man auf einer Gipsy-Gitarre mit großem oder kleinem Schalloch spielen soll - alle anderen Instrumente kommen gar nicht mehr in Betracht.

Woher kommt das Banjo im Trad Jazz-Revival der 50er? In New Orleans gab es mindestens so viele Gitarristen wie Banjospieler, was auch auf Fotos dokumentiert ist. Aber als die Preservation Hall ihre erste Band zusammenstellte, war gerade keiner frei. Also nahm man ein Banjo, und die Besetzung wurde dann zum Vorbild für alle Revivalisten, obwohl z.B. Kid Ory mit Gitarre spielte.

Aber was zum Teufel sind "Maccaferri-Pomopsten"?

Viele Grüße, Stephan
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