Talent oder 10000 Stunden ?ben

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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Harald
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Beitrag von Harald »

@joe
der ansatz, den weg als ziel zu sehen, ist sicherlich eine Möglichkeit.

So gesehen spielt sich unser ganzes Leben ja genauso ab. Letztendlich werden wir wohl in allem, was wir tun und getan haben, am Ende zwangsläufig einsehen müssen, daß der Weg das eigentliche Ziel ist.

Das hat auch etwas sehr tröstliches, denn es beinhaltet ja auch, dass jeder, egal, wo er auf seinem Weg einmal angekommen sein wird oder unterbrochen werden wird, letztlich doch ein Ziel errreicht haben wird.
"... und hätte aber die Liebe nicht ..."

http://www.youtube.com/watch?v=N4kFCBIYDqA
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OldPicker
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Beitrag von OldPicker »

stringbound hat geschrieben:Ist schon richtig Dieter, aber ich lerne einfach anders, als "normale" Menschen.
Wenn mich etwas interessiert und ich es schaffe, einen eigenen Zugang dazu zu finden, kann ich in sehr kurzer Zeit sehr viel Stoff bewältigen.
Dazu kommt, dass ich Routinen brauche und dementsprechend schnell entwickle.

Ich verbringe so viel Zeit mit dem Instrument, weil ich den Alltag sonst nicht bewältigen kann.
Ich tue das, weil ich es tun muß, um die Kontkakte zu anderen Menschen (als meiner Freundin) ertragen zu können.
Meine Freundin findet das auch besser, als wenn ich die Zeit des Kompensierens mit Computerspielen, Fernsehen oder anderen (in ihren Augen) sinnlosen Tätigkeiten verbringe.

Mit dem Gitarrenspiel kompensiere ich auch, dass ich mit dem Rauchen aufgehört habe und dadurch auf einen Schlag sämtliche meiner, für mich lebenswichtigen, Routinen verloren habe.
Interessant ist, dass ich mit dem Rauchen aufgehört habe, um mir (ausgelöst durch den Wunsch meiner Freundin) meine erste Akustische zu kaufen.

Wenn ich dabei, quasi als Nebeneffekt, lerne einigermaßen gut Fingerstyle zu spielen, ist das mehr, als ich mit mit meiner exessiven Überei erreichen will. :wink:

@Johnny, ni hao ma?
Hallo Joe,

bei meinem Beitrag habe ich in keinster Weise an Dich gedacht. Du bist für mich eine der großen musikalischen ( und menschlichen ) Ausnahmen, die man nicht mit einer Regel bewerten kann und darf.
Kurz: ich habe den größten Respekt vor Dir. Und das nicht erst seit jetzt.

Mehr kann ich dazu eigentlich nicht sagen.

Herzliche Grüße,
Dieter
* * * * * * * * * * * * * * *

"I usually play songs in two chords, C and G, and every once in a while I throw in an F, just to impress the girls."
(Woody Guthrie)
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Rolli
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Beitrag von Rolli »

Salve, erstmal - dies ist ein Klasse-Thread und ich finde es toll wie intensiv hier halt nicht nur über Musik, sondern auch über so manches persönliche in guter Art und Weise gesprochen wird. Respekt! OK - zurück zum Thema.

Also einig werden wir wohl sein, dass ohne Üben nix geht, aber für mich ist die Grundlage ein guter Musiker zu werden (vielleicht ist das ja das eigentlich Ziel des Übens) nicht Technik, noch Gehör oder Talent oder Virtuosität sondern erstmal der Drang etwas aus dem Innern nach Aussen zu bringen. Ich meine jetzt nicht unbedingt den Willen vor Publikum zu spielen sondern eher eine Art Vision zu haben etwas zu erschaffen. Ist jetzt egal, ob man etwas komponiert oder etwas neu und ganz eigen interpretiert. Diese Entwicklung und dann die "Geburt" der neuen Musik ist zumindest für mich der Kern des Ganzen. Und ich denke für viele andere auch und dann geht es nicht um schnell spielen oder super genau.

Ein Song mit einem tollen Text und 2 simplen Akkorden kann mehr bewegen und transportieren als irgendein wahnsinnig virtuoses Stück Musik wie z.B. eine Carpice von Paganini oder eine Slap und Groove-Attacke von Don Ross. Und so kann es sein, dass jemand sehr viele Stunden darin investiert an dem Text oder an einem Akkord-Voicing oder der Melodie zu arbeiten, welche das Innere am besten nach aussen bringt und wiederspiegelt. Wer nix auf dem Instrument zu sagen hat, wird vielleicht mal ein guter Instrumentalist, aber u.U. kein guter Musiker.

LG,
Schöne Grüße, Rolli
www.daskulturgut.de - KulturGUT
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Gast

Beitrag von Gast »

Hab vor kurzem mal ein Interview mit diesem Wundergeiger David Garret gesehen, der wohl als einer der allerbesten seiner Zunft gilt (ich kann´s nicht beurteilen).
Er meinte, wenn ich mich recht erinnere, so mit 14 müsse man jedes Niveau beherrschen. Danach geht´s um Ausdruck etc.
Als er entdeckt wurde und als Wunderkind bezeichnet wurde, konnte er darüber nur lächeln. Denn er wusste ja woher es kam. Talent ok, aber vor allem üben, üben, üben.
Er sagte auch, er habe als Kind oft geweint.
Ob er seinen Eltern dankbar ist oder ihnen Vorwürfe macht? Beides, sagte er.
Sicher, er hat´s geschafft. Aber 99% aller anderen, die ihre Kindheit opfern, schaffens eben nicht. Die spielen dann Werbejingles ein, überspitzt gesagt.

Ich denke, das Niveau ist heute so hoch und zwar überall: ob in der Musik, beim Tennis oder beim Schach. Da muss man alles andere opfern.

Und um mal Homer Simpson zu zitieren: egal wie gut man irgendetwas kann, es gibt immer ca. 10.000 andere, die´s besser können.

Ehrgeiz ist die letzte Zuflucht des Misserfolgs. Hab ich zumindest schon öfter beobachtet.

Und was auch irgendwie hier her passt, ist was Karajan über die Beatles gesagt haben soll: "Diese Herren verstehen mehr von Musik, als mein erster Geiger".

Grüße, Kai
Ecki
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üben, üben, üben

Beitrag von Ecki »

Hallo zusammen,

ein wirklich interessanter Thread. In vielen Beiträgen finde ich mich wieder.

Ich spiele seit ca. 1 1/2 Jahren Gitarre. Dieses mit steigender Begeisterung, so dass es mittler Weile schon häufig mal Konflikte mit meiner Frau gibt. Im Nachhinein muss ich ihr dann auch immer Recht geben, aber in dem Augenblick wo ich übe und dann die Kritik geäussert wird, dass ich mich ja auch mal wieder um meine Familie kümmern könnte, fühle ich mich dann häufig zu Unrecht angegriffen. Bisher haben wir leider noch keinen Weg gefunden, der allen Beteiligten gerecht wird. Wir haben schon mal überlegt, feste Übungszeiten zu vereinbaren. Da Musik meiner Ansicht aber auch was mit Muse zu tun hat und diese mich leider nicht immer genau zur vereinbarten Übungszeit küsst, klappt die Methode auch nicht wirklich gut. Insgesamt also schon ein recht kompliziertes Thema.

Sehr grosses Interesse habe ich daran, Tipps zum sinnvollen üben zu bekommen. Oft habe ich einfach Lust zum Gitarre spielen und schrammel da so vor mich hin. Manchmal möchte ich aber auch einfach daran "arbeiten" mich zu verbessern. Dann fehlt mir häufig ein Plan. Auch mein Gitarrenlehrer ist da leider nicht sonderlich ergiebig.

Gruß,

Ecki
stringbound
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Beitrag von stringbound »

OldPicker hat geschrieben:Hallo Joe,

bei meinem Beitrag habe ich in keinster Weise an Dich gedacht. Du bist für mich eine der großen musikalischen ( und menschlichen ) Ausnahmen, die man nicht mit einer Regel bewerten kann und darf.
Kurz: ich habe den größten Respekt vor Dir. Und das nicht erst seit jetzt.

Mehr kann ich dazu eigentlich nicht sagen.

Herzliche Grüße,
Dieter
@ Dieter, ich gehe davon aus, dass du nicht an mich gedacht hast, aber indirekt betrifft dein Beitrag Menschen wie mich.
Es gibt viele Menschen, die "anders" lernen und dadurch einen Zugang zu ihrem Interessengebiet haben, der jenseits des Vorstellungsvermögens "normaler" Menschen liegt.

Dennoch: die 10.000 Stunden Regel gilt auch hier.
Etwas zu wissen bedeutet nämlich nicht, dass man/ich dieses Wissen auch umsetzen und anwenden kann.
Die Motorik muß trainiert werden, bis geswisse Abläufe reflexartig abgerufen werden können und das braucht vor allem eins: Zeit.
Da nutzt es mir nichts, bestimmte Dinge, wie z. B. Intervalle, instinktiv zu erfassen und als Farben wahrzunehmen.

Erstaunliches kann im Grunde genommen jeder vollbringen.
Man muß etwas nur wirklich wollen und darf sich nicht durch die schwere des Vorhabens und/oder seiner Angst davor im Kopf blockieren.
Wenn man an ein Vorhabe herangeht wie ein Kind (unvoreingenommen aufgrund mangelnder Erfahrung und um der Sache selber willen), kann man alles schaffen.

@Kai, ich habe für mich festgestellt, das Ehrgeiz für meine Vorhaben tödlich ist.
Wenn ich Ehrgeiz für etwas entwickle, dann mache/lerne ich es nicht mehr um seiner selbst willen und aus Spass, sondern um etwas zu erreichen.
Damit setze ich mich unter Druck und fange an mich zu blockieren.
Dann muss ich mich zwingen 10 Minuten eine Phrase zu üben, die ich vorher mühelos 10 Stunden ohne Unterbrechnung und hintereinanderweg spielen konnte.

Meiner Beobachtung nach machen Menschen sich erst im Lauf des Erwachsenwerdens bewußt, wie schwer oder unmöglich eine Aufgabe zu bewältigen sein könnte und fangen durch dieses Denken an, sich selber einzuschränken.
Ich denke das liegt unter anderem daran, dass man ab einem gewissen Alter seine Aufmerksamkeit stark aufteilen muß und sich nicht mehr ausschließlich einer Sache solange widmen kann und darf, bis man sie beherrscht.
Dieses Bewußtsein (um die Unmöglichkeit einer Aufgabe) fehlt mir, genauso wie Fähigkeit, meine Aufmerksamkeit auf "Notwendiges" zu lenken, wenn es etwas für mich "Interessantes" gibt.

Es ist ein Fehler, zu denken, dass Menschen, wie David Garrett, ihre Kindheit opfern.
Wenn die Kindheit eines Menschen "geopfert" wird, dann meist durch das
persönliche Umfeld.
Das passiert meist auf zwei Arten: entweder, wird Druck auf ein Kind ausgeübt, um es zu höheren Leistungen anzutreiben, als es zu bringen in der Lage ist oder die Interessen des Kindes werden negiert, weil diese aus der Sicht des Umfelds keinen Nutzen haben.

Fazit: wird Interesse durch Ehrgeiz ersetzt, wird Spaß durch Druck ersetzt.
Das funktioniert nur selten und oft genug erlischt mit dem Ehrgeiz anderer das eigene Interesse an einer Sache.
Spätestens dann wird aus Ehrgeiz Zwang.
Und an ständigem Zwang zerbricht früher oder später jeder.

@Rolli, ich stimme dir voll und ganz zu, aber Don Ross hat nicht nur "Slap und Groove" Attacken im Angebot.
Damit wird lediglich die"Sensationsgier" des Publikums befriedigt.
Das gleiche gilt für die Musik von Buster B Jones.
Er konnte auch mehr als "höher, schneller, weiter", aber für seine gefühlvollere Musik fand er kein Publikum.
Ich empfehle in Stücke wie "Merci Marcel", "Au Revoir, mon Ami", "Fingers in Flight" oder "Charming" reinzuhören.
Einen Musiker an den Stücken zu messen, die sein Publikum von ihm verlangt, bedeutet nur, dass man sich nicht wirkich mit ihm auseinandersetzt.
stringbound
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Re: üben, üben, üben

Beitrag von stringbound »

Ecki hat geschrieben:Ich spiele seit ca. 1 1/2 Jahren Gitarre. Dieses mit steigender Begeisterung, so dass es mittler Weile schon häufig mal Konflikte mit meiner Frau gibt. Im Nachhinein muss ich ihr dann auch immer Recht geben, aber in dem Augenblick wo ich übe und dann die Kritik geäussert wird, dass ich mich ja auch mal wieder um meine Familie kümmern könnte, fühle ich mich dann häufig zu Unrecht angegriffen. Bisher haben wir leider noch keinen Weg gefunden, der allen Beteiligten gerecht wird. Wir haben schon mal überlegt, feste Übungszeiten zu vereinbaren.
Versuche rauszufinden, wo es Überschneidungen gibt.
Hat deine Frau eine Frensehsendung, die sie regelmäßig sieht?
Wenn ja, überlass ihr den Fernseher und geh üben.
Das ist nur eine Möglichkeit.

Meine Freundin sitzt im Sommer gerne im Park und liest, also gehe ich zusammen mit ihr in den Park und übe dort.
Da ich meine Gitarre im Gigbab trage, kann ich mit ihr auch spazierengehen, wenn sie sich etwas bewegen will.

Ein anderer Ansatzpunkt sind unterschiedliche Arbeitszeiten.
Meine Freundin geht morgens um 7.30 Uhr aus dem Haus.
Ich muß erst zwei Stunden später los.
Ich stehe eine halbe Stunde vor ihr auf, gehe ins Bad und mache das Frühstück für uns.
Wenn sie nach dem Frühstück ins Bad geht, fange ich an zu üben.

Wo ein Wille ist, da findet sich ein Weg.

Zum "richtigen" Lernen und Üben kann ich wenig sagen, da ich nicht "richtig" lerne und übe.
Zuletzt geändert von stringbound am Fr Feb 06, 2009 4:48 pm, insgesamt 1-mal geändert.
tbrenner
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Übestrategien u.a. ...

Beitrag von tbrenner »

..ich finde es auch einen der interessantesten threads der letzten Wochen,
danke für die Offenheit.
Ich habe ja gottseidank auch eine recht musiktolerante Frau, die so vieles
mitmacht und unterstützt. Wenn ich aber im Park mit ihr mit Gitarre bewaffnet spazieren gehen wollte, würde ich wohl doch Stress mit ihr kriegen.
Respekt, stringbound - wie Du das hinkriegst , das Leben um die Gitarre
herum zu arrangieren - man merkt, Dir ist das wirklich wichtig. :shock:

Ein fast neues Thema hast du aber mit Deiner Randbemerkung anhand
der Beispiele Don Ross + Buster B. Jones aufgemacht: ist der eigentlich
doch souveräne Künstler am Ende Sklave der (vermeintlichen..) Publikums-
erwartungen ? So nach dem Motto: eigentlich wollte ich lieber esoterischen
Freejazz oder 12-Tonmusik á la Schönberg spielen, aber das Publikum
erwartet von mir die "Funky one man band-show"??? Glaube ich zumindest im Fall von Don Ross, den ich schon etwas intensiver kennenlernen konnte, nicht: der macht ziemlich konsequent musikalisch das, wonach ihm ist und fährt im Zweifelsfall mit seinem Publikum schon auch mal Schlitten ...

Grüssle,

tbrenner
:wink:
stringbound
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Re: Übestrategien u.a. ...

Beitrag von stringbound »

tbrenner hat geschrieben: ...ist der eigentlich
doch souveräne Künstler am Ende Sklave der (vermeintlichen..) Publikums-
erwartungen ? So nach dem Motto: eigentlich wollte ich lieber esoterischen
Freejazz oder 12-Tonmusik á la Schönberg spielen, aber das Publikum
erwartet von mir die "Funky one man band-show"??? Glaube ich zumindest im Fall von Don Ross, den ich schon etwas intensiver kennenlernen konnte, nicht: der macht ziemlich konsequent musikalisch das, wonach ihm ist und fährt im Zweifelsfall mit seinem Publikum schon auch mal Schlitten ...

Grüssle,

tbrenner
:wink:
Ich sehe das so: Don Ross macht das, was er im Moment des Komponierens oder Interpretierens als richtig empfindet.

Dabei kann ein Stück wie "Robot Monster" rauskommen oder so etwas wie "Berkley Springs".
Don Ross nur nach Stücken wie "Robot Monster" zu beurteilen engt die Sicht auf ihn seine Musik ein.
Man beurteilt nur die Facette, die offensichtlich ist.
Der Rest geht dadurch leider, mehr oder weniger, unter.
Bei ihm, Buster und Tommy sind es die Vielseitigkeit der Ausdrücksmöglichkeiten, die ihre Musik abwechslungsreich machen, wenn man sich auf ihre Musik einlässt und mehr als nur die "Aufmacher" hört.
Zuletzt geändert von stringbound am Fr Feb 06, 2009 5:22 pm, insgesamt 1-mal geändert.
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RB
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Beitrag von RB »

@OldPicker: Ist bei mir, wie bei Dir.
@ Stringbound: Es stimmt, wenn Du sagst, Du hättest viel erreicht. Eigentlich klingt das, was Du als Dein Leben skizzierst nach dem, was der Mensch braucht. Finde ich gut, Deine Spielerei auch, ganz nebenbei.

Ich habe mich über das Eingangsthema mit meiner Frau unterhalten, nachdem ich das Interview im Spiegel gelesen hatte. Im Augenblick des Lesens klang das so plausibel, insbesondere durch die Geschichte mit den Violinistinnen, daß ich es glaubte:

5 Prozent sind Talent
der Rest ist, was man Training nennt

(Habe ich gerade erdichtet) Meine Frau äußerte sich skeptisch und mit dem ihr eigenen Pragmatismus sagte sie: Es kann sein, daß 10.000 Stunden ausschlaggebend dafür sind, ein bestimmtes Niveau zu erreichen. Grundvoraussetzung sei aber ein bestimmtes Talent. Ohne diese Voraussetzungen gelinge das hohe Niveau auch mit 20.000 Stunden nicht. So sei ihre Überzeugung.

Wenn man diese Überlegung auf die Untersuchung der Violinistinnen anwendet, kommt man zu der Erkenntnis, daß ja die Violinistinnen als Untersuchungsgruppe allesamt Leute sind, die ein Instrument spielen und dabei geblieben sind. Die Aussagekraft der Untersuchung ist hinsichtlich der Abschichtung des Talent-Anteils vom "Fleiß-Anteil" daher möglicherweise gering, weil in der Untersuchungsgruppe allesamt talentiert sind.

Aus meiner eigenen Lebenserfahrung weiß ich, daß eine ganz wichtige Sache für mich Begeisterung für die Musik und ein konkretes Lernziel sind. Ich befand und befinde mich meist in einer Situation, in der ich ziemlich genau eine musikalische Technil und/oder Musikstücke weiß, die ich erreichen will. Das ist wohl das, was man unter dem Stichwort "Motivation" neudeutsch unterbringen würde.
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Beitrag von land_of_green »

Diese Diskussion ist in der Tat "högschd inderessand", und irgendwie dreht sich alles ums Talent. Aber:

Was ist überhaupt "Talent"? Wie äußert es sich? Kann man es messen?

In gespannter Erwartung Eurer Antworten,

stefan
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Bushi
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Beitrag von Bushi »

mr335 hat geschrieben: Also einig werden wir wohl sein, dass ohne Üben nix geht, aber für mich ist die Grundlage ein guter Musiker zu werden (vielleicht ist das ja das eigentlich Ziel des Übens) nicht Technik, noch Gehör oder Talent oder Virtuosität sondern erstmal der Drang etwas aus dem Innern nach Aussen zu bringen. Ich meine jetzt nicht unbedingt den Willen vor Publikum zu spielen sondern eher eine Art Vision zu haben etwas zu erschaffen. Ist jetzt egal, ob man etwas komponiert oder etwas neu und ganz eigen interpretiert. Diese Entwicklung und dann die "Geburt" der neuen Musik ist zumindest für mich der Kern des Ganzen. Und ich denke für viele andere auch und dann geht es nicht um schnell spielen oder super genau.

Ein Song mit einem tollen Text und 2 simplen Akkorden kann mehr bewegen und transportieren als irgendein wahnsinnig virtuoses Stück Musik wie z.B. eine Carpice von Paganini oder eine Slap und Groove-Attacke von Don Ross. Und so kann es sein, dass jemand sehr viele Stunden darin investiert an dem Text oder an einem Akkord-Voicing oder der Melodie zu arbeiten, welche das Innere am besten nach aussen bringt und wiederspiegelt. Wer nix auf dem Instrument zu sagen hat, wird vielleicht mal ein guter Instrumentalist, aber u.U. kein guter Musiker.

LG,
Du ahnst garnicht, wie sehr du mir aus der Seele sprichst.
Ich werde sicherlich auf meine alten Tage kein Gitarrenvirtuose mehr werden, aber mich freut jeder kleine Fortschritt, jeder dazugelernte Akkord, ergibt sich dadurch ja wieder eine kleine Möglichkeit mehr, Dinge auszudrücken, die in mir sind.
Ich mache meine Musik in erster Linie für mich selbst, wenn darüberhinaus ein (eher zufälliger) Zuhörer sich ebenfalls daran erfreut, macht mich das glücklich, ist aber nicht mein Ziel. Ich mache ja keine Gigs, darauf bin ich garnicht scharf.
Aber wenn ich etwas Neues schaffe, also eine neue Komposition und dabei das Gefühl habe, genau DAS auszudrücken, was mich bewegt, dann habe ich das erreicht, was ich will. Und es reicht mir dabei, wenn ICH verstehe, was damit gemeint ist.
Und was die Überei angeht, würde ich es in einem Satz sagen:
Passion JA, aber Verbissenheit NEIN.
Ich spiele auf:
"The LADY" Washburn D10 CE/B (mit Cutaway !!!)
Harley Benton HBD-112
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marcus
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Beitrag von marcus »

mr335 hat geschrieben: Ein Song mit einem tollen Text und 2 simplen Akkorden kann mehr bewegen und transportieren als irgendein wahnsinnig virtuoses Stück Musik
Vor meinem geistigen Ohr erklingt gerade der "North Country Blues" von Bob Dylan.
Kriege immer noch Gänsehaut, wenn ich den höre ...
»A painter paints pictures on canvas.
But musicians paint their pictures on silence.«

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RB
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Beitrag von RB »

Talent messen ? Puha... wees ick nich.
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marcus
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Beitrag von marcus »

Zur Sache mit Talent oder üben:
Ich bin schon auch der Meinung, das vieles am Instrument über Üben zu
erreichen ist, das letzte Quentchen ist dann vielleicht Talent.

Andererseits kenn ich nun auch einige Menschen (Musiker),
die ein Ihnen völlig unbekanntes Instrument in die Hand nehmen
und Ihm binnen kürzester Zeit eine Reihe anhörlicher Töne entlocken können.
Dann denke ich schon, dass die ein wenig talentiert sind.

Bei meinem Neffen wiederum glaube ich schon jetzt mit ziemlicher Sicherheit sagen zu können,
dass er auch mit viele Übung warscheinlich nur ein mittelmäßiger Schlagzeuger
(oder generell Rhythmuskeeper) werden könnte.
Aber wer weiß ...
»A painter paints pictures on canvas.
But musicians paint their pictures on silence.«

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