Gitarre - Geige (Stradivari)

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Gast

Gitarre - Geige (Stradivari)

Beitrag von Gast »

Wir hatten hier schon öfters Diskussionen über
alte Instrumente, Begriffe wie "Vintage", "Gebraucht"
sind gefallen und Gespräche über die Entwicklung von
"Ton"-Holz im Lauf der Jahre.

Armin Dreier z.B. sagt, falls ich ihn richtig verstanden
habe, das bei einer Gitarre nach einer gewissen Zeit die
Luft raus ist.

Nun eine Frage, die mir schon länger auf der Seele brennt:

Warum entwickelt sich eine Geige so positiv, daß z.B. eine
Stradivari von 1720 Millionenbeträge wert sein soll und eine
Akustikgitarre nicht?


Viele Grüße, NIk
irondack
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Re: Gitarre - Geige (Stradivari)

Beitrag von irondack »

[quote="Kingfrog"]
Warum entwickelt sich eine Geige so positiv, daß z.B. eine
Stradivari von 1720 Millionenbeträge wert sein soll und eine
Akustikgitarre nicht?


Viele Grüße, NIk[/quote]

Hi Nik,

interessantes Thema...

Liegt die Antwort vielleicht darin, daß es bei Geigen seit über 200 jahren baulich (Tonholz) keine Änderung - Weiterentwicklung gibt.
Alle Geigen haben Fichtendecke und Ahornkorpus, bei Gitarren hat man wohl die "Stradivari-Gitarre" noch nicht erfunden.

...oder spielt die geschnitzte Decke eine Rolle, die ist ja ganz anders wie bei einer flattop..

Gruß
Rainer
...only a Gallagher is good enough
Gast

Re: Gitarre - Geige (Stradivari)

Beitrag von Gast »

Ich habe zwar keine wirkliche Ahnung, aber ich könnte mir vorstellen, dass die enormen Zugkräfte von Gitarren-Stahlsaiten das Holz mit der Zeit ermüden, da die Konstruktion ständig unter Hochspannung steht, wogegen die recht kurzen Violinensaiten viel weniger Zugkräfte entwickeln und die Konstruktion auch über Jahrzehnte nicht viel auszuhalten hat.
Gast

Beitrag von Gast »

Ich hab mal gehört, dass alte und wertvolle Geigen immer wieder restauriert werden, weil es beim langjährigen Gebrauch ohne Wartung sich das Instrument quasie "zerlegen" würde.
Spielbare Instrumente sollen demzufolge immer wieder zum Kundendienst, das würde kein Instrument auf Dauer aushalten, allein schon durch die Abnutzung muss immer wieder etwas gemacht werden.

Ich glaube nicht unbedingt, dass eine Gitarre irgendwann kein Leben mehr hat, und wenn ja liesse es sich bei teuren Gitarren sicherlich auch wieder richten, was würde es denn sonst nützen.... wär ja nur rein was zum Sammeln, einen hohen Nutzwert würde sie nicht mehr bringen.
Und es gibt eine Menge vintage Gitarren, tw. über 80 Jahre alt (Martins, Gibsons...) die toll klingen.
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Joachim
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Beitrag von Joachim »

Ich vermute, dass das an der Konstruktion der Geige liegt, die mit Ihrer gewölbten Decke den Belastungen besser widerstehen kann...
Gruss
Joachim :guitar1:

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Hubert
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Beitrag von Hubert »

Moin !

Vielleicht war ja die Qualität des Holzes früher besser.
Wenn man bedenkt, was heute so alles in der Luft ist :twisted:
Der Sessel von meinem Opa, der hier steht, ist von 1921.
Da ist nix dran !! Nichtmal eine Schraube.
Und außerdem gabs da noch keine Massenproduktion.
Alles Handwerk. Mit viel Liebe und Geduld gefertigt.
Wenn ich mir überlege, was eine maschinelle Bearbeitung im Inneren der Holzstrutur anrichtet.... Alles nur noch schnell schnell.
Dann ist ein Instrument natürlich auch mal schnell schnell kaputt.
Und dann, wie soll ein Hersteller von Gitarren leben, wenn sich jeder Gitarrenspieler nur ein Instrument in seinem Leben kauft.

Die Denkweisen haben sich eben verändert.
Aber, der kleine Mann mit kleinem Geldbeutel (ICH) profitiert halt auch davon.
So kann auch ich mir meine "Stradivari - Gitarre" :lol: für 300.-€ leisten.

Gruß
Hubert
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chrisb
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Beitrag von chrisb »

das kann auch geigen passieren das sie nicht mehr klingen.
dies geschah erst letztes jahr einer bekannten von mir.
sie ist berufsmusikerin, (spielt zur zeit noch in wiesbaden, staatsorchester).
von heut auf morgen war der gute ton einfach weg.
sie spielt jetzt ne leihgeige von einem geigenbauer aus frankreich.
neupreis allerdings "nur" 50k€.
chrisb
Gast

Beitrag von Gast »

Unterschiede zwischen der heutigen und Stradivaris Handwerkstechnik

Die Holzbearbeitung unterscheidet sich in keiner Weise und auch das " Innenleben " einer Stradivari ist mit einem heutigen Instrument durchaus vergleichbar. Dazu muss man wissen, dass sich fast alle Instrumente aus der Zeit bis etwa 1820 nicht mehr im originalen Zustand befinden. sind. Sie mussten vielfältige Umbau- oder Modernisierungsarbeiten über sich ergehen lassen und klingen heute bestimmt deutlich anders als zu Stradivaris Zeiten. Die Geigen von Stradivari hatten alle einen kürzeren Hals, der nicht in den Oberklotz eingelassen war, sondern aufgesetzt wurde. Zur Absicherung wurde er vom Korpusinneren zusätzlich mit Nägeln befestigt. Daraus kann man auch noch einen weiteren Unterschied folgern : da eine Absicherung des Halses von der Innenseite des Korpus erfolgte, musste der Hals vor dem Deckeaufleimen aufgesetzt werden. Den Baßbalken machten Stradivari und seine Zeitgenossen sehr viel zierlicher. Der Steg war niedriger und seine Höhe bestimmte allein ein stark keilförmiges Griffbrett. Griffbrett und Saitenhalter wurden furniert, d.h. auf ein leichtes Kernholz wurde eine dünne Schicht Hartholz aufgeleimt. Ein wichtigen Unterschied stellt die Besaitung der Instrumente dar, denn man spielte ausschließlich Darmsaiten. Somit kann man sagen, dass sich in einigen Teilbereichen die Reihenfolge der Arbeitsabläufe geändert hat. Diese Änderungen sind aber heute auch an allen im modernen Konzertbetrieb benutzten Instrumenten aus Stradivaris Zeit eingebaut worden, so dass sich eine Stradivari in erster Linie durch ihr Alter von einem erstklassigen modernen Instrument unterscheidet.
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RB
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Beitrag von RB »

Die These von der "Erschöpfung des Holzes" ist nicht unumstritten. Ich habe einmal eine ca. 40 Jahre alte Gitarre spielen können und während sich mir zwar das Gefühl aufdrängte, sie sei nicht allen neuen Gitarren unendlich überlegen, wie manche glauben machen möchten, so mußte ich doch eingestehen, daß sie nach all meinen Maßstäben schlicht außerordentlich war. Da war nun also nichts von einer Erschöpfung zu bemerken. Womöglich muß man größere Zeiträume annehmen oder die Annahme trifft nicht allgemein auf alle Gitarren zu. Angenehmer wäre das gefühlsmäßig schon.

Wenn es aber so wäre und wenn Violinen nicht betroffen wären, dann könnte ich mir auch vorstellen, daß es an der ganz andersartigen Konstruktion der Violine liegen könnte. Immerhin sind die Decken und Böden gewölbt und der Saitenzug wirkt nicht über einen Steg als Torsionskraft auf die Decke ein. Die Decke erfährt am Steg eine mehr oder weniger senkrechte Belastung; der Korpus wird an der dem Hals gegenüberliegenden Zarge mehr oder weniger beinahe waagerecht auf Zug in Richtugn Hals (genauer: Stegoberseite) belastet. Keine Torsion, das finde ich eigentlich geschickter.
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Joachim
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Beitrag von Joachim »

RB hat geschrieben: Die Decke erfährt am Steg eine mehr oder weniger senkrechte Belastung; der Korpus wird an der dem Hals gegenüberliegenden Zarge mehr oder weniger beinahe waagerecht auf Zug in Richtugn Hals (genauer: Stegoberseite) belastet. Keine Torsion, das finde ich eigentlich geschickter.
Dafür hat man dann eben die Biegung der Decke, deren sich die gewölbte Decke aber gut erwehren kann. Allerdings kann diese Last recht groß sein. Ich glaube H-Bone brachte einmal das Beispiel:
"Stellt Euch vor welche Kraft Ihr braucht, um die Decke in Sethöhe zu ziehen.
Diese Kraft wirkt dann auf die Decke. Meines Halbwissens nach, haben Archtops an dieser Stelle einen dicken Balken, dr die Last abträgt, ob das bei Geigen auch so ist, weiß isch leider nischt...
Gruss
Joachim :guitar1:

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notenwart
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Beitrag von notenwart »

Joachim hat geschrieben:Ich vermute, dass das an der Konstruktion der Geige liegt, die mit Ihrer gewölbten Decke den Belastungen besser widerstehen kann...
Wenn die Konstruktion eine Rolle spielt, was ich nicht beurteilen kann, sollte man auch beachten, daß die Saiten der Geige auf die Decke drücken, während die einer Gitarre diese nach oben zerren und bei der Geige, der Druck teilweise durch die "Seele" der Geige aufgefangen wird. Die Mechanische Belastung scheint also geringer zu sein.
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RB
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Beitrag von RB »

Vielleicht nicht geringer, aber auf mehreren Stellen verteilt.
Gast

Beitrag von Gast »

...
Zuletzt geändert von Gast am So Jan 31, 2010 4:02 pm, insgesamt 1-mal geändert.
gurtpin
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Beitrag von gurtpin »

@T.

Experten? Welche?
Künstliche Verknappung von Stradivaris?

Vielleicht klingt das Gros nicht besser. Aber es scheint Instrumente zu geben die besser klingen als Instrumente heutiger Fertigung. Und um die geht es. Also kein Wunschdenken vom Superinstrument.

Aber wenn Spiegel dass sagt, braucht man wohl nicht weiter drüber nachdenken... :roll:
Jensy
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Beitrag von Jensy »

:-) hat geschrieben:Unterschiede zwischen der heutigen und Stradivaris Handwerkstechnik

Die Holzbearbeitung unterscheidet sich in keiner Weise und auch das " Innenleben " einer Stradivari ist mit einem heutigen Instrument durchaus vergleichbar. Dazu muss man wissen, dass sich fast alle Instrumente aus der Zeit bis etwa 1820 nicht mehr im originalen Zustand befinden. sind. Sie mussten vielfältige Umbau- oder Modernisierungsarbeiten über sich ergehen lassen und klingen heute bestimmt deutlich anders als zu Stradivaris Zeiten. Die Geigen von Stradivari hatten alle einen kürzeren Hals, der nicht in den Oberklotz eingelassen war, sondern aufgesetzt wurde. Zur Absicherung wurde er vom Korpusinneren zusätzlich mit Nägeln befestigt. Daraus kann man auch noch einen weiteren Unterschied folgern : da eine Absicherung des Halses von der Innenseite des Korpus erfolgte, musste der Hals vor dem Deckeaufleimen aufgesetzt werden. Den Baßbalken machten Stradivari und seine Zeitgenossen sehr viel zierlicher. Der Steg war niedriger und seine Höhe bestimmte allein ein stark keilförmiges Griffbrett. Griffbrett und Saitenhalter wurden furniert, d.h. auf ein leichtes Kernholz wurde eine dünne Schicht Hartholz aufgeleimt. Ein wichtigen Unterschied stellt die Besaitung der Instrumente dar, denn man spielte ausschließlich Darmsaiten. Somit kann man sagen, dass sich in einigen Teilbereichen die Reihenfolge der Arbeitsabläufe geändert hat. Diese Änderungen sind aber heute auch an allen im modernen Konzertbetrieb benutzten Instrumenten aus Stradivaris Zeit eingebaut worden, so dass sich eine Stradivari in erster Linie durch ihr Alter von einem erstklassigen modernen Instrument unterscheidet.
Hallo alle Zusammen,

da hast Du gerade Wunderbar den Umbau von Barockgeigen (instrumenten) zu modernen instrumenten beschrieben. Vielen Dank!

Im Zuge der modernisierung der Orchester wurden Instrumente umgebaut.
Die entwicklung des Piano/Forte kam dazu, die Orchester wurde grösser und die Streicher mussten lauter werden.
Dazu bei getragen haben auch neuartige kompositionen der Berühmten Komponisten (damaligen chart- stürmer :wink: ) und Opern die gerne von den Königen und Gefolgschaft erwünscht wurde.

So wurde (wie beschrieben) mit Anschäftern Hälse verkürzt , Griffbretter ausgetauscht (in Ebenholz), Halswinkel verändert, Stege umgebaut und
Stahlsaiten statt Darmsaiten aufgezogen. Die Geige/ die Bratsche/das Cello hat so bis heute überlebt .
Manche der Merkmale (wie ein Anschäfter) lassen auf einen gewissen Wert des Instrumentes schliessen, da wahrschienlich nur bessere Instrumente um gebaut wurden. Da muss man aber genau hingucken damit man die Echtheit auch erkennt. Weil die chinesen Kopieren mittlerweile auch Anschäfter um den Wert des Instrumentes zusteigen.

Ansonsten bin ich der Meinung das leider sehr viel Schindluder im Geigengeschäft betrieben wird und soviele kopien
unterwegs sind.
Da wird der Dachbodenfund leicht mal zur Stardivarie oder Amati. :D
Im Monat schaue ich mir 4-5 von diesen Instrumenten an!

Die Geige wird als Kunstobjekt gehandelt und das finde ich nicht gut.
In Oxford im hängt eine Strad. die mit 20 Millionen (oder Millarden) britische Pfund versichert ist.
Umso mehr freut es mich das in Cremona die 4 Stradivaries die in der Rathaus hängen, jedentag gespielte werden.

Ich bin jedoch sicher das heutige Instrumentenbauer (Geigenbauer) die klangqualität von Stardivarie erreichen können und auch toppen können!

lieben gruss jens
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