´heißes´ Thema : Preisverhandlungen

Alles, was mit akustischer Gitarrenmusik zu tun hat und sonst nirgends hineinpaßt

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RB
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Beitrag von RB »

Warum macht das nicht jeder einfach, wie er will ? Damit wäre diese Diskussion überflüssig.
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DiSt
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Beitrag von DiSt »

Es macht ja jeder, wie er will. Die Eingangsfrage war doch genau die: wie haltet ihr das. Insofern finde ich es nicht verwunderlich, dass hier verschiedene Meinungen zu hören sind.

Allerdings schließe ich mich Saitensprung an: Ich versteh's auch nicht. Unsere angeblich so stark wettbewerbsbestimmte Marktwirtschaft, bei der (fast) alles über den Preis geregelt wird, lässt doch eigentlich so ein Verhalten seitens der Händler gar nicht zu. Eigentlich wäre doch logisch, den günstigst möglichen Preis zu nennen und sich damit gegenüber dem Wettbewerb, der noch Verhandlungsspielraum im Preis hat, abzusetzen.

Kann mir das ein Wirtschaftswissenschaftler mal erklären, bitte?
Dieter
notenwart
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Beitrag von notenwart »

@DiSt: wie Du eben schon sagtest, jeder macht es, wie er es möchte.
Es gibt Woche für Woche Radiowerbung, in der gesagt wird: „und Sie sparen 35%!“
Offensichtlich ist für die etwas mehr verstandesmäßig Handelnden der Gesamtpreis das Argument, für die etwas Emotionaleren zählt der Spareffekt
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Manati
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Beitrag von Manati »

RB hat geschrieben:Warum macht das nicht jeder einfach, wie er will ? Damit wäre diese Diskussion überflüssig.
Bingo. Auch das ist Marktwirtschaft.
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Holger Hendel
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Beitrag von Holger Hendel »

Kann mir das ein Wirtschaftswissenschaftler mal erklären, bitte?
WiWi sind nicht so mein Fachgebiet, dafür kann ich jedoch aus Erfahrung sagen: wenn Du in einem niedersächsischen Mittelzentrum einen heißen "point of sale" geschaffen hast, z.B. ein kleines "Fachgeschäft" für Musikerbedarf - dann rennen da erst mal alle hin, die Kids die Saiten brauchen, die Omma mitm Enkel der Gitarre spielen will, der Schlagzeuger von nebenan der Sticks und Felle braucht, der verplante Mucker der´nen Gig hat und vergessen hat die Kabel zu überprüfen usw. usw. - d.h. ein Standortvorteil. Und dann merkst Du ggf. ganz schnell, dass Du auch mal für´nen Satz Elixirsaiten 24 Taler nehmen kannst - weil es tatsächlich Leute bezahlen.
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Herigo
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Beitrag von Herigo »

mensch ich schon wieder :roll:

das handeln ist doch älter als das geld, sagt ein ötzi zum anderen, für meinen bock möchte ich fünf schafe, sagt der andere ich gebe dir aber nur drei mehr ist der mir nicht wert, sagt der eine wieder, nee also vier will ich mindestens, ich hab frau und kinder zu ernähren und umsonst will ich den bock nicht groß gefüttert haben, der gibt ja nicht mal milch. du willst mich ruinieren. sagt der andere also gut vier, ist doch ein schönes tier.

das ganze handeln hat doch nur einen grund, was will der eine dafür haben und was will der andere dafür geben.

das ist doch heute immer noch so, nur wird halt durch das tauschmittel geld das ganze etwas abstrakt. lustigerweise ist das drauflegen von naturalien wie saiten oder gurte sogar ein rückfall in die steinzeit.

es ist seit aeonen noch nie üblich gewesen den vom händler geforderten preis zu zahlen. handeln ist zeit urzeiten sitte und nicht ein zeichen deren verfalls.

also ist das nachfragen nach einem rabatt eher schon untertänig, man müsste sagen, ok nehme ich aber nur zu dem preis, der andere erwidert erstmal "niemals." dazu braucht man aber zeit und lust am handeln, wer hat die schon heute. also werden spielräume einkalkuliert und es ist vollkommen legitim erst mal das maximum zu fordern und es ist vollkommen legitim erst mal das minimum zu bieten. so was ist eigentlich handeln.
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Fabiansey
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Beitrag von Fabiansey »

Herigo hat es für mich auf den Punkt gebracht: Es lebe die Privatautonomie. Kein Verkäufer wird gezwungen sein Instrument für einen Preis zu verkaufen, den er für zu niedrig hält.
Oftmals denke ich, dass es sogar fairer ist den Verkäufer höflich zu fragen, ob man das Instrument nicht etwas günstiger bekommen kann, als es dann woanders zu kaufen und dem Verkäufer gar nicht die Chance gegeben zu haben, mit dem Preis entgegenzukommen.
Aber wie so oft-der Ton macht dabei natürlich die Musik
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DiSt
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Beitrag von DiSt »

Herigo hat geschrieben: ...das ganze handeln hat doch nur einen grund, was will der eine dafür haben und was will der andere dafür geben.
Na dann ist ja alles gut. Die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer ist unter dieser Vorgabe nicht nur legitim, sondern geradezu zwingend. Man hat ja dem doofen Nokia-Arbeiter rumänische Löhne geboten, wollte er nicht, ok, die Karawane zieht weiter. Oh, zwei Jahre später ist der Rumäne auch zu teuer, selbst schuld, soll er halt mit pakistanischen Löhnen zufrieden sein!
Dieter
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Pappenheim
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Beitrag von Pappenheim »

Dieter, Du hast ja gar keine Ahnung, wie sehr Du mir aus der Seele sprichst. :)
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Herigo
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Beitrag von Herigo »

@ dieter und pappenheim:

wer weiß, vielleicht bin ich doch noch ein neandertaler. :shock:

oder ihr habt meinen beitrag nicht richtig verstanden?

es ging doch um die archaische version des handelns, nicht darum wie vermehre ich mein kapital.

gerade weil man nicht handelt fördert man die verlagerung! nämlich um preise anzubieten die sich niemand mehr getraut zu verhandeln. aber zu erst verlagert man deshalb um das kapital nach dem rationalen prinzip mit möglichst geringem aufwand maximal zu vermehren.

ich bitte diesen satz etwas wirken zu lassen. auch wenn es etwas länger dauert.
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TorstenW
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Beitrag von TorstenW »

Ich denke nicht, dass man durch handeln oder nicht handeln irgendeine Art der Verlagerung der Produktion in Billiglohnländer fördert oder minimiert.
Man handelt mit dem Händler, nicht mit dem Hersteller.
Dem Hersteller ist es egal ob der Händler jetzt 30 oder 25% Gewinn macht. Der hat seine Marge schon vorher abgegriffen.

[quote="wuchris" Bei niedrigpreisigen Produkten macht handeln keinen Sinn, bzw. erscheint fast unverschämt. Kauft man aber jenseits der 2000er Grenze irgendwas MUSS man handeln, man denke nur an Autokauf.

Genauso läufts doch bei Gitarren ab 1500 Euro. Dem Verkäufer bricht kein Zacken aus der Krone entweder 1450 zu machen oder eben halt Gurt, Kabel, Saiten, o.ä. draufzulegen, was dann dem Kunden im Endeffekt auch das Gefühl bringt, erfolgreich gejagt zu haben.
[/quote]

Das find ich auch relativ sinnfreie Aussagen. Bei niedrigpreisigen Produkten mit 60% Gewinnmarge macht das Handeln keinen Sinn, aber bei hochpreisigen mit 30% Gewinnmarge schon?
Und zwar genau ab der magischen 1500€ Grenze?
Die Zahlen sind doch an den Haaren herbeigezogen, und in der Praxis siehst du selbst Leute bei 150€ Gitarren handeln, schon manchmal, weil das für den einen oder anderen extreme Ausgaben sind.

Und wenn man im Laden kein Unbekannter ist und dann mal etwas mehr Geld da lässt, gibt dir jeder Händler schon ganz ungefragt noch irgendwas dabei. Was ich schon alles an Saiten, Kabeln! Koffer etc ungefragt dazugeschenkt bekommen hab..
Ich glaub jeder Händler freut sich über nen Kunden der nicht gleich groß anfängt zu handeln
Hanjo

Beitrag von Hanjo »

Hallo,

beim Lebensmittelmarkt bezahlt man, beim Autohändler handelt man.
Gibts das irgendein Prinzip.
Ja gibt es. Es gibt Branchen die die sind kleiner als Christbaumschmuck, um das Beispiel Gitarrenhandel zu nehmen die Branche ist kleiner als Feuerwerkskörper. Dennoch sind es gerade die kleinen Branchen die
halt erfinderisch mit dem Wettberwerbs- Kartellrecht etc. umgehen.

Im obigen Thread schreibt jemand, was passiert, wenn ein´Händler sich nicht an Preisvorgaben hält. Er wird gesperrt. Diese illegale Preisbindung
ist in Deutschland unzweideutig ein kriminelles Delikt. Das wird schon im ersten Fall empfindich bestraft.

Noch zotiger wird das ganze, wenn Gebietsschutz, Vertriebsbindungen, Exklusivitäten etc. ausgesprochen werden um unliebsame Händler auszusperren. Das hat bisher fast nie vor der Kartellbehörde Bestand gehabt. Im Falle von Gitarren handelt es sich nicht um einen technisch hochberatungsintensives Produkt.

Nun die Händler die gesperrt werden bräuchten noch nicht einmal Geld in die Hand zu nehmen. Ein simples Briefchen an die Kartellbehörde reicht,
ein paar Mails wo der Hersteller sich wegen zu tiefer Preis beschwert hat, und schon bricht ein Unheil über den Hersteller herein welches apokalyptisch ist.

Aber manche Händler finden es ja eigentlich auch cool. Statt Beratung bieten sie Rabatte an und die hochpreisigen Händler sollen die Beratung machen.

Rabatte sind ein Wachtumsbedürfnis wie Alkoholkonsum. Damit sich möglich jeder in Deutschland als Smart-Konsumer fühlen kann sind die zweistelligen Rabatte auch bei AIDA, Centerparcs, im Fitnessstudio und
beim Kochtopf normal.

Also EVP oder Listenpreis oder wie auch immer man den normalen Laden oder Katalogpreis nennt, kann meinetwegen verboten werden. Ausnahme
konfigurierte Produkte wie Autos oder halt Produkte die aus gutem Grund der Preisbindung unterliegen. Konsequenterweise verbieten sich damit Rabatte von selber. Ursprünglich sollten solche Preise dem Verbraucher eine Hilfestellung geben.
Heute ist das Gegenteil der Fall, da viele Anbieter mit Mondpreispolitik arbeiten.
Bei Gitarren ist das nicht so, aber woher soll der Verbraucher das wissen wo er gerade vor 5 Min eine Reise mit 1000 Euro Nachlass gebucht hat.

Beste Grüße Hanjo
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Sperris
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Beitrag von Sperris »

Wenn eine Laden eine Gitarre zum Preis X auszeichnet, so ist das rein rechtlich gesehen die "Aufforderung zur Angabe eines Angebotes". Wieso soll dann handeln nicht legitim sein? Genauso wie ich sagen kann, dass mir dioe Ware zu teuer ist, kann der Verkäufer auch sagen, dass ihm mein Angebot zu wenig ist.

Ich bin auch eher ein schlechter Händler. Meine Frau hingegen eine sehr gute Händlerin. Jeder nach seiner Fasson. Ich finde weder das Eine, noch das Andere kritisch und maße mir kein Urteil an. Und das derjenige, der handelt die Kinderarbeit oder die Dumpinglöhne in China fördert halte ich für, gelinde gesagt, zu stark simplifiziert. Das ist imho Wirtschaftswissenschaft auf Stammtischniveau. Sorry.

Die Preise sind Dank Internet transparent. Und bei einem guten Service oder einer guten Beratung bin ich gerne bereit einen Aufschlag zu zahlen. Um Wucher mache ich jedoch einen Bogen.

Und das "20% auf Alles, außer Tiernahrung!" geht mir einfach nur auf den Sack! Naja, jeder blamiert sich so gut er kann!

Just my 2c


Gruß Ralf
Boucher Studio Goose Walnuss
Blueridge BR 371
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No Name Stratocaster
Hanjo

Beitrag von Hanjo »

Klar kannst Du in Deinem Laden die Preise festlegen. Klar kannst Du auch beispielsweise zu 1498 auszeichnen wenn das der EVP ist. Wenn Du Dich entscheidest zu 1398 auszuzeichnen und der Hersteller bemängelt das,
dann ist bereits diese "Preispflege" gesetzeswidrig. Sperrt er Dich wird es für Ihn richtig haarig wenn Du es zu Anzeige bringst.
Versucht er die Probleme mit einem selektiven Vertrieb zu Umgehen verstößt er fast immer ebenfalls gegen die Gesetze.

Du kannst als Händler auch Deine Gitarre beim spanischen Vertrieb kaufen.
Wenn der das unter Hinweis auf den deutschen Vertrieb ablehnt, muß er ebenfalls extrem gut seine Hausaufgaben gemacht haben. Sonst gibt es Haue von der europäischen Kartellbehörde.

Schon das reine Auskunftsersuchen in so einem Fall ist so weitreichend
dass es Ausmaße einer Steuerprüfung annimmt.

Also ich bin bei dem Thema wirklich ambivalent. Aber Handel und Industrie dürfen sich über Rabattsuchende Käufer nicht beschweren. Sie haben das
Umfeld dafür nach besten Kräften gestaltet.

Beste Grüße Hanjo
Gast

Beitrag von Gast »

DiSt hat geschrieben:

Die Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländer ist unter dieser Vorgabe nicht nur legitim, sondern geradezu zwingend.


hallo,
das ist nichts andere als fortschritt.
also die herstellung unter einfacheren/günstigeren bedingungen.
spezialwissen wird mit der zeit zum allgemeinwissen.
früher kam der elektriker zum wechseln einer glühbirne.
heute installiert der erfahrene laie die einfacheren bereiche der hauselektrik selbst.
früher kam ein meisterbetrieb zum parkettlegen. heute rennt man in den baumarkt und holt sich alles, incl. beratung.
heute gibt es zu fast allen denkbaren autotypen "jetzt helfe ich mir selbst", und der freie (und natürlich preiswertere) autoteilehandel boomt.

wer auf seinem status quo längere zeit sitzen bleibt, an dem zieht der fortschritt vorbei.

TR
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