Erfahrungen mit "fokaler Dystonie"?

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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Wolf
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Erfahrungen mit "fokaler Dystonie"?

Beitrag von Wolf »

Moin,

ich laboriere ja schon seit über einem Jahr mit einem motorischen Fehlverhalten meiner rechten Hand, die mir das Gitarre spielen zu 100 % vermiest.
Nachdem ich ein 3/4 Jahr so gut wie gar nicht mehr spielen konnte übe ich zur Zeit streng mit Metronom bei max 50 bpm. Ab 60 pbm verkrampft mein Daumen und verkrümmt sich in die Hand. Das das ist kein Spaß - beides: max. 50 bpm und der "krumme" Daumen :evil:

Bisher wusste keiner so recht, woher das kam und ich hatte schon so manchen Moment, an dem ich schwer an mir und meiner Psyche gezweifelt habe, weil diese motorischen Eigenarten ausschließlich beim Gitarre spielen vorkommen - ansonsten alles OK.

Heute bin ich zufällig bei dem Lesen eines Artikel auf einen ähnlichen Fall gestoßen. Demnach sprechen die Symptome wohl für eine "fokale Dystonie"".

Hat schon mal jemand Erfahrung mit diesem Mist gemacht und Tips für eine Therapie? Nachdem ich drei Ärzte "durch" habe, bin ich für alles dankbar. Was ich bisher gelesen habe, stimmt mich wenig zuversichtlich.

Von Rainer H. bekam ich am Samstag schon den Tip mit einem auf "Musikerprobleme" spezialisierten KH in Freiburg. Das wäre bis jetzt wohl mein nächster Schritt.
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Holger Hendel
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Re: Erfahrungen mit "fokaler Dystonie"?

Beitrag von Holger Hendel »

Ich habe meine Symptomatik nie endgültig abklären lassen ("der eine sagt so, der andere so"... ... ...), doch seit ich grob Anfang 20 war habe ich eine entsprechende Verhärtung (bei entsprechender Beanspruchung) in der rechtsseitigen Thenarmuskulatur. Dein Plan mit dem spezialisierten Medizinmann klingt doch super, ich wünsche viel Erfolg auf Besserung.
Retraining: Durch gezielte Übungen ist es möglich, die fehlgeleitete Motorik zu desensibilisieren und die Motorik neu zu kalibrieren.
Sehr interessant. Mich würde interessieren, wie weit der Stand der Wissenschaft diesbezüglich mittlerweile ist.

Da es sich in meinem Fall um ein sehr lokales Gebiet handelt fand ich im Lauf der Jahre eine für mich mehr oder weniger praktikable Möglichkeit der Kompensation. Auf viele, z.T. stiltypische sounds muss ich deshalb verzichten doch wenn mir eine Technik oder ein Stück gefällt kann ich es mir irgendwie hinbiegen.
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berndwe
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Re: Erfahrungen mit "fokaler Dystonie"?

Beitrag von berndwe »

Ich hatte als Schüler einen sog. Schreibkrampf. Eine Bewegung die an sich kein Problem darstellt, wird unmöglich wenn man einen Füller in der Hand hat und Buchstaben aufs Papier bringen soll. Es hat mir bloß damals niemand geglaubt, wenn das was ich geschrieben hatte aussah, wie wenn ein Schimpanse geschrieben hätte.

Es wurde damals (da von den Erwachsenen nicht ernst genommen) auch nicht behandelt. Es hat sich mit den Jahren dann gottseidank von selbst gelegt.

Diese Geschichte wird Dir jetzt auch nicht weiterhelfen.
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Rainer H
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Re: Erfahrungen mit "fokaler Dystonie"?

Beitrag von Rainer H »

Hallo Wolf
hier der Link
https://www.uniklinik-freiburg.de/musikermedizin.html" onclick="window.open(this.href);return false;
Ist ja nicht weit von uns, und gute Besserung.
Gruß Rainer
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Paradise
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Re: Erfahrungen mit "fokaler Dystonie"?

Beitrag von Paradise »

Hallo Wolf,
vielleicht würde dir die "Alexandertechnik" helfen.
Ich habe zwar selbst damit noch keine Erfahrung gemacht, aber habe mich
schon im www eingelesen und finde es sehr interessant.
Es gibt auch ein paar Filmchen darüber auf YouTube.
Vielleicht gibt es an deinem Wohnort einen Trainer der dir
dabei helfen kann.

L.G. Simone
------------------------------------------------------
Denken ist allen erlaubt, vielen bleibt es erspart.
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Niels Cremer
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Re: Erfahrungen mit "fokaler Dystonie"?

Beitrag von Niels Cremer »

Du solltest auf jeden Fall Reiner H.'s Ratschlag befolgen, auch wenn du bzgl. Ärzten verständlicherweise vielleicht mittlerweile etwas skeptisch bist, aber das sieht doch sehr interessant und vielversprechend aus, ich würde auf keinen Fall Google- und Freunde-Tips basiert versuchen selbst daran herumzudiagnostizieren und -laborieren.

Viel Glück & gute Besserung!
Niels
Bernd C. Hoffmann
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Re: Erfahrungen mit "fokaler Dystonie"?

Beitrag von Bernd C. Hoffmann »

Ich bin auch damit geschlagen, wenn auch nur ganz leicht. Bei mir stellt sich der rechte Ringfinger gestreckt oft nach vorne, wobei sich auch oft der kleine Finger als "Träger" darunter streckt. Die ordentliche Fingerhaltung, besonders bei Arpeggien und Tremolo, ist damit nur sehr schwer möglich, meist nur für einige Sekundenpassagen. Flamencotremolo geht fast überhaupt nicht mehr. Ich kann weitgehend problemlos Unterstufenlektüre spielen - mit der Einschränkung, dass ich öfters eine Pause benötige, weil die Koordination nie dagewesene Anforderungen an die Koordination stellt. Diese Probleme habe ich aber nur dann, wenn ich eine Gitarre in er Hand habe. Als Trockenübung, d. h. ohne Gitarre, funktioniert alles fehlerfrei.

Abhilfe schaffte eine häufige Teilnahme an einer Hypnose Session, an der ich im Rahmen meiner Umschulung teilnahm. Ich nehme an, es ist ein "Abfallprodukt" als Begleiterscheinung der Tiefenentspannung. Heute kann ich sagen, dass dies der eigentliche Grund war, weshalb ich bei den Foren-CDs nicht fertig wurde und wieder absprang.

Die Adresse aus Freiburg kannte ich nicht, deshalb danke für den Hinweis. Es gibt auch an der MH Hannover ein Institut für Fokale Dystonie. Nach meinen Informationen muss das allerdings privat bezahlt werden. Vielleicht weiß es jemand genauer.
Liebe Grüße
Bernd
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jazzloft

Re: Erfahrungen mit "fokaler Dystonie"?

Beitrag von jazzloft »

Davon habe ich zum ersten Mal im Fall von Billy McLaughlin gehört, der seinen "eigenen" Lösungsweg gefunden und "kurzhand" auf Linkshänder umgeschult hat: https://www.youtube.com/watch?v=cNOkvG-15wA" onclick="window.open(this.href);return false;
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Bersuita
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Re: Erfahrungen mit "fokaler Dystonie"?

Beitrag von Bersuita »

In Hannover beforscht die Musikhochschule am Institut für Musikphysiologie und Musikermedizin die fokale Dystonie bei Musikern: http://www.immm.hmtm-hannover.de/de/for ... -musikern/
Ansätze wie Botox aber auch Einfluss veränderter auditorischer und taktiler Rückmeldung auf die Dystonie bei Musikern werden untersucht. Es konnte (laut deren website): http://www.immm.hmtm-hannover.de/de/for ... uh-effekt/ gezeigt werden, dass die Krankheitssymptome bei Pianisten mit Dystonie, die einen Handschuh über die betroffene Hand ziehen während sie spielen, reduziert werden können.
Sie haben dort eine Ambulanz für die Studenten der MH. Man kann als Privatmensch auch einen Termin vereinbaren, aber ich vermute dann als Selbstzahler, ein Anruf dort kann ja nicht schaden.
greetings und gute Besserung!
Bersuita
"Ein Gespräch setzt voraus, dass der andere Recht haben könnte." (Hans-Georg Gadamer)
kelly

Re: Erfahrungen mit "fokaler Dystonie"?

Beitrag von kelly »

Hallo Wolf,
die Schmerzen im Unterarm wurden hier im Forum schon mehrmals angesprochen und es gibt viele gute Hilfevorschläge. Tippe mal bei Suche "Schmerzen Unterarm" und es kommen einige Diskussionen zu Erscheinung.

Zu der fokalen Dystonie: eine Form davon sollte die "Spasmodische Dysphonie (Stimmbandkrampf)" werden, die allerdings von keinem heute lebenden HNO Arzt gesehen und bechrieben wurde. Ich würde also nicht gleich "schlimme Sachen" vermuten - vielleicht warst Du letzte Zeit beim Spielen einfach zu ambitioniert? Die Vorschläge zu Fachzentren sind einwandfrei, man kann immer auf sie zugreifen, wenn einfache Mittel nicht funktionieren. Mir hat die irgendwo beschriebene einfache Durchstreckung des Unterarms so gut geholfen, dass ich wieder Spaß am schmerzfreien Spielen habe. Und ich konnte schon keine 15 Minuten täglich durchhalten!

Viel Glück bei Recherche hier im Forum und gute Besserung!
Kelly
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Liederbolt
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Re: Erfahrungen mit "fokaler Dystonie"?

Beitrag von Liederbolt »

Ich war in Hannover und habe dort Botox in den Daumenbeuger bekommen. Es wirkte, doch weitergebracht hat es mich nur in der Hisicht, dass ich mir schlussendlich eingestand den Daumen weitgehend aus meiner Technik zu verbannen. Nur in Zeitlupe und mit voller Konzentration kann ich ihn benutzen. Auch Marihuana (oft hilfreich bei Dystonien) brachte mich nicht wirklich weiter. Dem Einsatz eines sonst für Parkinson-Patienten hilfreichen Medikamentes widersprach ich - wär ich über 60 hätt ich's probiert, aber Langzeitfolgen sind bisher nicht erforscht, und die Nebenwirkungen - trockene Schleimhäute, hab ich eh schon wegen chronischem Nebenhöhlengedöns - der Arzt hat das eingesehen.

Hier das Resultat wenn ich versuche "normal" zu spielen - der Daumen knickt ein und ich treffe die Saiten oft nicht richtig (...und das war noch "gut"):

https://www.youtube.com/watch?v=czRM-2_9Ac4

Hier langsam im Focus auf Entspannung:

https://www.youtube.com/watch?v=CB6KimwJK4s

Plektrum läuft ganz gut, aber man kann natürlich kaum Saiten gleichzeitig spielen, die nicht nebeneinander liegen. Eine Dämpftechnik mit der linken Hand muss man dazu kultivieren um unerwünschte Töne zu vermeiden:

https://www.youtube.com/watch?v=g2K0k0SIrRY

Etwas umgehen kann ich es, wenn ich Hybrid spiele - dabei wird das Plektrum nicht mit der Daumenspitze, sondern zwischen Zeiger und Daumenmitte gehalten, so wirkt sich das Einknicken des Daumens weniger störend aus :

https://www.youtube.com/watch?v=kwYpJvwIypk

Ein anderer Versuch ist die alte Thüringer-Waldzitherspielweise mit dem Zeiger - gelegentlich kommt der Mittelfinger anbei:

https://www.youtube.com/watch?v=wvq_xdPoJOo

Mein Tipp wäre es, sich irgendeine Möglichkeit zu suchen weiter spielen zu können und sich die Freude daran nicht vermiesen zu lassen. Habe mir auch eine bundierte Fidel zugelegt, die ich z.Zt in Waldzither-Stimmung spiele (Gitarren-Stimmung wäre auch möglich) - klingt zwar noch nach gequälter Katze, aber wird auch so langsam...
:violin:

Ein Gitarrist aus der Facebook Gruppe "Musicians With Focal Dystonia" hat sogar auf links umgelernt - klingt gut, aber er schreibt auch, dass er nur noch ein Schatten seiner selbst ist...

Oder Du versuchst ernsthaft das Retraining - ein meist sehr langer, steiniger Weg und nur Wenige werden wieder richtig spielfähig. Ich bin damit durch...

Alles Gute!!!
"Mit Harrfen und Lauten schönen Metzen hofieren, solches nimmt ein böses Ende"
Reformator Johann Mathesius 1560
Bernd C. Hoffmann
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Re: Erfahrungen mit "fokaler Dystonie"?

Beitrag von Bernd C. Hoffmann »

Ich habe vergessen, dass es in Barcelona eine offenbar sehr erfolgreiche Einrichtung gibt, das "Institu de l´Art". Dort wurden schon einige Gitarristen geheilt. Die Abrechnung erfolgt aber ausschließlich privat. Als besonderen Service bieten sie für den Therapieverlauf auch Videokonferenzen übers Internet an, damit die Betroffenen nicht ständig nach Spanien reisen müssen

http://www.institutart.com/index.php/en ... /treatment" onclick="window.open(this.href);return false;
Liebe Grüße
Bernd
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randomNotes
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Re: Erfahrungen mit "fokaler Dystonie"?

Beitrag von randomNotes »

Guten Morgen,

habe gerade an diesen Thread denken müssen als ich ein Video auf YouTube sah. In dem Video beschreibt ein Bassist seine Erfahrungen und seinen Umgang mit fokaler Dystonie und wie er sich hat helfen können. Er beschreibt dabei einige Vorgänge im Körper und erklärt warum er an seiner Fretting-Hand einen dünnen Handschuh trägt... Da ich nicht betroffen bin, habe ich das ganze nicht komplett gesehen. Bei Interesse unbedingt mal ansehen.

(EDIT: Habe jetzt direkt auf die richtige stelle im QA gelinkt)

https://www.youtube.com/watch?v=wOVGrGB ... u.be&t=273" onclick="window.open(this.href);return false;
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