Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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notenwart
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Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Beitrag von notenwart »

Die Sache mit der ehrlichen Musik -
Ich fang mal im Jahre 1975 an. Ich war 13 Jahre alt und begann mich für Musik zu interessieren, die Welt war in Ost und West geteilt und meine Eltern haben mir verboten, Westsender und -musik zu hören.

Ehrliche Musik war damals für mich bspw. ein Liedermacher oder Liedermacherin. Das waren Leute mit Anliegen, die hatten was zu sagen, die hatten einen Text mit Inhalt. In der regel haben die alles alleine gemacht, getextet, komponiert und interpretiert. Eine Gitarre, ein Mensch und das war´s. Ehrlicher geht’s nicht
Reinhold Demmler im Osten, Dieter Süverkrüpp im Westen; oder für die Rocker – Floh de Cologne .
Im Osten - Die Puhdys, Karat, Kommerz; City mit dem berühmten Hit „Am Fenster“ hatte dazu den Text unerlaubterweise von G.Steineckert genutzt – alles Kommerz und Betrüger.
Stern Meißen, Lift, Electra – alles ehrliche hoch ausgebildete Musiker im Bereich des Rock mit vielen Anleihen aus dem Jazz und der Klassik – alles ehrlich. Warum? Weiß ich heute nicht mehr.

Zurück zu den Liedermachern. Herrmann van Veen war ja dann auch mal in der DDR, auch ehrlich. Also wer wenn nicht van Veen ist denn der Inbegriff der Ehrlichkeit? Dann kam die Wende, ich kaufte eine CD von ihm, super super, dann kaufte ich die nächste, da waren dann schon wieder mindestens drei Lieder von der ersten drauf und auf der wieder nächsten waren dann immer schon 5 Lieder aus den ersten beiden usw usf. Alles Kommerz und Abzocke. In einem Konzert will ich ja immer die alten lieder hören, auf den CDs die permanent wiederzuverwerten – finde ich nicht so ehrlich. Ich kann ja auch nicht mein gebrauchtes schon ausgegebenes Geld an der Kasse hinterlegen!

Ja also ich weiß nicht, was ehrliche Musik ist.
rwe
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Re: Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Beitrag von rwe »

Hmm, sind es "nur" dieselben Stücke oder aber dieselben Aufnahmen? Natürlich kann ein Stück mehrfach aufgenommen werden, das machen "die Klassiker" ständig. Manchmal unterscheiden sich die Versionen nur wenig, manchmal sind es fast schon "neue" Stücke. Das darf van Veen auch.

Falls es "nur" andere Compilations derselben Stücke sind - dann liegt das Problem weniger in "der Musik", sondern bei den Verwertern. Darauf haben die MusikER (nicht: "die Musik") häufig auch EInfluss, aber eben nicht immer. Außerdem ist die Titelliste beim Kauf ja in der Regel bekannt. Wo ist das Problem?

P.S. und leicht OT: Ich habe gerade auf Grund Deines HInweises nach der Autorin von "Am Fenster" gesucht (Platte steht im Regel, ist gerade nicht greifbar), bei Google wird Hildegard Rauchfuß und nicht Gisela Steineckert angegeben. Hast Du da andere Informationen?
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Holger Hendel
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Re: Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Beitrag von Holger Hendel »

Ich weiß auch nicht, was ehrliche Musik sein soll. Ich finde die Begriffszusammensetzung befremdlich, klingt nach Textbaustein einer Konzertrezension. Allein die Idee (auf die man ja unweigerlich kommen muss bei diesem Begriff), einem Musiker "Unehrlichkeit" unterstellen zu wollen...strange. "Gewachsene Musik", das fand ich gut. Wer hatte das mal verwendet, ein Label? Oder war es die Band Pankraz?

Das ist aber auch wieder so ein Kultur-Ding - bei einem Hausabriss oder einem Nahrungsmittelzubereitungsvorgang käme man wohl seltener auf derartig philosophische Fragen. Waren das gerade ehrliche Abrissarbeiten?
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tired-joe
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Re: Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Beitrag von tired-joe »

Ehrlich ist, was gefaellt. Umgekehrt: Unehrlich (=verlogen) ist, was nicht gefaellt. Klingt erstmal einleuchtend. Nur, hier wird Ehlichkeit mit persoenlichem Geschmack vermischt. Die Verbindung beider Begriffe, also Ehrlichkeit und Musik ist problematisch, wenn nicht gar sinnlos. In Analogie: Was z.B. waere ein ehrliches Mittagessen?

Joe
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notenwart
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Re: Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Beitrag von notenwart »

rwe hat geschrieben:...Hildegard Rauchfuß und nicht Gisela Steineckert angegeben. Hast Du da andere Informationen?
Prüfe ich, kann ich aber erst zu hause heute Abend nachschauen
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tomis
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Re: Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Beitrag von tomis »

unehrliche musik=
rein kommerzielle interessen nach schema f ?
mit Blues und Gruß
Thomas
Pit the Picker

Re: Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Beitrag von Pit the Picker »

Ehrliche Musik ist die, für die der Musiker persönlich einsteht, unabhängig davon ob anderen der Text, die Melodie oder Arrangement gefällt. Der Musiker drückt seine eigenen Gefühle ohne Rücksicht auf andere aus.
Sobald an der ursprünglichen Idee etwas verändert wird, weil man meint, es kommt bei andere nicht gut an, hat man sich schon "verkauft". Ich behaupte, ehrliche Musik kann man nur im eigenen Kämmerlein spielen. Wer von der Musik lebt ist darauf angewiesen, einen möglichst breiten Geschmack zu treffen, da bleibt die "Ehrlichkeit" zumindest zum Teil auf der Strecke. Gleiches gilt m. E. auch für Hobby- Mukker mit Auftrittsambitionen. Da sucht man sein Programm auch so aus, dass dem Publikum gefällt. Ansonsten besteht die große Gefahr, dass man nur für die Jungs von der Ton- und Bühnentechnik spielt.

Fazit: Ehrlich funktioniert sowohl bei der Musik, als auch in der Politik, sowie im richtigen Leben nur bedingt. :!: oder gar nicht.
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docsteve
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Re: Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Beitrag von docsteve »

Ist die Frage nach "ehrlicher Musik" oder nach "ehrlichen Texten"? Des Notenwarts Beispiele lassen letzteres vermuten. Als die Welt noch einfach, weil zweigeteilt war, war auch die Antwort noch einfach, und die Musik war eh egal (Dieter Süverkrüp hat sich musikalisch nun wirklich nicht mit Ruhm bekleckert).

Ich finde, Bluesopa hat recht. Ehrliche Musik ist die, die nur von dir gemacht werden kann. Das heißt nicht unbedingt selbstkomponiert. Man kann auch voll Liebe und Bewunderung ein Stück 1:1 covern. Das sagt dann auch was von dir aus.

Und der Vergleich mit dem Mittagessen passt nicht. Musik ist Kommunikation und beinhaltet wie jede Kunst eine persönliche Aussage, ein Essen nicht.

@Pit: Das ist m.E. zu eng gesehen. Natürlich kann man auch auf offener Bühne ehrlich sein. Ein russischer Dichter sagte mal "ein ausgesprochener Gedanke ist eine Lüge", das halte ich aber für stark übertrieben. Wenn Musik (Poesie, Kunst...) Kommunikation ist, dann muss sie im Gegenteil aus dem Kämmerlein hinaus. Kommunikation geht nicht ohne Empfänger, und der wirkt mit auf die Aussage ein. Insofern stimmt auch "ohne Rücksicht auf andere" von vornherein nicht.

Viele Grüße, Stephan
Pit the Picker

Re: Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Beitrag von Pit the Picker »

Oder ehrlichen Brechreiz :mrgreen:
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wuwei
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Re: Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Beitrag von wuwei »

@docsteve: Sehr schöner Beitrag, Stephan, auch wenn sich bei "Wenn Musik (Poesie, Kunst...) Kommunikation ist" heftigster Widerspruch in mir regt... :)

Die Frage, ob es ehrliche oder unehrliche Musik überhaupt geben könne, scheint mir übrigens spätestens seit dem vorletzten Jahrhundert ausreichend, obwohl quasi en passant, geklärt:

"... du hättest singen sollen, o meine Seele." (F. Nietzsche)

Herzlichen Gruß, Uwe
"A Harf’n g’hert in ka Symphonie;
i’ hab’ ma nöt helf’n könna."
(Anton Bruckner über seine 8.)
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tired-joe
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Re: Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Beitrag von tired-joe »

docsteve hat geschrieben: Und der Vergleich mit dem Mittagessen passt nicht. Musik ist Kommunikation und beinhaltet wie jede Kunst eine persönliche Aussage, ein Essen nicht.
Ein ernsthafter Koch wuerde dem vehement widersprechen und als Beleidigung seiner Kochkunst (N.B.) auffassen.

Ich tendiere zu burndogs Meinung.
Joe
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woodder
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Re: Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Beitrag von woodder »

Bluesopa hat geschrieben: Wenn überhaupt eine Definition möglich ist, würde ich sagen "Ehrliche Musik" ist jede Musik hinter der ein Mensch steht der diese Musik erst mal um ihrer selbst macht, der sich selbst musikalisch ausdrückt ... Wo Kommerz, mögliche Vermarktung zumindest in der ersten Phase nicht an vorderster Stelle stehen, aber natürlich durchaus auch wichtig sind dürfen - schließlich will auch ein Musiker vernünftig leben von seiner Arbeit.
Voila!
Ist doch nicht kompliziert.
Natürlich mag es anmaßend sein, einem anderen Menschen den ehrlichen Ausdruck seiner Gefühle abzusprechen, aber eigentlich muß man nur mal ein komplettes
Album eines Interpreten durchhören, um das zu erkennen.
Um ein letztes mal Helene als Beispiel zu nennen: Meine Arbeitskollegen schmeißen zum Wochenende schonmal ne Scheibe von ihr ein und drehen laut auf, sodaß
ich ein Album von ihr mehrmals gehört habe. Und ich sage immer noch, da ist kein einziges echtes Gefühl von der guten Frau drauf.

Edit
Daddy Cool und Sunny sind für mich schon Klassiker und ich höre sie schon gerne, aber BoneyM ist ein sehr gutes Beispiel, für belanglose Musik, da sie ein komplettes
Kunstprodukt waren...siehe Rammstein? Obwohl die ja noch selber singen und spielen...
rwe
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Re: Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Beitrag von rwe »

docsteve hat geschrieben:Dieter Süverkrüp hat sich musikalisch nun wirklich nicht mit Ruhm bekleckert.
Kommt auf den Zusammenhang an: Vielleicht nicht beim Baggerführer Willibald, aber immerhin wurde er 1957 zum besten deutschen Jazzgitarrist ausgepreist.
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sowatt
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Re: Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Beitrag von sowatt »

Principal hat geschrieben:
tired-joe hat geschrieben: Was z.B. waere ein ehrliches Mittagessen?

Joe
Schäuferla!

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Das ist die einzig richtige Antwort. :bide:
Gruß sowatt
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notenwart
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Re: Die Sache mit der ehrlichen Musik -

Beitrag von notenwart »

@rwe: Du magst recht haben, Hildegard Maria Rauchfuß war die texterin. Der Umstand, dass der text aber ohne ihr Wissen von City genutzt wurde, ist nicht von mir erfunden
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