Massive Decke - laminierte Decke

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vauge
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Massive Decke - laminierte Decke

Beitrag von vauge »

Hallo!

Ich hätte gerne mal eine fachkundige Auskunft über den Unterschied zwischen massiven und laminierten Decken - was den Klang, die Haltbarkeit/Empfindlichkeit oder sonstige Unterschiede angeht. Es geht dabei um Klassik- und Westerngitarren.

Hintergrund meiner Frage sind Nachfragen von Leuten / Schülern / Anfängern die sich eine Gitarre (oft die erste) in der unteren Preisklasse zulegen wollen. Es gibt ja um 200,- die ersten Instrumente mit massiver Decke. Allerdings auch die Aussage das Gitarren im gleichen Preissegment mit laminierter Decke teilweise besser klingen und besser verarbeitet sind.

Ich hätte gerne etwas mehr Hintergrundwissen. Die Frage warum eine massive Decke besser ist kann ich nicht fundiert beantworten.
musikalische Grüsse

Vauge

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Gast

Beitrag von Gast »

Hallo,
google mal mit "High Pressure Laminat" und schau dir auf der Martin-Homepage die Gitarren mit Laminat-Decke an. Sperrholz ist auch Laminat. Sehr stabil, aber die Schwingungseigenschaften? Anfänger, die dabei bleiben, wünschen sich spätestens nach einem Jahr was Richtiges.
Hi
Hei
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vauge
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Beitrag von vauge »

Leider habe ich weder bei Google unter dem angegebenen Stichwort (nix über Gitarren(bau)) noch bei Martin (dort habe ich lediglich eine Gitarre mit Laminat gefunden, allerdings war die Decke massiv) irgendetwas gefunden was meine Fragen beantwortet.
musikalische Grüsse

Vauge

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rwe
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Beitrag von rwe »

Versuchen wir's mal ganz kurz: Die Decke soll als Membran möglichst gut schwingen. Bei Sperrholz hast du verschiedene kreuzverleimte Lagen, die gerade nicht gut schwingen werden: Einerseits liegen die Holzlagen über Kreuz ("gesperrt"), andererseits ist das Material durch den Leim letztendlich noch inhomogen, so dass Schwingungen "gebremst" werden. (Bei Bandonions konnte ich mal im A-B-Vergleich den Klangunterschied zwischen Knochen- und Weißleim miterleben, sogar bei diesen sehr mechanischen Instrumenten war noch ein Unterschied gut! hörbar und nicht in den Bereich des Esoterischen zu verweisen.)

Der Vorteil von Sperrholzdecken ist dann natürlich ihre Robustheit, gerade gegenüber Temperatur- und Feuchtigkeitsschwankungen.

Sperrholzdecken werden eher komprimieren und sich nicht so sehr "öffnen", was massive Decken aber auch erst nach einer Zeit tun.

Die Decke ist ein wichtiger - der offenbar wichtigste! - Klangfaktor. Torres hat seinerzeit einen Pappmachéekorpus mit einer ordentlichen, massiven Decke versehen, und das Instrument klang. Falls du die Möglichkeit hast, dann test mal sonst identische Instrumente mit verschiedenen (Fichte- / Zederndecke), oft bieten Gitbauer ihre klassischen Gitarren mit beiden Varianten an. Der Unterschied ist enorm

Damit ist grundsätzlich vom Klang erst einmal die massive Decke im Vorteil.

Aaaaber: Erstens besteht die Decke nicht nur aus dem Membran, sondern auch aus der Beleistung, die auch einen relevanten Eindruck auf den Klang ausübt. Zweitens ist die Gitarre als Ganzes zu sehen. Und auch der Korpus und andere Faktoren beeinflussen den Klang. Drittens sind "gesperrte Decken" nicht immer gleich "gesperrten Decken". Ibanez hatte früher damit geworben, gesperrte Decken aus dem gleichen Holz herzustellen. Das unterscheidet sich natürlich beträchtlich von einer nett anzusehenden Außenlage mit minderwertigen Innenlagen.

Fazit: Grundsätzlich hat eine massive Decke theoretische Vorteile, die empirisch fast immer bestätigt werden. Gerade in dem Niedrigpreissegment kann es aber durchaus sein, dass eine gut gebaute Gitarre mit Sperrholzdecke einer schlecht gebauten mit massiver Decke überlegen ist. Ich selbst habe zwei billige Hopf-Nylonsaiteninstrumente, die erstaunlich gut sind. Sicherlich kein Vergleich zur vollmassiven Tama oder Hanika oder oder oder, aber keinesfalls nur für den Sperrmüll geeignet. Beide Instrumente sind nach 35+ Jahren immer noch bundrein und weisen nur "Verbrauchs"spuren auf.
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vauge
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Beitrag von vauge »

Vielen Dank rwe !!

Das ist etwas womit ich was anfangen kann. Darf ich dich (evtl. in anderen Foren) zitieren? Oder hierher verlinken? (Admin - dagegen spricht doch auch nix, oder?) Deine Erklärung würde so manche Frage ausreichend beantworten.


Im übrigen bin ich dankbar für weitere, ergänzende Ausführungen oder andere Meinungen.

Gruss
Vauge
musikalische Grüsse

Vauge

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rwe
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Beitrag von rwe »

Moin Vauge,

darfst du gerne, aber das ist auch etwas Kurzgefasstes, das ich mir in den letzten Jahrzehnten angelesen (bzw. angehört / erspielt) habe. Also wohl etwas zuviel der Ehre...

Eins fiel mir vorhin noch ein: Oft ist die Rede davon, dass es bei Sperrholzinstrumenten egal sei, aus welchen Hölzern der Korpus sei. Das stimmt nur dann, wenn lediglich die Deckschicht aus einem "Tonholz" und die Innenlagen aus Was-auch-immer ist. Sicherlich ist der Einfluss nicht so groß wie bei der Decke. Aber frag' mal die Trommler und Percussionisten (Cajon!), ob es belanglos sei, wenn die Kessel mal aus Birke, mal aus Ahorn mehrschichtig verleimt sind. (Ja ich weiß, da sind die Holzlagen oft in der gleichen Faserrichtung verlaufend verleimt, nicht im 90Grd-Winkel, wie bei Sperrholz.)

Beste Grüße nach Fischtown.
Sperrholz ist übrigens ein geniales Bootsbaumaterial;-)
rwe
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Beitrag von rwe »

Ach so, noch einer:

Da eine massive Decke in der Regel besser schwingt, ist sie auch anfälliger gegen Rückkopplungen auf der Bühne. Und, siehe an, Warwick hat einen akustischen Bass (Alien) auf den Markt gebracht, dessen Decke und Korpus komplett aus "laminated wood" gemacht sind! Und Warwick weist noch explizit darauf hin! Dafür kostet er > 1300 EUR.

Dabei gibt es doch schon für < 400 EUR Akustikbässe mit massiver Decke! Bei der Logik "nur massiv ist gut" dürfte Warwick ja alles falsch gemacht haben.


P.S.: Das mit dem Bootsbaumaterial hatte ich geschrieben, bevor ich einen Blick auf die Webseite gemacht hatte...
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gahlenguitar
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Beitrag von gahlenguitar »

Auch wenn ich nichts Wissenschaftliches beitragen kann:

ich besitze mehrere wirklich schöne Gitarren mit massiver Decke. Insofern bestätige ich natürlich das Offensichtliche: es gibt keine Alternative zu massiven Gitarren.

Andererseits: in dem Preissegment hätte ich auch keine laminierten Gitarren mehr gefunden.

Und dann ist da noch meine inzwischen 30 Jahre alte Fender F-85 Dreadnought... Die hat eine laminierte Decke und befindet sich vor allem aus Sentimentalität noch in meinem Besitz. Neulich habe ich sie zum Gitarrenbauer gebracht, um die Bünde abrichten, den Hals einstellen und einen neuen Steg feilen zu lassen. Und nun, da sie sich wieder traumhaft bespielen lässt, fällt mir auf: Ich habe schon lange keine massive Gitarre unter 1000 Euro mehr in der Hand gehabt, die mit ihrem Klang auch nur annähernd konkurrieren kann.
Das ist natürlich ein sehr subjektiver Eindruck; dennoch scheint damals bei der Konstruktion sehr vieles richtig gemacht worden zu sein. Das Sustain ist sehr bemerkenswert, der Klang absolut ausgewogen. Bestimmt spielen die zahllosen Stunden, die ich - insbesondere während der ersten 10 Jahre - darauf gespielt habe, auch eine Rolle.

Jedenfalls bin ich richtig froh, das alte Schätzchen als robuste, gut klingende und klasse bespielbare Reisegitarre wiederentdeckt zu haben!
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H-bone
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Beitrag von H-bone »

Man muss, denke ich, differenzieren...

Eine zu weiche massive Decke die vielleicht dazu noch zu dick verbaut wird klingt evtl. schlechter als eine in relativ spitzem Winkel laminierte, dünne Decke...

Laminiert ist noch lange nicht Sperrholz...

Das Problem ist nur: Einspielen wird sich eine laminierte Decke kaum.

Der angesprochene Feedback-Vorteil einer laminierten Decke auf der Bühne im lauten Band-Kontext stimmt... aber wer fragt da noch nach Sound-Nuancen ?

Gruss, Martin
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H-bone
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Beitrag von H-bone »

rwe hat geschrieben:Warwick...
Wer soll das sein ? Die Firma kenne ich nicht... Bild
rwe
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Beitrag von rwe »

W**: Vor 14 oder 15 Jahren hatte ich mal ein Instrument von denen gespielt, das mir nicht ganz schlecht gefallen hat. Gekauft habe ich mir dann aber doch einen 7ender Cowpoke... -

Aber mittlerweile scheint W** ja doch ein Non-Issue zu werden.
klausd
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Beitrag von klausd »

Hallo,

die Firma Warwick ist doch 2009 in's Interesse der Öffentlichkeit gerückt:

http://www.vogtland-anzeiger.de/Vogtlan ... oreid=1628

zum eigentlichen Thema "Massive Decke - laminierte Decke" kann man hier nachlesen:

http://www.musik-produktiv.de/gitarre-b ... arren.aspx

Gruß
Klaus
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RB
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Beitrag von RB »

Ich habe noch keine Gitarre mit laminierter Decke gespielt, die nicht bei kräftigem Spiel einfach zugemacht hätte. Die Dinger sind einfach zu leise. Der zart besaitete Sofazupfer wird den Unterschied womöglich nicht hören, weil er unterhalb der physikalischen Grenzen bleibt, wenn man aber im Emsemle noch gehört werden will, vor allem mit anderen, bauartbedingt lauteren Instrumenten, wird das mit einer Gitarre mit laminierter Decke nur schwerlich gelingen.

Weiter noch: Unter den Gitarren, deren Klang mich inspiriert, findet sich keine mit laminierter Decke.

Und drittens: Unter den Gitarren, deren Bass-Bereich nach getretenem Pappkarton klingt, sind die Gitarren mit laminierter Decke überproportional vertreten.

Grund ? Ich nehme an, daß Sperrholz und meinetwegen auch Laminat ein grundsätzlich andersartiges Material ist, als dasjenige Material, unter dessen Verwendung die traditionellen Gitarrenbauformen entstanden sind. Daher halte ich es zwar für vorstellbar, daß man mit einem Laminat eine gut klingende und vielleicht auch sehr laute Gitarre bauen kann. Nur müßte man dann wahrscheinlich konstruktiv von vorne anfangen, anstatt einfach bei einer gegebenen Bauweise lediglich das Deckenmaterial auszutauschen.
LoogMusic
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Re: Massive Decke - laminierte Decke

Beitrag von LoogMusic »

vauge hat geschrieben:Hallo!

Ich hätte gerne mal eine fachkundige Auskunft über den Unterschied zwischen massiven und laminierten Decken - was den Klang, die Haltbarkeit/Empfindlichkeit oder sonstige Unterschiede angeht.
Hallo Vauge
Die Eingangsfrage von dir finde ich schon berechtigt. Ich treibe keinen 15-jährigen Beginner zu einer teuren Gitarre, wenn nicht erkennbar ist, wie es mit der musikalischen Aktivität weiter geht.

Im Ernst: die Unterschiede erscheinen mir etwas feiner als vielleicht angenommen. Ich jedenfalls bin erst nach einigen Jahren - und hierbei explizit seit meiner Zeit des Fingerstyles - dahinter gekommen, wo die Unterschiede liegen. Nach meinem Empfinden sind manche laminierte Lösungen für das gute alte Lagerfeuer-Strummen durchaus gut geeignet. Dies insbesondere deshalb, weil hierbei der Mix aus allen Frequenzen die Nachteile der laminierten Decke überdecken. Zumindest für das ungeübte Ohr. Meine geile - aber deckenlaminierte - Suzuki-Roundshoulder-Dreadnought jedenfalls hat alle Bässe und Mitten, die man braucht. Ich behaupte mal, dass es hinsichtlich der physikalischen Schwingungen eher auf das Bracing als auf das Material ankommt, zumindest was Frequenzgang und Lautstärke angeht.

Die Feinheiten zeigen sich nach meinen Erfahrungen - neben den korrekten Einschätzungen der Kollegen hier im Forum - insbesondere bei den Diskantsaiten. Seit ich eine Martin OM 21 spiele, fällt der warme und runde Klangkörper bei den dünnen Saiten wirklich in`s Ohr... hohe Töne mit eigenem Bauch und spürbaren Körperresonanzen der Decke. Bei allen nicht-massiven Korpussen kommen die hohen Töne - zumindest beim Fingerstyle - stets eher dünn und harsch um die Ecke. Und zwar so störend, dass ich einige Gitarren mit massiver Decke (!) und laminiertem Korpus verkaufen mußte, weil die Diskantsaiten so schrill rüberkamen(Crafter GAE 21).

Vielleicht liegt das Geheimnis daher an an einer vollmassiven Bestückung für Decke und Korpus sowie gutem Holz und gutem Bracing.

Wie gesagt, nach meinem Eindruck könnten diese subtilen Unterschiede für Anfänger (!) tatsächlich untergehen. Anfänger rate ich bei 100,- Euro-Klampfen eher, auf die Bespielbarkeit und Action zu achten. Das gleiche gilt aber für 200,-Teile mit massiven Decken, denn was nützen die Papierwerte, wenn die ganze Klampfe schlecht bespielbar ist oder nicht bundrein.

Soweit meine Erfahrungen hierzu verbunden mit einem herzlichen Gruß aus der verschneiten Nordheide...

Logi[/u][/b]
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RB
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Beitrag von RB »

Dem kann ich zumindest soweit zustimmen, daß es wenig Sinn hat, einen Neuling zum Kauf einer 1.000 Euro-Gitarre zu raten. Da ist die Bespielbarkeit sicher der ausschlaggebende Faktor. Nun ist es aber so: Wenn die Gitarre hinsichtlich der Bespielbarkeit etwas taugt, kostet sie mehr, als die gitarren-ähnlichen Objekte, die man allenthalben für 89,- Euro oder ähnlich bekommen kann. Das ist ein Bereich, in dem die Preisunterschiede zwischen den Gitarren mit laminierter Decke und massiver Tonholzdecke in den letzten Jahren deutlich geschrumpft sind, so ist zumindest mein Empfinden. Also kann man bereits ohne allzu große finanzielle Krämpfe im Bereich der massiven Tonholzdecken Umschau halten und Preisvorstellungen im Bereich um 250 Euro haben. Wird es deutlich weniger, ist es meines Erachtens auch mit der Bespielbarkeit oft Glückssache.
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