Absolutes Geh?r

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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Manati
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Absolutes Gehör

Beitrag von Manati »

Zu meinem Erstaunen hat mein Chorleiter mir vor ein paar Wochen attestiert, dass ich offenbar das absolute Gehör habe.

Schön zu wissen... inzwischen habe ich darüber einiges gelesen, aber so richtig klar ist mir bis heute nicht, wozu und wie ich es nutzen kann bzw. sollte.

Welche Erfahrungen könnt ihr beisteuern? Was kann man anpacken, um diese Gabe auszubauen und gezielt zu nutzen?
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marcus
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Re: Absolutes Gehör

Beitrag von marcus »

Manati hat geschrieben: aber so richtig klar ist mir bis heute nicht, wozu und wie ich es nutzen kann bzw. sollte.
Wieso, ist doch praktisch, dann brauchst Du kein Stimmgerät mehr. :D
»A painter paints pictures on canvas.
But musicians paint their pictures on silence.«

Leopold Stokowski
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Manati
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Beitrag von Manati »

Schön wär's. *seufz*

Aber immerhin, das könnte zumindest ein Ziel sein. Wäre schon klasse.
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RB
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Beitrag von RB »

Wenn Du einen Ton hörst, kannst Du ihn benennen ? Ist das so ? Erstaunliche Sache.
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Manati
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Beitrag von Manati »

Nein, es läuft (noch?) nicht ganz darauf hinaus. Könnte vielleicht ein Ziel sein?

Aber ein Beispiel: Einen isolierten, auf dem Klavier angeschlagenen Akkord kann ich als Anfangsakkord eines ganz bestimmten Lieds heraushören. Obwohl ein anderes Lied mit genau dem gleichen Akkord, nur eine Quint höher, beginnt. Oder ein anderes Lied mit dem gleichen Akkord, nur eine Terz niedriger, beginnt.

Oder der Chorleiter sagt ein Lied an. Ich summe den Anfangston vor mich hin, und er schlägt ihn an: Siehe da, stimmt genau.
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RB
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Beitrag von RB »

Ja, das geht schon ziemlich in diese Richtung.
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OldPicker
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Beitrag von OldPicker »

So etwas ist schon ganz schön praktisch.

In meinem Leistungskurs Musik war damals ein Mitschüler, der mit 100%iger Genauigkeit einen Einzelton und mehrstimmige Akkorde benennen konnte, die der Lehrer am Klavier anschlug. Er spielte mit 16 schon perfekt Klavier, Chello, Klarinette und Querflöte. Neben eigenen kleinen Werken brachte er mehrmals im Jahr auch die alten Künstler als Solist und im Streich-Quartet im Rahmen organisierter Konzerte zu Gehör.

Nachteil dabei war, dass er des Lehrers Zugpferd und Liebling und alle anderen Leistungsschüler an ihm gemessen wurden. Er wurde der Klassenprimus, alle anderen Schüler hatten bestenfalls eine drei oder schlechter ( "... wenn ich ihm eine eins geben muss, sind die anderen halt deutlich schlechter..." ), obwohl sie mit einer eins oder zwei in den Kurs kamen.

Danke, dass ich mich darin nicht mehr mit anderen messen muss :wink:

Wenn Du das absolute Gehör hast, und es sieht bald danach aus, kann ich Dich nur beglückwunschen. Wenn Du schon so weit bist, kannst Du diese seltene Gabe auch noch ausbauen und fördern.

Liebe Grüße aus Bremen,
Dieter
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"I usually play songs in two chords, C and G, and every once in a while I throw in an F, just to impress the girls."
(Woody Guthrie)
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MariusPetersGitarre
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Beitrag von MariusPetersGitarre »

Das klingt echt beeindruckend. Das wäre mir eine große Hilfe bei der Aufnahmeprüfung. Intervalle simultan und sukzessiv geht ja noch alles. Aber bei Vierklängen mit Voicings wirds echt schwer. Glückwunsch! Eine praktische Sache ;)

Gruß

Marius
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Manati
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Beitrag von Manati »

OldPicker hat geschrieben: Wenn Du das absolute Gehör hast, und es sieht bald danach aus, kann ich Dich nur beglückwunschen.
Dankeschön. Ich freue mich ja durchaus darüber. Immerhin mache ich erst seit viereinhalb Jahren Musik und denke, da hat sich eine latente Veranlagung vielleicht mit intensiver Auseinandersetzung schließlich fruchtbar gepaart.
OldPicker hat geschrieben:Wenn Du schon so weit bist, kannst Du diese seltene Gabe auch noch ausbauen und fördern.
Ja, das möchte ich gerne, aber ich weiß noch nicht so recht, wie ... einfach abwarten und so weitermachen wie bisher? Oder gezielt daran arbeiten? Und wenn ja - auf welche Weise?

Ich bin halt noch sehr unsicher, wie's weitergehen soll bzw. wie ich diese "Diagnose" verarbeiten soll.
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Manati
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Beitrag von Manati »

OldPicker hat geschrieben: Nachteil dabei war, dass er des Lehrers Zugpferd und Liebling und alle anderen Leistungsschüler an ihm gemessen wurden. Er wurde der Klassenprimus, alle anderen Schüler hatten bestenfalls eine drei oder schlechter ( "... wenn ich ihm eine eins geben muss, sind die anderen halt deutlich schlechter..." ), obwohl sie mit einer eins oder zwei in den Kurs kamen.
Das geht ja so was von gar nicht!

Ich bin englischer Native Speaker und hätte, wenn man dieser Philosophie folgte, auf dem deutschen Gymnasium die einzige Schülerin sein müssen, der der Englischlehrer eine Eins geben kann. Das war zum Glück nicht der Fall, unsere Englischlehrer waren sehr gerecht.
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Joynergy
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Beitrag von Joynergy »

Ein Gitarrist aus meiner ersten Band verfügt auch über diese Gottesgabe, (heute ist er Orgelbauer), man spielte ihm irgendeinen Lick auf einem x-beliebigen Instrument vor und er schrieb quasi synchron dazu die Noten aufs Papier.
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jafko
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Beitrag von jafko »

Joynergy hat geschrieben:Ein Gitarrist aus meiner ersten Band verfügt auch über diese Gottesgabe, (heute ist er Orgelbauer), man spielte ihm irgendeinen Lick auf einem x-beliebigen Instrument vor und er schrieb quasi synchron dazu die Noten aufs Papier.
Das ist erst dann was Besonderes, wenn der das auch macht ohne den ersten Ton zu kennen.
Ansonsten gehört so ein Melodiediktat zur Aufnahmeprüfung jeder Musikhochschule.

Ich hab einen blinden jungen Mann als Schüler der wirklich einen einzelnen Ton erkennt. Der stimmt auch seine Gitarre nach Kammerton ohne Stimmgerät!

Aber der bekommt große Schwierigkeiten, wenn das Instrument zwar "in sich" stimmt, aber aber zB. 1/4 Ton zu Tief ist. Dann hört er die einfachsten Intervalle nicht mehr.
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Gast

Beitrag von Gast »

es gibt ja nun verschiedene Ausprägungen des "absoluten Gehörs"...im strengen Wortsinn ist damit die angeborene Fähigkeit gemeint, Töne zusammenhanglos vorgetragen benennen zu können....es gibt aber noch viele weitere facetten um zu dieser "Diagnose" kommen zu können...

bei dem ganzen kommt natürlich der schwieriege Begleitumstand hinzu, das sich die "Referenztonhöhe", also das was musikhistorisch gerade als kammerton "a" angesehen wird, stetig ändert. War man in der Renaissance noch so bei 420 Hz und war man in der zeit der Spätromatik so bei ca. 435 Hz ist man mittlerweile bei mindestens 440 Hz gelandet. Schon Karajan lies eher sogar auf 442 oder 444 Hz stimmen um mehr Brillanz im Klang zu haben.....

Menschen die eine sehr hohe Ausprägung des absoluten Gehörs haben leiden z.b. immer Höllenqualen, sogar wenn sie Einzeltöne oder Accorde hören, die nicht in Ihre gewohnte Referenztonhöhe passen..

Menschen mit ausgeprägtem absolutem Gehör können wie hier angesprochen auch problemlos ohne Stimmgerät z.b. eine Gitarre stimmen und dabei sind sowohl die relativen Tonhöhen zwischen den Saiten aber auch die korrekte Gesamttonhöhe gemeint. Ersteres muss ein ernsthafter und ausgebildeter Musiker aber auch können....

Mein vergangener Musikhochschulprof für Musikgeschichte hatte das A-Gehör in extremster Ausprägung...man konnte wahllos gleichzeitg und zusammenhangslos Töne auf dem Klavier über alle Oktaven anschlagen (z Contra-C, Großes B, Fis, f, as, e``, g```, D´´´´.....und er konnte sie alle sofort und fehlerfrei bennen.....hatte ein Accord sinn, konnte es sie auch sofort "erkennen" alos z.b. d-moll 7/9/11 mit Terz im Bass....es war unglaublich...ganze wett-abende hat er uns damit verzaubert....(damals fand ich das noch beeindruckend)..der konnte er auch bei einer vorbeifahrende Schiffshube sagen "Großes Fis, aber ca. 15 Cent unter 440 Hz temperierter Grundstimmung".....

Menschen mit gut ausgeprägtem absolutem gehör könne z.b. auch keine gleichtemperierten Instrumente wie Klavier oder Gitarre ertragen, weil sie z.b. nur "reine" Intervalle ertragen und keine durch unsere Gleichtemperierung "zurechtegeschobenen" und damit unreinen und für sie schiefen Intervalle.....

Menschen mit guten relativen Gehör und viel Gewöhnung und Einhörung auf z.b. immer das gleiche Instrument oder die gleichen Musiktitel können auch genau das was du in deiner Beschreibung angibst....

ich habe z..b das A-Gehör nicht, aber wenn ich mich an die Gitarre setze kann ich sie mit minimaler Abweichung auf Rereneztonhöhe stimmen...allerdings orientiere ich mich da am E und nicht am a....aber nur in der Situation auf dem Instument gelingt mir das...und das ist reine Gewöhnung und "musikalisches Grundtatelnt"....am klavier und ungewohnten Liedern ist diese Fähigkeit nicht vorhanden......oder wenn ich vorhabe ein stück zu spielen habe ich den Anfangston einfach "im Ohr" und kann ihn auch singen...und meist stimmt dieser....aber einen zusammenhandlosen Ton kann ich niemals identifizieren.....

das was du in deiner Beschreibung angibst, geht für mich eher nicht in Richtung des absoluten Gehörs....es gibt z.b. noch andere Phänome, wie menschen Töne und Accorde "hören" bzw. eher gesagt empfinden....hier wäre z.b. der große bereich des Synästhesie zu nennen

http://de.wikipedia.org/wiki/Syn%C3%A4sthesie

Manche Menschen hören Accorde und Töne z.b. bewußt oder unbewusst als Farben...z.b. C-Dur ist ein helles blau und D-moll ein dunkles Braun...und so haben sie bewußt oder unbewußt Widererkennungsmomente wenn sie bestimmte Liedtitel oder deren Anfangsaccorde hören....

wie nun auch immer ...aus der ferne kann man das eh schlecht sagen und auf jeden fall kann man feststellen das da eine gabe bei dir vorhanden ist die mit Tönen, Accorden usw. zu tun hat...das als absolutes gehör zu beschreiben halte ich momantan doch für zu gewagt....

weiterhin ist das absolute gehör auch keinerlei Garant für Musikalität oder die Fähigkeit Musikalität auszudrücken...es gibt bestimmt ganz viele Menschen die das haben, aber eventuell nie Musik machen, da es sie nicht interessiert und welche die es haben und schlechte Musiker ohne Ausdruck sind....es ist halt "nur " eine angeborene Fähigkeit wie z.b. ein krummer Daumen oder eine schöne Nase.....

Den meisten Absoluthörern die ich von der Zeit auf der Musikhochschule und aus dem orchester kenne, hat das abolute gehör im musikalischen Werdegang weder geholfen noch geschadet...ein gut gebildetes relatives Gehör kann bis auf die absolute Tonhöhenfeststellung genau das gleiche oder sogar besser..

mit viel Übung in Kursen in Gehörbildung, vierstimmiger Satz, Kontrapunkt etc...kann jeder versuchen, sich dort fortzubilden ob nun Absolut oder guter Relativhörer....bietet jede gute Musikschule oder Volkshochschule an...es gibt an Musikhochschulen z.b. auch Vorbereitungskurse für Aufnahmeprüfungen genau zu diesem Zweck....

PS..lese erst jetzt das Vor-Posting von Wolfgang.....danke Wolfgang...für das wofür ich 3 seiten gebraucht habe, hast du´es in 3 Sätzen geschafft....

PPS der Chorleiter gehört erschlagen...er stellt eine ungesicherte Dich verwirrende Diagnose...es wäre bessr hätte er nur gesagt "Oh...da kann aber jemand gut hören"
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MariusPetersGitarre
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Beitrag von MariusPetersGitarre »

auch Vorbereitungskurse für Aufnahmeprüfungen genau zu diesem Zweck....
jop bin bei solchen Kursen jetzt öfters. Es ist wirklich reine Übungssache. Muss mich aber auch immer dazu ein wenig motivieren - das Spielen macht mir dann schon mehr Spaß....:P
Gruß
Marius
Gast

Beitrag von Gast »

so gehts wohl fast allen.....;-)
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