Talent oder 10000 Stunden ?ben

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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Admin
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Talent oder 10000 Stunden üben

Beitrag von Admin »

Im Spiegel las ich ein Interview mit dem Journalisten Malcolm Gladwell, der die "10.000-Stunden-Regel" propagiert:
Diese Regel besagt, dass man 10 000 Stunden lang üben muss, bevor man eine komplexe Aufgabe bewältigen kann. 10 000 Stunden, das macht etwa zehn Jahre. So lange zu üben ist schwer. Es braucht die Unterstützung durch eine Institution. Es braucht die Geduld derer, mit denen und für die man übt. Es braucht Feedback.
So habe eine Untersuchung ergeben, daß alle Violinistinnen, die erste Geige in einem Kammerorchester spielten, also ein hohes Nieveau erreicht hatten, bis zur Vollendung des 18ten Lebensjahres mindestens 10.000 Stunden geübt hatten. Diejenigen, die weniger Übungspraxis hatten, spielten auf einem niedrigeren Nieveau.

Also alles kein Talent, sondern Fanatismus ("it's the time you spend with your instrument") ? Weil ich das für möglich halte, habe ich die Technik, die ich gerade zu erlernen trachte, verstärkt geübt. Uns siehe da, es wird besser. Aber 10.000 Stunden, mann, da kann ich in Rente gehen, bis ich das halbwegs kann.

Wie seht Ihr die Thematik ?
land_of_green
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Beitrag von land_of_green »

Wenn man mal den Volksmund fragt, bekommt man ähnliche Antworten:
Ohne Fleiß kein Preis.
Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen.
Diese Liste lässt sich sicher beliebig erweitern.
Auch eine gewisse Anne-Sophie Mutter soll mal gesagt haben, Erfolg beruhe zu 99% auf Arbeit und nur zu 1% aus Talent.

Andererseits kann ich mir kaum vorstellen, dass es 10.000 Stunden Übens bedarf, um eine einzelne Technik zu beherrschen. Vielmehr gibt es imho davon so viele, dass man recht lange braucht, sich das ganze "Handwerkszeug" anzueignen und es vor allem auch in beliebigem Kontext anwenden zu können.

Ich halte mich selbst für nicht sonderlich talentiert in Sachen Gitarre spielen (und weiß, das ich es im Bereich "technische Mechanik" nicht bin). In beiden Fällen habe ich erlebt, dass mich regelmäßiges richtiges (im Sinne von effektiv) Üben durchaus weiterbringt. Und ich glaube, dass jeder für sich herausfinden muss, wie richtiges Üben für ihn (sie) aussieht. Das allein kann schon recht viel Zeit in Anspruch nehmen ...

Trotzdem:
Irgendwie ist es schon erstaunlich, dass heutzutage wissenschaftliche Studien erstellt werden, deren Ergebnis "Intensives Training ist Grundlage jeden Erfolgs" lautet. :roll:

stefan
Mark
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Re: Talent oder 10000 Stunden üben

Beitrag von Mark »

Admin hat geschrieben: Aber 10.000 Stunden, mann, da kann ich in Rente gehen, bis ich das halbwegs kann.
10.000 Stunden sind so ungefähr 416 Tage. Wie alt bist Du ... !?!

Gruß
Mark
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12bar
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Beitrag von 12bar »

416 Tage
Klar, wenn er 24 Stunden/Tag übt.
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zappi
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Beitrag von zappi »

Ich kriege eigentlich immer Bauchschmerzen, wenn man Leistungssport und Musik machen in einen Topf wirft. Es gibt natürlich die höher, weiter, schneller, präzieser Fraktion, allerdings nützt einen das alles nichts, wenn einen die Interpretationsfähigkeit fehlt, also das Verständnis über die Musik die man performen will, folglich geht ohne Talent auch nicht wirklich was. Mir wude immer gsagt, Technik kann man lernen, Gefühl nicht. Und da trennt sich meiner Meinung nach auch die Spreu vom Weizen. Ich habe es der Vergangenheit immer wieder hören müssen, wenn brilliante Techniker kreative Einfaltslosigkeit durch technisches Geballer ersetzten, da sind mir Bob Dylans und John Lee Hookers ungefähr eine Million mal lieber.
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clone
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Re: Talent oder 10000 Stunden üben

Beitrag von clone »

Admin hat geschrieben:Im Spiegel las ich ein Interview mit dem Journalisten Malcolm Gladwell, der die "10.000-Stunden-Regel" propagiert:
Diese Regel besagt, dass man 10 000 Stunden lang üben muss, bevor man eine komplexe Aufgabe bewältigen kann. 10 000 Stunden, das macht etwa zehn Jahre. So lange zu üben ist schwer. Es braucht die Unterstützung durch eine Institution. Es braucht die Geduld derer, mit denen und für die man übt. Es braucht Feedback.
So habe eine Untersuchung ergeben, daß alle Violinistinnen, die erste Geige in einem Kammerorchester spielten, also ein hohes Nieveau erreicht hatten, bis zur Vollendung des 18ten Lebensjahres mindestens 10.000 Stunden geübt hatten. Diejenigen, die weniger Übungspraxis hatten, spielten auf einem niedrigeren Nieveau.

Also alles kein Talent, sondern Fanatismus ("it's the time you spend with your instrument") ? Weil ich das für möglich halte, habe ich die Technik, die ich gerade zu erlernen trachte, verstärkt geübt. Uns siehe da, es wird besser. Aber 10.000 Stunden, mann, da kann ich in Rente gehen, bis ich das halbwegs kann.

Wie seht Ihr die Thematik ?
Ich denke man müsste sagen, trotz Begabung (oder Talent) und z.B. auch der passenden Physis braucht es etwa 10.000 Stunden an Übung, um zu einer gewissen Meisterschaft zu kommen. Aber ich denke der Hinweis ist schon gut, weil er nochmals deutlich macht, dass auch ein ´Genie´ etwas nicht ´einfach so´ konnte... .
Spong
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Beitrag von Spong »

Ich denke, Musik spielt da eine Sonderrolle im Vergleich zu z.B. Schreiben. Es ist wie ein Organ das man hat oder nicht. Wenn man Intelligenz und die Bereichtschaft zu lernen mitbringt und 10.000 Seiten schreibt, ist man vielleicht nach der 10..0000sten Seite ein guter Autor, aber ohne Veranlagung zur Musik wird sich jedes Instrument wehren wie ein störrisches Pferd. Tja, und üben ... Steve Vai wurde mal gefragt, woher er die Disziplin genommen hätte, soviel zu üben, und er meinte, es wäre ihm nie wie Disziplin vorgekommen, weil er einfach immer nur spielen wollte. Die wenigsten von uns sind Steve Vai, aber viele von uns werden das kennen, dass man nicht genug bekommt von seinem Instrument.


Ich denke inzwischen, ob man Talent hat, klärt sich in den ersten Jahren des Instrumentes, ob das Spielen gut voran geht und Freude macht. Dann allerdings ist eine gute Strategie zur Weiterentwicklung SUPERWICHTIG.
Ich glaube, dass eine gute Strategie, was man wie und wann lernt, viel wichtiger ist, als extrem viel Zeit mit dem Instrument zu verbringen. Man kann in 5 Jahren auf der Stelle treten oder Riesensprünge machen, und das hängt nur davon ab, was man lernt und auf welche Weise.

Und die einhellige Meinung zu vielen kreativen Bereichen, die ich teile, ist die dass Durchhaltevermögen fast wichtiger sind als alles andere. Jeder von uns erlebt jeden Tag bestenfalls mittelmäßige Musiker, die erfolgreich als Musiker arbeiten, und es war nicht ihr Talent, sondern ihre Charakterstärke, ihre Willenskraft und ihr langer Atem, der sie soweit brachte. A professional is an amateur who didn't quit. So, ähem, "einfach" ist das ....


just my two cents ....
tbrenner
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Üben, üben .....

Beitrag von tbrenner »

Hallo zusammen,

das mit den 10.000 Stunden kommt über die Jahrzehnte doch schonmal zusammen, oder?

Allerdings muß ich eingermaßen neidfrei immer wieder erkennen, daß es
immer wieder (vorzugsweise junge..) Leutchen gibt, die von der Natur mit
soviel musikalischem Talent kombiniert mit großer motorischer Begabung
gesegnet sind, daß sie schon in kürzester Zeit zu sehr beachtlichem Spielniveau kommen. Ich habe da schon 18-jährige spielen hören/gesehen,
da konnte ich schon kurzatmig werden .. :roll:

Grüssle,

tbrenner
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Holger Hendel
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Beitrag von Holger Hendel »

Wer entscheidende Zeitabschnitte seines Lebens dem Training auf´nem Musikinstrument widmet weiß sicher auch, weshalb er das tut- junge Menschen wissen es halt nicht unbedingt sondern werden von ihren Versagereltern in die Rolle des späteren Supergeigers gedrängt. Traurig aber wahr...passiert sogar hier in ol´Soltau. :( Aber egal, ich spiel´den Bengel immer noch an die Wand! :) (auffer Gitarre natürlich *g*).

Wenn es ums reine Reproduzieren von niedergeschriebener Mucke geht gilt mit Sicherheit die Regel "üben übt und viel hilft viel"- ansonsten könnte ja jeder jedes Instrument virtuos spielen ohne jemals geübt zu haben. ;) Dass jemand "Talent" hat ist sicher auch richtig, doch mag ich hierzu keine Aussage machen, da es einfach nicht fassbar ist. Ich kenne hier Leute, die lernen richtig schnell und kommen voran, gründen ´ne Band usw. und ich kenne welche, bei denen herrscht Stillstand. Obwohl sie ziemlich identischen Input bekommen. Definitv spielt die ind. Motivation eine Rolle, ein von den Versagereltern zum Gitarrenunterricht geschicktes Kind wird auch durch den besten Psychologen / Lehrer keine Freude daran finden, zumindest nicht mit den in unserem Lande genutzten Methoden- ein Glück.
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stringbound
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Beitrag von stringbound »

12bar hat geschrieben:
416 Tage
Klar, wenn er 24 Stunden/Tag übt.
Jeden Tag 24 Stunden zu üben ist nicht nötig.

Ein Mensch, der sich im Zuge einer Ausbildung zum Musiker, mit einem Instrument beschäftigt verbringt jeden Tag ca. 10 bis 14 Stunden mit seinem Instrument.
Die Anzahl von 10.000 Stunden kommt da sehr schnell zusammen.


Ich bin jetzt 44 Jahre alt und beschäftige mich erst seit Sommer 2007 mit der akustischen Gitarre und Fingerstyle, übe aber mindestens fünf Stunden täglich und am Wochenende entsprechend mehr.
Ich sehe weder fern, noch gehe ich aus, aber ich lese ab und zu (Bücher über Gitarren oder Spieltechniken).
Mehr als zwei Wochen Gitarrenentzug (sprich Urlaub) geht nicht.

Ich habe also gute Chancen, die zur "Meisterschaft" benötigten 10.000 Stunden am Instrument noch in diesem Leben zusammen zu bekommen.

Zum Glück lebe ich mit einer sehr toleranten und verständnisvollen Frau zusammen.
Zuletzt geändert von stringbound am Do Feb 05, 2009 1:40 pm, insgesamt 1-mal geändert.
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Johnny
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Beitrag von Johnny »

@stringbound..
herzlichen glückwunsch...
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Rolli
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Beitrag von Rolli »

Moin!
Ich finde 10.000 Stunden reine Übezeit auch eher läppisch!
Nicht das ich jemals auch nur annähernd so viel geübt hätte, aber ein ernsthafter Musikstudent wird das recht zügig zusammenbekommen und..... das ist auch nötig. Wenn man nicht gerade überproportional begabt ist, dann geht da keine Weg daran vorbei. Und TE ist ja so ein Wunderkind und nichtsdestotrotz heisst es auch für ihn ÜBEN ÜBEN ÜBEN

LG
Schöne Grüße, Rolli
www.daskulturgut.de - KulturGUT
www.rolandkalus.de - Gitarrencoaching
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Harald
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Beitrag von Harald »

A professional is an amateur who didn't quit. - Ein wahres Wort, glaub' ich.

mMn kommt es in erster Linie darauf an, WIE man übt und WAS. Und vor allem darauf, dass die Freude am Instrument zunächst mal vorhanden ist und dann auch nicht ob des Übens schnell wieder verlorengeht.

Und dann ist es wohl auch wichtig, daß man eine Resonanz von Leuten bekommt, die nicht jeden Tag "um einen herum" sind, sondern denen man abnimmt, dass sie nicht aus lauter Rücksichtnahme und falsch verstandenem Wohlwollen nur so mit Komplimenten um sich werfen, um einem den Spaß nicht zu verderben, sondern einem mit KONSTRUKTIVER Kritik den ein oder anderen Hinweis und Denkanstoß geben, dies oder jenes abzuändern, zu versuchen, oder nur drüber nachzudenken.

Zum Talent kann ich nicht viel sagen. Ich kenne Leute, die ein ungeheures Talent haben und einfach nichts draus machen, teils aus Bequemlichkeit, teils aus nur sehr geringem wirklichen Interesse.

Andererseits kenne ich sehr wenige, die FREIWILLIG länger beim Klampfen bleiben, ohne dass sie wenigstens ein erkennbares Talent hätten.

Wenn Talent und Lust und Übungsbereitschaft und hin und wieder die richtigen Hinweise zusammenkommen, ist wohl der Idealzustand erreicht.

Wenn nur eines davon gänzlich fehlt, ist es relativ zwecklos. Außer - man wäre in der Lage, sich die richtigen Hinweise selbst zu geben - aber bis man das in etwa kann - das daaaaaauuuuuuuuert.
"... und hätte aber die Liebe nicht ..."

http://www.youtube.com/watch?v=N4kFCBIYDqA
RAc
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Re: Talent oder 10000 Stunden üben

Beitrag von RAc »

...
Zuletzt geändert von RAc am Sa Okt 10, 2015 11:31 pm, insgesamt 1-mal geändert.
http://soundcloud.com/rac-13" onclick="window.open(this.href);return false;
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Harald
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Re: Talent oder 10000 Stunden üben

Beitrag von Harald »

RAc hat geschrieben:...
Klar, wenn man Musik daran mißt, ob ein Bravourstück aus der Meisterklasse mit 1/100 mehr Präzision und 1/100 mehr Schnelligkeit gemeistert wird, dann ist das Üben am Instrument das Maß der Dinge. Aber Musik ist ja weitaus mehr oder auch etwas ganz Anderes...
Kommt wohl drauf an, was man eigentlich anstrebt. Für mich ist Musik eine sehr direkte Art des Ausdrucks von Gefühlen. Ein gewisses Maß an Virtuosität erhöht natürlich die Möglichkeiten.

Virtuosität um ihrer selbst Willen - naja, für mich ist das eine Sportart, an der ich mich nicht beteiligen kann und auch irgendwie gar nicht möchte.
"... und hätte aber die Liebe nicht ..."

http://www.youtube.com/watch?v=N4kFCBIYDqA
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